Nein, meine Damen und Herren, diese Haushaltssituation, die Sie hier selbst beklagen, Frau Finanzministerin, die kommt nicht von ungefähr, die hat ihre Vorgeschichte, das gilt für diesen vorgelegten Doppelhaushalt genauso wie für den Haushalt des letzten Jahres. Seit nunmehr sechs Jahren, seit sechs Jahren kann die CDU mit einer absoluten Mehrheit hier im Thüringer Landtag schalten und walten, wie sie will, und was hat sie uns nicht alles versprochen. „Sparen und Gestalten“, das war das große Motto, aber das Gestalten haben Sie sich schnell gespart, und den Haushalt, den haben Sie an die Wand gefahren, wie wir aus den aktuellen Zahlen nachlesen können.
Das ist die Wahrheit. Dieter Althaus, seit fünf Jahren CDU-Vorsitzender und seit über zwei Jahren Ministerpräsident, ist unfähig, diesem Land neue Impulse zu geben.
Und erinnern Sie sich? Vor einem Jahr hat uns hier der Ministerpräsident, damals war er noch anwesend in der Haushaltsberatung, einen so genannten Reformhaushalt präsentiert, und zwar bestand der aus einem Konglomerat aus hohen Schulden und harten Einschnitten und er sollte die Zukunft des Landes voranbringen. Das Ganze war schon damals nicht leicht zu erklären. Der Ministerpräsident hat es in seiner Regierungserklärung trotzdem versucht, ich zitiere ihn noch mal, er sagte damals: „Ich halte diesen Mix aus Einsparungen und neuen Krediten für vertretbar, weil wir an dem Ziel festhalten, die Konsolidierung
durch eine deutliche Reduzierung der Neuverschuldung in dieser Legislaturperiode voranzutreiben.“ Aber was passiert denn im Doppelhaushalt wirklich, Frau Finanzministerin? Die Neuverschuldung im kommenden Jahr wird wieder fast 1 Mrd. € betragen und im Jahr 2007 sieht es auch nicht wesentlich besser aus mit der Neuverschuldung. Insgesamt machen Sie mit Ihrem Haushaltsentwurf also 1,8 Mrd. € neue Schulden. Ist das die versprochene Konsolidierung? Als Dieter Althaus 2003 von Bernhard Vogel auf den Sessel des Ministerpräsidenten gesetzt wurde, gab Thüringen 9,230 Mrd. € etwa aus und machte rund 710 Mio. € neue Schulden. Im nächsten Jahr steigen die Ausgaben auf 9,321 Mrd. € und die Schulden summieren sich auf 975 Mio. €. Von 2003 auf 2006 also Mehrausgaben von 90 Mio. € und 260 Mio. € mehr Neuverschuldung im Jahr. Ist das Ihre Vorstellung von Konsolidierung, Frau Finanzministerin? Ich kann Konsolidierung hier beim besten Willen nicht erkennen.
Und was 1,8 Mrd. € Schulden in den nächsten beiden Jahren bedeuten, rechne ich Ihnen gern vor: Jeden Abend, wenn Sie sich die Decke über den Kopf ziehen, wird dieses Land 2,5 Mio. € neue Schulden aufgenommen haben. Da sind die noch gar nicht mitgerechnet, die Sie in Schattenhaushalten und Sondervermögen unter der Decke halten. Halten Sie das wirklich für vertretbar? Halten Sie das wirklich für Haushaltskonsolidierung, was Sie uns hier anbieten? Schon in diesem Jahr gibt das Land 710 Mio. € für Zinsen aus und wenn Sie so weitermachen wie bisher, dann verspielen Sie jeden Gestaltungsspielraum, Sie nehmen diesem Land die Luft zum Atmen. Ich bin überzeugt, dass sich Thüringen diesen Kurs der Thüringer CDU, diesen Kurs der Landesregierung nicht mehr länger leisten kann,
Man kann ja mal Ihre Haushaltspolitik vergleichen mit dem, was in anderen neuen Bundesländern passiert ist, auch die müssen unter den gleichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen arbeiten, unter den gleichen Bedingungen der Bundesfinanzen.
(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: 30 Mrd. € Defizit im nächsten Jahr laut Finanzminister Eichel.)
