Protokoll der Sitzung vom 09.09.2004

Und wer zu Recht die steigende Arbeitslosigkeit beklagt, von der gegenwärtig bundesweit über 4,3 Millionen Menschen betroffen sind, der darf nicht vergessen, dieser Zustand ist auch die Folge einer maßlosen Lohnpolitik, die die Gewerkschaften zeitweise in den alten Ländern über Jahre betrieben haben.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Feindbild nennt man das, was Sie sagen.)

Die Bundesregierung hat natürlich auch eklatante Fehler bei der Umsetzung dieses wichtigen Projekts Hartz IV gemacht. Dass sie zum Beispiel das Arbeitslosengeld II erst im Februar auszahlen wollte, dass sie die Menschen mit einer desolaten Informationspolitik verunsichert hat, sind nur zwei Beispiele. Vor allem hat die rotgrüne Bundesregierung nicht berücksichtigt, dass es im Unterschied zu den alten Ländern in Ostdeutschland viermal so viele Arbeitslosenhilfewie Sozialhilfeempfänger gibt. Damit wird den Menschen in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eine deutlich höhere Last aufgebürdet.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Was sagen Sie denn da?)

Deshalb muss in den neuen Ländern mehr gefordert und auch gefördert werden. Bisher sind die Fördermaßnahmen auf der Strecke geblieben.

(Beifall bei der CDU)

Und es stimmt, Hartz IV ist für die Betroffenen eine bittere Medizin. Aber auch das ist richtig, sie ist notwendig, wenn die "Operation Arbeitsmarkt" gelingen soll. Wichtig ist aber dabei, dass in den nächsten Wochen dem Aspekt des Förderns mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ich nenne zum Beispiel die Einführung eines Niedriglohnsektors mit staatlichen Lohnkostenzuschüssen. Der schafft neue Anreize zur Arbeitsaufnahme.

(Zwischenruf Abg. Reimann, PDS: Das haben wir doch schon 14 Jahre gehabt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf Landesebene werden wir deshalb in der Arbeitsmarktpolitik notwendige Anpassungen an die neuen Rahmenbedingungen vornehmen. An der Zielrichtung wird sich dadurch nichts ändern; das zentrale Ziel bleibt die Wiedereingliederung Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen dazu weiterhin auf wirtschaftsnahe und arbeitsplatzschaffende Maßnahmen, wie das Programm "50 PLUS", über das seit dem Programmstart vor 4 Jahren 6.161 neue Dauerarbeitsplätze begründet wurden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Wettbewerbsbremsen müssen gelockert werden, damit wieder neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen. Doch wir sollten dabei nicht vergessen, der Wohlstand eines Landes hängt auch davon ab, ob der Rechtsstaat seine Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen vor Straftaten schützen kann. Potenzielle Investoren machen ihre Entscheidung auch davon abhängig, wie sicher ist ein Standort. Thüringen ist, Gott sei Dank, ein sicheres Land. Die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen können sich darauf verlassen, dass die Polizei in Notlagen rasch und wirksam eingreift und zur weiteren Verbesserung der ohnehin schon guten Sicherheitslage werden wir die Strukturen der Polizeiorganisation auf ihre Leistungsfähigkeit hin überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Deshalb danke ich ausdrücklich den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, dass sie oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens wesentlich dazu beitragen, dass wir alle sicher leben können.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Vertrauen in den Rechtsstaat kann nur wachsen, wenn die Verfolgung von Straftaten erkennbaren Erfolg hat.

Die DNA-Analyse ist ein hocheffizientes und deshalb unverzichtbares Mittel zur Aufklärung von Straftaten.

(Beifall bei der CDU)

Und deshalb setzt sich die Landesregierung dafür ein, den Anwendungsbereich der DNA-Analyse zu erweitern und konsequent alle Möglichkeiten zu nutzen, insbesondere um die Bevölkerung vor Sexualstraftätern zu schützen.

