Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Der Minister hat über den Inhalt nicht berichtet. Es gibt eben keinen zeitnahen Bericht der Landesregierung zur Veräußerung der Anteile. Wenn am 13. Januar ein Sozialausschuss einmal auf Antrag der CDU-Fraktion sich weiter mit der Psychiatrie beschäftigt und einmal auf Antrag der Linkspartei.PDS, wenn dann aus der Regierung auf die Fragen nicht ge-antwortet werden kann, das will ich gar nicht bewerten. Das hat aber nichts mit zeitnahen Informationen zu tun, wenn wir sogar noch nachfragen. Und es hat auch nichts mit Zeitnähe zu tun, wenn ein Aus

schuss übereinkommt, weil ein Ministerium zusagt, Fragen binnen einer Woche zu beantworten, wenn die Woche vom 13. Januar bis zum heutigen Tag geht.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Das ist Quatsch, es geht um das Eingangsda- tum.)

Ich bitte Herrn Minister Zeh, im Protokoll des Ausschusses vom 13. Januar nachzuschauen. Das ist ein Nebenschauplatz, den Sie jetzt aufmachen wollen. Die Geschäftsordnung regelt nämlich nicht, dass der Landtag, der Landesregierung erst einmal in schriftlicher Art und Weise die Fragen mitteilen soll, die die Regierung als Frage im Ausschuss hört. Die Protokolle für den Ausschuss - so steht es in der Geschäftsordnung - werden drei Tage vor der nächsten Ausschuss-Sitzung verteilt. Wie soll ich umgehen mit der Bereitschaft Ihrerseits, binnen einer Woche Fragen durch das Ministerium zu beantworten, wo dann rauskommt - heute ist der 20. Januar. Ich glaube, das ist nicht zeitnah.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Sie machen den Nebenschauplatz auf.)

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Das ist ja nicht wahr.)

Na ja, das haben Sie ja wohl hoffentlich gemerkt, finde ich in Ordnung, dass die Landesregierung offensichtlich längere Wochen hat als wir.

Das Phänomen ist aber, dass die Fragen, die nun binnen einer Woche beantwortet werden sollten, eben nicht entsprechend der Diktion des Ausschuss beantwortet werden, sondern da wird doch tatsächlich hingeschrieben, die Fragen kriegen Sie im Plenum beantwortet, z.B. über die Beleihungsverträge. Das Papier haben wir heute erhalten, einverstanden, wir kennen alle die Geschäftsordnungsfragen. Was hat der Minister aber über die Beleihungsverträge gesagt? Nichts. Also die Frage bleibt offen und spätestens an der Stelle ist der Antrag der SPD-Fraktion aktueller denn je. Und wenn ich gesagt habe, wir beschäftigen uns schon seit über einem Jahr im Ausschuss damit, dann muss ich sagen, es ist manchmal wie Stochern im Nebel, weil man jede Woche eine neue Antwort kriegt. Wenn der Minister Pietzsch noch allgemein gemäß Protokoll von 25,1 Prozent Sperrminorität sprach, erfahren wir heute, bei einem sind es 25,3, nämlich in Hildburghausen. Ist das für Sie unbedeutend? Darin steckt noch eine ganze Menge anderes. Ministerin Frau Diezel hat am 30.08.2005 - in der Drucksache 4/1158 nachlesbar - gesagt, mit einem Verkauf der Geschäftsanteile würde der Frei

