Sie kennen sehr wohl und wissen aus den letzten Jahren, dass die Handlungsspielräume immer enger wurden, aber Sie bleiben stur bei Ihrer Fehlinterpretation der Entwicklung, indem Sie nach wie vor den Leuten verkünden, es gäbe hier ein „Top Thüringen“, wenn auch mit einigen Schwierigkeiten und Proble
men. Anstatt endlich die Ursache und Wirkung voneinander zu trennen und die Ursachen zu bekämpfen, halten Sie an Ihren neoliberalen Denkmustern einfach in gewohnter Weise fest. Sparmaßnahmen, koste es, was es wolle, gegen die Interessen der Menschen durchzusetzen, das sage ich Ihnen deutlich, ist eine gefährliche und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land gefährdende Politik. Deshalb muss man sich dagegen engagieren.
Aber wo liegen die Ursachen für die Entwicklungen der letzten Jahre, meine Damen und Herren? Da ist es natürlich richtig, dass das nicht nur landespolitische, sondern vor allem auch bundespolitische Fragen sind. Der Bund hat im Jahr 2005 immerhin 64,5 Mrd. € weniger an Steuereinnahmen zur Verfügung gehabt als 2000. Die Handlungsspielräume von Bund, Land und in der Folge auch der Kommunen und Landkreise wurden dadurch wirklich zur Handlungsunfähigkeit in vielen Bereichen reduziert. Ihre Philosophie der Steuererleichterungen für die Besserverdienenden - da kommen wir nämlich mal zuerst dazu, ehe wir über Vermögenssteuer reden, da kommen wir mal dazu, was Sie auch im Bund als Politik vertreten - und die großen Firmen hat nicht zu mehr Investitionen und zu neuem Wachstum geführt. In den letzten Jahren ist das eindeutig widerlegt worden. Es geht einfach darum, dass der Wirtschaftsaufschwung nicht gekommen ist, aber die Geldmenge in privaten Händen, und zwar in den privaten Händen Weniger, und den Kassen der großen Konzerne hat sich enorm vermehrt. Dieser Tatsache verweigern Sie sich konsequent.
Die Finanzierung der Steuergeschenke erfolgte zum Teil über neue Schulden, das ist Fakt; zum anderen durch die so genannten Sparmaßnahmen. Letztere gingen allerdings vor allem - und jetzt kommen wir auch wieder zu dem Thema, was mit Vermögenssteuer zu tun hat - zulasten der unteren Einkommen, zulasten der kleinen Unternehmen und der Handwerker. Das ist eben nicht sozial gerecht, aber es ist auch, meine Damen und Herren, in einem Land mit unserer Wirtschaftsstruktur ökonomisch absolut unsinnig. Damit müssen Sie sich mal beschäftigen.
Der einzige Effekt der Steuerpolitik der aus meiner Sicht ganz großen Koalition im Berliner Vermittlungsausschuss ist eine gigantische - jawohl - Umverteilung zugunsten derer, die schon jetzt mehr haben, als sie je ausgeben können, und zulasten von Menschen, die kaum noch in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und schon gar nicht et
Die Folge dieser Umverteilungspolitik ist ein massiver Einbruch an Kaufkraft in unserem Land. Wann nehmen Sie das endlich zur Kenntnis? Es ist eben falsch, dass die Menschen nicht mehr Geld ausgeben wollen; nein, sie können es nicht, weil wegen Streichungen und Kürzungen in den öffentlichen Haushalten immer mehr für den Alltag draufgeht und weniger übrig bleibt, meine Damen und Herren. Und so, davon ist jedenfalls meine Partei und meine Fraktion überzeugt, wird sich die Konjunktur in unserem Land nicht erholen. Im Gegenteil, die Zahl der Firmenpleiten wird als Nachfolge dieser ganzen Entwicklung, weil die Nachfrage zurückgeht, weiter steigen. Darauf werden zwangsläufig weitere Entlassungen folgen und es wird zu mehr Arbeitslosen kommen, wenn wir dieser Entwicklung nicht Einhalt gebieten. Die von Ihnen in den letzten Jahren auch in diesem Haushalt vorgeschlagene Reaktion auf die wirtschaftliche und Beschäftigungsentwicklung in unserem Land heißt weitere Senkung der Kaufkraft durch finanzielle Einschnitte. In neoliberaler Sprache nennen Sie das freilich Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Welch ein Hohn, meine Damen und Herren, solche Formulierungen zu treffen.
