Protokoll der Sitzung vom 30.03.2006

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Es geht um Ihren Gesetzentwurf!)

(Heiterkeit im Hause)

Nein. Ich komme zum Gesetzentwurf. Vielleicht auch zu einem ganz sensiblen Thema möchte ich hier an dieser Stelle noch mal das Wort ergreifen, und zwar geht es mir hier noch einmal um die VGs in die Einheitsgemeinden. In meinem Wahlkreis - im Ilm-Kreis - gibt es über Monate hinweg eine intensive und öffentliche Diskussion darüber, die VG Rennsteig in eine Einheitsgemeinde umzuwandeln. Diese angestrebte Gebietsreform, die im Übrigen von allen Kommunalpolitikern und Bürgern vom Grunde her gewollt ist, weil sie wissen, dass größere Strukturen ganz einfach natürlich auch hier die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinden sichern, scheiterte daran, dass sie allein gelassen wurden und dass sie auch weiterhin vom Land Thüringen allein gelassen werden. Wenn schon auf die Vernunft und die Kompetenz in der kommunalen Ebene gesetzt wird, dann muss der Prozess der Gemeindegebietsreform auch vom Land begleitet werden. Was die Verantwortlichen - und das zeigen die Gespräche, die man auch vor Ort führt - immer wieder sagen, ist genau das Gegenteil. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Allein das Beispiel der VG Rennsteig im Ilm-Kreis belegt, dass das Land endlich reagieren und einen Rahmen geben muss und auch bestimmte Kriterien definieren muss, die eine klare Richtung aufweisen. Wir setzen hier mit unserem Gesetzentwurf zumindest einen kleinen Baustein. Dass unser Vorschlag richtig ist, das zeigen die Gespräche mit den Bürgermeistern, mit den Verwaltungsspitzen und den Gemeinderäten. Die CDU hat eine inhaltliche Diskussion bis jetzt in den Ausschüssen zu unserem Gesetzentwurf verweigert, doch zahlreiche Bürgermeister haben sich davon nicht beirren lassen und das Gespräch auch mit unserer Fraktion gesucht. In diesem Gespräch haben wir sehr wohl Unterstützung für unseren Gesetzentwurf erfahren können. Wenn Sie vom mittleren Block immer ausschließlich auf Freiwilligkeit setzen, dann müssen Sie endlich verstehen, dass die Gemeinden selbst keinen Wildwuchs wollen und deshalb auch eine Orientierung vom Land benötigen. In diesem Prozess brauchen die Gemeinden auch ein Sig

nal der Beständigkeit. Wenn Sie schon nicht auf die Landtagsopposition hören, dann sollten Sie zumindest die Worte der Bürgermeister zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren, der Gesetzgeber hat sich dabei etwas gedacht, als im Gesetz die Mindestforderung von 5.000 Einwohnern für eine Verwaltungsgemeinschaft festgeschrieben wurde. Damals ist man davon ausgegangen, dass unterhalb dieses Schwellenwertes keine ausreichende Leistungskraft vorhanden ist und damit natürlich auch die Verwaltung nicht effizient arbeiten kann. Als Bürgermeisterin einer Stadt, die in einer Verwaltungsgemeinschaft agiert, kann ich erklären, dass die Verwaltungsgemeinschaft zum Zeitpunkt ihres Entstehens durchaus auch ihre Berechtigung gehabt hat. Es war damals sicherlich der kleinste gemeinsame Nenner, den man finden konnte, doch heute muss man zu der Einschätzung gelangen, dass dieses Konstrukt durch die Zeit längst überholt ist und die Verwaltungsgemeinschaft existiert nur noch als Auslaufmodell. Damals, als dieses Konstrukt einschließlich der gesetzlichen Mindestforderung von 5.000 Einwohnern geschaffen wurde, wurde auch die Ausnahmebestimmung, dass weniger Einwohner ausreichend sein können, im Gesetz aufgenommen. Doch diese Ausnahmeregelung - mein Fraktionskollege Frank Kuschel hat darauf schon verwiesen - verkommt immer mehr zum Regelfall. Bereits jetzt zählen 12 Verwaltungsgemeinschaften weniger als 5.000 Einwohner und weitere 14 Verwaltungsgemeinschaften zählen zwischen 5.000 und 5.500 Einwohner. Man kann also hier schon erkennen, diese Verwaltungsgemeinschaften werden in absehbarer Zeit aufgrund der demografischen Entwicklung nur noch mit einer Ausnahmegenehmigung bestehen können und dann wird ersichtlich, dass diese Ausnahme immer mehr zur Regel wird. Ich glaube, das war doch nicht Absicht des Gesetzgebers.

