Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

Ich möchte nun auf den Antrag der Fraktion der SPD eingehen. Ich denke, wir sind uns einig, dass staatliche Förderinstrumente ständig auf ihre Effizienz hin überprüft und, falls Änderungsbedarf erkannt wird, auch verbessert werden müssen. Das gilt für die Arbeitsmarktpolitik und das gilt erst recht bei einer Verknappung der zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Unter dieser Prämisse ist auch die Förderung für die Projektentwicklung und das Projektmanagement durch Beschäftigungsgesellschaften bzw. ABS zu betrachten. Das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung isw Halle-Leipzig kommt in einer vom TMWTA in Auftrag gegebenen Untersuchung zu dem Schluss, dass die Zweckbestimmung der Förderung, die Entwicklung und das Management regional bedeutsamer arbeitsmarktpolitischer Projekte durch die ABS-Gesellschaften, zu großen Teilen nicht erreicht werden konnte. Aus diesem Grunde wurde auch angesichts der angespannten Haushaltslage die Direktförderung nach der ABS-Richtlinie eingestellt. Die verbleibenden Förderspielräume im Landeshaushaltsplan 2005 werden stattdessen für das Programm „50 Plus“ und für direkt strukturwirksame Arbeitsförderprojekte verwendet. Die Förderung der Projektentwicklung, die bislang auf der Grundlage der ABSRichtlinie erfolgt, wird inhaltlich aber nicht aufgegeben.

Das TMWTA hat Teilnehmerwettbewerbe für Modellprojekte im Rahmen des ESF eingerichtet, die die Möglichkeit eröffnen, innovative Projekte in arbeitsmarktpolitisch besonders wichtigen Themenfeldern zu fördern. Die ABS-Gesellschaften können sich, wie jeder andere Träger auch, an den Wettbewerben beteiligen und geeignete Konzepte bei der GfAW einreichen. Insofern teile ich die Einschätzung der SPD ausdrücklich nicht, dass wesentliche Strukturen zur Beratung und zur beruflichen Integration arbeitsloser Menschen durch die Einstellung der direkten ABSFörderung und Aufhebung der Richtlinie wegfallen würden.

Der Dialog mit allen Akteuren des Arbeitsmarkts durch das TMWTA zu diesem Thema war lang und äußerst ausführlich. Ich sehe deshalb keine Notwendigkeit, dies jetzt nochmals und noch detaillierter auszuführen. Im Antrag der SPD ist weiterhin die Richtlinie zur Finanzierung der so genannten sozialen Wirtschaftsbetriebe aus Mitteln des ESF und komplementären Landesmitteln angesprochen. Die Förderung nach dieser Richtlinie erfolgt über einen insgesamt vierjährigen Zeitraum, der sich in den so genannten Kernförderzeitraum von zwei Jahren und die Anschlussförderung durch Lohnkostenzuschüsse für

die Weiterbeschäftigung bis zu weiteren zwei Jahren unterteilt. Aufgrund der Finanzierung aus dem ESF sind die Systemregeln der europäischen Strukturfondsförderung auch einzuhalten. Die sehen vor - und hier bitte ich um Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit: Der Endtermin für die Förderfähigkeit und die Auszahlung ist nach einer Entscheidung der Europäischen Kommission vom 15. Dezember 2000 auf den 31. Dezember 2008 festgesetzt. Aufgrund der vierjährigen Laufzeit der sozialen Wirtschaftsbetriebe wurden deshalb die letzten Projekte im Dezember 2004 bewilligt. Das ist simple Grundrechenart. Weiter kommt hinzu, dass wir eine sehr große Auslastung der Maßnahme, aus der die Richtlinie finanziert wird, im Operationellen Programm des ESF haben. Zudem ist ein hoher Fördermitteleinsatz je geförderten Arbeitnehmer notwendig, der die Richtlinie unter Effizienzgesichtspunkten deutlich natürlich zurücksetzt. Die Forderung der SPD-Fraktion, die zuvor genannte Richtlinie unverzüglich wieder in Kraft zu setzen und Fördermittel mindestens bis auf der bisherigen Höhe einzusetzen, ist daher weder umsetzbar noch arbeitsmarktpolitisch geboten. Zu den von der SPD-Fraktion geforderten Informationen über die bisher erzielten Ergebnisse und mit den Trägern getroffenen Absprachen ist Folgendes anzumerken:

1. Der Thüringer Landtag hat zur Förderung der ABS-Gesellschaften mit der Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 346 der Abgeordneten Frau Leukefeld im Juni 2005 bereits eine umfassende Information erhalten, so dass ich hierauf nicht weiter eingehen möchte. Zu den Ergebnissen der Förderung sozialer Wirtschaftsbetriebe hat die Landesregierung im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 472 der Frau Abgeordneten Henning geantwortet.