Sie sind einfach nicht bereit, anzuerkennen, dass Sie am Ende Ihrer ideologischen - und ich sage das ganz bewusst, schade, dass Herr Schwäblein im Moment nicht da ist - Sackgasse angekommen sind.
Zum Ankurbeln der Wirtschaft sind jedoch nach unserer Meinung andere Maßnahmen notwendig. Ich meine eine Stärkung der Kaufkraft, damit die Nachfrage wieder belebt wird. Es muss mehr Geld in die Hände von Menschen mit unteren und mittleren Einkommen geben. Dazu bedarf es keiner Ausweitung der Verschuldung, das ist, denke ich, klar. Holen Sie - und nun kommen wir zu dem beliebten Thema - das benötigte Geld dort, wo es im Überfluss vorhanden ist. Allein - und ich sage das heute auch erneut - die Vermögens- und Börsenumsatzsteuern würden in Deutschland zu sehr hohen Mehreinnahmen führen, von denen auch Thüringen profitieren würde.
Meine Damen und Herren, Sie - um auf das Reden zurückzukommen - reden von einer neuen sozialen Markwirtschaft. Aber der Gegenstand Ihrer Politik, auch Ihres Haushaltsentwurfs, ist der Rückzug des Staates aus der sozialen Verantwortung. Sie haben den Menschen in den letzten Jahren mehr oder weniger erfolgreich eingeredet, dass der Sozialstaat nicht mehr finanzierbar sei. Die Linkspartei.PDS hat mit ihrem Steuerkonzept umfangreiche Reformvorschläge auf den Tisch gelegt, die das, ich glaube, recht deutlich widerlegen. Unser Steuerkonzept will eine Minderung der Steuerbelastung für untere Einkommen und will höhere Einnahmen der öffentlichen Hand.
Das funktioniert, wenn das Prinzip der Besteuerung an der individuellen Leistungsfähigkeit konsequent umgesetzt wird und die Leistungsfähigen dieser Gesellschaft dabei einbezieht. Insofern ist es einfach nicht korrekt, in dieser Frage von linearen Steuererhöhungen zu reden. Es ist schon jahrelang in Deutschland eine Debatte um diese linearen Erhöhungen, aber wir sagen, an die Struktur der Einnahmen müssen wir letzten Endes heran. Mehreinnahmen sind vor allem aus der Wiedererhebung der Vermögenssteuer, einer progressiv angelegten Körperschaftssteuer, dem Abbau von Subventionen - und dabei meinen wir z.B. Verlustzuweisungsmodelle - und der Besteuerung von Börsengeschäften und Finanzspekulationen zu erzielen.
Das hat mit unserem Landeshaushalt sehr wohl etwas zu tun. Einnahmen in mehrstelliger Milliardenhöhe entgehen dem Bund, den Ländern und den Kommunen jährlich durch die Hinterziehung von Steuern.
Hier muss im Grunde genommen ein Pfahl eingeschlagen werden, um das weiter zu bekämpfen, um diesen Betrügern sozusagen das Handwerk zu legen. Deshalb brauchen wir mehr Personalausstattung, z.B. bei den Prüfern dieser Angelegenheiten, das muss deutlich verbessert werden. Was wir weniger brau
chen, sind immer mehr Prüfverfahren für angeblichen Sozialmissbrauch in diesem Land, meine Damen und Herren.