Und da kann man feststellen, weder Sachsen-Anhalt noch Mecklenburg-Vorpommern, noch Brandenburg oder Sachsen haben ihre öffentlichen Schulden in den letzten Jahren so massiv erhöht wie Thüringen. Dieter Althaus ist der Schuldenkönig unter den ostdeutschen Ministerpräsidenten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Auch 2006, Frau Finanzministerin, wird Thüringen wieder die meisten Schulden von allen neuen Bundesländern machen. Das geht aus den Zahlenvergleichen eindeutig hervor. Auch 2006 wird Thüringen die höchste Kreditfinanzierungsquote unter den neuen Bundesländern haben. Mehr als 10 Prozent des Landeshaushalts müssen Sie über Kredite finanzieren. Selbst unser Nachbarland Sachsen-Anhalt, welches ja nun nicht gerade dafür berühmt ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung dort so wesentlich besser ist als bei uns, hat in den letzten Jahren die Kreditfinanzierungsquote deutlich absenken können. Sie haben das nicht geschafft, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union.
(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Das war das Ausgangsniveau, das Ihre Regierung hinterlassen hat.)
Brandenburg beispielsweise kommt mit 15 Prozent weniger Personalausgaben pro Einwohner aus als Thüringen.
Meine Damen und Herren, die Zahlen sind sehr eindeutig. Bei wichtigen Kennwerten fällt Thüringen im Vergleich mit den anderen Bundesländern deutlich zurück. Schuld daran können, glaube ich, kaum die anderen sein, Frau Finanzministerin.
Es sei denn, Sie werfen den anderen vor, besser zu sein. Aber das ist dann Ihre Sache. Selbst die Zahlen des Haushaltsentwurfs lassen Ihre Ausreden, die Sie hier heute noch mal vorgetragen haben, ja nicht wirklich gelten. Immer wieder behaupten Sie, die Steuereinnahmen würden in Größenordnungen
wegbrechen. Nur ein Bruchteil davon stimmt. Im kommenden Jahr ist mit einem leichten Rückgang der Steuereinnahmen zu rechnen, 38 Mio. € weniger. 2007 wendet sich das Blatt wieder, dann gibt es gegenüber 2006 128 Mio. € mehr in der Steuerkasse; unter dem Strich im Doppelhaushalt also ein Plus an Steuereinnahmen von 50 Mio. €. Ein weiteres Dauerargument, mit dem Sie uns immer wieder traktieren, auch heute haben Sie das wieder vorgeführt, sind die steigenden Kosten für Zusatz- und Sonderversorgungssysteme, die angeblich so große Löcher in den Haushalt reißen. Im kommenden Jahr steigen die Kosten für die Sonder- und Zusatzversorgungssysteme nach Ihren eigenen Zahlen um ganze 0,3 Prozent.
Das kann ja wohl den Haushalt nicht aus dem Gleichgewicht geworfen haben. Frau Finanzministerin, das Problem kommt nicht von außen. Die Probleme des Thüringer Landeshaushalts, die sind von Ihnen selbst gemacht und von Ihnen zu verantworten.
Das fängt bei der Ehrlichkeit des Haushalts an. Seit Jahren geht die Haushaltsdebatte hier im Landtag an dem vorbei, was die Landesregierung dann tatsächlich hinterher macht. Seit Jahren präsentiert uns die Landesregierung Pläne, an die sie sich später nicht mehr hält. 2002 fehlten in der Endabrechnung gegenüber dem beschlossenen Haushalt 152 Mio. €. 2003 fehlten in der Endabrechnung 219 Mio. €. 2004 fehlten in der Endabrechnung 180 Mio. €. Da will ich mal die Frage stellen: Ist es denn purer Zufall, dass das in diesen Jahren passiert, weil vielleicht 2002 eine Bundestagswahl anstand, weil vielleicht 2003 der damalige Ministerpräsident Bernhard Vogel seinen Abtritt hier in Thüringen nicht mit schlechten Haushaltszahlen verderben wollte, weil 2004 vielleicht eine Landtagswahl anstand? Oder hat die Landesregierung wissentlich und willentlich die Haushaltsentscheidungen des Parlaments missachtet? Die Kolleginnen und Kollegen von der Unions-Fraktion können einem ja in diesem Zusammenhang letztendlich nur Leid tun. Jahr für Jahr halten sie hier den Kopf hin für die verfehlte Haushaltspolitik der Landesregierung, aber es nützt nichts. Am Ende macht die Landesregierung trotzdem, was sie will, überzieht die Haushalte gnadenlos, ohne sich dafür einen Nachtrag genehmigen zu lassen, und schiebt die Quittung dafür dann in spätere Jahre. Auch in diesem Haushalt findet sich wieder eine solche Quittung der Landesregierung mit einer Größenordnung von 180 Mio. €. 180 Mio. € müssen in diesem Haushalt abfinanziert werden, weil Sie 2004 keinen ehrlichen Haushaltsabschluss gemacht haben. Hätten Sie sich 2004 an die Beschlüsse des Parlaments gehalten, dann müss