Meine Damen und Herren, wir schlagen vor, diese Ausnahmeregelung zu streichen und dem Willen des Gesetzgebers endlich wieder Gewicht zu verleihen. Obwohl der Gesetzgeber ursprünglich vom Grundsatz keine VG unter 5.000 Einwohnern wollte, hat die Landesregierung aufgrund der bestehenden Ausnahmeermächtigung den Willen des Parlaments fortwährend unterlaufen. Dass wir für eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und kommunalen Ebene stehen, ist Ihnen allen sicherlich bekannt, deshalb sagen wir auch, dass diese Stärkung mit einer umfassenden Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform einhergehen muss.

Meine Damen und Herren, mit der Umwandlung der 12 Verwaltungsgemeinschaften in Einheitsgemeinden ändert sich für den Bürger im Grunde nichts. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob er die Ver

waltung der VG oder die Verwaltung einer Einheitsgemeinde besuchen muss. Sicherlich spielen Emotionen eine Rolle, aber vom Grundsatz her verändert sich nichts. Allerdings ließen sich durch die Umwandlung in eine Einheitsgemeinde die vorhandenen Mittel effizienter einsetzen. Damit hätte der Bürger beim gleichen Input einen größeren Output. Vor der Umwandlung wird es eine Freiwilligkeitsphase von einem Jahr geben. Innerhalb dieses Jahres können sich die betroffenen Gemeinden auch in anderen Strukturen zusammenfinden, so dass eine Umwandlung nicht automatisch erfolgen muss. Wird allerdings innerhalb dieser Frist die Möglichkeit auf die freiwillige Lösung nicht genutzt, dann muss hier der Gesetzgeber seiner Verantwortung gerecht werden. Das ist auch das, was letztendlich die Gemeinden fordern. Der Gesetzgeber muss seine Verantwortung wahrnehmen und muss endlich einmal Kriterien festsetzen, die den Gemeinden Orientierungen und Richtlinien sind.

Meine Damen und Herren, gleichzeitig wollen wir, dass bei allen künftigen Fällen der Gebiets- und Bestandsveränderung die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich mitwirken können, und zwar nicht einfach nur so, sondern per Gesetz. Damit ist also nicht nur die Möglichkeit eröffnet mitzuwirken, sondern es wird auch zur Pflicht gemacht. Mein Kollege Hahnemann hat darauf schon verwiesen. Bürgerinnen und Bürger gehen mit einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein an Entscheidungen heran. Sie bringen Anregungen und Vorschläge, so dass sich manche Fachleute ärgern, nicht selbst auf solche innovativen Gedanken gekommen zu sein. Bisher ist das Verfahren, wie die Betroffenen mitwirken können, dank der Arroganz der CDU sehr stark formalisiert. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl ihre Anregungen und Hinweise mitteilen können, aber im Grunde völlig ins Leere laufen. Selbst dann, wenn die betroffenen Gemeinden Vorschläge zum Gesetzentwurf vorbringen, die rein sachlich begründet sind, werden diese durch die Mehrheit der CDU ignoriert. Die Gründe für dieses Verhalten sind mir persönlich vollkommen schleierhaft, geht es doch im Regelfall um freiwillige Maßnahmen, die ohnehin durch die Gemeinden angeregt und getragen werden.