Wir fordern bekanntermaßen die Einführung einer so genannten Tobin-Steuer zur Besteuerung der Devisentransaktionen, um den weltweiten Handel mit Geld zugunsten des Warenhandels einzudämmen. Dies käme auch der Thüringer Wirtschaft zugute. Eine kommunale Finanzreform schließlich, die den Kommunen die finanzielle Grundlage gibt, ihrer Fürsorgepflicht für die Bürgerinnen und Bürger in eigener Verantwortung nachzukommen, und eine Belebung der kommunalen Investitionstätigkeit, die aktiv die Beschäftigungspolitik beeinflusst, sind aus unserer Sicht dringend erforderlich. Die Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Durch eine höhere Beteiligung im Übrigen der Kommunen an den Gemeinschaftssteuern und die Revitalisierung der Gewerbesteuer muss entschieden mehr Geld in die kommunalen Haushalte kommen. Darauf werde ich später noch zurückkommen.
Meine verehrten Damen und Herren, wie Sie sehen, gibt es genügend vernünftige Vorschläge, die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte zu verbessern. Dass ihre Umsetzung leider momentan nicht zu erwarten ist, zeigt die Forderung nach einer Erhöhung der Mehrwertsteuer in den vergangenen Monaten durch die Union. Die Linkspartei hat dagegen vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer für arbeitsintensive Dienstleistungen, auch Handwerk, für Medikamente und für den Tourismus zu senken. Solch eine strukturelle Veränderung würde die Konjunktur beleben. Die Union dagegen treibt mit ihrem Vorschlag zur Mehrwertsteuererhöhung die Preise in die Höhe, was sich keinesfalls wirtschaftlich positiv auswirken wird.
Meine Damen und Herren, die Verschuldung Thüringens wird bekanntermaßen Ende 2007 fast 18 Mrd. € betragen. Bei einem Haushaltsvolumen von 9 Mrd. € sind jetzt schon über 700 Mio. € Zinsen jährlich zu zahlen. Ich denke, wir sehen aus dieser Situation einfach zwei Dinge:
1. Die Politik der CDU-Landesregierung engt politische und finanzielle Spielräume über einen langen Zeitraum systematisch ein.
2. Haushaltskürzungen und das ungebremste Anwachsen der Schulden- und Zinslast sind eben zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Die Landesregierung bemühte sich immer, die Verantwortung dieser Fehlleistung abzuweisen. Ebenso wenig mangelte
es an großen Ankündigungen zum Schuldenabbau. Die Wahrheit ist, dass Sie nicht nur diese Ziele binnen Monaten aufgeben mussten, sondern auch völlig unseriös diese Ziele in die Öffentlichkeit brachten. Ihre Mittelfristigen Finanzplanungen waren schon nach kurzer Zeit Makulatur. Und noch ein Widerspruch: Mit der Senkung des Spitzensteuersatzes um weitere 3 Prozentpunkte zum 01.01.2005 sind Thüringen über die Ausgleichsmechanismen nochmals 50 bis 100 Mio. € verloren gegangen. Mit anderen Worten: Ihre neoliberale Steuerpolitik, denn auch Sie vertreten die im Bund, führt in Thüringen zur permanenten Verschlechterung der Einnahmesituation unseres Landes.
Hier im Lande dann die Situation zu beklagen und angebliche Sachzwänge immer wieder anzuführen, ist aus meiner Sicht einfach scheinheilig, meine Damen und Herren. Von Nachhaltigkeit in der Politik in der CDU-Landesregierung in besserer Hinsicht kann schon lange keine Rede mehr sein. Das zeigt sich u.a. auch bei der Frage der Unternehmensansiedlung. Wir hatten ja die Beispiele der Technologiefirma Moser Baer, die wollte mit 100 Mio. € Gesamtinvestitionen im GVZ Vieselbach eine Produktionsstätte für DVDs und CDs aufbauen. Der Herr Ministerpräsident höchst persönlich hat kurz vor der Landtagswahl geäußert - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Diese Neuansiedlung zeigt einmal mehr, dass Thüringen ein international interessanter Investitionsstandort ist.“ Ein Jahr später platzte das Projekt bekanntermaßen wie eine Seifenblase, meine Damen und Herren - Konsequenzen keine, wie üblich. Alles bestens, meint Minister Reinholz auf meine Anfrage im letzten Plenum nach den Gründen der bundesweit niedrigsten ausländischen Direktinvestitionen, die wir in Thüringen verzeichnen. Der bundespolitische Anspruch dieses Ministerpräsidenten und die landespolitische Realität klaffen nicht nur an der Stelle, aber an der ganz besonders, meilenweit auseinander, meine Damen und Herren.