(Beifall bei der CDU)

Sicherheit kann es ohne einen leistungsfähigen Justizvollzug nicht geben. Zusätzliche Haftplätze werden dringend benötigt. Deshalb genießt die Erweiterung der Justizvollzugsanstalt Tonna allerhöchste Priorität.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, politisch motivierte Straftaten und extremistische Bestrebungen müssen auch weiterhin wirkungsvoll bekämpft werden. Deshalb bleibt die Bundesregierung aufgefordert, das Versammlungsrecht zu verschärfen. Es muss möglich sein, extremistische Versammlungen an besonders sensiblen Orten oder zu besonders sensiblen Zeiten zu verbieten oder erheblich einzuschränken. Gerade nach den Erfahrungen mit zwei Diktaturen müssen wir hier endlich handeln.

(Beifall bei der CDU)

Zur Aufarbeitung der Diktaturen müssen wir auch als Politiker weiter beitragen. Dazu gehört auch, alle Möglichkeiten zu prüfen, die uns dem Ziel einer angemessenen Pension für die Opfer des SED-Regimes näher bringen. Nicht die Täter und Nutznießer des SED-Regimes, sondern die Opfer bedürfen unserer Unterstützung und Solidarität.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Bravo!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Mittelstandspolitik, Innovationspolitik, das macht sehr deutlich, Bildung ist der Schlüssel für Entwicklung und Innovationen in unserem Land. Deshalb wird der Bildungs- und Erziehungsbereich auch in Zukunft einen wesentlichen Schwerpunkt der Landespolitik ausmachen. Er steht unter dem Leitgedanken "Lebenslanges Lernen" und Ziel der Heranbildung von mündigen, urteilsfähigen und verantwortungsbewussten Menschen, die fähig sind, sich in einer rasch verändernden Welt zurechtzufinden, ist Grundauftrag dieses lebenslangen Lernens. Unsere Gesellschaft muss sich aber dafür auch auf einen Minimalkonsens über die Grundlagen von

Staat und Gesellschaft, auf einen grundlegenden Wertekanon und auch auf die wichtige Erkenntnis, dass ein Leben in Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität Eigenverantwortlichkeit erfordert, einigen. Eine an Werten orientierte Erziehung trägt dazu bei, die Grundlagen für diesen Konsens an die jüngere Generation weiterzugeben. Bildung und Erziehung der Kinder, das ist natürlich zuallererst das Recht, aber auch die Pflicht der Eltern.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb wollen wir die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Kindergärten, zwischen Eltern und Schulen weiterentwickeln. Kindergärten, Horte und Grundschulen sollen und müssen stärker zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang werden wir die Verantwortlichkeit für das Hortpersonal vom Land auf die Kommunen und auf freie Träger übertragen. Im Rahmen eines Konzepts für "Bildung und Betreuung von zwei bis sechzehn" werden im Grundschulbereich außerschulische Betreuungsangebote ebenso ermöglicht, wie Ganztagsschulen, wenn gewünscht, in gebundener Form. Schuljugendarbeit, Schulsozialarbeit und kommunale Jugendarbeit werden zusammengeführt. Die entstehenden Synergien sichern eine bedarfsgerechte Betreuung bis zum Alter von sechzehn Jahren und sie bringt die Kooperationspartner Kommune, Eltern, Schule besser zusammen. Daneben ist eine stärkere und verlässliche Kooperation von Eltern mit den Partnern auch besonders zu fördern, Eltern - Schule, Eltern - Jugendhilfe, Eltern Kindergarten. In der Bildungspolitik werden wir noch mehr Wert auf Unterrichtsqualität legen. Es ist wichtig, dass Lehrerinnen und Lehrer die Begabungen unserer Kinder fördern und ihnen eine gute Allgemeinbildung mit solidem Grundwissen mit auf den Weg geben. Deshalb ist die Entwicklung der Schulämter zu Qualitätsagenturen von besonderer Bedeutung. Denn sie tragen eine hohe Verantwortung für Qualitätsentwicklung, aber auch für Qualitätssicherung. Im Dialog mit den Schulen soll die Bildungsund Erziehungsarbeit optimiert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Leitgedanke "Lebenslanges Lernen" gilt auch für die Lehrerinnen und Lehrer persönlich. Deshalb werden wir bis zum Herbst 2005 ein Thüringer Lehrerbildungsgesetz vorlegen, in dem alle Fragen zur Aus- und Fortbildung umfassend geregelt werden. Die Lehrerbildung wird weiterentwickelt und dabei muss es uns vor allen Dingen darum gehen, dass rechtzeitig Lernschwierigkeiten der Schüler erkannt und bedarfsgerechte Lösungswege überlegt werden. Das heißt, die individuelle Kenntnis muss geschärft, die Diagnosefähigkeit erhöht und auch die Lösungskompetenz verbessert werden. Thüringen ermöglicht, wie Sie wissen, die vollständige Lernmittelfreiheit aus Landesmitteln. Die übrigen Länder in Deutschland