Mit unserem vorgeschlagenen Bürgerentscheid während der Auslegungs- und Beteiligungsphase werden alle Beteiligten motiviert, sich intensiv mit den Vorhaben auseinander zu setzen. Im Fall von Zeulenroda und Triebes haben wir gemerkt, wohin es führt, wenn die Bürgerinnen und Bürger nicht gleichberechtigt mit einbezogen werden. Die sich in Triebes gebildete Bürgerinitiative wollte zunächst nur erreichen, in den Prozess der Bildung einer gemeinsamen Stadt gleichberechtigt einbezogen zu werden. Dies wurde dort jedoch nicht gewollt. Ganz bewusst

wurde somit in Kauf genommen, dass diejenigen, die den Prozess lediglich begleiten wollten, zu Gegnern der Eingemeindung von Triebes und Zeulenroda gemacht wurden. Mit unserem im Gesetzentwurf formulierten Vorschlag würden die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich ein Mitwirkungsrecht erhalten. Bei einem „Einfach weiter so, wir kümmern uns um diese Angelegenheit hier in der Landesregierung eben nicht“ müssen Sie damit rechnen, dass auch hier weitere Proteste hinzunehmen sind. Ich denke, man sollte von dieser Landesregierung einen Bürgerentscheid auch zulassen, ermöglichen. Unser Gesetzentwurf bietet dafür eine Alternative. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Bitte Frau Abgeordnete, eine Nachfrage.

Ich habe mal eine Frage an Sie. Sie brachten uns vorhin das Beispiel der VG Rennsteig. Was hindert Sie daran, wenn Bürger, Gemeinderäte und Bürgermeister alle der Meinung sind, eine Einheitsgemeinde zu bilden, was verhindert das? Da geben Sie mir doch sicher Recht, dass dies kommunale Selbstverwaltung pur ist, wenn sie das beschließen. Ich glaube nicht, dass das hier abgelehnt wird. Aber ich weiß nicht, was Sie daran hindert.

Frau Stauche, dazu kann ich Ihnen ganz klar antworten, das haben die Gespräche auch dort vor Ort gezeigt. Man will dort ganz einfach klare Richtlinien formuliert haben. Man will wissen: Wie sollen zukünftig auch Gemeindegrößen aussehen? Wie stellt man sich das vor? Das ist dort für die Gemeinden eine ganz grundsätzliche Frage, die steht. Wenn man einmal eine solche Bestandsveränderung, die sehr sensibel ist - ich hatte das hier am Anfang schon gesagt -, vornimmt, dann möchte man das auch auf Dauer tun. Das hat dort ganz einfach dazu geführt, dass eben dieser Zusammenschluss so nicht gekommen ist.

Aber das ist doch kommunale Selbstbestimmung und ich sehe daran kein Hindernis, tut mir Leid.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor, damit kommen wir zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten beantragt wor

den. Wer ist für die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung an den Ausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltungen. Damit ist die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten abgelehnt.

Es ist die Überweisung an den Innenausschuss beantragt. Wer ist für die Überweisung des Antrags an den Innenausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltung. Damit ist die Überweisung an den Innenausschuss abgelehnt.

Wir stimmen damit direkt über den Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS in Drucksache 4/1707 in zweiter Beratung ab. Wer ist für diesen Gesetzentwurf, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diesen Gesetzentwurf, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Damit ist dieser Gesetzentwurf mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 4

