Ich eröffne die Aussprache zu diesem Bericht und für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich der Abgeordnete Dr. Hahnemann zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kollege Kölbel, nach dem, was Sie zuletzt gesagt haben, kann ich nur und muss ich Ihnen widersprechen und der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Sie vielleicht in dieser oder in nächsten Legislaturen, ob mit oder ohne uns, nicht so weitermachen wie bisher. Das wäre ein Anliegen, was ich in diesem Zusammenhang haben könnte. Ich danke Ihnen trotzdem für den Bericht. Warum ich Ihnen dafür danke, wird vielleicht am Ende meiner Ausführungen klar geworden sein.
Wir haben an einem solchen Bericht natürlich ein ganz besonderes Interesse. Dieses ganz besondere Interesse darf man Kritikern von Geheimdiensten nicht verübeln, und nachdem ich Ihren Bericht gehört habe, habe ich auch die nicht so leicht umzustürzende Vermutung, dass dieses Interesse sich gelohnt hat, denn ich habe hier den Eindruck bekommen, einen Verfassungsschutzbericht vorgelesen bekommen zu haben. Ganz offensichtlich, Herr Kölbel, kontrollieren Sie die politischen Szenen und lassen sich vom Verfassungsschutz hinsichtlich dieser Szenen qualifizieren, aber eigentlich ist die Aufgabe der PKK die Kontrolle des Landesamts für Verfassungsschutz und nicht die Aneignung von Kenntnissen über die NPD. Dann dürfen Sie es uns und mir nicht übel nehmen, wenn wir einem solchen Bericht ziemlich skeptisch gegenüberstehen. Da ist einfach die Frage: War das alles, was zu berichten war?
Wir wären nicht wir und ich wäre nicht ich, wenn wir die Informationen eines Geheimdienstes mit all seiner Heimlichtuerei und den Bericht der PKK-Mit
glieder mit all ihrer Verschwiegenheitspflicht nach diesen Informationen beurteilen und, seien Sie bitte nicht böse, wenn wir ihn allzu ernst nehmen würden. Mich ganz persönlich beschleicht der Verdacht, jetzt zu wissen, warum Sie das von der Linkspartei.PDS vorgeschlagene Mitglied nicht in die PKK gewählt haben. Wer von uns dort hineingegangen wäre, der hätte den Verfassungsschutz, das Landesamt und seine Arbeit kontrolliert
und es nicht als eine Qualifikationsveranstaltung verstanden, in der man sein Wissen über die politischen Szenen aufbessern kann. Und, Herr Kölbel, wir würden den Bericht ganz gern aus unmittelbar eigener Anschauung der Arbeit der PKK bewerten. Diese Gelegenheit hat uns das Parlament verwehrt. Wenn Sie sich hier so lax hinstellen und sagen, Sie bedauern es, dass die PDS den Platz nicht wahrnimmt, dann, glaube ich, geht das zu einem großen Prozentsatz an der Wahrheit vorbei.
Die Mehrheit dieses Hauses hat den Vorgeschlagenen der Linskpartei.PDS-Fraktion nicht gewählt, weil ihr seine Nase nicht passt, vielmehr aber wahrscheinlich deshalb, weil eine große Furcht besteht,
dass jemand mit einer kritischen Sicht auf Geheimdienste in diese Friede-Freude-Eierkuchen-Welt der PKK eindringen könnte.
Deshalb, Herr Kölbel, müssen wir uns bei der Beurteilung der Tätigkeit dieser Kommission auf das beziehen, was öffentlich bekannt ist. Diese Informationen reichen aber, ehrlich gesagt, auch aus. Der vorläufige Höhepunkt der Erhellung von Arbeitsweisen des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz und seiner immer wieder vergeblichen so genannten parlamentarischen Kontrolle spielt sich derzeit vor dem Erfurter Landgericht ab, nicht in der PKK. Dort tritt als Zeuge der Geheimschutzverantwortliche des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz auf und er berichtet glaubhaft, wie er unter Auslassung sämtlicher Vorschriften zum Umgang mit Verschlusssachen eine CD mit vertraulichen oder vielleicht auch geheimen Informationen in seiner Dienststelle besorgte und kopierte. Wem, meine Damen und Herren, wenn nicht dem Geheimschutzbeauftragten, hätte eines klar sein müssen: So geht es nicht bzw. das geht so nur bei einem Geheimdienst, der sich auf einem Niveau bewegt, das ich mit „Schluderwirtschaft“ charakterisieren würde.
