Daran haben unsere Polizeibeamten einen großen Anteil. Sie leisten eine sehr wichtige und schwierige Arbeit, wie gerade auch diese vier Einsätze zeigen. Immer wieder riskieren Polizeibeamte für unsere Sicherheit ihre Gesundheit, sogar das eigene Leben. Die verantwortungsvolle Arbeit unserer Polizei sollten wir deshalb gemeinsam würdigen. Ich plädiere klar für die Aufklärung von Missständen, bitte aber darum, von Pauschalkritik an der Arbeit unserer Polizei abzusehen.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass angesichts einer gewissen Häme oder sogar Schadenfreude über die Fehler der Sicherheits- und Ordnungskräfte die teils entsetzlichen Anlassereignisse bzw. Verbrechen völlig in den Hintergrund treten.
Wir hatten es in Breitungen mit einem durchgedrehten Amokfahrer, in Rudolstadt mit einem rücksichtslosen Mörder und in Pößneck sowie Erfurt mit verfassungsfeindlichen Extremisten zu tun. Darüber, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollten wir in erster Linie bestürzt sein. Überdies gerät immer wieder in Vergessenheit, dass die Mehrzahl der Polizeieinsätze reibungs- und fehlerlos abläuft, und zwar so, dass wir es gar nicht merken. Ich kann es nicht oft genug betonen: Thüringen ist ein sicheres Bundesland und dafür sind in erster Linie unsere Polizeibeamten verantwortlich.
Ich jedenfalls möchte die Gelegenheit nutzen, ihnen meine Anerkennung und meinen Dank für ihre tägliche, überwiegend erfolgreiche Arbeit auszusprechen. Heute befassen wir uns mit vier Polizeieinsätzen, über die ich bereits im Innenausschuss ausführlich berichtet habe.
Zunächst zu dem Einsatz in Breitungen, bei dem ein unbeteiligter Lkw-Fahrer ums Leben kam: Am Freitag, dem 1. April 2005, erhielt die Polizeiinspektion Bad Salzungen um 5.40 Uhr den Anruf eines Bürgers, der erklärte, sein Lkw sei gerade gestoh
len worden. Mit Hilfe dieses Bürgers gelang es der Polizei neun Minuten später, den flüchtenden Lkw mit dem ersten Funkstreifenwagen zu erreichen. Diesem Funkstreifenwagen war es jedoch nicht möglich, den flüchtenden Lkw zu überholen, da dieser mit hoher Geschwindigkeit die gesamte Fahrbahn nutzte und gefährliche Überholmanöver durchführte. Der Lkw-Dieb zeigte von Beginn an ein rücksichtsloses Fahrverhalten, mit dem er die Sicherheit der Teilnehmer im Straßenverkehr erheblich gefährdete. Er fuhr in Schlangenlinien und teilweise auch auf der Gegenfahrbahn durch das Stadtgebiet von Bad Salzungen. Selbst auf einer Kreuzung überholte er einen Pkw; unterwegs rammte der Amokfahrer im weiteren Verlauf Lichtmasten, Begrenzungen, ein Auto und sogar ein Haus. Eine erste reale Chance, den Amokfahrer zu stoppen, ergab sich für die Polizei, als dieser an einer Bahnschranke anhalten musste. Als sich die Polizeibeamten jedoch dem Fahrzeug näherten, fuhr der Amokfahrer unter großer Beschleunigung rückwärts und schob ein hinter ihm befindliches Fahrzeug rücksichtslos zurück. Die Polizeibeamten konnten sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen, ebenso wie zwei weitere Personen aus einem weiteren Pkw. Die Polizeibeamten entschlossen sich nun, den Lkw durch Schusswaffeneinsatz zum Stehen zu bringen. Die Schüsse auf die Reifen blieben allerdings ohne Erfolg. Der Amokfahrer beschleunigte den Lkw wieder und flüchtete. Die Polizisten, die die Verfolgung wieder aufnahmen, verloren zunächst den Sichtkontakt zum Fluchtfahrzeug. Zu diesem Zeitpunkt erhielt der Funkstreifenwagen Unterstützung durch zwei weitere Funkstreifenwagen. Nach rund fünf Minuten Suche konnte der Sichtkontakt zwischen einem der drei Streifenwagenbesatzungen und dem flüchtenden Lkw wieder hergestellt werden. Ein Vorbeifahren oder Überholen war aus den bereits genannten Gründen nicht möglich. Zwischenzeitlich traf ein weiterer Funkstreifenwagen ein. Gegen 6.00 Uhr