(Zwischenruf Abg. Hausold, Die Links- partei.PDS: Hennig!)

Hennig, richtig - so viel Zeit muss sein. Die Richtlinie fördert die Heranführung an das Arbeitsleben und die Wiedereingliederung in ungeförderte Beschäftigungsverhältnisse durch Qualifizierung und Lohnkostenzuschüsse. Der soziale Wirtschaftsbetrieb soll sich nach der Phase der Anschubfinanzierung selbst dauerhaft am Markt behaupten können. Der gesamte Förderumfang für das Haushaltsjahr 2004 betrug etwas mehr als 5,3 Mio. €. 310 Personen konnten in den einzelnen Projekten gefördert werden, 34 Personen davon waren unter 25 Jahren. Die Förderung erfolgte mit Mitteln des ESF und komplementären Landesmitteln sowie mit Arbeitsfördermitteln der Bundesagentur für Arbeit.

2. Mit den Trägern wurden im Verlauf dieses Jahres keine Absprachen oder Vereinbarungen getroffen. Sie wurden aber über den aktuellen Sachstand und die zu erwartende Entwicklung der Fördermöglich

keiten frühzeitig in Kenntnis gesetzt.

3. Der ESF kann grundsätzlich Projekte zur Entwicklung arbeitsmarktpolitischer Ansätze fördern. Dazu gehört unter Beachtung der Nachrangigkeit des ESF auch die Möglichkeit der Kofinanzierung von Eingliederungsleistungen nach dem SGB II. Förderfähig ist bei den Trägern aber auch die Projektentwicklung in Modellprojekten und die Förderung sozialer Zwecke gemäß dem LOKAST-Programm. Darauf, meine Damen und Herren, bin ich bereits umfassend eingegangen. Dem TMWTA bzw. der GfAW liegen nach den erfolgten Ausschreibungen für Modellprojekte des ESF deshalb auch Konzepte von ABSen vor, die hinsichtlich der Förderfähigkeit grundsätzlich die gleichen Chancen wie andere Träger auch haben.

Zur Information über den Landesbeirat und Regionalbeiräte, meine Damen und Herren, ergibt sich folgender Sachstand:

1. Sowohl auslaufende als auch neue Richtlinien wurden mit dem Landesbeirat diskutiert. Die Positionen der einzelnen Beiratsmitglieder waren erwartungsgemäß unterschiedlich. Ich will aber ausdrücklich auch erwähnen, dass von anderen Trägern durchaus kritisch hinterfragt wurde, ob für ABSen eine Sonderförderung unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes geboten ist.

Insgesamt haben die Gewerkschaften das Auslaufen von Richtlinien grundsätzlich kritisch eingestuft, während von der Wirtschaft und anderen Bereichen die finanzielle Enge und die notwendige Prioritätensetzung durchaus akzeptiert wurde.

2. Die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt -Thüringen der Bundesagentur für Arbeit ist im Landesbeirat für Arbeitsmarktpolitik als Mitglied vertreten und wurde darüber auch einbezogen. Darüber hinaus findet zwischen den Regionaldirektionen und dem TMWTA ohnehin eine enge Zusammenarbeit statt, so dass Sie davon ausgehen können, dass diese über alle relevanten Änderungen frühzeitig informiert ist.

