Noch schlimmer als die Nichteinbeziehung der Kinderschutzdienste ist die Kürzung der Förderung an sich. Von einer Priorität für den Kinderschutz kann hier nicht die Rede sein.
Die Förderung der Kinderschutzdienste selbst ist in den letzten Jahren schrittweise abgeschmolzen worden, wie das Frau Pelke auch schon ausgeführt hat. Waren 2002 noch 692.000 € im Haushalt eingestellt, so waren es 2006 nur noch 471.000 €. Damit wurde ein funktionierendes Hilfenetzwerk nachhaltig gestört. Kinderschutz darf man eben nicht nach Kassenlage betreiben.
Es geht an dieser Stelle um Kinder, die Opfer von Gewalt, in den meisten Fällen sexueller Gewalt, geworden sind. Auf deren Kosten zu sparen, ist nun wirklich unredlich.
Mit den 1,5 VbE sind die Kinderschutzdienste hoffnungslos unterbesetzt, wie Sie auch den Stellungnahmen der Landesarbeitsgemeinschaft zum Haushaltsentwurf 2006/2007 entnehmen können. Wenn die Kommunen diese Kürzungen nicht ausgleichen, würden die Wartelisten der Kinderschutzdienste weiter ansteigen und, meine Damen und Herren, diese Wartelisten gibt es bereits. Aber es gibt auch andere Beispiele, wie Gera oder auch Erfurt beweisen. Diese Städte haben die Kürzungen ausgeglichen. Jedoch kann es nicht sein, dass den Kommunen wieder der schwarze Peter zugeschoben wird.
Die Landesregierung hat eine Verantwortung in diesem Bereich und dieser muss sie auch gerecht werden.
Wir fordern die Landesregierung auf, ein Netz an Hilfeleistungen und Fachberatungen zu gewährleisten, denn ohne dieses Minimum an Sicherheit kann nicht einmal mehr die akute Arbeit bewältigt werden, denn schon jetzt können die Kinderschutzdienste kaum präventiv wirken. Fachberatungen mit Kooperationspartnern sind auf ein Minimum heruntergefahren. Um einen nachhaltigen, also langfristigen Kinderschutz zu gewährleisten, brauchen die Kinderschutzdienste Geld. Sie müssen nicht nur in ihrer Existenz gesichert werden, sondern sie müssen in die Lage versetzt werden, Netzwerke zu knüpfen, um so den Opfern von Gewalt schnell und unkompliziert zu helfen. Nur wenn die Dienste gesichert sind, wenn sie heute wissen, dass sie morgen noch existieren, ist eine kontinuierliche und qualitativ hochwertige Arbeit möglich.
Zu diesen Netzwerken gehören aber nicht nur die unmittelbaren Partner, also Jugendamt und Polizei, sondern auch andere Interventionsstellen, wie beispielsweise Frauenhäuser. Wenn diese Hilfelandschaft sukzessive weggekürzt wird, dann können manche Dienste nur noch sehr wenigen Opfern helfen. Um die Arbeit der Kinderschutzdienste effektiv zu gestalten, braucht es genau diese spezielle Hilfelandschaft, die bestehen muss aus Opferhilfen, wie zum Beispiel dem Weißen Ring, aus Frauenzentren und Frauenhäusern, aber auch aus einer medizinischen Grundversorgung. Wenn all diese Interventionsstellen nicht mehr oder nur noch bedingt vor Ort sind, dann verschlimmern sich die Leiden der Kinder, denn bis sie sich jemandem anvertrauen können, dauert es viel länger. Dazu gehören auch immer öfter Wartelisten, die ein deutliches Zeichen sind für die Überlastung der Einrichtungen und Dienste. In dieser Wartezeit verschlimmern sich Traumata oder die Kinder erleiden für einen längeren Zeitraum Gewalt oder die Kinder werden für einen längeren Zeitraum vernachlässigt, nur, weil die Erreichbarkeit der Dienste und die Dichte des Hilfenetzes abgenommen haben. Ich, meine Damen und Herren, möchte diese Verantwortung nicht tragen.
Es geht aber um mehr. Mit dem bereits erwähnten § 8 a des KICK soll das Frühwarnsystem für Kindeswohlgefährdung etabliert werden. Dazu gehört es aber auch, dass die Fachkräfte in allen Bereichen der Jugendhilfe, also auch die Erzieherinnen in den Kindergärten bzw. die Sozialarbeiter in den Jugendhäusern, ausreichend qualifiziert werden. Diese Auf
gabe sollte den Fachleuten der Kinderschutzdienste zufallen. Allerdings ist völlig ungeklärt, wer denn die Mittel bereitstellt, aus denen solche Fortbildungen bezahlt werden.