Thüringer Umweltinformations- gesetz (ThürUIG) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/1813 - ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Bitte, Herr Minister Sklenar.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, vor Ihnen liegt der Gesetzentwurf zum Erlass des Thüringer Umweltinformationsgesetzes. Mit ihm soll die Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen im Freistaat Thüringen umgesetzt werden. Die vorgenannte Umweltinformationsrichtlinie erfordert eine Novellierung des Umweltinformationsrechts durch Bund und Länder bis zum 14. Februar 2005. Das novellierte Umweltinformationsgesetz des Bundes vom 22. Dezember 2004 ist fristgerecht am 14. Februar 2005 in Kraft getreten. Da der Bund den Anwendungsbereich seines novellierten Umweltinformationsgesetzes jedoch in Abkehr von der bisherigen Rechtslage ausschließlich auf Bundesbehörden beschränkt, hat sich daraus für die Länder das Erfordernis ergeben, eigene Umweltinformationsgesetze zu erlassen. Nachdem

in den Ländern Berlin, Bremen, Baden-Württemberg, Hamburg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz bereits entsprechende Landesgesetze verabschiedet wurden, soll diesem Erfordernis mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nunmehr in Thüringen Rechnung getragen werden. In den übrigen Ländern ist ebenfalls mit einem Erlass eigener Umweltinformationsgesetze im Laufe dieses Jahres zu rechnen. Die Richtlinie 2003/4/EG gibt im Hinblick auf die Eröffnung des Informationszugangs für den interessierten Bürger bzw. die Öffentlichkeit hohe Beteiligungsstandards vor. Deshalb sieht der vorliegende Gesetzentwurf eine strikte Eins-zu-Eins-Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben vor. Dies entspricht auch der Rechtslage, wie sie in den o.g. Ländern bereits besteht und in den übrigen Bundesländern angestrebt wird. Zugleich bildet der Gesetzentwurf redaktionell weitestgehend das UIG des Bundes ab, um die ursprünglich bestehende Rechtseinheit auf dem Gebiet des Umweltinformationsrechts soweit wie möglich bürgerfreundlich zu bewahren. Zur besseren Lesbarkeit des Gesetzes für den Bürger und die informationspflichtigen Stellen wurde dabei anstelle einer Verweislösung eine Volltextregelung bevorzugt. Die im Freistaat Thüringen als auch in den anderen Bundesländern zu verzeichnende verspätete Umsetzung der Richtlinie resultiert daraus, dass aus den vorgenannten Gründen erst die Verabschiedung des UIG des Bundes abzuwarten war, bevor mit der Ressortabstimmung und der Anhörung der Verbände begonnen werden konnte. Ein rechtsfreier Raum ist im Freistaat Thüringen mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist gleichwohl nicht entstanden, da die Richtlinie 2003/4/EG bis zum In-Kraft-Treten des Thüringer Umweltinformationsgesetzes unmittelbar anzuwenden ist. Mit der Umsetzung der Richtlinie durch das Thüringer UIG sind folgende wesentliche Neuerungen verknüpft:

Der Informationszugang für den Antragsteller wird sachlich erweitert und die Regelfrist zur Antragsbearbeitung wird von zwei Monaten auf einen Monat verkürzt. Die Gründe für die Ablehnung des Informationszugangs werden verengt. Der Kreis der informationspflichtigen Stellen wird ausgedehnt auf alle Verwaltungsbehörden sowie auf bestimmte öffentlich beherrschte Unternehmen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge. Die informationspflichtigen Stellen werden zur zunehmenden Verbreitung von Umweltinformationen mittels elektronischer Informationssysteme verpflichtet.

Als Fazit, meine Damen und Herren, möchte ich an dieser Stelle feststellen, dass der vorliegende Gesetzentwurf für ein Thüringer Umweltinformationsgesetz die europarechtlichen Anforderungen erfüllt und eine stärkere Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung im Zusammenhang mit der Umwelt ermöglicht und fördern wird.

(Beifall bei der CDU)

Danke. Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, bei diesem Tagesordnungspunkt auf eine Aussprache zu verzichten und sofort über die Ausschussüberweisung abzustimmen. Wird Ausschussüberweisung beantragt? Bitte, Herr Abgeordneter Schröter.

Namens der CDU-Fraktion beantrage ich die Überweisung an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt.

Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt beantragt. Wer ist für die Überweisung, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist die Überweisung an den Ausschuss für Naturschutz und Umwelt einstimmig angenommen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Gesetz zur Neuregelung des Thü- ringer Meldegesetzes und zur Än- derung des Thüringer Personal- ausweisgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/1814 - ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Bitte, Herr Minister Gasser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die vorliegende Gesetzesnovelle zielt darauf ab, im Einwohnermeldewesen zukünftig elektronische Informationswege und -techniken verstärkt einzusetzen und den Weg zum EGovernment konsequent zu beschreiten.

(Beifall bei der SPD)

Die durch Änderungen im Melderechtsrahmengesetz des Bundes bedingte Neuregelung des Thüringer Meldegesetzes wurde insofern für eine umfassende Modernisierung des Meldewesens in Thüringen genutzt. Konkret sieht der Entwurf im Wesentlichen folgende Änderungen vor:

Zum einen werden die Meldebehörden verpflichtet, die so genannten Rückmeldungen zukünftig ausschließlich elektronisch vorzunehmen. Das heißt, die Meldebehörde des Zuzugsortes unterrichtet die bisher zuständige Meldebehörde über die Anmeldung eines Einwohners nunmehr per elektronischer Mitteilung. Die zweite wesentliche Änderung des Melderechts ermöglicht eine elektronische Auskunft aus dem Melderegister an öffentliche Stellen und Private. Beide Gruppen fragen jährlich in großer Zahl bei den Meldebehörden an, um aus den verschiedensten Gründen Informationen über einen Einwohner aus dem Melderegister zu erhalten. Genannt seien an dieser Stelle neben Bürgern, Rechtsanwälten oder Inkassobüros, welche Auskünfte oftmals zur Durchsetzung von Forderungen benötigen, auch mitgliederstarke Vereine. Insbesondere nach einem ungemeldeten Wohnortwechsel von Vereinsmitgliedern sind diese zur Ermittlung der aktuellen Anschriften auf die Hilfe der Einwohnermeldeämter angewiesen. Nicht zuletzt sind die Melderegisterauskünfte auch für die richtige Zustellung der unterschiedlichsten Behördenschreiben von Bedeutung. Schließlich soll auch die Anmeldung mittels vorausgefüllten Meldescheins ermöglicht werden. Dies bedeutet, dass die Zuzugsmeldebehörde die zur Anmeldung erforderlichen Daten des neuen Einwohners elektronisch aus dem Register der vormals zuständigen Behörde abrufen kann. Diese Daten können dem Einwohner zur Kenntnis und zur Aktualisierung gegeben werden. Der Einwohner muss kein Formular mehr ausfüllen. Er kann sich darüber hinaus auch über das Internet anmelden. Der Aufwand der Meldebehörden wird reduziert und der Grad der Genauigkeit der Melderegister erhöht. Der vorliegende Gesetzentwurf beschränkt sich jedoch nicht auf eine bloße gesetzestechnische Anpassung an das Melderechtsrahmengesetz, sondern sieht auch weitergehende strukturelle Änderungen vor. Sie bestehen im Kern darin, dass zur Ausschöpfung der mit dem elektronischen Verkehr verbundenen Vorteile und Möglichkeiten bestimmte Aufgaben dem Landesrechenzentrum als einer öffentlich rechtlich organisierten Stelle zur eigenen Erledigung übertragen werden. Das Landesrechenzentrum erfüllt bereits jetzt Aufgaben für die Meldebehörden. Hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf die Datenübermittlung an die Kreiswehrersatzämter, die Bundesagentur für Arbeit und die Datenstelle der Rentenversicherungsträger. Über das Landesrechenzentrum erfolgen zukünftig auch alle Rückmeldungen sowohl innerhalb des Freistaats als auch gegenüber den anderen Bundesländern. Damit ist gesichert, dass der Datenfluss insbesondere zwischen den Ländern nicht an unterschiedlichen technischen Standards scheitert. Daneben hält das Landesrechenzentrum tagaktuelle Spiegelregister der örtlichen Melderegister vor. Mit Hilfe dieser Register können Bürgern und Behörden künftig an zentraler Stelle Auskünfte online erteilt