staat Thüringen nur seine Gesellschafterrechte an die Betreibergesellschaften aufgeben. Die Rechte und Pflichten des Maßregelvollzuges und die damit verbundene Ausübung hoheitlicher Aufgaben sind unabhängig von der Gesellschafterstellung des Freistaates Thüringen im Beleihungsvertrag des Freistaates Thüringen und der jeweiligen Trägergesellschaft geregelt. Auch dieser Satz gibt uns wieder keine Klarheit darüber, auch damals nicht, was steckt in den Beleihungsverträgen. Nun würden wir eben endlich gern wissen auf der einen Seite, was steckt drin, und auf der anderen Seite aber, was hat denn der Freistaat getan als Gesellschafter? Wie hat er denn in den zurückliegenden Jahren seit der Privatisierung seine Verantwortung wahrgenommen? Die Frage ist auch nicht beantwortet. Ich weiß ja nun, es sind 25,3 Prozent der Sperrminorität verkauft worden, die sind eben politisch nicht unbedeutend. Und da ist es auch nicht unbedeutend, dass der ständige Bereich der Ausgaben, die auch beim Land verbleiben, weil der Maßregelvollzug hoheitliche Aufgabe ist, von 15 Mio. € im Jahr 2002 auf mehr als 35 Mio. € im Jahr 2007 für den Maßregelvollzug prognostiziert, gestiegen sind. Das ist doch nicht unwichtig. Dabei war damals, also 2001, der Verkauf der Landesfachkrankenhäuser bereits strittig. Wenn ich weiß, wie strittig das war, dann muss ich doch Offenheit in der Debatte, was jetzt entstanden ist, machen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich möchte nicht noch mal alles aufzählen, was 2001 in den Debatten war, auch nicht noch mal den öffentlich-rechtlichen Trägerwechsel, der auch möglich ist, den sollte man debattieren, für die zwei anderen schon wieder für den Verkauf angedachten, vielleicht können wir dort noch etwas tun, denn es gab doch den so genannten Vorteil immer nur, wenn man die drei Kliniken verkauft, wurde uns immer gesagt. Es ist ja Investitionsstau, der damit abgebaut werden kann, weil Private andere Kreditmöglichkeiten haben, weil eine Vorfinanzierung anderer Art möglich sein kann. Nun entdecken wir, dass die Finanzentwicklung im Land immens ist und ich möchte einfach fragen: Wer bezahlt denn den Investitionsaufwuchs, der privat kreditiert wird? Es ist doch sicher richtig, zumindest habe ich das den Ausführungen entnommen, dass das über die Pflegesatzverhandlung, letztendlich über die Pflegesätze refinanziert wird. Also Leute, die ihr Krankenkassenbeiträge bezahlt, das Land hat sich in der Höhe der Investitionen verabschiedet aus ihrer eigenen mit Steuern zu investierenden für die Fachkrankenhäuser - ihr, liebe Beitragszahler, bezahlt dieses mit. Ich glaube, da ist auch etwas zu hinterfragen in Bezug auf eine hoheitliche Aufgabe.

Es gibt sehr viele Fragen. Eine hat Herr Panse indirekt angesprochen. Ja, der Sozialausschuss be

schäftigt sich auch mit den Aussagen oder den noch nicht getätigten Aussagen des Landesrechnungshofs. Wir möchten aber anmahnen, dass es für uns unverständlich ist, wenn der Landesrechnungshof nur ein eingeschränktes Prüfrecht haben soll. Damit kommen wir nicht klar. Aus § 67 der Landeshaushaltsordnung ergibt sich, dass der Rechnungshof im Bereich der Fachkrankenhäuser bzw. auch des Maßregelvollzugs weitere Prüfrechte haben muss, soweit ein Interesse des Landes besteht, und das besteht bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben eben trotz Privatunternehmen auch. Sind solche Prüfungsrechte in Satzung und Gesellschaftervertrag und im Beleihungsvertrag festzuschreiben? Ist das vollzogen, steht das im Beleihungsvertrag? Wir wissen es nicht. Dann würde nämlich, wenn das drinsteht, der Rechnungshof den direkten Einblick in die gesamte Wirtschaftstätigkeit bzw. in die entsprechenden Unterlagen haben. Dabei ist es wichtig, dass in dem entsprechenden Prüfbericht über die Zahlenmaterialien hinaus weitere Informationen über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens enthalten sind. Und hier sage ich nicht, das will die PDS-Fraktion, das will die SPD-Fraktion oder irgendjemand von uns nach dem Motto „wirtschaftliche Unternehmen ausspionieren“, nein, wir wollen wissen, ob diese Aspekte durch den Rechnungshof mitgeprüft werden, damit wir tatsächlich auch in Bezug auf die Kostenentwicklung im Maßregelvollzug letztendlich sehen können: Das, was Sie sagen, es hat sich bewährt. Wir sehen es nicht.