ten wir in diesem Haushaltsjahr deutlich weniger Schulden machen. Würde die Landesregierung ihre Arbeit ehrlich und engagiert machen,
Also, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Großen-Wurf-Fraktion, Ihre haushalts- und finanzpolitische Bilanz der letzten Jahre ist wirklich nicht besonders toll. Sie hatten und Sie haben die Chance, die großen Würfe nicht nur in den Sonntagsreden einzufordern und die grundlegenden Modernisierungsentwürfe, sondern Sie hatten und Sie haben auch in den nächsten Jahren die Chance, Ihre großen Würfe, Ihre grundlegenden Modernisierungsvorstellungen hier im Thüringer Landtag einzubringen und zu beschließen. Sie ganz allein können das entscheiden. Sie haben dafür bei den Wahlen die Mehrheit in diesem Thüringer Landtag bekommen. Warum setzen Sie denn das, was der Ministerpräsident in großen Reden ankündigt, nicht endlich einmal in die Tat um? Auf was warten Sie denn eigentlich noch?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbst das bisschen Behördenreform, was Sie im letzten Jahr in Angriff genommen haben, ist stecken geblieben an vielen Stellen. Was ist denn von dem, was uns hier im September 2004 versprochen wurde, umgesetzt? Die Thüringer Förster, die haben Sie durch den Wald hin- und hergescheucht. Mehr ist doch nicht passiert bisher.
(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Hin- und hergescheucht, das ist nicht normal!)
Und eines ist offensichtlich - Herr Sklenar, ich weiß ja, dass Sie die Förster gern in Schutz nehmen, aber das müssen Sie dann auch mal gegenüber der Finanzministerin tun, nicht nur gegenüber der Opposition -,
(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Ein Herz und eine Seele.)
auch dieser Haushalt zeigt, dass Sie die Finanzmisere im Land nicht in den Griff bekommen. Warum sträuben Sie sich eigentlich immer noch gegen eine durchgreifende Verwaltungs- und Gebietsreform? Was steht dem eigentlich im Weg? In Magdeburg wird heute entschieden über eine Gebietsreform in
Sachsen-Anhalt. Die Sachsen sind intensiv in der Vorbereitung einer umfassenden Verwaltungs- und Gebietsreform. In Mecklenburg laufen intensive Vorbereitungen für eine umfassende Verwaltungs- und Gebietsreform. Brandenburg hat eine tief greifende Gemeindeverwaltungsreform gemacht und diskutiert über weitere Reformschritte. Nur die Thüringer CDU bleibt auf dem Sessel sitzen, kommt aus dem Sessel nicht hoch und verweigert eine solche umfassende Verwaltungs- und Gebietsreform. Das ist aber der einzige strukturelle Ansatz, mit dem wir aus dieser Finanzmisere herauskommen. Warum trauen Sie sich denn da nicht ran, werte Kolleginnen und Kollegen?
Frau Diezel, Sie haben vorhin gesagt, wenn man Zahnschmerzen hat, dann soll man zum Zahnarzt gehen und das nicht rauszögern, sondern dann die notwendigen Konsequenzen auch schnell hinter sich bringen. Ja, warum gehen Sie dann nicht an die Verwaltungs- und Gebietsreform heran? Warum versteckt sich der Ministerpräsident wie ein kleiner trotziger Junge im Kleiderschrank und hofft, dass die Mutti ihn nicht findet und zum Zahnarzt bringt?
Herr Matschie, Sie erlauben eine Nachfrage. Weil Sie das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern angebracht haben: Ist Ihnen bekannt, dass der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern die Landesregierung gebeten hat, einmal nachzuweisen, was denn die Kosteneinsparungen der Verwaltungs- und Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern sind, und diese Nachweise nicht erbracht wurden?