entschied sich die Besatzung, den Lkw durch eine Straßensperre an einem Weiterfahren zu hindern. Sie befanden sich zu diesem Zeitpunkt in geraumer Entfernung vor einer stark befahrenen Kreuzung, die unübersichtlich und nur über einen abschüssigen und kurvigen Streckenverlauf zu erreichen ist. Zur Zeit des Ereignisses herrschte starker Berufsverkehr. Aus Sicht der Polizisten galt es daher, diese Kreuzung vor einer unkontrollierten Fahrt des Tatfahrzeuges zu schützen. Auf dem Weg zur Kreuzung befand sich zu diesem Zeitpunkt ein Lastzug auf der B 19. Die Funkwagenbesatzung überholte diesen und hielt ihren Wagen ca. 800 m vor der Kreuzung an. Sie beabsichtigten, den Lastzug des später getöteten Lkw-Fahrers als Hindernis einzusetzen. Auf diese Weise sollte die Flucht des gestohlenen Lkws beendet werden. Ein Beamter verließ den Streifenwagen und forderte den Lkw-Fahrer auf, sein Fahrzeug quer auf die Fahrbahn der B 19 zu stellen. Dieser Aufforderung
kam der Lkw-Fahrer sofort nach. Noch beim Rangieren des Lastzuges näherte sich der flüchtende Lkw mit sehr hoher Geschwindigkeit. Als der Fahrer des Lastzugs sein Fahrzeug quer auf der Straße zum Stehen gebracht hatte und im Begriff war, auszusteigen, raste der flüchtende Lkw links in den zur Sperre aufgebauten Lastwagen. Dabei erfasste er den gerade aussteigenden Fahrer tödlich. Der Lkw kam im gegenüberliegenden Straßengraben zum Stehen. Der Fahrer des flüchtenden Lkws wurde im Fahrerhaus unverletzt festgenommen. Der tödlich verletzte Lastwagenfahrer aus Nordrhein-Westfalen hinterlässt eine Frau und zwei volljährige Kinder. Ich habe der Witwe des getöteten Mannes meine Anteilnahme und die Anteilnahme der Thüringer Landesregierung und mein tiefes Mitgefühl übermittelt. Ich habe dafür Sorge getragen, dass sie schnell und unbürokratisch eine Soforthilfe überwiesen erhalten hat. Ihre weiteren Ansprüche werden selbstverständlich rasch und umfassend bearbeitet werden. Derzeit prüft der leitende Oberstaatsanwalt im Ruhestand, Herr Sauter, die Geschehnisse. Ich habe ihn gebeten, den genauen Hergang des Einsatzes zu analysieren, um Antworten auf offene Fragen zu finden. Untersucht werden die Fehlschüsse der Polizei vor dem Bahnübergang ebenso wie die Abstimmung des Polizeieinsatzes durch die Beteiligten. Insbesondere wird Gegenstand der Untersuchung sein, ob und inwieweit es vertretbar war, den Lkw-Fahrer in die Gefahrenabwehr einzubeziehen. Grundsätzlich erlaubt es unser Polizeiaufgabengesetz, in solchen Fällen die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, in denen andere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht greifen und dies ohne erhebliche Gefährdung der Helfer möglich ist. Der Abstand zwischen dem Amokfahrer und dem hilfsbereiten Lkw-Fahrer war offenbar geringer als die Beamten annahmen, die den Lkw-Fahrer um Hilfe gebeten hatten. Der den Lkw-Fahrer auffordernde Beamte stand nach eigenen Angaben ca. fünf Meter vor diesem Lkw, was er sicher nicht getan hätte, wenn er zu diesem Zeitpunkt mit einer akuten Gefahr gerechnet hätte. Genaue Erkenntnisse werden die staatsanwaltschaftlichen und die behördeninternen Untersuchungen erbringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns zum Polizeieinsatz anlässlich des NPD-Parteitags und dem Skinhead-Konzert in Pößneck vom 2. April 2005 kommen. In der Besprechung zur Sicherheitslage am Donnerstag, dem 31. März 2005, im Innenministerium informierte der Verfassungsschutz die Polizei über Hinweise auf ein Konzert der rechten Szene am Samstag, dem 2. April 2005, im Raum Nordhausen. Dieses Konzert sollte das Abschiedskonzert der Szenekultfigur Michael Regener alias Lunikoff vor dem Antritt einer mehrjährigen Haftstrafe sein. Als Treffpunkt wurde für den 2. April 2005, 18.00 Uhr, das Hermsdorfer Kreuz angegeben.
