Zum Ende noch einige Bemerkungen zu den Neuregelungen bei der Melderegisterauskunft: Hier besteht die Gefahr, dass angesichts des vereinfachten elektronischen Abrufs sich Auskunftsersuchen zu Werbezwecken deutlich erhöhen. Das bezieht sich zunächst natürlich auf Parteien und ihre Wahlwerbung. Aber auch die Informationsweitergabe an Adressbuchverlage oder andere birgt die Gefahr, dass
Daten letztlich durch Versandhäuser, Vertriebsfirmen und sonstige vermeintliche Glücksbringer für Werbung nutzbar gemacht werden. Bürgerinnen und Bürger registrieren solche unerwünschten Zusendungen aber schon jetzt zunehmend mit Verärgerung. Hier müssten sich doch höhere Schranken einbauen lassen, was die Weitergabe von Namen und Adressen von Bürgerinnen und Bürgern angeht.
Meine Damen und Herren, zu allen diesen und anderen Punkten werden wir sicherlich im Rahmen der Ausschussberatung ausführlich Gelegenheit finden weiterzudiskutieren. Wir sollten Sachverständige hören, Datenschützer und auch Verbraucherschützer. Wir sollten Änderungsvorschläge einbringen und ich denke, wir finden auch in den Kommunen Unterstützung z.B. für den Vorschlag, Meldebehörden vor Ort so schnell wie möglich auf den zu erwartenden elektronischen Datenverkehr vorzubereiten und dafür in die Lage zu versetzen. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete, soeben hat in erster Lesung der Innenminister das Gesetz zur Neuregelung des Thüringer Meldegesetzes und zur Änderung des Thüringer Personalausweisgesetzes eingebracht. Wie schon dargelegt, erfordern mehrere Änderungen des Melderechtsrahmengesetzes des Bundes eine Anpassung auch des Thüringer Meldegesetzes. Ursache dafür sind u.a. auch, dass Rückmeldungen zwischen verschiedenen Meldebehörden der deutschen Länder ab 1. Januar 2007 ausschließlich auf elektronischem Wege erfolgen sollen. Auch Bestimmungen beim Melderechtsrahmengesetz wurden geändert und so ergeben sich Auswirkungen auch auf Thüringen, d.h., der Landesgesetzgeber muss seine Gesetzlichkeit neu ausgestalten.
Zu vermuten ist, dass wohl nicht alle Thüringer Meldebehörden von der technischen Ausrüstung her den Termin 1. Januar 2007 halten können. Trotzdem muss aber das Bundesrecht pünktlich auch erfüllt werden. So ist in der Praxis die Realisierung der Ummeldung vom alten Wohnort zum neuen Wohnort oft langwierig. Der Verwaltungsaufwand ist oft groß, dauert lange und sollte ein Auszug aus dem Melderegister gerade zu diesem Zeitpunkt fällig sein, dann kann es sogar vorkommen, dass Doppelanmeldungen festgestellt werden könnten.
Des Weiteren haben wir wohl alle schon von der Schaffung neuer fälschungssicherer Reisedokumente gehört; ich meine die laut Entschließung der EUStaaten vom Oktober 2000. Bedenken wir, dass dies für so manche Meldestelle die Neuanschaffung von Scannern und Druckern bedeutet. Weil nun in Thüringen die Meldedaten gleich ordentlich weitergegeben werden sollen, und dies zum entsprechend geforderten Termin, ist vorgesehen, unser Landesrechenzentrum gewissermaßen als Dienstleister zwischenzuschalten, vorgesehen wenigstens mit Datenumwandlungen im gesamten Jahr 2007. Sind die Meldedaten zentral alle beim Landesrechenzentrum gespeichert, wird dann auch die Möglichkeit eröffnet sein, Auszüge aus den Melderegistern auch aus dem Landesrechenzentrum zu erhalten. Dort kann dann eine automatisierte elektronische Auskunft in Form einer einfachen Melderegisterauskunft abgefordert werden. Dies ist für eine Reihe von Vielnutzern, ich denke z.B. an Versandfirmen, von erheblicher Bedeutung. Finanziell ist im Gesetz für ausfallende Gebühren bei den Meldebehörden ein Ausgleich gegenüber dem Landesrechenzentrum vorgesehen. Beim neu überarbeiteten Thüringer Personalausweisgesetz sind für die neuen Ausweispapiere höhere Gebühren vorgesehen. Das oft gewünschte Überlassen alter, ungültiger Ausweise an die Bürger wird wohl auch künftig möglich sein. Dafür ist im Gesetz Sorge getragen. Im Entwurf ist auch ausführlich zur Kostenentwicklung insgesamt ausgeführt, so z.B. durch Änderung der Software im Landesrechnungshof, aber auch bei Landkreisen und bei den Gemeinden. Ich will auf Details in der heutigen ersten Lesung gar nicht weiter eingehen, aber ich könnte mir vorstellen, dass die soeben angesprochenen Punkte in der Beratung des Innenausschusses Punkte darstellen, aber auch, wie den Hinweisen auf Waffenbesitz z.B. beim Bürger oder die Organisierung von kurzfristigen Datenabfragen der Polizei auch außerhalb von Dienstzeiten umgegangen wird, was im Gesetzentwurf Eingang gefunden hat.