Zu dem geforderten neuen Konzept zur Förderung von Arbeitsmarktstrukturen, meine Damen und Herren, möchte ich noch Folgendes sagen: Die Arbeitsmarktpolitik des Freistaats ist vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen ständig weiterentwickelt worden. Wir haben dies mehrfach im Landtag miteinander diskutiert und ich habe in den letzten Sitzungen darüber auch ausführlich berichtet. Die Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik erfolgt im Dialog und unter Einbeziehung aller arbeitsmarktpolitischen Akteure im Landesbeirat für Arbeitsmarktpolitik und den vier zugehörigen Regionalbeiräten in den Regionalkonferenzen und auf direkter Arbeitsebene. Die Landesregierung hält die

Beteiligung und den Dialog mit den Akteuren auch für gut und für effizient. Das derzeit praktizierte Beteiligungsverfahren bedarf aus meiner Sicht deshalb keiner grundlegenden Neuorientierung.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Die Förderung Arbeitsloser und der dazu erforderlichen Strukturen ist in Thüringen gesichert, unterliegt aber notwendiger Anpassung und auch gewisser Neujustierung. Die Neujustierung orientiert sich an den finanzpolitischen, arbeitsmarktpolitischen, förderrechtlichen Realitäten und wird in Abstimmung und im Dialog mit allen arbeitsmarktpolitischen Akteuren umgesetzt. Die von der SPD-Fraktion gemachten Vorschläge gehen dagegen an den Realitäten vorbei und zielen ohne erkennbare Konzeption auf die inflationäre Ausweitung von Strukturen und der für diesen Zweck gebundenen Ressourcen ab. Die Thüringer Landesregierung lehnt deshalb die Vorschläge der SPDFraktion ab.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss mich jetzt korrigieren: Ich hatte vorhin gesagt, dass der Sofortbericht zu den Nummern 2, 3, 4 und 5 des Antrags der SPD-Fraktion gegeben wird. Der Minister hat mich erstmal 16 Minuten völlig verunsichert, weil er zum Antrag der PDS-Fraktion gesprochen hat und dann zu dem Sofortbericht übergegangen ist, so dass ich jetzt zusammenfassend sagen kann, es ist zu beiden Teilen des Antrags seitens der Landesregierung gesprochen worden. Ich kann demzufolge jetzt die Aussprache zu dem Antrag eröffnen und gleichzeitig die Frage an Sie richten, ob Sie die Aussprache zum Sofortbericht noch wollen. Das wird von der SPD-Fraktion signalisiert, so werden wir auch die Aussprache zu den Anträgen und zum Sofortbericht führen. Ich rufe als Erstes auf für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Pilger.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu dem Sofortbericht des Herrn Minister vielleicht zwei Vorbemerkungen. Herr Minister, Sie haben Polemik vorgeworfen, insbesondere den Antragstellern vielfach Unwissenheit, wir gehen an den Problemen vorbei. Dadurch, dass man Plattitüden wie „Wir müssen die Gewinne der Unternehmen erhöhen und dann werden wir auch neue Arbeitsplätze bekommen“, das, was Sie seit Jahren eigentlich politisch in diesem Lande sehen, was dazu geführt hat, dass wir nicht mehr Arbeitsplätze gehabt haben, weil nämlich über die Gewinnbindung nie eine politische Verpflichtung möglich ist, das hilft uns an dieser Stelle auch nicht weiter. Ihre Aussage zu der Frage

der kommunalen Mittel, die gebunden würden durch die Forderung des Beschäftigungsfonds, unabhängig, wie man zu der Forderung nach einem öffentlichen Beschäftigungssektor steht -, aber hier zu bedauern, dass dann kommunale Mittel gebunden würden, die dann die Investitionsfähigkeit der Kommunen verhindern, und das bei der Haushaltspolitik, die Sie im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs hier im Hause vorlegen, also das hätten Sie sich wirklich an dieser Stelle sparen können.

Wer in diesem Land, meine Damen und Herren, mit offenen Augen und halbwegs sozialem Gewissen die Lebenssituation der Menschen beobachtet, der weiß, dass Arbeitslosigkeit oder auch die Angst vor Arbeitslosigkeit das bestimmende Thema ist. Der weiß aber auch, dass bestimmte Personengruppen von Arbeitslosigkeit in besonderem Maße betroffen sind. Hierzu zählen z.B. ältere Arbeitnehmer, Menschen mit geringer Qualifikation und Menschen mit Behinderungen. Alles dies ist keine Neuigkeit. Wer sich von uns mit den betroffenen arbeitslosen Menschen unterhält, der weiß, welche Verzweiflung sich hinter vielen Schicksalen verbirgt, der weiß, wie wichtig für viele Menschen persönliche Beratung und auch der öffentlich geförderte Arbeitsmarkt ist.

