Protokoll der Sitzung vom 27.09.2005

Frau Präsidentin, das will er doch gar nicht. Er will doch nur stören.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Wen sollen wir denn stören bei dieser Rede?)

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, da gibt es eine GmbH, deren Gesellschafterin der Freistaat Thüringen ist, die sich einen Geschäftsführer gegeben hat und einen Aufsichtsrat, der mittlerweile ca. 120 Beschäftigte hat, dieser Betrieb, und seit dem 30.05.2005 geistern diese anonymen Schreiben herum. Daraus herleitend gab es diese Sitzung am 22.08.2005 im Ausschuss für Bau und Verkehr. Und ich muss noch einmal feststellen, wir hätten vorige Woche Ausschuss-Sitzung gehabt, Bau und Verkehr, und der Kollege Ausschussvorsitzende Ohl hat den Ausschuss ausfallen lassen wegen seinen dringlichen Problemen. Dafür machen wir heute hier Sondersitzung Plenum.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Herr Ohl liegt im Krankenhaus und wird heute operiert.)

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, am 06.09.2005 fand eine Aufsichtsratssitzung statt, in der alle Vorwürfe, die bis zum 06.09.2005 - ich sagte es vorhin bereits - nicht erledigt waren,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Un- glaublich, was Sie hier abliefern.)

entkräftet wurden, bis auf einen Vorwurf, und zwar der Vorwurf des Mobbings. Ich glaube, Mobbing kann man schlecht auf Papier und Toner nachweisen. Aus diesem Grunde war in der Aufsichtsratssitzung ein Mediator-Modell verabredet, dem sogar ver.di seine Zustimmung gegeben hat. Mittlerweile, meine Damen und Herren, spricht der Mediator mit Rechtsanwälten. Ich finde es großartig. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sollten - egal welche Stoßrichtung Ihr Gedanke Ihres Antrags hatte, ob es nun die Gesellschafterin ist, ob es der Geschäftsführer ist, ob es der Abteilungsleiter Wirtschaft ist, ob es der Aufsichtsrat ist oder alle zusammen oder ob es für Altenburg-Nobitz sein soll, wie auch immer - davon ausgehen, dass wir den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die begonnen haben, nicht im Wege stehen, denn dieses Verfahren ist nun eingeleitet. Am Ende wird Schuld und Unschuld stehen. Diesem Prozess sollten unsere Handlungen auf keinen Fall vorgreifen.

Zu Ihren Fragen, Herr Lemke, Imageschaden: Ich habe bis vorvorige Woche 29 Presseartikel ausgeschnitten und aufgehoben. Ab vorvorige Woche habe ich damit aufgehört zu zählen und auszuschneiden. Und da fragen Sie nach Imageschaden? Meine Damen und Herren von der PDS -

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Linkspartei - so viel Zeit muss sein.)

Sie haben Recht, Linkspartei.PDS -,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

ich stelle für meine Fraktion Folgendes fest, dass wir zu dem Tagesordnungspunkt 1 unsere Zustimmung geben und den Tagesordnungspunkt 2 ablehnen. Der SPD-Fraktion würde ich die Frage nach eventuell getrennter Abstimmung zu I., II. und III. antragen. Da würde ich von Seiten der CDU-Fraktion dem hohen Hause vorschlagen, I. und III. abzulehnen und II. die Zustimmung zu erteilen. Ich bedanke mich für Ihr Zuhören.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Abgeordneter Dr. Schubert, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zwei Vorbemerkungen machen. Erstens, Herr Wetzel, ich finde es unverschämt, wie Sie bezüglich Herrn Ohl aufgetreten sind.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Der Abgeordnete Ohl ist schwer erkrankt, das wissen Sie ganz genau. Das hier so darzustellen, das ist eine Unverschämtheit.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Ich habe eine Ausladung bekommen.)