Von hier aus wollten die Veranstalter die Teilnehmer zum genauen Veranstaltungsort lotsen, der den Sicherheitsbehörden ebenso wie den meisten Teilnehmern im Vorfeld des Konzerts unbekannt war.
Ausgehend von dieser Information präparierte sich die Polizeidirektion Nordhausen für einen möglichen Einsatz. Am Samstag, dem 10. April 2005, 10.00 Uhr, informierte das Landesamt für Verfassungsschutz das Landeskriminalamt, dass der zwei Wochen zuvor abgesetzte Parteitag im Schützenhaus in Pößneck und im Anschluss daran das besagte Skinhead-Konzert dort stattfinden solle. Als Veranstaltungsbeginn galt zunächst 20.00 Uhr. Die Polizeikräfte, die ursprünglich für Nordhausen vorgesehen waren, wurden daraufhin nach Pößneck verlegt. Nach Befragung des Veranstalters und anschließender Besichtigung der Örtlichkeiten sowie unter Würdigung eigener Aufklärungsergebnisse kam die Einsatzleitung zu der Einschätzung, ein eigenständiges Skinhead-Konzert werde nicht stattfinden. An dieser Einschätzung orientierte sich dann auch die Kräfteanforderung. Erst im Laufe des Nachmittags verdichteten sich die Anzeichen, dass neben dem NPDParteitag doch ein Skinhead-Konzert geplant sei.
Ausgehend von der steigenden Personenzahl und bisherigen Erfahrungen schätzte die Polizei die Zahl der zu erwartenden Besucher auf rund 250. Infolge dieser Einschätzung, die sich inzwischen als offensichtliche Fehleinschätzung erwiesen hat, wurde zwar eine Kräfteverstärkung angefordert, jedoch nicht in dem Umfang, die der Größe der Veranstaltung einsatztaktisch gerecht geworden wäre. Den vorhandenen Polizeikräften - insgesamt ca. 200 Beamte unterstützt durch eine durch Sachsen-Anhalt entsandte Einsatzhundertschaft - standen mindestens 1.000 Skinheads im Schützenhaus gegenüber. Gegen 18.00 Uhr untersagte die Stadtverwaltung Pößneck das Konzert. Damit war es illegal. Um 20.30 Uhr begann die Musikveranstaltung dennoch. Die Einsatzleitung entschied sich, die Musikveranstaltung nicht aufzulösen. Neben dem ungünstigen Kräfteverhältnis sprach hierfür unter anderem der Umstand, dass in Pößneck ein Kneipenfestival stattfand. Selbst bei einer erfolgreichen Auflösung der Versammlung hätte die Gefahr bestanden, dass die teilweise stark alkoholisierten und gewaltbereiten Skinheads dieses Festival massiv gestört hätten. Bis zum Ende des Konzerts um 0.30 Uhr beschränkten sich die polizeilichen Maßnahmen daher darauf, Straftaten im Umfeld des Veranstaltungsobjekts bzw. Übergriffe aus dem Objekt heraus zu verhindern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Worte zur Bewertung sagen, die vor Abschluss der endgültigen Überprüfung aber naturgemäß nur eine vorläufige sein kann. Bei der
NPD handelt es sich um eine nicht verbotene Partei. Die Ordnungsbehörden haben die NPD also wie jede andere Partei zu behandeln. Es bestand deshalb keine Möglichkeit, den Parteitag im Schützenhaus zu unterbinden oder den Teilnehmern den Zugang zu verwehren. Dass die NPD ein solches Konzert deckt oder gar organisiert, ist allerdings bezeichnend für diese Partei. Ich habe bereits gesagt, dass die Zahl der Teilnehmer falsch eingeschätzt wurde. Bei richtiger Einschätzung wäre es möglich gewesen, eine hinreichende Anzahl an Polizeikräften aufzubieten. Aber in Anbetracht des Kneipenfestivals wäre auch bei einem günstigeren Kräfteverhältnis der Polizei eine Auflösung der Veranstaltung nicht unproblematisch gewesen. Es galt Eskalationen zu vermeiden und friedliche Menschen vor gewaltbereiten