Herr Kollege Hahnemann, Sie haben von der datenschutzrechtlichen Seite gesprochen; ich könnte mir z.B. ganz bestimmte Testfälle im Innenausschuss im Rahmen eines Durchgangs vorstellen, wie läuft denn der Durchgang, mit welchen Daten, an welcher Stelle, welche Daten kommen da nicht, um den Bürger, wie Sie sagten, auch zu schützen in seinem Begehren, dass mit seinen Daten ordentlich umgegangen wird.
Insgesamt haben wir hier ein über 40 Paragraphen umfassendes Vollgesetz, nach dem aus 1994 stammenden alten Gesetz, also keine Novelle nur einzelner Punkte. Seitens der CDU-Fraktion plädiere ich für Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss zur weiteren Beratung. Ich danke Ihnen.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Es ist die Überweisung an den Innenausschuss beantragt worden. Wir stimmen ab über die Überweisung an den Innenausschuss. Wer ist für die Überweisung dieses Gesetzes an den Innenausschuss, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Wer ist gegen diese Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 6
Thüringer Gesetz zur Sicherung verfassungsmäßiger Regelungen im Polizei- und Sicherheitsrecht (Thüringer Sicherheitsgesetz) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 4/1809 - ERSTE BERATUNG
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Gentzel, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sicherheitspolitik und damit im Kern die Sicherheitsgesetze müssen in einem vorgegebenen Rahmen gestaltet werden. Dieser Rahmen sind das Grundgesetz und die Verfassung des Freistaats Thüringen. Verantwortungsvolle Sicherheitspolitik spielt nicht mit Freiheitsrechten, schränkt sie nicht unnötig ein und spielt erst recht nicht mit Ängsten von Bürgerinnen und Bürgern.
Deshalb muss durch die Sicherheitsgesetzgebung immer wieder neu das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit bestimmt werden. Dieses gilt hier in Thüringen insbesondere für das Polizeiaufgabengesetz und für das Verfassungsschutzgesetz. Seit 1999 sind zahlreiche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie der Landesverfassungsgerichte ergangen, die zu einer Novellierung des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes sowie des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes zwingen. Dazu gehört insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2004 zum so genannten großen
Lauschangriff und vom 27. Juli 2005 zu den niedersächsischen Regelungen der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung. Die verschiedenen Entscheidungen beziehen sich im Einzelnen auf die Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln, die Überwachung des Fernmeldeverkehrs und der Telekommunikation, die sonstige Datenerhebung mit technischen Mitteln, die ereignis- und verdachtsunabhängige Kontrolle, die Beobachtung organisierter Kriminalität sowie die Beobachtung völkerverständigungswidriger Bestrebungen. Mit diesen Entscheidungen wurden die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Wahrnehmung polizeilicher und verfassungsschutzbehördlicher Befugnisse und Aufgaben in vielfältiger Weise fortgeschrieben und präzisiert, insbesondere auf den Schutz eines unantastbaren Kernbereichs der persönlichen Lebensgestaltung - das ist ein Begriff, dem wir uns im Zuge dieser Gesetzesnovellen sehr intensiv zuwenden sollten -, die Tatbestandsvoraussetzungen von Überwachungsmaßnahmen, die Verfahren zur Durchführung von Überwachungsmaßnahmen, die Verwendung und Übermittlung von Daten sowie letztens die Bestimmungen und Normenklarheit von Überwachungsregelungen.