Eine weitere Frage muss erlaubt sein: Wenn der Geheimschutzbeauftragte derart schlampig mit Verschlusssachen umgeht, wie sieht es denn mit dem Rest der Behörde aus? Glaubt wirklich jemand, dass diese Zustände im Landesamt durch parlamentarische Kontrolle behoben werden könnten? Ich denke, das kann niemand ernsthaft behaupten wollen. Selbst die Gutwilligen müssten eigentlich seit dem 15. Februar von solchem Glauben abgerückt sein.
Meine Damen und Herren, es gibt einen schönen alten deutschen Spruch, der heißt: „Wie der Herre, so’s Gescherre.“ Man kann den auch umdrehen, dann stimmt er genauso noch: Wie’s Gescherre, so der Herre.
(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Das haben Sie sich aber gut gemerkt, denn zu DDR-Zeiten war es nicht an- ders.)
Im gleichen Gerichtsverfahren nämlich, Herr von der Krone, machte der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes bei vielen ungeklärten Fragen eines jedoch ganz deutlich: Wenn er, der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, vor die Wahl gestellt ist, was für ihn wichtiger ist, die Wahrheit gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium sagen oder seinen Dienstherrn schützen, dann entscheidet er sich ganz klar gegen das Parlament und für Letzteren. So erfahren die Abgeordneten dann eben nicht, dass der Präsident des Verfassungsschutzes dem damaligen Innenminister eine Kopie der CD mit Daten der gestohlenen Festplatten in die private Wohnung brachte. Müssen Sie das nicht wissen, Herr Kölbel? Interessiert Sie das nicht? Wenn Abgeordnete, deren Aufgabe die parlamentarische Kontrolle des Landesamts für Verfassungsschutz, nicht der NPD, sondern des Landesamts für Verfassungsschutz ist, nicht erfahren, was vor sich geht, wie sollen sie denn ihrer Kontrollaufgabe gerecht werden? Hinsichtlich dessen, was sie nicht wissen, können sie letztlich auch nicht nachfragen, weil sie keinen Anhaltspunkt für Fragen haben.
Meine Damen und Herren, die PKK-Mitglieder werden so manches Mal nichts erfahren. Um das zu wissen, muss man nicht dabei sein. Das liegt in der Natur der Sache und es liegt an der Rolle eines Geheimdienstes, an den Kompetenzen und an der Ausrichtung solcher Einrichtungen. Letzte Woche hat der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Wolfgang Neskovic, entnervt das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags verlassen. Er tat das aus den gleichen Gründen, die uns dazu bewogen hatten zu sagen, wir wollen die Arbeit der PKK kennen lernen, um Vorschläge für ein besseres Ver
fassungsschutzgesetz zu machen. Aber genau das verträgt sich nicht mit der Arbeit, die Sie, Herr Kölbel, in Ihrem Bericht dem Landtag zur Kenntnis gegeben haben. Wolfgang Neskovic kritisierte unnötige Geheimhaltungsvorschriften, fehlende Kompetenzen zur Sachverhaltsermittlung oder Beweiserhebung, das Fehlen von gerade für nachrichtendienstliche Laien notwendigen Zuarbeiten durch Mitarbeiter und Experten.
Was wir derzeit im Landgericht erleben, meine Damen und Herren, ist doch für Thüringen nicht neu. Fehlende Kompetenzen des Kontrollgremiums offenbarten sich doch auch im Sommer 2004. Ein Funktionär der Deutschen Partei enttarnte sich selbst als langjähriger V-Mann des Thüringer Landesamts. Schnell wurde die Frage aufgeworfen, wie es nach den Skandalen um die Herren Dienel und Brand neuerlich zur Führung von verantwortlichen Neonazis durch den Verfassungsschutz als Spitzel kommen konnte. Die PKK konnte zur Erhellung der Frage nicht beitragen. Die Verfassungsschützer erklärten den Parlamentariern einfach, der besagte Spitzel sei ein kleines Licht gewesen und deshalb hätte man dem parlamentarischen Kontrollgremium die Information vorenthalten. Da geht es mir, meine Damen und Herren, bei diesem Beispiel nicht um die Frage, ob ein Vorstandsmitglied einer rechtsextremen Partei nun eine Führungsfigur ist oder nicht. Es geht um eine grundsätzlichere Frage. Es geht um die Frage, warum die Verfassungsschützer die Möglichkeit haben, viele Informationen und deren Weitergabe an die PKK uneingeschränkt selbst zu bestimmen. Warum können nicht die Abgeordneten, die angeblich eine Kontrollfunktion ausüben sollen, die Frage selbst entscheiden, ob ein Vorstandsmitglied einer solchen Partei eine Führungsfigur ist, die nicht V-Mann sein darf? Nein, die Mitglieder der PKK müssen sich in ihren Einschätzungen auf die fragwürdigen Angaben des Verfassungsschutzes allein verlassen. Das macht deutlich: Die parlamentarische Kontrolle von Geheimdiensten ist und bleibt eine Schimäre.