Zweitens, zu der ganzen Diskussion um die anonymen Schreiben von mir noch eine Bemerkung: Es war die SPD-Fraktion, die die Schreiben an die Staatsanwaltschaft übergeben hat. Sie lagen längst vorher in anderen Bereichen der Landesregierung vor und dort ist nichts getan worden. Wir waren es, die das veranlasst haben. Das zu diesem Thema.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Richwien, Staatssekretär: Wo?)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Welche Schreiben der Landesregierung kennen Sie denn, dass Sie so etwas be- haupten?)

Wir haben doch vorhin die Daten gehört, Herr Trautvetter hat es selber gesagt.

(Zwischenruf Richwien, Staatssekretär: Eben nicht!)

Jetzt komme ich zu dem Punkt 1 der heutigen Tagesordnung. Immer wieder hat es in den vergangenen Jahren Probleme, Skandale, Skandälchen bei Gesellschaften mit Beteiligung des Freistaats Thüringen gegeben. Ich erinnere hier nur an die entstandenen wirtschaftlichen Probleme

(Unruhe bei der SPD)

bei der Aufbaubank oder bei der LEG Ende der 90er-Jahre sowie an die Probleme der Gesellschaft für Arbeitnehmerüberlassung Thüringen und

der Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft, die ja sogar zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen geführt haben. Jetzt kommen nun die massiven Vorwürfe und für alle Beteiligten sehr unerquicklichen Schlagzeilen über die Flughafen Erfurt GmbH dazu. Ich möchte an dieser Stelle nicht erneut die inneren Probleme der GmbH ansprechen - das haben Frau Doht und andere hier hinreichend getan. Ich möchte an dieser Stelle die Kontrollmechanismen oder vielmehr das offensichtliche Versagen dieser Kontrollmechanismen und Aufsichtsgremien der Flughafengesellschaft thematisieren. Nach meiner Auffassung wirft dieser Vorgang ein bezeichnendes Licht auf die Fehlkonstruktion der in Thüringen wirkenden Kontrollmechanismen bei Unternehmen mit Landesbeteiligung. Ich halte es für einen systematischen Fehler, wenn Minister und Staatssekretäre in Aufsichtsräten von Gesellschaften mit Landesbeteiligung agieren, wenn sie gleichzeitig als Fördermittelgeber oder als Fachaufsicht für das besagte Unternehmen Verantwortung haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Hier sind Interessenkollisionen nicht auszuschließen. Das sieht übrigens der Thüringer Rechnungshof genauso und fordert seit langem - von der Regierung jedoch bisher unbeachtet - die Beseitigung dieser Unvereinbarkeit. Ich will die generell bestehenden Risiken noch einmal am Beispiel der Flughafengesellschaft exemplarisch verdeutlichen. Das Verkehrsministerium hat die hoheitliche Aufsicht über die Flughafen GmbH und ist auch zuständig für den sehr sensiblen Bereich der Luftaufsicht und der Verkehrssicherheit. Bis vor kurzem war aber der zweite Mann an der Spitze des Ministeriums gleich der erste im Aufsichtsrat der beaufsichtigten Gesellschaft. In solchen Fällen sind Interessenkollisionen in bestimmten Fallkonstellationen geradezu vorprogrammiert. Sicherheit kostet Geld, Flugsicherheit an Flughäfen manchmal auch sehr viel Geld. Das Interesse des Flughafens und auch des Aufsichtsrats ist es aber, möglichst wenig Kosten zu verursachen, die die Gewinnsituation des Flughafens beeinträchtigen. Da werden die zahlreichen Sicherheitsauflagen nicht immer als willkommen angesehen. Das Verkehrsministerium hat auf der anderen Seite unter anderem die Aufgabe, die Sicherheit am Flughafen zu überprüfen und Mängel frühzeitig zu erkennen und darauf einzuwirken. In vielen Fällen hat das Verkehrsministerium die Frage der Flugsicherheit durchaus ernst genommen - ich erinnere hier nur an den Fall Nobitz -, vielleicht sogar etwas zu ernst.

Wie ist es aber, wenn der Staatssekretär dieses kontrollierenden Ministeriums gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender ist? Schlagen da nicht zwei Herzen in seiner Brust? Ich finde, ein besseres Beispiel der Interessenkollision kann es eigentlich gar nicht geben.