Verschiedene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der Länderverfassungsgerichte haben Vorgaben formuliert, die so engmaschig sind, dass keinerlei Spielraum für landesgesetzgeberische Sonderwege besteht. Sie begründen einen notwendig zwingenden Novellierungsbedarf für das Thüringer Polizei- und Sicherheitsrecht. Andere Entscheidungen von Landesverfassungsgerichten sind zwar wegen des Grundsatzes der Verfassungsautonomie der Länder für den Freistaat Thüringen nicht unmittelbar verbindlich, viele der darin getroffenen verfassungsrechtlichen Argumentationen und Bewertungen sind aber auf die Thüringer Rechtslage übertragbar. Sie sind deshalb bei der Novellierung des Polizei- und Sicherheitsrechts zusätzlich zu berücksichtigen. Darüber hinaus, und das halten wir politisch insbesondere für geboten, geht es dahin, zusätzliche Regelungen zur Stärkung der Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission ins Gesetz zu schreiben.
Meine Damen und Herren, wenn ich diese Einteilung in unserer Gesetzesnovelle vorgenommen habe, will ich zunächst anfangen mit dem, was wir unter zwingendem Novellierungsbedarf verstehen. Da geht es zunächst um den Kernbereichsschutz bei Maßnahmen von Polizei und Verfassungsschutz, hier insbesondere um den § 31 a Polizeiaufgabengesetz und § 8 a Thüringer Verfassungsschutzgesetz. Den staatlichen Behörden ist es bei der heimlichen Beobachtung von Personen aufgegeben, einen unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zu wahren. Die Pflicht, den Kernbereich privater Lebens
gestaltung zu schützen, gilt aufgrund ihrer Verankerung in der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. So wollen wir in einem neuen Paragraphen im Polizeiaufgabengesetz - ich hatte es schon angesprochen - und im Thüringer Verfassungsschutzgesetz das Verbot kernbereichsverletzender Überwachungsmaßnahmen regeln.
Damit auch ganz klar und deutlich wird, was wir darunter verstehen, haben wir in unserer Gesetzesnovelle den Kernbereich genau definiert, genauso wie wir definiert haben, was sind eigentlich kernbereichsinterne wie -externe Äußerungen. Wir haben auch, das dient der Stärkung des Verbots kernbereichsverletzender Überwachungsmaßnahmen, die Ausnahme davon klar und deutlich mit all ihren Auswirkungen definiert. Denn zum Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter darf es auch weiterhin Überwachungsmaßnahmen geben. Der Begriff „hochrangige Rechtsgüter“ ist eindeutig definiert. Wir wollen, dass es in diesem Zusammenhang zukünftig nur mit richterlicher Anordnung zu solchen Maßnahmen kommen kann, und dem anordnenden Richter muss fortlaufend berichtet werden über die Maßnahmen. Wir klären in unserem Gesetzentwurf, wie es zu einer Beendigung dieser Maßnahmen kommen muss. Wir regeln des Weiteren in diesem Bereich des Verbots der kernbereichsverletzenden Überwachungsmaßnahmen die Unterbrechungspflicht und die Löschungspflicht.