Skinheads zu schützen. Polizeitaktisch richtig wäre es gewesen, die Skinheads schon von einem Eintreffen in Pößneck abzuhalten. Aus den Ereignissen von Pößneck wird die Polizei Lehren zu ziehen haben. So wird sehr genau zu prüfen sein, wie die Verfügbarkeit von Polizeikräften an Wochenenden erhöht werden kann. Ab sofort leitet - wie Sie alle inzwischen wissen - der Innenstaatssekretär die wöchentliche Besprechung der Sicherheitslage selbst. An ihr nehmen alle hierfür zuständigen Behörden- und Abteilungsleiter teil und es wird mir persönlich dann am Freitagmorgen über die Einschätzung der Wochenendlage berichtet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme nun zu dem Polizeieinsatz in Rudolstadt. Am 5. April 2005 kam es dort zum Streit zwischen dem Täter und zwei anderen Männern, in dessen Folge der Täter einen Mann durch zwei Kopfschüsse tödlich und den anderen durch einen Kopfschutz schwer verletzte. Der Täter verließ mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin und dem gemeinsamen sechs Monate alten Sohn das Haus, um mit einem BMW fluchtartig den Tatort zu verlassen. Eine Zeugin hatte zwischenzeitlich die Polizeiinspektion informiert. In Tatortnähe befand sich ein Funkstreifenwagen, der den Tatort zum Zeitpunkt der Flucht des Täters erreichte. Dieser fuhr mit hoher Geschwindigkeit rückwärts in Richtung Markt. Die Beamten versuchten den Pkw zu stoppen. Der Täter ignorierte jedoch die Anhaltezeichen eines Beamten. Er fuhr diesen mit dem Fahrzeugheck an, so dass der Beamte über die Kofferraumklappe auf die Straße geschleudert und verletzt wurde. Als der Täter mit durchdrehenden Rädern auf den am Boden liegenden Beamten zufuhr, schossen die beiden Polizeibeamten auf das flüchtende Täterfahrzeug insgesamt 16-mal nach neuestem Stand. Dabei wurde der Täter durch einen Schuss tödlich verletzt. Die Beifahrerin erlitt eine Schussverletzung am Arm. Das Kleinkind im Fahrzeug, von außen für die Beamten nicht wahrnehmbar, blieb glücklicherweise unverletzt. Das Fahrzeug fuhr ungebremst gegen eine Hauswand; der Tatver
dächtige starb noch vor Ort. Der Täter verfügte nicht über eine waffenrechtliche Erlaubnis zum Führen einer Schusswaffe. Es ist nach derzeitigen Erkenntnissen davon auszugehen, dass es sich wohl eher um eine Streitigkeit im kriminellen Milieu gehandelt hat. Über alle drei beteiligten Männer gibt es kriminalpolizeiliche Erkenntnisse. Sowohl die kriminaltechnischen Untersuchungen als auch die kriminalpolizeilichen Ermittlungen werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Eine eigens hierfür eingerichtete Arbeitsgruppe der Abteilung interne Ermittlungen und die Kriminalpolizeiinspektion Saalfeld bearbeiten dieses Verfahren. Zu den Umständen des Todes des Tatverdächtigen wurde wegen vorliegenden Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eingeleitet. Aus welcher Waffe der tödliche Schuss abgegeben wurde, ist bislang unklar. Wegen der Verletzungen der Beifahrerin wurde ebenfalls ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung eingeleitet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Samstag, dem 16. April 2005, fanden in der Innenstadt von Erfurt eine angemeldete NPD-Standkundgebung sowie mehrere angemeldete Gegenveranstaltungen statt. Zentraler Veranstaltungsort war der Erfurter Anger, auf dem insgesamt vier Veranstaltungen, darunter auch die der NPD, durchgeführt wurden. Im Zuge des Anmeldeverfahrens wurden gegenüber der NPD-Veranstaltung verschiedene Auflagen