(Beifall bei der SPD)

In einem solchen Fall der Interessenkollision ist es auch nicht auszuschließen, dass diese Interessenkollision Entscheidungen in der einen oder anderen Richtung beeinflussen kann. Insbesondere in der Frage der Flugsicherheit müssen wir aber selbst die vage Möglichkeit einer Entscheidungsbeeinflussung ausschließen, damit wirtschaftlicher Druck nicht irgendwann doch zu Einschränkungen in Fragen der Sicherheit führen kann. Bis gestern gab es noch keine stichhaltigen Hinweise darauf, dass es wirtschaftliche Zwänge gab, die zur Einschränkung der Flugsicherheit geführt haben.

Zu meinem Entsetzen musste ich aber heute in der „Thüringer Allgemeinen“ lesen, dass nun doch genau an dieser Stelle schwerwiegende Vorwürfe gegen die Flughafenleitung erhoben werden. So sollen die Angestellten des Flughafens unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen angehalten worden sein, nur ein Minimum an Enteisungsmitteln zur Sicherung der Start- und Landebahn auszubringen. In der TA von heute wird ein Berufspilot mit den Worten zitiert - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin: „Unter gewissen Wetterbedingungen ist es in Erfurt manchmal lebensgefährlich zu starten oder zu landen.“ Wenn ich dies als Bürger lese, werde ich mir gut überlegen, ob ich meinen nächsten Winterurlaub von Erfurt aus antreten will. Eine solche Aussage ist eigentlich das Schlimmste, was über einen Flughafen gesagt werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Der Eindruck, dass an der Sicherheit eines Flughafens gespart werde, wird zahlreiche Fluggäste im wahrsten Sinne des Wortes verschrecken. Einige Mitarbeiter des Flughafens haben es nach Presseangaben auf den Punkt gebracht: „Es wird auf Teufel komm raus an Personal und Material auf Kosten der Sicherheit gespart.“ Wenn jetzt die Landesregierung und die Flughafenleitung hier nicht umgehend handeln, dann könnte sich dieser Imageschaden zu einer wirtschaftlichen Katastrophe für den Flughafen entwickeln. Die Maßnahmen der Landesregierung können und dürfen sich nicht erneut in bloßen Stellungnahmen der Geschäftsführung erschöpfen. Die Landesregierung muss jetzt auch endlich personell eingreifen. Eine Geschäftsführung, die eine solche Sicherheitspraxis angeordnet haben soll, muss von ihren Aufgaben zumindest vorübergehend enthoben werden, und zwar sofort. Solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, wird der Imageschaden am Flughafen Tag für Tag größer werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wer dies in Kauf nimmt, gefährdet eines der wichtigsten wirtschaftlichen Unternehmen im Freistaat Thüringen.

Jetzt will ich noch auf die Interessenkollision bei der Vergabe von Fördermitteln eingehen. Problematisch ist es auch, wenn ein Minister oder Staatssekretär zum einen als Aufsichtsratsvorsitzender in der ersten Linie für das Wohl der Gesellschaft verantwortlich sein muss, zum anderen aber auch über die Vergabe von Fördermitteln für diese Gesellschaft entscheiden soll oder später die ordnungsgemäße Verwendung dieser Fördermittel kritisch zu überprüfen hat. Der Minister oder Staatssekretär als Aufsichtsratsvorsitzender ist selbstverständlich an einer besonders guten Ausstattung mit Finanz- und Fördermitteln interessiert. Als Fördermittelgeber ist er aber vor allem zur sparsamen Verwendung der ihm anvertrauten öffentlichen Gelder verpflichtet. Beim Flughafen Erfurt sind das sage und schreibe 284 Mio. €, wenn man die Zahlungsverpflichtung bis 2023 dazunimmt. Der notwendigerweise kritische Blick des Fördermittelgebers fällt in einem solchen Fall schon mal aus nachvollziehbaren Gründen ungleich schwerer aus, denn wer haut sich schon gern mit der linken Hand auf die rechte. Um hier möglichen Vorwürfen von vornherein zu begegnen, sollte die beschriebene Interessenkollision auf jeden Fall vermieden werden.