werden. Dies hat den Vorteil, dass privaten Auskunft Suchenden für ganz Thüringen und darüber hinaus ein modernes und nutzerfreundliches Auskunfts- und Anmeldeverfahren zur Verfügung gestellt werden kann, welches künftig an sieben Tagen der Woche rund um die Uhr verfügbar ist. Hierdurch wird vermieden, dass ein Auskunft Suchender von Meldebehörde zu Meldebehörde weiterverwiesen werden muss, wenn der Gesuchte zwischenzeitlich umgezogen ist. Aber auch die Behörden profitieren von diesem Auskunftsverfahren, beispielsweise wird für die Polizeibehörden zukünftig eine verlässliche und stabile Zugriffsmöglichkeit auf den waffenrechtlichen Eintrag im Melderegister geschaffen.

Mit der Implementierung eines vollelektronischen Meldewesens sind zunächst höhere Kosten verbunden. Gegenüber den im Jahr 2005 vorgesehenen Mitteln in Höhe von 684.000 € wurden im Doppelhaushalt 2006/2007 jährlich jeweils 1,1 Mio. € eingestellt. Mittel- bis langfristig wird das vollelektronische Meldewesen jedoch auch zu dauerhaften Einsparungseffekten führen. Diese ergeben sich insbesondere bei Finanz-, Justiz- und Polizeibehörden aus der Möglichkeit der Online-Abfrage von Meldedaten. Im Interesse eines fairen finanziellen Ausgleichs ist vorgesehen, dass die auch weiterhin für die Pflege ihrer Meldedateien zuständigen Gemeinden am Gebührenaufkommen für die im automatisierten Verfahren erteilten einfachen Melderegisterauskünfte des Landesrechenzentrums beteiligt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung des E-Governments auf allen Ebenen der Verwaltung. Er trägt dazu bei, dass zentrale Vorhaben in diesem Bereich realisiert werden können. Ich erinnere nur an die Einführung einer Steueridentifikationsnummer auf Bundesebene oder die von der Europäischen Kommission geplante EU-weite Sensus-Runde, welche in Deutschland mittels einer registergestützten Lösung umgesetzt werden soll. Nicht zuletzt ist der Gesetzentwurf Ausdruck eines Verständnisses der Verwaltung als Dienstleister für die Bürger. Im Interesse einer fristgerechten Umsetzung des Melderechtsrahmengesetzes bis zum 1. Januar 2007 bitte ich Sie um eine baldige Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Hahnemann, Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ganz sicher bringt dieser Gesetzentwurf echte Erleichterungen, aber er wirft auch einige Fragen hinsichtlich des Datenschutzes und der Beachtung von Grund- und Bürgerrechten auf.

Zuerst zum Positiven: Wir kennen sie alle, die Probleme mit der Erreichbarkeit einer Meldebehörde. Im ländlichen Raum müssen Bürgerinnen und Bürger weite Wege in Kauf nehmen und Öffnungszeiten sind für viele Berufstätige oft ungünstig. Die Möglichkeit, An- und Ummeldungen jetzt per Internet vornehmen zu können, ist sicherlich ein bemerkenswerter Schritt hin zu mehr Bürgernähe und zur Effektivität der Verwaltung, aber weiterhin müssen auch jene Bürgerinnen und Bürger im Blick behalten werden, die nicht über derartige technische Möglichkeiten verfügen oder nicht in dieser Weise davon Gebrauch machen können oder wollen. Eine Erweiterung der Möglichkeiten, die Behördenwege elektronisch zu beschreiten, darf nicht zur Verschlechterung bei den Öffnungszeiten bei Behörden führen oder jemanden in der Bearbeitungszeit benachteiligen. In den genannten Punkten und in anderen von mir nicht genannten, vom Minister aber dargestellten ist das Gesetz zeitgemäß.