Meine Damen und Herren, die gesteigerten Informations- und Prüfpflichten für den Rechnungshof ergeben sich eben immer wieder aus dem Gesellschaftervertrag. Etwaige Kulanzregelungen in Beleihungsverträgen könnten letztendlich spätestens dann die Verfassungsmäßigkeit doch sehr negativ beeinflussen. Wer uns also nicht einsehen lässt, der wird merken, wir lassen keine Ruhe, wir wollen nicht die Verunsicherung der Bevölkerung an dieser Stelle, sondern wir möchten Klarheit als Politiker, damit wir wissen, was mit solchen Entscheidungen überhaupt dann an Folgeergebnissen ist. Im Vergleich der einzelnen Fachkliniken wird natürlich auch etwas interessant. Sie sagten selbst, Herr Minister, Hildburghausen ist am 29.12. realisiert, das haben wir auch der Pressemitteilung entnehmen können. Wann werden denn die Daten für Stadtroda, für Mühlhausen, wann werden die denn sein, wann werden die denn verkauft? Diesmal rufe ich nicht überall an, diesmal frage ich nicht in einem nicht öffentlichen Ausschuss, diesmal frage ich bewusst hier, weil ich glaube, Kontrollrechte von Abgeordneten beziehen sich eben doch darauf. Wie sollen wir überprüfen, ob die LHO eingehalten wird, wenn wir im Nachhinein immer nur informiert werden? Wir möchten schon wissen, wann, was läuft.

Bei den Pflegesätzen möchte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, wie sich das in der letzten Zeit entwickelt hat. Auch in der Drucksache 4/1547 wird auf die Fragen nach den differenzierten Pflegekostensätzen in den einzelnen Klinikgesellschaften sich immer wieder auf den Artikel 67 der Landesverfassung bezogen, also auf den Datenschutz verwiesen. Damit ist zwar eine differenzierte Betrachtung der Pflegesätze in den einzelnen Kliniken für den Maßregelvollzug nicht möglich, doch weist der durchschnittliche Pflegekostensatz eine Steigerungsrate im Jahr 2005, bezogen auf das Jahr 2002, eine Prozenthöhe von 12,8 auf. Ist diese Steigerung begründet in den Investitionen? Worin ist diese noch? Die tarifliche Entwicklung derer, die dort arbeiten, die kann es nicht sein, denn da konnten wir nachlesen, wie die tatsächliche Tarifsteigerung ist. Diese Steigerung ergibt sich auch nicht aus der Zunahme der Fälle, die in diesen sind, also muss doch irgendwo hinterfragt werden, woher die 12,8 kommen. Die Inflationsrate ist es zum Glück auch nicht und die Heizkosten damit auch nicht.

Bei dem Vergleich der Pflegesätze zwischen drei Fachkliniken fällt auf, dass Mühlhausen aus Kassensicht den günstigsten Wertpflegesatz hat. Da fragt man sich dann, die mit dem günstigsten werden als Letzte verkauft oder wie. Wann soll diese Entscheidung gefällt werden?

Interessant ist auf alle Fälle die Tatsache, dass in dem Unterbringungskostensatz die Personal- und Sachkosten enthalten sind und eine gesonderte Position der Kosten für Investitionsmaßnahmen erhalten. Daher waren wir in der Lage zu sagen, Leute, ihr mit eurem Krankenkassenbeitrag refinanziert das Ganze. Mit dem Verkauf der Restanteile des Fachkrankenhauses Hildburghausen gibt es nur noch eine Fachaufsicht über den Maßregelvollzug. Das Land kann nicht mehr Einfluss auf die Entwicklung des Leistungsspektrums der Klinik noch auf die Entwicklung der Unterbringungskosten - den Titel müsste ich jetzt in Anführungszeichen setzen - nehmen. Hier kommt nämlich wieder die Frage: Was müssen wir für eine Kostenentwicklung haben ohne Einfluss auf die Kosten, wenn letztendlich alle Gesellschafteranteile verkauft sind?