erteilt, allerdings sollte diese auf dem Anger stattfinden. Am Freitag, dem 15. April 2005, erließ die Versammlungsbehörde der Stadt Erfurt auf Rat des Innenministeriums einen Bescheid, mit dem die Verlegung der NPD-Kundgebung auf den Vorplatz des Erfurter Hauptbahnhofs, dem Willi-Brandt-Platz, angeordnet wurde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieses Bescheids wurde jedoch nach Widerspruch des Versammlungsleiters der NPDKundgebung durch das Verwaltungsgericht Weimar aufgehoben, so dass die Veranstaltung, wie ursprünglich vorgesehen, auf dem Anger an dem vorgesehenen Standort stattfinden musste. Am Veranstaltungstag folgten viele Bürger den Aufrufen aller Parteien des Erfurter Stadtrats, ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Sie fanden sich ebenfalls auf dem Anger ein. Außerdem hatten dort nahezu alle Parteien genehmigte Stände und auch zum Teil in dem Umfeld. Bei einer beträchtlichen Anzahl von Teilnehmern, die dem linksautonomen Spektrum zuzurechnen waren, herrschte von Beginn an eine aggressive Grundstimmung vor.
mensschildern sowie weißer Mütze gekennzeichnet sind. Diese trafen immer wieder auf erheblich alkoholisierte Demonstrationsteilnehmer, die einen konstruktiven Dialog ablehnten. Die Polizei sah sich daher veranlasst, in Richtung Hauptpost eine Sperrkette zu stellen, um den Aufbau der angemeldeten NPD-Kundgebung zu ermöglichen. Ein unmittelbares Zusammentreffen beider Lager sollte so vermieden werden. Mit Beginn der NPD-Veranstaltung um 11.13 Uhr wurden in der Menge der Gegendemonstranten die Bemühungen verstärkt, durch ein lautstarkes Konzert von Trillerpfeifen und Sirenen die NPD-Kundgebung zu übertönen. Mit zwei Lautsprecherdurchsagen forderte die Polizei daraufhin die Menge auf, die Störungen der NPD-Versammlung zu unterlassen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich zahlreiche Gegendemonstranten im Bereich des Angers, von denen ein großer Teil der linksextremen Szene zuzurechnen war. Ich hatte es heute Vormittag bereits gesagt, bezüglich der Zahl liegen die Einschätzungen relativ weit auseinander. Demgegenüber nahmen an der NPD-Kundgebung ca. 70 Personen teil. Zusätzlich zu den Veranstaltungsteilnehmern hielten sich ständig ca. 2.000 Personen, das heißt schaulustige Besucher, friedfertige Leute, im Bereich des Angers auf. Im weiteren Verlauf erhöhte sich der Druck auf die Sperrkette kontinuierlich. Die Bemühungen der Kommunikationsbeamten zur Deeskalation blieben ohne Erfolg; es kam zu ersten Würfen mit Eiern, Äpfeln, Kartoffeln, Plastik- und Glasflaschen auf die Teilnehmer der NPD-Kundgebung. Nachdem erneute Aufforderungen der Polizei zur Unterlassung von gewalttätigen Aktionen erfolglos blieben, trafen gegen 11.50 Uhr die Wasserwerfer am Anger 1 ein. Die Stimmung unter den Gegendemonstranten, von denen einige die gewalttätigen Aktionen zumindest tolerierten, ließ es nicht zu, gezielt Störer aus der Kundgebung herauszugreifen. Es folgten dann weitere Lautsprecherdurchsagen, mit der auch weiterreichende polizeiliche Maßnahmen angekündigt wurden. Da die NPD-Veranstaltung auch danach unverändert den Würfen der gewaltbereiten Gegendemonstranten ausgesetzt war, sah die Polizei keine andere Möglichkeit, als mit unmittelbarem Zwang gegen die Störer vorzugehen. Die Wasserwerfer kamen insgesamt dreimal zum Einsatz; dabei wurde die niedrigste Stufe, Wasserregen ohne Reizstoffe, eingesetzt. Der Wasserstrahl wurde nicht direkt auf Personen gerichtet. Gleichzeitig