Meine Damen und Herren, Punkt 2 - Regelung zur Telekommunikationsüberwachung -, das ist der § 34 a im PAG, im Augenblick außer Vollzug. Das ist auch so eine Sache, wo man diskutieren kann, was ist eigentlich das Polizeirecht, das Polizeiaufgabenrecht in Thüringen wert, wenn einige Paragraphen außer Vollzug gesetzt werden und es zeitnah keine entsprechende Regelung gibt. Laut Bundesverfassungsgericht ist im Vorfeld einer Gefahr eine Telekommunikationsüberwachung nur zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter zulässig. Dazu muss ein gesetzgeberisches Konzept erkennbar sein - jetzt zitiere ich das Bundesverfassungsgericht -, „das sich auf Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter bezieht und beschränkt.“ Zudem hat das Verfassungsgericht die Anforderungen an Eingriffe in das Grundrecht der Telekommunikationsfreiheit präzisiert. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird die bisherige Regelung im Thüringer PAG nicht gerecht. Sie ermächtigt zu einer Telekommunikationsüberwachung im Vorfeld einer konkreten Gefahr für Rechtsgüter, obwohl diese nicht als besonders hochrangig einzustufen sind und ohne dabei zugleich konkrete handlungsbegrenzende Tatbestandselemente zu benennen. Schließlich fehlt auch eine nähere Bestimmung des Verhältnisses, in dem die Kontakt- und Be
gleitperson zur Zielperson steht. Daher ist es zwingend geboten, in die bisherige Ermächtigung zur Telekommunikationsüberwachung konkrete Tatbestandshandlungen aufzunehmen. Überdies, ich habe es schon gesagt, ist das Verhältnis von Kontakt- und Begleitperson zur Zielperson näher zu bestimmen.
Nächster Punkt - Regelung zur Wohnraumüberwachung: Artikel 13 Abs. 4 Grundgesetz legt fest, dass technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur eingesetzt werden dürfen zur Abwehr dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr. Der Verfassungsgesetzgeber wollte insbesondere mit dem Erfordernis einer dringenden Gefahr betonen, dass eine Überwachung nur im Falle einer Beeinträchtigung hochrangiger Rechtsgüter erlaubt ist. An dieser Stelle verzichte ich mal auf den entsprechenden Bezug zu den entsprechenden Bundestagsdrucksachen. Die Fixierung der Gefahrenschwelle sowie der Rechtsgüter, zu deren Schutz eine solche Überwachung durchgeführt werden darf, ist auch für den Thüringer Gesetzgeber zwingend. Die bisherigen Regelungen des § 35 Abs. 1 PAG und des § 7 Abs. 2 Thüringer Verfassungsschutzgesetz bleiben deutlich hinter dieser Anforderung zurück. Das jetzige Polizeiaufgabengesetz erlaubt eine Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln schon im Vorfeld einer dringenden Gefahr. Zudem gestattet es diese Maßnahmen zum Schutz von Sachen oder Tieren, deren Erhalt im öffentlichen Interesse geboten erscheint, mithin zum Schutz von Rechtsgütern, die nicht den von Artikel 13 Abs. 4 Grundgesetz geforderten Rang aufweisen. Auch das Verfassungsschutzgesetz ist an die Vorgaben des Grundgesetzes anzupassen.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu der neuen Kategorie „zusätzliche Regelung im Rahmen des Polizei- und Sicherheitsrechts“, die zwar Regelungen sind, die nach unserer Auffassung neu gefasst werden müssen, wo aber die Vorgabe von Seiten des Bundesverfassungsgerichts und Landesverfassungsgerichts nicht zwingend ist. Ich will beginnen mit dem Schutz von Amts- und Berufsgeheimnisträgern - ich spreche von Geistlichen, Rechtsanwälten, Strafverteidigern, Notaren, Steuerberatern, Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Journalisten und Ähnlichen. Bei bestimmten Vertrauensverhältnissen - und das schließt halt diese Berufsgruppen ein - führen Überwachungsmaßnahmen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu Kernbereichsverletzungen und sind daher prinzipiell unzulässig. Die in unserem Entwurf vorgesehene Privilegierung von Amts- und Berufsgeheimnisträgern erstreckt sich auf alle Maßnahmen, die zu einer Kernbereichsverletzung führen können. Zudem wird das Schutzniveau erhöht. Maßnahmen, durch die in solch ein geschütz
tes Vertrauensverhältnis eingegriffen wird, sind grundsätzlich unzulässig. Formuliert wird eine Ausnahme, nämlich Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr besonders hochrangiger Rechtsgüter für Leib und Leben oder für die Freiheit der Person. Des Weiteren formulieren wir den besonderen Schutz der Vertrauensverhältnisse von Amts- und Berufsgeheimnisträgern, indem wir fordern, dass eine entsprechende Datenerhebung zu diesem Personenkreis von dem Leiter einer Polizeidirektion, vom Leiter des LKA bzw. vom Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz oder von seinem Stellvertreter angeordnet werden muss. Wir wollen wissen, wer für diese kernbereichsverletztenden Maßnahmen die Verantwortung trägt. Der besondere Schutz wird komplettiert durch das Verbot, Daten zu verwerten, die zur Abwehr der Gefahr im Sinne von Satz 1 nicht zwingend erforderlich sind, sowie durch die Pflicht, diese Daten unverzüglich zu löschen. Damit ist sichergestellt, dass der Eingriff in die Vertrauensverhältnisse von Amts- und Berufsgeheimnisträgern nur in einem für den Schutz der überragend wichtigen Rechtsgüter Leib, Leben und persönliche Freiheit unverzichtbaren Maße erfolgt.