Ich möchte noch einmal auf das Problem verweisen, dass Daseinsfürsorge gegenüber der Bevölkerung, aber auch gegenüber Strafgefangenen im Maßregelvollzug, nicht heißen kann, wenn ein Privater es tut, dann ist es auch gut, sondern wir wollen Daseinsvorsorge tatsächlich als staatliche Aufgabe mindestens in den hoheitlichen Bereichen. In der Presseerklärung vom 30.12. - darauf habe ich schon verwiesen - wird tatsächlich behauptet, es hat sich alles bestens bewährt. Wenn das so wäre, wenn der Nachweis gebracht wäre gegenüber den Abgeord

neten, dann müssten wir auch nicht ständig nachfragen.

Die drei Landesfachkrankenhäuser haben unterschiedliche Aufgaben. Als einzige Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 Strafgesetzbuch hat Hildburghausen ganz Thüringen als Pflichtversorgungsgebiet. Die Fachkliniken Stadtroda und Mühlhausen sind nach § 63 Strafgesetzbuch psychiatrische Krankenhäuser und teilen sich den Versorgungsauftrag. Und da frage ich dann nun doch Herrn Staatssekretär Illert: Wie wollen Sie dieses aufheben, wenn Sie sagen, dass es nicht nachvollziehbar ist, worin Probleme liegen sollen? Das ist ganz einfach: in den Kapazitätsproblemen, in den Therapieprotokollen, in den Therapieplänen, es gibt eben nur einen für Suchtkranke. Wie soll es geregelt werden? Und, da muss man beachten, es gibt immer nur ein Klinikum für ein Problem. Wo fängt die Verantwortung der hoheitlichen Aufgabe an? Wie ist das mit einer 50prozentigen Abbruchquote in den Therapien? Glauben Sie nicht, dass das Strafmaß etwa in den Therapiezeiten schon mit berücksichtigt wäre, sondern die Therapie ist vor der Strafe absitzen, wie der Volksmund sagt. Auch daraus kommt eben die Frage, wie müssen die Therapien gestaltet werden, dass es nicht 50-prozentige Abbruchquote gibt, auch wenn man sie nicht als Politiker beeinflussen will. Aber wo ist die Landesregierung beteiligt, um dieses Problem zu beseitigen?

Ich glaube, und das möchte ich zusammenfassend noch einmal darstellen, der Verkauf bzw. die Privatisierung hat Ansätze für eine bessere Qualität, aber keine durchgreifende bessere Qualität im Maßregelvollzug gebracht. Ich möchte nur daran erinnern, wie die Strafvollzugskommission, also Unterarbeitsgruppe des Petitionsausschusses, sich bei ihren Besuchen auch Räumlichkeiten angesehen hat. Es ist keine Entlastung des Landeshaushalts bei der Gesamtproblematik zu erkennen als zweite Zusammenfassung. Und es muss endlich auch Schluss damit sein, dass Abgeordnete über den Vollzug eines Verkaufs aus der Zeitung erfahren. Wir müssen rechtzeitig informiert werden und wir müssen auch das Recht haben, auf unsere Fragen sachgemäße und tatsächlich informative Antworten zu erhalten und nicht, wie hier heute passiert, in den Antworten für den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, dass auf die heutige Plenardebatte verwiesen wird und am Ende der Minister auch in diesem Bericht genau die Fragen, die gestellt sind, zu den Beleihungsverträgen wieder nichts sagt. Wir werden nicht am 3. Februar uns im Ausschuss damit beschäftigen können, sondern auf Anfrage. Der Ausschuss wird sich weiter damit beschäftigen, wir werden uns erst im März damit beschäftigen können. Dies sage ich auch, weil in diesem Papier der Landesregierung steht, wenn ich als Ausschussvorsitzende den Ter