konnte durch eine Verstärkung der Sperrkette die Distanz zwischen der NPD-Kundgebung und der Gegendemonstration vergrößert werden. Um 13.25 Uhr wurde die Standkundgebung der NPD beendet. Die Polizei nahm im Verlauf des Einsatzes 14 Personen des linken Spektrums und zwei Personen des rechten Spektrums vorläufig fest. Drei Personen der rechten Szene wurden in Gewahrsam genommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Analyse des Polizeieinsatzes in Erfurt am vergangenen Samstag hat bislang ergeben, dass die Polizeiaufrufe unmittelbar vor dem Einsatz der Wasserwerfer möglicherweise nicht von allen Teilnehmern zu verstehen waren. Diesem Vorwurf werden wir nachgehen. Den Vorwurf, die Polizei habe zu einer Eskalation an Gewalt beigetragen, möchte ich jedoch nicht im Raum stehen lassen. Die Maßnahmen der Polizei einschließlich des Einsatzes der Wasserwerfer waren in ihrer Stufenfolge angemessen. Aufgrund der gewalttätigen Aktionen hätte die Polizei die Gegenkundgebung auflösen können. Der Polizeiführer verzichtete jedoch auf diese Ultima Ratio und versuchte stattdessen, durch Zurückdrängen der Gegendemonstranten das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für alle Anwesenden aufrechtzuerhalten.
In den Medien ist wiederholt kritisch hinterfragt worden, warum die Polizei nicht einzelne Störer aus der Deckung der Gegendemonstranten herausgelöst hat. Wie bisherige Einsatzerfahrungen zeigen, hätte ein solches Vorgehen die Anwendung unmittelbaren körperlichen Zwangs - im Klartext: von Schlagstöcken - erfordert, davon wären möglicherweise auch friedliche Demonstranten betroffen worden. Überdies hätte ein solches Vorgehen die Gefahr weiterer Eskalationen in sich geborgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich noch mal betonen, dass die Polizei die Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit aller zu gewährleisten hat. Sie hat die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten zu gewährleisten, und zwar ohne Ansehen der Person und unabhängig von etwaigen Inhalten. Sie hat die politische oder moralische Richtigkeit eines von der Verfassung geschützten Verhaltens nicht zu prüfen. Deshalb muss sie auch die legalen Versammlungen und Aufzüge der NPD vor Steinewerfern aus dem autonomen Spektrum schützen, ebenso wie sie umgekehrt linke Demonstranten vor rechtswidrigen Übergriffen aus dem rechten Lager schützen muss. Vor diesem Hintergrund habe ich auch kein Verständnis dafür, wenn aus politischem oder persönlichem Eigennutz immer wieder versucht wird, die Polizei zum Gesinnungsgenossen und Gewährsmann der Neonazis abzustempeln. Sie tut nur, wofür sie in unserem Rechtsstaat verpflichtet ist; das kann nicht oft genug betont werden. Wenn in diesem Zusammenhang auch allgemein die Fähigkeit der Thüringer Polizei von dem einen oder anderen angezweifelt wird, so möchte ich doch noch auf Folgendes hinweisen: Wir hatten am 06.04.2005 bis zum 10.04.2005 in Weimar die Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald. Sie wissen, dass zur zentralen Gedenkfeier am 10.04.2005 800 geladene Gäste anwesend waren, dass dies
eine Großveranstaltung war und insgesamt ca. 1.100 Polizeibeamte zum Einsatz kamen. Darunter waren je eine Einsatzhundertschaft aus den Freistaaten Bayern und Sachsen. Diese Veranstaltung, die recht schwierig sicherheitsmäßig abzuschirmen war, ist ohne jegliche Probleme abgewickelt worden und der Polizei muss man hierfür unseren höchsten Dank aussprechen.