Spätestens seit der Diskussion um die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe dürfte diese Erkenntnis auch in der Landesregierung und in den Fluren der Ministerien angekommen sein. Der Ministerpräsident dieser Landesregierung hat ja oft genug in diesem Hause betont, dass die Förderung der Betroffenen verbessert werden müsste. Da hat er Recht und sollte bei solchen Forderungen in den Spiegel schauen. Dort nämlich würde er zumindest einen Adressaten erkennen. Ja, die Landesarbeitsmarktpolitik sollte die Förderung Arbeitsloser verbessern - was denn sonst? Aber das Gegenteil geschieht. Genau in dieser Situation der Verfestigung von Arbeitslosigkeit bei denen, die besondere Hilfe, besondere Förderung notwendig hätten, genau in dieser Situation kappt die Landesregierung die Förderung der Arbeitsloseninitiativen und der Beratungsstellen, der ABSen und der Projekte für Langzeitarbeitslose und Schwerbehinderte. Lauthals wird nach mehr Förderung vom Bund gerufen und gleichzeitig wird die eigene Förderung eingestellt. Einmal mehr wird den Menschen in Thüringen Hilfe entzogen, die sie besonders notwendig haben. Einmal mehr geschieht dies für die Betroffenen sehr überraschend und geschickt in die Sommerpause platziert. Es scheint also in dieser Landesregierung und ihren Behörden zumindest so etwas wie ein schlechtes Gewissen zu geben und man versucht, den Protest gering zu halten. Der Demonstration der Arbeitsloseninitiativen heute und den Medien nicht nur in den letzten Wochen sollten Sie entnehmen, dass diese bewusste Irreführung nicht mehr gelingt. Verbände

und Bürger nehmen den wesentlichen Inhalt des Politikwechsels von Ministerpräsident Vogel zu dem Ost-Beauftragten der CDU immer mehr wahr. Der neue Politikstil zeichnet sich vor allen Dingen durch zwei Elemente aus: Überall geht es um Sozíalabbau, überall geht es um die Belastung der schwachen Schultern. Immer werden die Entscheidungen nicht im Dialog mit den Betroffenen, sondern in landgräflicher Manier von oben herab gefällt. Das, was hier mit den Beratungsangeboten für Arbeitslose und den Beschäftigungsprojekten für benachteiligte Menschen geschehen ist, das, meine Damen und Herren, ist ein weiterer Beweis dafür, dass diese Landesregierung eine Zweidrittelgesellschaft will. So wie es der Landesregierung offenbar egal ist, dass alte Menschen für ihre Pflege zukünftig stärker belastet werden, dass blinde und sehbehinderte Menschen schlechter als bisher am öffentlichen Leben teilnehmen können, ärmere Familien ihre Kinder nicht mehr in den Kindergarten schicken können, so ist es der Landesregierung offenbar auch egal, wer denn diejenigen berät, sie fördert und ihnen zumindest eine Chance auf dem Arbeitsmarkt anbietet, die auf absehbare Zeit von keinem wie auch immer gearteten Wachstum profitieren werden. Immer gehen in dieser neuen landespolitischen Ära alle diese Kürzungen mit anderen öffentlichen Verlautbarungen einher.

Meine Damen und Herren von der CDU, der Wegfall der Richtlinie ist der künftige Wegfall von Förderungen für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen. Sie wollen damit weniger und nicht mehr Förderung. Sollte diese Landesregierung und die Sie tragende Mehrheitsfraktion in diesem Hause nicht bereit sein, die Richtlinie wieder in Kraft zu setzen oder zumindest nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten suchen, dann sollte der Ministerpräsident bei seinen Regierungserklärungen ehrlicher sein und nicht mehr von der Verbesserung der Förderung sprechen. Behalten Sie diese Kürzungen bei, dann zeigt sich auch hier die Fortführung einer neuen Strategie. Diese Landesregierung übernimmt keine Verantwortung mehr in der Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik. Wir haben das in den vergangenen Diskussionen bei der Umsetzung des SGB II und der Modernisierung des Arbeitsmarkts bereits erlebt. Schuldzuweisend wird die Bundesagentur für Arbeit und die Bundesregierung angegriffen und gleichzeitig wird im eigenen Zuständigkeitsbereich die Arbeitsmarktförderung eingedampft.