min bestätigt habe, 17.3., erst dann können wir die Kliniken hören, das ist ein ganz einfaches organisatorisches Problem, was man akzeptieren muss. Nicht jede Klinik kann zu jeder Zeit, weil ein Ausschuss gerade tagt und deswegen werden wir uns spätestens im März zur Ausschuss-Sitzung weiterhin mit Beleihungsverträgen, mit Kostenentwicklung, mit hoheitlicher Aufgabe und dem möglichen Stopp des Verkaufs der noch bestehenden Anteile an zwei weiteren Landesfachkrankenhäusern beschäftigen, wenn uns bis dahin nicht eine Pressemitteilung belehrt hat, die Krankenhäuser sind schon verkauft.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Künast zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, bei dem vorliegenden Antrag geht es uns um drei Dinge:

1. um den Umgang der Landesregierung mit diesem Parlament und die Informationspflicht dieser Landesregierung gegenüber diesem Parlament,

2. um die finanziellen Auswirkungen des Verkaufs der vom Land verbliebenen Anteile an den ehemaligen Landesfachkrankenhäusern und schließlich

3. um die Verantwortung der Landesregierung bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, sowohl im Sozialausschuss als auch in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses zur Beratung des Doppelhaushaltes für die Jahre 2006 und 2007 im November wurde uns seitens der Landesregierung mitgeteilt, dass der Verkauf der verbliebenen Landesanteile geprüft würde. Die ersten Informationen dazu konnten wir wenige Monate vorher der Presse in Mühlhausen entnehmen, als sich Minister Zeh dort entsprechend äußerte. Erst dann hieß es auf Nachfragen der Parlamentarier einschließlich meiner persönlichen Nachfrage, es werde geprüft. Wer prüft, der wird doch anschließend den Abgeordneten ein Ergebnis der Prüfung und einen Verfahrensvorschlag vorlegen, zumindest dachte ich das so und mit mir vielleicht noch einige der anderen Kollegen. Und trotz Ihrer heute gegenüber der Kollegin Thierbach endlich vorgenommenen Darstellung bleibe ich dabei: Es wird geprüft, wurde mir bei meiner Nachfrage zur Antwort gegeben. Und prüfen heißt aber bei dieser Landesregierung offensichtlich, es ist so gut wie

verkauft. Am 30.12.2005 war dann der Pressemitteilung des Sozialministeriums zu entnehmen, dass der Verkauf des Restanteils im Fachkrankenhaus Hildburghausen erfolgt ist. Bereits am 29.12.2005 teilte das der Klinikbetreiber gegenüber der Presse mit.

Meine Damen und Herren, auch wenn heute endlich Informationen vorliegen, so ist ein derartiger Umgang seitens der Landesregierung mit Abgeordneten schlicht und einfach unverfroren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Was wäre denn gewesen ohne das permanente Nachbohren im Sozialausschuss und ohne unseren Antrag? Da wird Landesvermögen in einer Nacht- und Nebelaktion im wahrsten Sinne des Wortes verscherbelt zu einem Zeitpunkt, zu dem naturgemäß kaum eine politische Reaktion möglich ist, zumindest nicht rechtzeitig möglich ist. Wenn man nun bedenkt, dass wir uns seit Monaten im Sozialausschuss ohne konkrete Aussagen der Landesregierung mit der Kostenentwicklung in den ehemaligen Landesfachkrankenhäusern befassen; wenn man bedenkt, dass wichtige Aussagen nun endlich demnächst vielleicht, aber in einer vertraulichen Sitzung uns gegeben werden, haben wir kurz vor der Plenarsitzung endlich Informationen bekommen, wo nach Jahren endlich der Einblick in den Beleihungsvertrag signalisiert wird, darum, meine Damen und Herren, wird dieser überfallartige Verkauf zwei Tage vor Jahresabschluss schon sehr anrüchig.