Des Weiteren wurden am 20.04.2005 in den Abendstunden von der Polizeidirektion Gotha Feststellungen getroffen, dass in einem Lokal eine rechtsgerichtete Organisation, nämlich die Kameradschaft Eisenach, den Geburtstag von Adolf Hitler feiern wollte und dort ihre Utensilien mitgebracht hatte - Hakenkreuz, Fahne, CDs, Videokassetten, eine Büste von Adolf Hitler und umfangreiche Foto- und Videoaufnahmen. Es waren 22 Beamte der Polizeidirektion Gotha im Einsatz, die Personalien wurden festgestellt, es kam zu zahlreichen vorläufigen Festnahmen und es sind hier die entsprechenden Maßnahmen der Staatsanwaltschaft dann eingeleitet worden. Sie sehen also, dass die Thüringer Polizei außerordentlich aufmerksam ist.
Des Weiteren verweise ich auf den Vorfall in Gotha am 09.04.2005, und zwar versuchten hier 12 Personen aus der rechtsradikalen Szene ein Konzert zu veranstalten und dies in einem ehemaligen Firmengebäude stattfinden zu lassen. Auch diese Veranstaltung wurde von der Polizei unterbunden. Auch dies ist, so denke ich, ein Erfolg, der ermöglicht wurde zum einen durch einen Hinweis einer aufmerksamen Bürgerin, und da möchte ich der Bürgerin auch herzlich danken
und ich wünschte mir, dass wir mehr solche aufmerksamen Bürger und Bürgerinnen hätten, und der Verfassungsschutz hatte, nach dem, was mir bekannt gemacht worden ist, ebenfalls einen Hinweis gegeben.
Zuletzt vielleicht noch eines: Heute Morgen wurde angeführt, die Thüringer Polizei würde gegen Neonazis nichts unternehmen. Das war, glaube ich, der Abgeordnete Bärwolff, der dies allgemein als Behauptung in den Raum stellte.
(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Nein, wir hatten über Erfurt gesprochen und ein konkretes Beispiel benannt. Ich bitte Sie nachzulesen.)
dies nicht der Fall war. Ich sehe jeden Tag den Lagebericht und es sind häufig auch Anzeigen und Festnahmen, vorläufige Festnahmen dort enthalten, die in der Nacht oder am Abend zuvor wegen Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen etc. erfolgt sind, und das in ganz erheblichem Maße. Ich wollte es nur anführen. Es kann ja sein, dass Herr Bärwolff das anders gemeint hat oder nur auf Erfurt bezogen hat.
Insgesamt: Es gibt und es gab Mängel bei diesen Einsätzen, die unterschiedliche Ursachen haben. Wir haben einige Dinge noch zu prüfen. Aber wenn man sich die Thüringer Polizei insgesamt anschaut bei der Vielzahl der Dinge, die sie zu tun hat, bei den vielen Einsätzen, bei der täglichen Arbeit, so kann man sagen, dass die Thüringer Polizei durchaus eine stabile Polizei ist und wir alle ihr unseren Dank aussprechen sollten.