beteiligen sich nur teilweise über Zuschüsse an die Schulträger oder aber gar nicht an den Kosten der Lernmittel. Deshalb werden wir das Schulgesetz mit dem Ziel überarbeiten, die Eltern an den Lernmittelkosten zu beteiligen und damit wird selbstverständlich niemand überfordert.

(Unruhe bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Ausgaben des Landes im Bereich der Erwachsenenbildung liegen weit über den Beträgen, die andere Länder pro Einwohner für diese Aufgabe in ihren Haushalten ausweisen. Eine Änderung des Erwachsenenbildungsgesetzes soll diese Entwicklung korrigieren. Es ist sachgerecht und sozial, dass die Adressaten der Bildungsangebote die Aufwendungen dafür nach ihrer individuellen Leistungsfähigkeit zumindest anteilig mittragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen noch mehr Freiheit und Wettbewerb für unsere Hochschulen, um international konkurrenzfähig zu sein. Denn Wissenschaft und Hochschulen sind ganz unzweifelhaft Keimzellen für die wirtschaftliche Entwicklung Thüringens. Sie sind wichtige Standortfaktoren, die zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen. Deshalb wird der eingeschlagene Weg von Partnerschaft und Hochschulautonomie weiter beschritten und das Thüringer Hochschulgesetz entsprechend weiterentwickelt. Thüringen fördert die Entwicklung des europäischen Hochschulrahmens. Dabei kommt es vor allem auf die Ausgestaltung einer konkurrenzfähigen und vernetzten Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur an. Die Hochschulen werden als Partner der Wirtschaft gefördert. Das heißt, Wirtschaftsstandort und Wissenschaftsstandort gehören zusammen, und wenn das Wissenschaftsland und Forschungsland Thüringen gut aufgestellt ist, hilft das einer soliden, zukunftsfähigen und auch arbeitsplatzintensiven Thüringer Wirtschaftsentwicklung. Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Thüringer Wissenschaftslandschaft einen guten Ruf erworben hat, den wir auch unter schwierigen finanziellen Bedingungen bewahren wollen. Der Hochschulpakt stellt eine wichtige Voraussetzung für Spitzenleistungen in Forschung und Lehre dar. Es ist unser Ziel, diese Vereinbarung über 2006 hinaus fortzuschreiben. Wir wollen die Haushaltsführung weiter flexibilisieren und die Hochschulautonomie stärken. Im Rahmen des Hochschulpakts wird auch die bauliche Situation an den Hochschulen weiter verbessert. Um bestmögliche Studienbedingungen zu gewährleisten, wird künftig ein gemeinsames Studentenwerk die anstehenden Aufgaben vernetzen und integrieren und wir werden diesem Studentenwerk einen erweiterten Handlungsspielraum ermöglichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen in Thüringen eine Schul- und Hochschullandschaft, die zu den attraktivsten in ganz Deutschland gehört. Dazu müssen wir Kräfte bündeln und Schwerpunkte setzen. Gerade in diesem Bereich wissen wir um unsere hohe Verantwortung - unsere Verantwortung für die Zukunft der jungen Menschen hier in Thüringen. Gerade dieser Bereich ist auch Ausfluss und Grundlage des Kulturföderalismus in Deutschland. Das heißt, die Pflege und weitere Gestaltung unserer Kulturlandschaft, einer reichen Kulturlandschaft, lässt sich davon nicht trennen. Das Kulturland Thüringen muss erkennbar und entwicklungsfähig bleiben. Es ist unser Ziel, das reiche kulturelle Erbe Thüringens zu bewahren und gleichzeitig auch neuen, zeitgemäßen Initiativen Raum zu geben.