Ihre Vorstellungen, wo es künftig hingehen soll, die sind aus meiner Sicht über weite Strecken abenteuerlich. Sie wollen, der Ministerpräsident hat es geäußert, den Solidarpakt neu justieren. Aber, meine Damen und Herren, das wollen Sie u.a. auch, nachdem sie ihn schon seit Jahren zur Schuldentilgung missbrauchen. Aber jetzt gehen Sie noch einen Schritt weiter. Sie wollen die Investitionszulage kürzen und auslaufen lassen, die Gemeinschaftsaufgabe verändern, europäische Mittel des EFRE als Einsatz für fehlende Landesmittel einsetzen. Wo leben Sie eigentlich? Mit diesem Kurs
(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das steht doch fest.)
liefern Sie den Gegnern eines solidarischen Finanzausgleichs, den Gegnern der weiteren Ostförderung, wie Ihren Parteifreunden Stoiber und Koch, doch nur weitere Argumente, meine Damen und Herren. Ich sage, das ist keine Politik,
die nach 15 Jahren deutscher Einheit angebracht ist. Das ist eine Politik, die Deutschland weiter spaltet, meine Damen und Herren, und dafür tragen Sie ein Stück weit Verantwortung mit, wenn Sie auf diesen Kurs gehen.
Ich möchte mich an dieser Stelle gerne an den Abschlussbericht der Dohnanyi-Kommission beziehen und Folgendes formulieren: Dort wird für die Zukunft des Aufbaus Ost gefordert, dass die Mittel des Solidarpakts II von den Ländern nicht zweckentfremdet genutzt werden. Aber genau das tun Sie heute, und genau das, meine Damen und Herren, wollen Sie in der Zukunft tun.
Was die Thüringer Industrie betrifft, so ist sie in diesem Jahr langsamer gewachsen als beispielsweise in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Gleichzeitig sinken die Kapazitäten der Bauwirtschaft, nicht zuletzt wegen nachlassender Investitionen von öffentlichen Verwaltungen und Kommunen. Thüringen - die vermeintliche ostdeutsche Wachstumsregion mit den höchsten Entwicklungspotenzialen, von denen unser früherer Ministerpräsident, Herr Vogel, sehr gern gesprochen hat - ist heute - und das muss man sich mal vorstellen - glücklich darüber, dass es den Anschluss an das europäische Durchschnittsniveau nach 14 Jahren CDU-Politik verfehlt, weil Thüringen dadurch auch künftig Anspruch auf maximale EU-Förderung hat. Dieser Zustand wird dann noch sozusagen als großer Erfolg unserer Landespolitik ausgegeben. Ich frage mich: Wie viel Realitätsverlust gehört dazu, solche Positionen zu beziehen?
Deshalb sage ich auch, nach dem, was wir heute von Frau Ministerin gehört haben, aber auch nach dem, was Herr Althaus, soweit er sich geäußert hat, letztens dazu ausgeführt hat: Ihre Konzeptionslosigkeit, die ist wirklich bedrückend. Sie propagieren Wirtschaftswachstum und die Förderung des ersten Arbeitsmarkts, doch bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist seit 1999 ein Rückgang von 140.000 bis heute zu verzeichnen. 140.0000, meine Damen
und Herren, verlorene Arbeitsplätze in diesem Land, das ist Realität Ihrer politischen Haltung und Ihres politischen Agierens. Das sind 23.000 Arbeitsplätze jedes Jahr, die in Thüringen verloren gegangen sind - 63 pro Tag. In einer Langzeitanalyse hat Thüringen seit 1991 die nach Sachsen-Anhalt zweithöchsten Beschäftigungsverluste deutschlandweit. Da kann ich nur sagen, auch wenn er nicht geruht hier zu sein: Herr Ministerpräsident, was ist daran Top Thüringen? Ich möchte das nach Berlin fragen: Was ist daran Top Thüringen?