Nächster Schwerpunkt - Bericht über ereignis- und verdachtsunabhängige Kontrollen bei der Polizei: Die Ermächtigung zu ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen wird von vielen als wichtiges, weil effizientes Mittel zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung betrachtet. Ich sage das hier an der Stelle ausdrücklich, um allen Missdeutungen vorzuplanen, ausdrücklich auch von der Thüringer SPD. Gleichwohl ist die Grundrechtsverträglichkeit dieser Ermächtigung seit langem umstritten. So hat das Landesverfassungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern dieses Kontrollinstrument als verfassungswidrig verworfen. Wegen des Freiheitsanspruchs des Einzelnen - so die Verfassungsrichter in Mecklenburg-Vorpommern - müsse dieser von polizeilichen Maßnahmen verschont bleiben, die nicht legitimiert seien durch eine hinreichende Beziehung zwischen ihm auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Gefährdung eines zu schützenden Rechtsgutes. Demgegenüber hat der sächsische Verfassungsgerichtshof das Argument aus Mecklenburg-Vorpommern nicht geteilt. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, die Systematik der polizeilichen Eingriffsbefugnisse fortzuentwickeln. Aber - und jetzt im Unterschied zum bayerischen Verfassungsgerichtshof - bejaht das sächsische Gericht die Angemessenheit der Schleierfahndungsbefugnisse nicht einschränkungslos. Auch diese Auffassung deckt sich mit der Auffassung der Thüringer SPD. Vielmehr muss eine Schutzvorrichtung eingebaut werden, damit es nicht zu einer uferlosen und missbräuchlichen Anwendung dieser Befugnis kommt. Insbesondere sei vor der Anwendung der Befugnis ein normativ verbindliches Schutzkonzept zu entwickeln, das darüber hinaus auch Rechts
schutzgründe zu dokumentieren hat. Denn nur so kann ein Gericht überprüfen, ob eine konkrete Kontrollmaßnahme sich auch im Rahmen eines Konzepts gehalten hat. Ich hatte es schon einmal gesagt, diese Auffassung teilt auch die Thüringer SPD. Sie hält auf der einen Seite die ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen für ein notwendiges und bewährtes Instrument; wir sagen aber auch, Voraussetzung dafür und für die Anwendung ist der von uns vorgesehene § 14 Abs. 1 in unserem Gesetzentwurf zum PAG. Wegen der divergierenden rechtlichen Bewertung der Befugnis zu verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen ist es gewiss nicht gefordert, diese Befugnis generell zu streichen. Auseinandersetzung über die Zulässigkeit dieses Verhandlungsinstruments ist geboten. Durch eine Ergänzung im Polizeiaufgabengesetz, in der wir die Landesregierung verpflichten wollen, einmal im Jahr über diese Problematik einen Bericht zu geben, werden wir diese Diskussion um dieses Schutzkonzept, um diese Forderung von uns auch zukünftig im Landtag weiterführen und ständig kontrollieren, inwieweit auch eine Notwendigkeit für solche Maßnahmen gegeben ist.
Ich komme zum nächsten Schwerpunkt unserer Gesetzesinitiative, die Unterrichtung Betroffener über ihre Überwachung. Bei nicht erkennbaren Grundrechtseingriffen, wie nicht offene Überwachungsmaßnahmen, steht dem Grundrechtsträger - also dem Bürger - ein Anspruch auf nachträgliche Kenntnis der staatlichen Maßnahmen zu. Die Benachrichtigungspflicht dient der Gewährleistung eines effektiven Schutzes der Grundrechte. Ohne eine solche Kenntnis können die Betroffenen weder die Unrechtmäßigkeit der Maßnahmen noch etwaige Rechte auf Löschung der Aufzeichnungen geltend machen. In der gegenwärtig geltenden Fassung ist lediglich eine Unterrichtung im Falle einer Datenerhebung mit besonderen Mitteln vorgesehen. Dieses ist unzureichend, da die genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht nur auf eine spezielle Art heimlicher Überwachung eingeschränkt sind, sondern für alle Fälle gelten, in denen dem Betroffenen das staatliche Handeln verborgen bleibt.