Eigentlich ist es außerordentlich bedauerlich, dass nicht alle Meldebehörden in Thüringen für diese nicht mehr ganz junge Technik ausgestattet oder befähigt sind. Wäre das nämlich der Fall, dann wäre auch die Zentralisierung der Meldedaten in einer so genannten Spiegeldatei beim Rechenzentrum gar nicht nötig, wie sie jetzt im Gesetzentwurf vorgesehen ist. Es wäre den jeweiligen Behörden möglich, An- oder Ummeldungen und Anfragen auf elektronischem Wege zu bearbeiten. Es wäre eine datenschutzrechtlich saubere Lösung im Vergleich zu der jetzigen, nach der die Daten in Erfurt zusammengefasst werden.

Warum gibt es die datenschutzrechtlichen Bedenken? Erstens ist da der Grundsatz der Datensparsamkeit. Er wird durch die faktische Verdoppelung, zumindest eine quantitative Verdoppelung der Datenmenge, unterlaufen. Zweitens ist das Landesrechenzentrum ein Knotenpunkt in den Verbindungen diverser Behörden und Institutionen und damit erhöht sich die Gefahr des bewussten oder versehentlichen Zugriffs durch Unbefugte. Diese Art der Zentralisierung ist eine Notlösung, da Behörden vor Ort teilweise die Voraussetzungen für moderne elektronische Kommunikation nicht erfüllen. Also sollte diese Lösung von vornherein und im Gesetz nur für eine Übergangszeit vorgesehen werden, und zwar so lange, bis sich alle Behörden vor Ort technisch

und personell auf die Höhe der Zeit begeben haben. Danach sollten die Meldebehörden in einen Ringverbund eintreten, über den Daten abgeglichen und ausgetauscht werden können, ohne dass sich die Datenmenge dadurch eigentlich erhöht oder Dritte einbezogen werden müssen.

Meine Damen und Herren, auch anderes im Gesetzentwurf ist mit Hinblick auf Datenschutz und Bürgerrechte überdenkenswert. So halten wir die Regelungen zur Verweigerung von Auskünften an Bürgerinnen und Bürger zu deren eigenen Daten bei Meldebehörden für grundsätzlich bedenklich. Die Menschen haben ein Recht zu erfahren, welche Informationen zu ihrer Person bei Ämtern vorliegen. Die Auskunft soll nun aber u.a. dann verweigert werden können, wenn sie die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der Meldebehörden liegenden Aufgaben gefährden würde. Was bitte, Herr Minister, sollen wir uns darunter vorstellen? Die Formulierung ist so sehr ungenau und droht, ein beliebiges Einfallstor für vorschnelle und unbegründete Verweigerung von Auskünften zu eigenen Daten zu werden, und man kann ja sicherlich nicht davon ausgehen, dass man damit eine zielgerichtete gehäufte Abfrage von eigenen Daten zum Zwecke der Belastung, ausschließlich der Belastung von Ämtern abwehren will. Weiterhin fragt man sich, warum Meldebehörden Informationen durch die Geheimdienste speichern und verarbeiten müssen. Zu welchem Zweck erfolgt hier eigentlich eine Datenübermittlung an die Meldebehörden?

Auch zur Auskunftssperre haben wir Nachfragen. Bürger können eine Auskunftssperre eintragen lassen, wenn Gefahr für Leben, Gesundheit oder persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen entstehen könnten. Das ist sicher sinnvoll. Eine Melderegisterauskunft könnte dann aber dennoch erfolgen, wenn nach Anhörung des Betroffenen eine Gefahr ausgeschlossen werden kann. Spätestens hier fragt man sich: Wer in der Meldebehörde soll das beurteilen? Kann das die Meldebehörde überhaupt beurteilen? Über welche Qualifikationen verfügen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie in die Lage versetzen könnten, die Gefährdungssituation eines Bürgers einzuschätzen? Hier sollte man nach unserer Auffassung dem Willen betroffener Bürgerinnen und Bürger den Vorrang vor amtlichen Hintertüren geben.