Mit einem Kulturkonzept definieren wir bis Mitte 2005 die verbindlichen Ziele für diese Kulturpolitik des Landes. Dazu gehört die historisch gewachsene Vielfalt von Theater- und Orchesterangeboten in Thüringen. Sie ist beachtlich. Die laufenden Finanzierungsvereinbarungen geben den Trägern die erforderliche Planungssicherheit. Damit auch über das Jahr 2008 hinaus sicher geplant werden kann, müssen alle Beteiligten schon jetzt über sinnvolle Schwerpunktbildungen und Kooperationsformen nachdenken. Auch hier gilt: Nicht alles, was wünschenswert wäre, lässt sich immer finanzieren und deshalb müssen wir zu Weiterentwicklungen kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bundespräsident Köhler hat in seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag nach seiner Vereidigung gesagt: "Kinder bedeuten Neugier, Kreativität und Zuversicht, Kinder sind Brücken in die Welt von morgen."

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir also zu Beginn dieser Legislaturperiode besondere Anstrengungen unternehmen - umbauen, umstrukturieren, einsparen, auch Zumutungen damit verbinden -, dann deshalb, dass wir ein kinder- und familienfreundlicheres Land werden. Weil wir nur durch die stärkere Beziehung zu Kindern und das Jasagen zu Kindern unsere Zukunft auch sichern können. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, solange Kinder überwiegend als Belastung, nicht aber als Bereicherung empfunden werden, haben wir keine Zukunft. Das gilt nicht nur für Thüringen. Junge Paare müssen wieder häufiger Ja sagen zu Kindern und deshalb muss es uns gelingen, hier in Thüringen familienfreundliche Gesellschaft weiterzuentwickeln und das Erreichte zu stabilisieren. Es gilt, den Ruf Thüringens als eines der familien- und kinderfreundlichsten Länder in Deutschland weiter auszubauen.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Ruf hat gute Grundlagen: Ein nahezu lückenloses Netz an Kinderbetreuungsangeboten, das Landeserziehungsgeld, die Investitionen in Kinder und Familien - das alles sind wichtige Investitionen für die Zukunft unseres Landes! Allerdings muss ich auch darauf aufmerksam machen, dass der Bund die Voraussetzungen für den Bezug des Bundeserziehungsgeldes geändert hat. Sprich: Er hat - öffentlich fast unbemerkt - die Einkommensgrenze gesenkt. Da das Landeserziehungsgeld an das Bundeserziehungsgeldgesetz angeknüpft ist, wirkt sich diese Senkung auch auf unser Erziehungsgeld aus.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das war aber im Wahlprogramm anders.)

Wenn man die Einkommensgrenzen gesenkt hat, heißt das, es gibt weniger Leistungsempfänger. Hier hat der Bund aus unserer Ansicht ein falsches Signal für Familien gesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden deshalb bestehende Leistungen des Landes in einem Familienfördergesetz zusammenfassen und damit gesetzlich verankern. Das umfasst insbesondere die Bereiche Familienbildungsmaßnahmen, Familieneinrichtungen, Elternakademie und die Bündnisse für Familien. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Familienfreundlichkeit lässt sich nicht verordnen, sie muss gelebt werden. Deshalb kommt dem Bündnis für Familie auch in dieser Legislaturperiode sowohl auf Landes- als auch auf lokaler Ebene besondere Bedeutung zu. Die Partner müssen an einen Tisch. Und alle, ob Wirtschaft, Verbände, Vereinigungen, die Politik, auf kommunaler und auf Landesebene, müssen ihren Teil dazu beitragen, dass wir mehr Familienfreundlichkeit in Thüringen haben und das Jasagen zu Kindern wieder zur Normalität wird.

(Beifall bei der CDU)