Im Klartext könnte man sagen, da ist wohl etwas faul? Die übliche Verfahrensweise wäre doch wohl gewesen, zunächst den Landtag über das Prüfergebnis zu informieren. Ich kann nur hoffen, dass dieser Verkauf in Hildburghausen ohne Schaden für den Landeshaushalt noch rückgängig zu machen ist. Aber ich habe ja gehört, dass das wohl nicht mehr machbar ist. Sollte das nämlich nicht der Fall sein, so werden wir uns sicherlich noch in einer anderen Weise damit beschäftigen müssen. So stellt sich z.B. die Frage, ob das Vorkaufsrecht und das gewählte Verfahren nicht etwa zum Schaden des Landes ist. Nicht etwa, dass wir das wollten. Wir wollen, dass das Land zumindest seinen Landesanteil behält und seinen Einfluss weiter geltend macht. Schließlich gab es 2001 nach Ansicht des Sozialministers hier offenbar gute Gründe, deren Wegfall mir auch mit den jetzt gegebenen Erklärungen alles andere als plausibel ist. Hier geht es mir zunächst darum, die Fragwürdigkeit des Verkaufs noch einmal deutlich zu machen. Selbst wenn man sich nach der Prüfung zum Verkauf entschlossen hätte, wäre die vorherige und nicht erst heutige Information und Einbeziehung des Landtags, denke ich, schon zwingend erforderlich gewesen,

(Beifall bei der SPD)

denn hier geht es um Landesvermögen und es geht um die Frage, wie eine hoheitliche Aufgabe zukünftig wahrgenommen werden soll. Und wenn es um Landesvermögen geht, meine Damen und Herren, dann ist es die Pflicht der Landesregierung, wenn sie sich schon zum Verkauf entschlossen hat, für einen optimalen Ertrag zu sorgen, wohl gemerkt, einen optimalen Ertrag für das Land. Tatsächlich aber findet die Optimierung der Ertragssteigerung eines privaten Betreibers statt.

Meine Damen und Herren, im Haushalts-Ist des Jahres 2004 sind die Kosten - Frau Thierbach ist auch schon darauf eingegangen - des Maßregelvollzugs mit 17,6 Mio. € veranschlagt; im Haushalts-Soll des Jahres 2007 mit 32,3 Mio. €, also von 17,6 auf 32,3 Mio. €. Ich weiß wohl, dass damit unter anderem Investitionen refinanziert werden. Ich weiß aber ebenso, dass der privatwirtschaftliche Betrieb eines Maßregelvollzugs samt garantierten Patienten, garantierten Tagessätzen und damit garantiertem Gewinn so etwas wie eine Gelddruckmaschine, in diesem Fall nicht im Keller, sondern in einer Klinik ist. Diese Haushaltsentwicklung ist aber auch der Beweis dafür, dass die Landesregierung und die tragende Partei unseriös mit dem Landeshaushalt umgeht.

(Beifall bei der SPD)

Der Maßregelvollzug ist ein Beispiel dafür, wie am Parlament vorbei weitere Schulden gemacht werden, und die natürlich durch den Steuerzahler finanziert werden müssen, ja müssen, mit samt dem ganzen geplanten Gewinn. Das ist keine Marktwirtschaft, das ist Planwirtschaft pur

(Beifall bei der SPD)

und es ist das Gegenteil der geforderten Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Unter diesen Bedingungen braucht es doch nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass es sicherlich auch andere Bewerber für den Verkauf des Gesellschafteranteils gegeben hätte. Für uns wäre es interessant zu wissen, was diese trotz des Vorkaufsrechts geboten hätten und ob dann das Vorkaufsrecht noch interessant gewesen wäre. Der heutige Bericht der Landesregierung hat mich nicht überzeugt und ich bin gespannt, wie sich der Landesrechnungshof zu dieser Verfahrensweise der Landesregierung positionieren wird.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wir auch.)