(Beifall bei der SPD)

Die erneuten Kürzungen im Haushaltsentwurf sind der Beweis dafür. Landesarbeitsmarktpolitik ist wirklich nur noch die Verwaltung des Europäischen Sozialfonds. Gleichzeitig wird jede auch nur beratende Unterstützung gegenüber den Kommunen, gegenüber den Beschäftigungsgesellschaften in Arbeitslo

seninitiativen und in Wohlfahrtsverbänden verweigert.

Die SPD hat in der Vergangenheit mehrfach die Neuausrichtung der Landesarbeitsmarktpolitik eingefordert. Die einzige Neuausrichtung, die zu erkennen ist, scheint ein völliger Rückzug zu sein. Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist das Einschrumpfen einer früher starken Abteilung für Arbeitsmarktpolitik auf nur noch einen kleinen Teilbereich innerhalb der Abteilung des Wirtschaftsministeriums. Wenn auch nur noch ein Funke arbeitsmarktpolitischer und sozialpolitischer Verantwortung vorhanden wäre, dann, meine Damen und Herren, sollten Sie spätestens jetzt prüfen, ob bei aller Anerkennung der Schwierigkeiten des Landeshaushalts nicht der Europäische Sozialfonds zum Beispiel für die Arbeitsloseninitiative und die ABSen zu nutzen wären.

Es freut mich ja, dass dank der Proteste aus den Reihen der Arbeitsloseninitiativen und vielleicht auch dank unserer Anträge seit neuestem Bewegung in die bisher starre Haltung der Landesregierung zu kommen scheint. So deute ich die heutigen Ausführungen des Kollegen Günther und des Wirtschaftsministers bei dem Gespräch mit den Demonstranten. Es scheint für den Denkprozess der Landesregierung gut zu sein, wenn erfahrene Sozialpolitiker aus den Kommunen und den eigenen Reihen ihren Einfluss geltend machen. Gut so, und ich bin gespannt, was beim Nachdenken der Landesregierung tatsächlich rauskommt.

Ich habe nie verstanden, warum der ESF nicht zumindest eine Möglichkeit bieten soll, um z.B. gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und den ARGEN die weitere Förderung zu ermöglichen. Bei der Richtlinie zur Beschäftigung Langzeitarbeitsloser und Schwerbehinderter handelt es sich ohnehin um eine Richtlinie, für die ESF-Mittel eingesetzt wurden. Die Projektträger haben - seit heute muss ich wohl sagen, hatten - bisher auf diese derartigen Anfragen nur gehört, dass eine Finanzierung aufgrund der Brüsseler Vorgaben nicht möglich wäre, weil es sich um nationale Pflichtaufgaben handele.

Meine Damen und Herren, niemand hat diese Aussage bisher von der Kommission gehört, wohl aber von der Ministerialverwaltung. Selbst die scheint ja nun immerhin neu zu prüfen - ich will Ihnen bei der Argumentation auch gern behilflich sein. Mein Kollege Bausewein hat Ihnen vorhin bei der Diskussion um den Ausbildungspakt schon bewiesen, wie mit diesen Begriffen und der Verantwortlichkeitszuweisung auf Brüssel jongliert wird. Wenn die Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland ESF-förderfähig ist, wenn die Berufsausbildung keine nationale Pflichtaufgabe ist, dann kann es die Beratung der Arbeitslosen und die Struktursicherung von Beschäftigungsprojekten erst recht nicht sein. Und wenn Sie sich be

trachten, dass Ihnen die Bundesregierung, die viel gescholtene, im laufenden Haushalt 8 Mio. € zusätzlich aus Bundes-ESF-Mitteln und in 2006 und 2007 sogar je 12 Mio. € zur Verfügung stellt, dann, meine Damen und Herren, bin ich mir sicher: Wenn nur ein Wille zur Förderung vorhanden wäre, dann gäbe es sicher einen Weg.