Kommen wir zum Punkt: Keine Beobachtung der organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz. Die Verfassung des Freistaats Thüringen sieht ausdrücklich die Errichtung einer Landesbehörde zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung vor. Zugleich verbietet sie jedoch dieser Behörde, polizeiliche Befugnisse und Weisungen zu übertragen. Das verbietet die Thüringer Verfassung. Dieses verfassungsrechtlich fundierte Verbot der Übertragung polizeilicher Befugnisse auf eine mit geheimdienstlichen Mitteln arbeitende Behörde bringt das so genannte Trennungsgebot zum Ausdruck, wonach Polizei und Geheimdienst so weit wie möglich voneinan
der abzugrenzen sind. Dieses Gebot erfordert auch, die Aufgabenfelder beider Behörden strikt voneinander abzugrenzen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht, die Umgehung des Trennungsgebots zu verhindern, wird die bisherige Regelung nach unserer Auffassung nicht gerecht. Die Beobachtung und Bekämpfung von Kriminalität, auch in ihrer organisierten Form, gehören zu den klassischen Aufgaben der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden.
Eine Beobachtung organisierter Kriminalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz ist nur zulässig, sofern diese Kriminalität zugleich eine Bedrohung für den Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung darstellt, nicht aber, wenn dieser Zusammenhang fehlt.
Ich will hier neben dieser juristischen Begründung ausdrücklich auch noch eine politische, eine inhaltliche Begründung geben. Sie alle erinnern sich sicherlich an den PKK-Bericht in der letzten Sitzung. Das Thema "Organisierte Kriminalität" kam dort nicht vor. Obwohl der Bericht sich mit dem Wesentlichen beschäftigt hat, mit dem sich die PKK beschäftigt. Herr Kölbel, Sie können mir das sicherlich bestätigen, ich darf ja nicht aus der PKK berichten, was dort gesagt wird. Aber über was dort nicht geredet wird, darüber darf ich sehr wohl berichten. Organisierte Kriminalität spielt in der PKK keine Rolle, definitiv. Ich sitze jetzt seit nicht ganz zwei Jahren in dieser PKK, zu keinem Zeitpunkt ist dieses Thema aufgerufen worden. Es kann natürlich sein, dass man uns etwas verschweigt, aber da komme ich dann bei einem späteren Paragraphen noch drauf. Meine Damen und Herren, die späteren Paragraphen - und auch das hat seine Wurzeln in dem Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission in der letzten Sitzung.
Der nächste Schwerpunkt, um den es uns in unserer Gesetzesnovelle geht, trägt die Überschrift „Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes“ und wir beginnen da, uns endlich der Frage zu widmen: Wie gehen wir mit der Beobachtung von Abgeordneten und mit der Speicherung von Daten über Abgeordnete beim Verfassungsschutz um? Und zunächst klar und ganz deutlich: Auch zukünftig soll das Landesamt für Verfassungsschutz bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Abgeordnete sogar mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen können, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist. Im Vorfeld der Beobachtungen mit nachrichtendienstlichen Mitteln ist jedoch die Parlamentarische Kontrollkommission zu benachrichtigen. Es steht dann in der Kompetenz der PKK, über die Durchführung dieser Beobachtungen zu entscheiden. Diese Regelung ist einfach notwendig, um das freie Mandat der Abge
ordneten und damit den parlamentarischen Bereich zu schützen. Eine Speicherung der durch das Landesamt für Verfassungsschutz gewonnenen Daten ist nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass der betroffene Abgeordnete - und dann sage ich noch mal, das spielt überhaupt keine Rolle, ob das ein Landes-, ein Bundes- oder ein Europaabgeordneter ist - Straftaten im Sinne des G-10-Gesetzes geplant, begangen hat oder noch vorhat zu begehen. Ich sage es noch mal: Diese Regelung schützt ausdrücklich die parlamentarische Tätigkeit des Abgeordneten und damit den gesamten parlamentarischen Bereich.