Meine Damen und Herren, kommen wir nun zur hoheitlichen Aufgabe des Maßregelvollzugs, also zu der Aufgabe, die nach Angaben des Sozialministers ja angeblich mit der Teilprivatisierung durch einen dem Parlament noch nicht bekannten Beleihungsvertrag geregelt ist. Immerhin soll der nun endlich nach Jahren zur Einsicht vorgelegt werden, aber das ist überfällig und wir sind gespannt, ob damit klarer wird, wie die Landesregierung ihre hoheitlichen Aufgaben regelt und wahrnimmt. Anlässlich der Diskussion im Thüringer Landtag zum Trägerwechsel der Landesfachkrankenhäuser wurde mit der Drucksache 3/2032 gegenüber dem Finanzministerium und den Abgeordneten des Thüringer Landtags erklärt - ich erlaube mir zu zitieren: „Im Juni 2001 wurde von der Landesregierung festgelegt, dass aufgrund der Besonderheiten der Abteilungen für Maßregelvollzug an den Landesfachkrankenhäusern eine Beteiligung des Landes an der Gesellschaft in Höhe von 25,1 Prozent“ - oder wir haben heute gehört teilweise 25,3 Prozent - „das heißt eine Sperrminorität, vorgehalten werden soll. Mit der Landesbeteiligung soll die hoheitliche Aufgabe Maßregelvollzug über den Beleihungsvertrag hinaus gesichert werden.“ Auch mit der nun kurzfristig vorgelegten Information der Finanzministerin wird nicht klarer, wie sich die über den Beleihungsvertrag hinausgehende hoheitliche Aufgabe nun verändert hat und warum. Stattdessen wird uns erklärt, dass der Beleihungsvertrag angeblich alles uneingeschränkt gewährleistet. Damals aber sah das der Sozialminister offenbar anders. Ja wie bitte ist denn das nun zutreffend? Oder sollte die Opposition etwa damals lediglich ruhig gestellt werden? Ging es etwa hier um eine Taktik, Frau Diezel und Herr Illert, denn diese Widersprüche bleiben mir trotz aller Ihrer schriftlichen Informationen weiter bestehen.

Im Weiteren wurde damals unter anderem vom Sozialministerium ausgeführt, dass aus diesen Gründen, weil das Land die Mitverantwortung im beschriebenen Sinne als Mitgesellschafter wahrnehmen wollte, von einer weiteren Beteiligung kommunaler Gebietskörperschaften Abstand genommen wurde. Immerhin können wir der damaligen Formulierung bereits entnehmen, dass es offensichtlich kommunale Interessen gab, die von der Gelddruckmaschine vielleicht auch mit partizipieren wollen. Wurden denn in Hildburghausen oder den anderen Standorten jetzt die Kommunen bzw. die Landkreise gefragt, oder hat sich das mit dem Vorkaufsrecht nach Ansicht der Landesregierung alles erledigt gehabt? Dann hätte man zumindest damals bereits auf diese Auffassung hinweisen können. Ob sie rechtens ist, das sei noch dahingestellt.

Aber nun zurück zur hoheitlichen Aufgabe: Die Chefärztin der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Zentralkrankenhaus Bremen Ost, Frau Dr. Nalah Saimeh, beschreibt in einem Vortrag

die Rolle des Arztes folgendermaßen - ich erlaube mir wieder zu zitieren: „Der Arzt im Maßregelvollzug tritt dem Patienten in Ausübung eines öffentlichen Amts entgegen. Ärztliche Maßnahmen sind behördliche Realhandlungen hoheitlicher Art.“ Damit hat die Expertin zweifelsohne Recht. Wie aber sieht es denn aus, wenn der behandelnde Arzt eben nicht mehr öffentlich Beschäftigter ist, sondern wenn er seinen ärztlichen Auftrag mit den Gewinninteressen eines privaten Betreibers in Übereinstimmung bringen muss und wenn er bei diesen Interessenslagen auch noch die strafrechtliche Seite und die Sicherheit der Bevölkerung damit in Übereinstimmung bringen muss. Ist das überhaupt leistbar? Gibt es da nicht unvereinbare Zielkonflikte? Für uns Fragen über Fragen. Noch nie gab es dazu von der Landesregierung plausible Antworten, auch heute nicht.