(Beifall bei der SPD)

Diesen Weg hat es gegeben bei der Berufsausbildung, ich sagte es bereits, und diesen Weg hat es auch gegeben beim Thüringenjahr. Auch dort wurde lange argumentiert, dass der Einsatz von ESF-Fördermitteln nicht möglich wäre. Plötzlich ging es und Brüssel blieb Brüssel. Aber, wie gesagt, seit heute scheint diese Erkenntnis auch im Wirtschaftsministerium angekommen zu sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einer weiteren bezeichnenden Entwicklung in der Regierungsära des Ministerpräsidenten Herrn Althaus kommen: Die Gestaltung des Arbeitsmarkts ist seit jeher Sache vieler Akteure. Arbeitsmarktpolitik, insbesondere für benachteiligte Menschen, kann nur wirksam werden, wenn Finanzmittel der Bundesagentur, des Landes, der Europäischen Union und der Kommunen gemeinsam und abgestimmt eingesetzt werden. Das setzt Verwaltungszusammenarbeit voraus. Es setzt aber vor allen Dingen gemeinsame Zielbestimmungen, gemeinsame Konzepte und den fortwährenden Dialog der Akteure voraus. Es setzt voraus, dass sich öffentliche und freie Träger und die Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaften als Partner verstehen, die bei allen Interessengegensätzen dennoch bereit sind, etwas gemeinsam zu bewegen. Das SGB II und die mit seiner Erarbeitung verbundene Diskussion haben dies nochmals hervorgehoben. Es geht also um Dialog und partnerschaftliche Zusammenarbeit. So weit die Theorie.

Die Praxis in Thüringen sieht auch hier anders aus. Herrschaftliches Gebaren der Landesregierung und Verkündigung einsam getroffener Beschlüsse scheint die gängige Praxis zu sein. Die Art und Weise des Umgangs mit den Richtlinien ist hierfür ein Beispiel, aber nur eines. Wer sich die Konferenz der GfAW gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium zum Europäischen Sozialfonds in der Messe angesehen hat, der ahnte, welche Unsicherheit die von Landesförderung in irgendeiner Form abhängigen Träger in Thüringen haben. Kaum einer wagte Kritik und fast alle, die mir bei meinen Besuchen in den Wahlkreisen begegnen, äußern Kritik - manch einer im wahrsten Sinne des Wortes zähneknirschend. Denn auf Kritik folgt Bestrafung. Was dort im Bewilligungsverfahren, insbesondere in Zusammenarbeit mit der GfAW geschieht, das erinnert nach all dem, was ich höre, sehr an Willkür. Und wenn willkürlich entschieden werden

kann, ob und in welchem Umfang ESF-Förderung gewährt wird, wenn willkürlich und fast über Nacht Richtlinien außer Kraft gesetzt werden, dann zeigt das den Geist, der spätestens seit dieser Legislaturperiode herrscht. Der Umgang mit dem Landesbeirat für Arbeitsmarktpolitik und die Entmachtung der Regionalbeiräte ist dafür ein weiteres Beispiel. Alle diese Gremien sind zum völligen Feigenblatt verkommen. Mit tatsächlicher Mitbestimmung oder auch nur Mitwirkung hat das nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Und dies, meine Damen und Herren, ist politisch gewollt. Auch damit wird dokumentiert, dass die Schwachen dieser Gesellschaft und die Vereine, Verbände und Gremien, die sie vertreten oder unterstützen, für die Landesregierung nicht mehr von Bedeutung sind. Im alltäglichen Verwaltungsgebahren wird dokumentiert, dass moderne Dienstleistung dieser Landesregierung offenbar darin besteht, feudale Strukturen wieder zum Leben zu erwecken. Deshalb war es wichtig einzufordern und zu hören, ob und wie und mit welchen Ergebnissen mit den Betroffenen und den anderen Akteuren abgesprochen wurde, wie es in Zukunft weitergehen soll. Weil ich aber an die Kraft der Vernunft glaube und weil ich langzeitarbeitslose Menschen nicht auf irgendein Wachstum hoffend ihrem Schicksal überlassen will, deshalb, meine Damen und Herren, richte ich nochmals an die Landesregierung die Aufforderung: Legen Sie endlich ein modernisiertes und im Dialog mit den Akteuren erarbeitetes Arbeitsmarktkonzept vor. Das, lieber Kollege Kretschmer, wäre eben kein bürokratisches Monstrum, wie Sie in den vergangenen Auseinandersetzungen behauptet haben. Nein, es wäre die Beseitigung eines bürokratischen Monstrums. Einhergehend mit immer weniger Mitteln ist es der Landesregierung nämlich in der letzten Zeit tatsächlich gelungen, die Pflege der Bürokratie offenbar zum alleinigen Zweck der Arbeitsmarktpolitik in Thüringen zu erklären.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Gehen Sie raus zu den Trägern, sprechen Sie mit den Trägern und mit den Regionalbeiräten - Sie werden genau das hören. Deshalb kann ich zusammenfassend nur nochmals dazu auffordern:

Erstens, setzen Sie die Richtlinie wieder in Kraft, nutzen Sie die Möglichkeiten des ESF dabei und nutzen Sie vor allen Dingen die Kooperation mit den Verantwortlichen der Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitsgemeinschaften sowie die in den optierenden Kommunen. Sie wissen, dass gemeinsame Finanzierungsmodelle möglich wären, Sie wissen, dass das SGB II Möglichkeiten bietet. Das geht aber nur gemeinsam und das muss man wollen.

Zweitens, begeben Sie sich endlich in einen ernsthaften Dialog mit den anderen Akteuren des Arbeitsmarkts und betrachten Sie diese als Partner. Dies gilt auch für die Projektträger der Projekte, die es nicht zu reglementieren, sondern zu unterstützen gilt. Entwickeln Sie endlich ein transparentes und an die neuen Bedingungen angepasstes Arbeitsmarktkonzept in Zusammenarbeit mit allen handelnden Institutionen, Verbänden und Projekten. Es wäre Aufgabe der Landesregierung, einen solchen Prozess zu gestalten, zu fördern und zu moderieren. All dies wollen wir mit dem Ihnen vorliegenden Antrag. Er deckt sich insbesondere mit meinem letzten genannten Punkt, mit den Intentionen des Antrags der Linkspartei.PDS.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS, ich finde es gut, dass Sie mit Ihrem Antrag viele Dinge aufgegriffen haben, die wir in der Vergangenheit bereits einforderten. Damals ging es Ihnen noch um die Abschaffung und Verteufelung des SGB II, heute können wir uns offenbar sachlich über eine bessere Umsetzung unterhalten. Selbst die mitunter sehr emotional geführte Debatte um die so genannten Ein-Euro-Jobs scheint ja konstruktiver zu werden. Auch wir sind der Auffassung, dass Ein-EuroJobs nur eine - ich betone eine - von vielen Möglichkeiten sind, die uns durch das SGB II gegeben werden. Aber es ist eben eine Möglichkeit, die es auch zu nutzen gilt abseits ideologischer Debatten. Auch wir wollen den Vorrang der anderen Angebote und Sie kennen unsere entsprechenden Anträge in diesem Hause. Leider war die Landesregierung bis zum heutigen Tag der Auffassung, dass diese Probleme für das Land ohne Bedeutung sind. Anders ist die Ablehnung unserer bisherigen Anträge nicht zu verstehen. Ich bin unverändert der Überzeugung, dass wir uns insbesondere über die Neukonzipierung des Arbeitsmarkts differenzierter unterhalten sollten. In Anbetracht der heute geäußerten Bereitschaft des Wirtschaftsministeriums, über die weitere Förderung der Projekte zumindest nachzudenken, beantrage ich, unseren Antrag an den dafür zuständigen Ausschuss zu überweisen. Wir werden eine Überweisung des Antrags der Linkspartei.PDS unterstützen. Wir sollten die Ausschussarbeit zur Unterstützung des Nachdenkprozesses nutzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Herr Abgeordneter Pilger, war das ein Antrag auf Fortberatung des Antrags im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit? Okay. Dann rufe ich für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Günther auf.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn der Minister auf die Punkte Ihrer Anträge, liebe Kollegen der Linkspartei.PDS und der SPD, sehr umfangreich eingegangen ist und es im Wesentlichen nicht allzu viel hinzuzufügen gibt, doch noch einige Anmerkungen auch aus unserer Fraktion. Zu Ihrem Vorschlag zur Schaffung gemeinwohlorientierter Arbeitsplätze, liebe Kollegen der Linkspartei, kann ich nur sagen, dass es weder der realen Nachfrage entspricht, noch dass Sie es damit schaffen werden, die Menschen vom Abstellgleis in den ersten Arbeitsmarkt zu holen.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Es widerspricht einfach marktwirtschaftlichen Grundprinzipien,

(Beifall bei der CDU)