Dabei spielt selbstverständlich auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer eine hervorgehobene Rolle. Deshalb sind alle Beteiligten, insbesondere auch die Wirtschaft, aufgerufen, der Mehrheit der jungen Menschen, die sich eine Familie und Kinder wünschen, den dafür notwendigen Rahmen zu ermöglichen. Die Landesregierung unterstützt entsprechende Modellprojekte, veröffentlicht entsprechende Modellprojekte, weil wir hier von guten Beispielen lernen können. Ich danke ausdrücklich Thüringer Unternehmern, die so ein positives Signal setzen und damit deutlich machen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist möglich, wenn man diesen Weg nur gehen will.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grundlagen für die notwendigen Veränderungen für eine menschliche Gestaltung der Zukunft sind Vertrauen und Verantwortung. Das gilt nicht nur bei der Reform des Arbeitsmarkts, sondern auch bei der Erneuerung der Sozialsysteme. Die Menschen werden die notwendigen Veränderungen umso eher mittragen, wenn wir das Ziel deutlich machen. Reformen sind kein Selbstzweck. Reformen müssen den Menschen, die Entwicklung der Gesellschaft, die Zukunft der Gesellschaft zum Ziel haben. Es geht nicht um das System, es geht um den Inhalt. Stellen Sie sich vor, ein Land, in dem Kreativität und Eigeninitiative, Mut und Tatkraft zu Hause sind, in dem der Staat nicht allen alles abnimmt, sondern gezielt Hilfe zur Selbsthilfe leistet und lernt, in dem die Menschen Lust auf Neues haben und experimentierfreudig sind - ein solches Land ist unser Thüringen. Dann hätten wir die "Gründerjahre", von denen Bundespräsident Köhler gesprochen hat. Ich bin überzeugt, wenn wir jetzt verkrustete Strukturen aufbrechen, wenn wir neue Perspektiven eröffnen und damit zu mehr Freiheit und Eigenverantwortung führen, können wir solche Gründerjahre auch hier in Thüringen in den nächsten Jahren erleben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Freiheit ist der Wert, der - nach den Ergebnissen einer Grundlagenstudie zum Freiheitsverständnis der Deutschen - in den jungen Ländern "erheblich an Gewicht" gewinnen dürfte. Eine Entwicklung, die - nach der Einschätzung der Forscher - auch auf die alten Länder ausstrahlen wird. 52 Prozent der unter Dreißigjährigen in den jungen Ländern verstehen Freiheit im Sinne von Handlungs- und Entscheidungsfreiheit. Das heißt, für sie bedeutet Freiheit, "für sich selbst verantwortlich zu sein, sich frei für einen bestimmten Beruf zu entscheiden, für ein Land, eine Stadt, in der man leben möchte, sich für ein Ziel einsetzen zu können, das man erreichen möchte." Ebenfalls 52 Prozent in dieser Altersgruppe vertreten die Ansicht, dass "jeder seines Glückes Schmied" - so die Formulierung - ist. In den alten Ländern sind es 43 Prozent. Ich finde, dieses Ergebnis kann uns optimistisch stimmen für die Zukunft. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, Weichen jetzt stellen, mutig entscheiden, Strukturen verändern, Einsparungen organisieren, den Staat verschlanken, sich konzentrieren auf Wesentliches, auf Bildung, auf Forschung, auf Technologie, auf mittelständische Wirtschaft und auf Familie, darauf, dass dieses Land sein gutes Image erhält und es weiter ausbaut. Darauf setzen, dass wir mit einer positiven Grundstimmung diesen Weg begleiten, weil wir viel erreicht haben und stolz sein können, auf das, was Thüringerinnen und Thüringer in den letzten vierzehn Jahren gemeinsam erreicht haben. Wenn wir diesen Weg fortset

zen, wenn wir damit die Zukunftspotenziale unseres Landes weiter stärken und neue erschließen, eine Gesellschaft mit weniger Staat, mit weniger Bürokratie und mit mehr Freiheit, dann werden wir Thüringen auch in den nächsten Jahren weiter aufblühen sehen und in der Mitte Deutschlands und in der Mitte Europas als ein wichtiges Land, in dem man gern und gut lebt und in das man gern kommt, erleben. Deshalb bin ich heute dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, diesen Freistaat Thüringen in einem freien und wiedervereinigten Deutschland und inzwischen auch in einem freien und wiedervereinigten Europa der 25 Mitgliedstaaten mitgestalten dürfen. Ich weiß, dass etliche Menschen in unserem Land, das, was ich heute gesagt habe, als Zumutung empfinden, weil individuelle Härten vorausgesagt sind. Aber wir müssen uns etwas zumuten, uns etwas zutrauen. Nur dann können wir für die Zukunft Thüringens das Notwendige tun. Wenn wir Gestaltungsmöglichkeiten behalten und ausbauen wollen, müssen wir jetzt die richtigen Prioritäten setzen. Ich bitte Sie dafür um Ihre Unterstützung.