Bei näherer Betrachtung wird es fachlich für mich richtig interessant. Die Rhön-Kliniken schreiben in ihrem Konzept vom 13.03.2001, hier erlaube ich mir auch zu zitieren: „Unter Beteiligung des Justizministeriums und der Verantwortlichen des Sozialministeriums erklären wir uns ausdrücklich bereit, gemeinsam den Maßregelvollzug konzeptionell und qualifiziert weiterzuentwickeln. Wir schlagen in diesem Zusammenhang vor, dass ein Supervisor, also ein Gutachter, beim Freistaat Thüringen angestellt bleibt, der die Entscheidung bezüglich Verwahrung, Freigang, Beurlaubung und Entlassung der Straftäter für den Freistaat Thüringen in Abstimmung mit unserem leitenden Arzt trifft. Auf diese Weise und durch weitere bauliche und organisatorische Maßnahmen wird der im Strafgesetzbuch vorgegebene Sicherungs- und Behandlungsauftrag des Maßregelvollzugs erfüllt und garantiert.“

Meine Damen und Herren, ich selber kenne keinen solchen bei der Landesregierung angestellten Gutachter oder einen anderen ärztlichen Experten, der diese Anforderungen erfüllen würde. Vielleicht irre ich mich auch, aber diese Formulierung bedeutet doch nicht etwa, dass ein Gutachter ab und zu hinzugezogen werden kann. Nein es bedeutet, dass selbst der private Träger eine entsprechende fachliche Kompetenz innerhalb der Landesregierung für erforderlich hält. Eine fachliche Kompetenz, die nach seinen Ausführungen in das zuständige Fachressort gehört. Ich weiß nicht, wer das sein sollte. Er oder sie muss nach der Diskussion der vergangenen Monate irgendwie im Geheimen wirken, oder es gibt niemanden. Da ich weiß, wie gern die Landesregierung auf Entscheidungen unserer anderen Bundesländer hinweist, in denen vielleicht auch noch die SPDRegierung Verantwortung trägt, zitiere ich an dieser Stelle gern die Gesundheitsministerin des Landes Brandenburg, Dagmar Ziegler. Sie äußerte sich in der „Märkischen Allgemeinen“ vom 25.10.2005 zur beabsichtigten Privatisierung des Maßregelvollzugs,

der übrigens jetzt vollzogen ist, wie folgt, hören Sie her: „Die Chefärzte und die Stellvertreter bleiben Landesbedienstete gegenüber dem Land und weisungsgebunden. Zudem müssen die künftigen Trägergesellschaften sicherstellen, dass das Personal den Weisungen der Chefärzte folgt.“ Und so ist es nach meiner Information dort auch passiert, sie sind Landesbedienstete geblieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird die fachliche Schwachstelle für mich in dem Thüringer Konzept offensichtlich. Eine Schwachstelle, die von den Rhön-Kliniken bereits im Jahre 2001 zumindest sehr vorsichtig als Bedarf formuliert wurde, die aber meines Erachtens keinerlei Berücksichtung gefunden hat. Das Brandenburger Konzept mindert natürlich die privatiwirtschaftliche Attraktivität. Da kann man nicht mehr schalten und walten wie man will. Dort hat die Landesregierung tatsächlich Einblick und zumindest die Chance zur Steuerung im Interesse der Patienten und der Bevölkerung. Da ich kürzlich erst mit der Strafvollzugskommission in Hildburghausen war und auch mir einige Petitionen angeschaut habe, weiß ich genau über was ich rede. Selbst wenn es irgendwelche Regelungen im Beleihungsvertrag gibt, dann haben die in den vergangenen Jahren wahrscheinlich im Hildburghäuser Alltag wenig Erfolg gezeigt. Vielleicht ist ja die Brandenburger Erkenntnis die Folge des Besuchs hier bei uns in Thüringen. Wenn man schon für eine Privatisierung ist, dann scheinen mir die gültigen Regelungen in Brandenburg die logische Konsequenz. Wie anders soll denn die Fachaufsicht qualifiziert wahrgenommen werden? Wie anders soll denn der unter öffentlicher Kontrolle stehende Behandlungsauftrag gewährleistet werden?