Unser Fazit bleibt: Diese Art Gremium ist ungeeignet, einer solchen Kontrollaufgabe gerecht zu werden. Das liegt nicht an den Abgeordneten, das liegt im Wesen von Geheimdiensten. Es ist am Ende eben immer wieder nicht so, dass sich der Geheimdienst von den Parlamentariern kontrollieren lässt. Nein, er führt sie an der Nase herum. Weshalb Sie, lieber Herr Gentzel, beim neuerlichen Bekanntwerden dieser keineswegs neuen Eigenart von Geheimdiensten ausgerechnet eine Sondersitzung genau dieser Irreführungseinrichtung einberufen, verstehe ich nicht. Aber nehmen Sie es mir bitte nicht übel, ich kenne das Gremium nicht, also kann ich auch nicht wissen, was das schöne am Genasführtwerden ist. Und Ge
nasführtwerden und Nasführen scheint zur Geschäftsordnung der PKK zu gehören. Schenkt man den Meldungen der „New York Times“ zum Verdacht der Weitergabe von Informationen des BND an die US-Armee vor Eintritt in den Irak-Krieg Glauben, dann ist man auch in Berlin nicht vor dem gefeit, was Parlamentariern in Erfurt passiert. Dann nimmt man es auch in Berlin nicht so genau mit der Wahrheit gegenüber gewählten Abgeordneten.
Das, meine Damen und Herren, soll aber niemanden beruhigen, vielleicht so nach dem Motto, wenn die Bundestagsabgeordneten hinters Licht geführt werden, dann steht das den Thüringer Landtagsabgeordneten allemal zu. Nein, beruhigen kann uns das alles nicht, aber es macht eins deutlich: Schuld sind nicht die Akteure, auch nicht die Gegenstände, die in der PKK behandelt werden. Die angebliche und immer so hoch gepriesene parlamentarische Kontrolle krankt am Wesen geheimdienstlicher Arbeit, an den unzureichenden gesetzlichen Grundlagen, an einer Geringschätzung des Parlaments und an einem politisch fahrlässigen Freibrief, den Geheimdienste in diesem Land durch die Politik immer wieder ausgestellt bekommen.
Nun bleibt es unangenehmerweise ausgerechnet unsere Aufgabe, den Finger immer wieder in diese Wunde zu legen. Wir werden uns dem stellen, ob mit oder ohne Sitz in der PKK. Die jüngsten Enthüllungen und auch dieser Bericht sind jene Momente, da man versucht ist, nicht traurig zu sein darüber, dass von der Linkspartei.PDS-Fraktion niemand von Verfassungsschützern am parlamentarischen Nasenring durch die konspirative Landschaft geführt wird.
Wir werden deshalb auch weiterhin, Frau Groß, nicht wenig traurig sein oder eher wenig traurig sein, wenn wir im Innenausschuss so manche Frage mit Hinweis auf die Zuständigkeit der PKK nicht beantwortet bekommen. Denn im Grunde kann es uns einerlei sein, ob wir in der PKK falsche oder keine Auskünfte bekommen oder ob man uns im Innenausschuss Märchenstunden verweigert.
Meine Damen und Herren, Geheimdienste sollen nicht wirklich kontrollierbar sein. Sie lassen sich nicht kontrollieren, und wenn das so wäre, ja, dann wären sie keine Geheimdienste mehr.
Aber genau daran werden wir weiter arbeiten müssen, denn am Ende sind wir der festen Überzeugung, dass Verfassung und politische Grundordnung nur von den Bürgerinnen und Bürgern wirkungsvoll verteidigt und geschützt werden können.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wäre enttäuscht gewesen, Herr Hahnemann, wenn Sie die Rolle nicht gespielt hätten, die Sie heute gespielt haben.