Wir haben dann unter der Überschrift „Weitere Stärkung der Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission“ noch einige andere für uns wichtige Punkte angeführt, zum Beispiel: Wir wollen den Mitgliedern der PKK zukünftig die Möglichkeit geben, Sachverständige zu benennen, die sich mit Themen beschäftigen, oder eventuell auch einen Untersuchungsauftrag der Mitglieder der PKK entgegenzunehmen. Ich will das mal ganz klassisch sagen: Wir wollen da ein Stückchen Waffengleichheit mit der Landesregierung. Auch die Landesregierung mit den Ministerien, mit ihrer unwahrscheinlichen Kompetenz im Hintergrund, hat in der Vergangenheit schon ab und zu mal auf die Hilfe von Sachverständigen zugegriffen. Warum soll das eigentlich den Abgeordneten verwehrt bleiben? Und zuletzt, und dieses formulieren wir nicht das erste Mal in diesem Haus, muss es den Mitarbeitern des Landesamts für Verfassungsschutz möglich sein, sich natürlich unter der Voraussetzung, dass die einschlägigen Vorschriften eingehalten werden, sich an die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission zu wenden.
Als letzten Punkt, und da freue ich mich schon auf die Diskussion, geht es uns um eine Strafbestimmung bei Falschaussagen gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission. Der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz hat ja vor dem Erfurter Landgericht zugegeben, der Parlamentarischen Kontrollkommission Informationen verschwiegen zu haben. Das ist Vergangenheit. Ich will mir gar nicht ausmalen, was im anstehenden Prozess mit Herrn Roewer noch zu Tage tritt. Es hat ein hochrangiges Mitglied der Landesregierung gegeben, das mal behauptet hat, um das Jahr 2000 hätte im Landesamt für Verfassungsschutz Chaos geherrscht. Das hat auch seine Ursache in der fehlenden Kontrolle, behaupte ich. Deshalb sage ich: Das, was in der Vergangenheit passiert ist, dass nämlich der eine oder andere Vertreter vom Landesamt für Verfassungsschutz, und da insbesondere der Präsident, geglaubt hat, er kann mit den Mitgliedern der PKK hier Hutzebutz spielen, das muss ein Ende haben. Deshalb ganz klar eine Strafandrohung, und zwar bei Falschaussagen und bei unvollständigen Aus
sagen gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission. Wir sagen, die Strafandrohung sollte bei zwei Jahren liegen. Wer zukünftig verschweigt oder lügt, geht in den Knast.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Abschluss ein Satz, hier im Saale schon tausend Mal gesagt, an Banalität kaum zu übertreffen, aber er passt in diesem Zusammenhang einfach: Die SPDLandtagsfraktion hat an dieser Stelle ihre Hausaufgaben aufgrund der aktuellen Rechtsprechung gemacht.
Eigentlich wäre es Aufgabe des Ministeriums gewesen, nach einer teilweise zwei Jahre zurückliegenden Rechtsprechung, hier eine entsprechende Vorlage ins Haus hineinzubringen. Es hat nichts getan, das wirft sicherlich ein Licht auf dieses Haus und wie und in welcher Art und Weise in diesem Haus Schwerpunkte in der Arbeit gesetzt werden.
Nichtsdestotrotz, ich freue mich auf eine hoffentlich - und wir werden unseren Teil dazu beitragen - ernsthafte Debatte, natürlich federführend im Innenausschuss, genauso natürlich begleitend im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, weil das ein Gesetzentwurf aus der Mitte des Hauses ist.
Bei aller Ernsthaftigkeit will ich am Schluss meines Debattenbeitrags eines auch vorweg nicht verschweigen: Wir sind wirklich gewillt, wenn ein zwingender Novellierungsbedarf in unseren Sicherheitsgesetzen vorliegt und dem per Mehrheit hier in dem Haus nicht nachgekommen wird, vor das Landesverfassungsgericht zu ziehen, um dort Klarheit herzustellen.