Fazit: Minister oder Staatssekretäre haben in Aufsichtsräten der von ihnen geförderten Unternehmen nichts zu suchen.

(Beifall bei der SPD)

Aus diesem Gesichtspunkt wäre es im Grunde durchaus zu begrüßen, dass Herr Richwien vom Vorsitz des Aufsichtsrats am Flugplatz zurückgetreten ist. Wie die Ausführungen meiner Vorredner aber nahe legen, war dies weniger eine Folge der späten Erkenntnis und Einsicht, sondern möglicherweise eher ein Rückzug aus der Verantwortung wegen des Versagens als Aufsichtsratsvorsitzender.

(Beifall bei der SPD)

Als ich diesen Rückzug am 22.12.2004 gefordert und das mit möglichen Interessenkollisionen begründet hatte, wurde dies noch zurückgewiesen. Heute dient genau diese Begründung als Grund, warum man den Aufsichtsratsvorsitz niederlegt.

Im Zusammenhang mit der Fördermittelvergabe geben die sich immer mehr erhärteten Vorwürfe zu angeblich manipulierten Passagierzahlen allerlei Anlass zu Vermutungen. Schließlich waren diese Passagierzahlen die Voraussetzung - wir haben es schon mehrfach gehört -, um den weiteren Ausbau des

Flughafens voranzubringen. Nach wie vor gibt es aber erhebliche Abweichungen der Passagierzahlen der verschiedenen Stellen. Diese Abweichungen sind uns bis heute, auch in dieser Stunde hier, nicht plausibel erklärt worden. Ob und wie weit diese Abweichungen tatsächlich auf Manipulationen zurückgehen und ob das Ministerium als Fördermittelgeber hier eine besondere Rolle gespielt hat, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen. Das Beispiel zeigt aber, dass die beschriebene Interessenkollision durchaus bestehen kann. Ähnliche Interessenkonflikte sehe ich auch bei der LEG und bei der TTG, deren Aufsichtsräte Minister Reinholz führt. Auch hier sind potenzielle Fördermittelgeber die wesentlichen Aufsichtspersonen über die Gesellschaft. Unter Punkt 3 dieses Antrags soll die Landesregierung deshalb aufgefordert werden, dem Thüringer Landtag unter Einbeziehung der Prüferfahrungen des Thüringer Rechnungshofs schriftlich zu berichten, welche Interessenkollisionen für die Mitglieder der Landesregierung durch die Mitgliedschaft in Aufsichtsräten von Landesunternehmen auftreten können. Wir können hieraus wichtige Erkenntnisse gewinnen, wie wir dieses sensible Thema in Thüringen zukünftig besser regeln können, als es derzeit der Fall ist. Die bisherigen Versuche - wir haben uns mit den entsprechenden Gesetzen mehrfach beschäftigt - sind gescheitert. Deshalb bitte ich heute noch mal namens der SPD-Fraktion - und Herr Wetzel hat es schon angekündigt, dass auch die CDU-Fraktion sich dem nähern kann - um Zustimmung zu unserem Antrag.

Übrigens, nicht nur wir oder der Rechnungshof halten die Vermeidung von beschriebenen Interessenkonflikten für geboten, sondern auch ein bekannter Professor aus Heidelberg. Auch wenn Herr Kirchhof nun kein Ministeramt mehr bekleiden möchte, so hat er im ZDF für diesen Fall unmissverständlich erklärt, aus ethischen und rechtlichen Gründen von allen Aufsichtsratsposten zurücktreten zu wollen und zu müssen. Warum legt die Landesregierung nicht auch solche ethischen und rechtlichen Maßstäbe an ihr Handeln an? Doch das hieße auch, dass dann Herr Althaus seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Pax-Bank aufgeben müsste. In diesem Fall ist überhaupt keine Rechtfertigung für diese Mitgliedschaft ersichtlich, weil es sich gar nicht um ein Unternehmen des Freistaats handelt.