Also, ich wäre wirklich enttäuscht gewesen. Diese Schimäre über die PKK, die verbreiten Sie hier schon seit Jahren, aber Sie versuchen doch immer wieder hineinzukommen. Aber auf das möchte ich an einer anderen Stelle noch eingehen.
Ich will zunächst erst mal einen Punkt deutlich sagen, wo ich Ihnen Recht gebe. Ich kann nicht nachvollziehen, warum es für den Vorschlag vonseiten der Linkspartei.PDS keine Mehrheit hier im Landtag gegeben hat. Ich will Ihnen das auch ganz deutlich sagen, so habe ich auch in der Fraktion argumentiert. Wer sich mit der Thematik beschäftigt und wer zum Verfassungsschutz steht, der muss schlicht und einfach wissen, dass die Kontrolle nach der Wahl, ob jemand vertrauenswürdig ist oder nicht, dem Verfassungsschutz obliegt, ganz allein obliegt und nicht einzelnen Personen im Landtag. Es gibt eine Sicherheitsüberprüfung des Vefassungsschutzes, Herr Hahnemann, die Sie übrigens anerkennen, wenn Sie kandidieren, sonst bräuchten Sie erst gar nicht zu kandidieren. Sie wissen, wenn Sie nach einer Kandidatur eine Mehrheit bekommen, wird der Verfassungsschutz, den Sie so kritisieren, Ihnen zunächst einmal eine Sicherheitsstufe verpassen, bevor Sie in die PKK gehen. Lehnen Sie den Verfassungsschutz wirklich so prinzipiell ab, hätten Sie nie kandidieren dürfen. Das ist der erste Widerspruch in Ihrer Argumentation. Aber ich verstehe diese Mehrheit nicht. Die Aufgabe, ob diese Person vertrauens
Jetzt kommen wir zu den Punkten, wo wir ein bisschen oder ein bisschen mehr Streit haben. Ich wehre mich gegen den Eindruck, den Sie hier erweckt haben, dass Kontrolle nur mit Ihnen in Ansätzen möglich gewesen wäre. Es gehört schon ziemlich viel verletzte Eitelkeit und auch ein kleiner Schuss Arroganz dazu, sich vorn hinzustellen und dieses zu behaupten.
(Zwischenruf Abg. Buse, Linkspar- tei.PDS: Du machst es doch nicht. Ja, so ist es, du machst es nicht!)
Eigentlich wollte ich ja eben sagen, dass der Herr Hahnemann wie ein Blinder von der Farbe redet, aber der Herr Buse hat sich gerade dazugesellt.
Ich weiß nicht, wie in Ihrer Fraktion die Meinungsfindung stattfindet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ernsthaft jemandem folgen, der Ihnen aus Ausschüssen berichtet, in denen er nicht gesessen hat. Es wird doch langsam hier irgendwie albern. Da wird die Arbeit, persönlich nehmen die das schon lange nicht mehr, mit Friede, Freude, Eierkuchen bezeichnet, aber man ist nicht dabei. Man weiß nicht, ob aus Kontrollgründen.
Herr Buse, Sie sind doch lange genug Geschäftsführer und Sie wissen, nicht nur bei PKK oder Verfassungsschutz, wenn man sich in ein Thema reinhängt, sollte man ein Mindestmaß der gesetzlichen Regelungen zu diesem Thema kennen. Wenn Sie sie kennen würden, würden Sie nicht so auf den Bericht der PKK fiebern, weil da zweifellos auch noch bestimmte Geheimhaltungspositionen draufliegen. Jetzt erzählen Sie doch nicht so einen Unfug. Sie sind doch viel schlauer als der Quatsch, den Sie hier fabrizieren. Jetzt stellen Sie sich doch nicht wirklich so ein Dummheitszeugnis aus, Herr Buse. Das haben Sie nicht nötig. Also noch einmal.
Einen kleinen Moment, Herr Abgeordneter. Herr Buse, Sie können sich zu Wort melden. Sie haben alle Zeit der Welt, hier noch zu reden. Für den Ausdruck „Quatsch“ erteile ich Ihnen, Abgeordneter Gentzel, einen Ordnungsruf. Jetzt geht es bitte weiter.