Ich danke Herrn Minister Gasser für seinen Sofortbericht. Mir liegen Wortmeldungen aus allen drei Fraktionen vor. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Ramelow von der PDS-Fraktion das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde gern mit ein paar prinzipiellen Bemerkungen beginnen. Die erste Bemerkung: Der demokratische Rechtsstaat funktioniert, indem alle Gliederungen des Rechtsstaats miteinander die inhaltlichen Ziele des Rechtsstaats verteidigen. Dazu gehören die aktiven Bürger genauso wie diejenigen, die das Gewaltmonopol des Staates ausüben, also die Polizei. Man kann das eine nicht von dem anderen loslösen, man muss es in Beziehung zueinander setzen, aber das sind keine inhaltsleeren Beziehungen, Herr Gasser. Die inhaltliche Beziehung muss sein, dass auch der Einsatz der Polizei in einer Wechselbeziehung zu den Bürgern stehen muss und nicht den Bürgern Angst machen darf.
Deswegen eine zweite sehr prinzipielle Bemerkung: Wir lassen uns auch als PDS nicht in die Ecke stellen, als wenn wir diejenigen wären, die die Polizei als die apokalyptischen Reiter von Thüringen darstellen. Wir stehen an der Seite der Polizistinnen und Polizisten, die ihre Haut hinhalten,
ja, da können Sie schreien, Ihre Landesregierung kürzt gerade das Weihnachtsgeld von den Polizeibeamten,
Ihre Landesregierung verlängert gerade die Arbeitszeit. Da können Sie noch so Laolawellen machen, das empfinde ich als heuchlerisch, dann zu sagen, die PDS ist diejenige, die nur gegen die Polizei spricht, während Sie an Ihren Taten zu messen sind, wie Sie mit den Beamtinnen und Beamten umgehen. Und ich finde einen Bericht, den ich in einer großen deutschen Tageszeitung gelesen habe, schon eine Verhöhnung, dass man sagt, daran sind nur die Ost-Polizisten schuld an dem Zustand, den wir haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine Sicht auf Zustände und Umstände in Thüringen, die ein Zerrbild ist von dem, was wirklich in diesem Land los ist. Die Polizistinnen und Polizisten - und davon kenne ich eine ganze Reihe - fühlen sich nicht wohl, wenn sie in der ersten Reihe stehen müssen und den Eindruck erwecken, als wenn sie Nazis verteidigen müssten. Ich weiß, dass genügend Polizistinnen und Polizisten an dieser Stelle gern deutlich machen würden, auf welcher Seite sie sind. Und ich weiß, dass es genügend Einsätze in Thüringen gegeben hat, Herr Gasser, an denen ich auch persönlich anwesend war, wo ich andere Einsatzleitungen erlebt habe. Ich sage mal ganz ausdrücklich: Wenn wir uns mit dem Samstag in Erfurt auseinander setzen, ist das keine Pauschalkritik an den Polizistinnen und Polizisten, sondern eine konkrete Kritik an den Abläufen, wie sie gewesen sind und wer sie zu verantworten hat, und auch an Übergriffen, die stattgefunden haben.
Deswegen habe ich überhaupt keine Last damit, sondern es ist mir wichtig zu sagen: Wer Steine schmeißt, der besorgt das Geschäft von den Nazis. Wer besoffen rumrandaliert ist keiner, der wirklich Widerstand leisten will. Bei denjenigen müssen wir gemeinsam als diejenigen, die dann die Bündnisse verabreden, auch dafür Sorge tragen, dass für solche kein Platz ist. Dass man auch mit eigenen Mitteln einwirkt, dazu brauchen wir aber nicht die Polizei, dazu brauchen wir ein gutes Bündnis, das miteinander funktioniert und auch nach vorn den Wunsch stellt, gegen braunen Ungeist zivilgesellschaftliches Engagement zu stellen. Deswegen, Herr Gasser, kann ich Ihnen sagen, in Leinefelde haben wir einen anderen Polizeieinsatz erlebt, einen Polizeieinsatz, der sehr wohl mit den Demonstran