Mit den Kinderschutzdiensten unmittelbar verbunden ist aber auch das landesweit geschaltete Kindersorgentelefon. Es wird betrieben von den 12 Kinderschutzdiensten und steht allen Kindern und Jugendlichen kostenlos zur Verfügung. Hier ist es gelungen, kleinräumig und regional verankert ein Netzwerk zu schaffen, in dem Kinder problemlos vermittelt werden können. Wenn ein Kind beispielsweise aus Mittelthüringen anruft, dann wird es mit einem Fachmann aus der Region verbunden, der die Strukturen der Jugendhilfe kennt. Das Sorgentelefon wird ehrenamtlich betrieben, jedoch bedarf sein Unterhalt jährlich 9.000 €. Bei einem Landeshaushalt von mehr als 9 Mrd. € ist es traurig, dass man jedes Jahr erneut so stark um den Erhalt dieser Leistung kämpfen muss.
Mit dem Sorgentelefon ist aber noch mehr verbunden, denn rund 30 Jugendliche betreuen die 24Stunden-Bereitschaft des Sorgentelefons, welches einmalig ist in Deutschland. Mit jährlich rund 20.000 Anrufen ist das Sorgentelefon ein niedrigschwelliges Beratungsangebot, welches unverzichtbar ist für die Betroffenen selbst.
Bevor ich aber nun zum Schluss komme, möchte ich noch auf zwei weitere Punkte eingehen, die mir sehr am Herzen liegen. Die Zahl der Kinder, die zu Hause Opfer von Gewalt werden, die in der Familie vernachlässigt werden, nimmt stetig zu. Hier sollte die Landesregierung anfangen, Kinderschutz zu betreiben, nicht mit einer Elternakademie, sondern mit der Kita. Gemeinsam sollte man sich an die Eltern wenden, denn mit der Kita erreicht man die Eltern viel besser als mit einer Elternakademie, wenn man bedenkt, dass 96 Prozent der Kinder im Alter von fünf Jahren eine Einrichtung besuchen. Hier gilt es, präventiv zu wirken. Hier gilt es, Angebote für Eltern zu unterbreiten, denn niemand will Eltern die Erziehungskompetenz absprechen. Aber man muss den jungen und oftmals überforderten jungen Eltern klare Unterstützungsangebote unterbreiten. So könnten Überlastungen in der Familie frühzeitig erkannt und vor allem behoben werden.
Die Kita sollte also zum Eltern-Kind-Zentrum ausgebaut werden, um so enger an die Eltern und an die Familien zu kommen. Eine Elternakademie ist vielleicht etwas für Akademiker, aber sie ist ungeeignet für die tatsächlichen Probleme. Kinderschutz muss also auch Elternbildung sein.
Dazu gehört auch ein bewusster Umgang mit Medien. Wie viele Kinder sitzen täglich vor dem Fernseher, ohne dass sich jemand mit den Kleinen beschäftigt. Um Eltern einen bewussten Umgang mit Medien zu ermöglichen, gab es ein Projekt zur Förderung der Medienkompetenz von Eltern. Hier wurden durch den Landesfilmdienst Grundsteine gelegt für einen bewussten Umgang mit Medien im Zusammenhang mit Kindern. Gewaltschutz und Jugendmedienschutz sind Kernthemen dieses Projekts. Schade nur, dass dieses Projekt, welches mit 2 VbE gefördert wurde, um 50 Prozent gekürzt wurde. So kann Elternbildung und damit ein nachhaltiger Kinderschutz nicht funktionieren. Danke.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Antrag ist überschrieben mit den Worten: „Kinderschutz ernst nehmen, Strukturen sichern“. Ich kann für die CDU-Fraktion sagen, wir nehmen den Kinderschutz ernst, wir sichern die Strukturen. Im Gegensatz zu dem, was hier gerade skizziert wurde, tun wir dies auch im laufenden Haushaltsjahr und tun wir das auch hier in der öffentlichen Diskussion im Thüringer Landtag.
Wir haben uns in den letzten Jahren, Herr Kollege Bärwolff, in regelmäßigen Abständen hier über den Kinderschutz verständigt, in der Tat, insbesondere dann, wenn es akute Probleme gab, wenn es die spektakulären Fälle in der Öffentlichkeit gab, aber auch immer wieder, wenn es darum ging, ob wir gesetzliche Regelungen verbessern können, ob wir die Finanzierung sicherstellen können und ob wir uns insbesondere den Problemen der Kinderschutzdienste stärker annehmen können, als es in Ihrem Antrag auch beschrieben ist.
Insofern finde ich es schon ein bisschen schwierig, dass alle drei Vorredner gerade zu einer Vielzahl von Problemen, die alle unbestritten wichtig sind, gesprochen haben, aber allerdings nur sehr wenig auf den konkreten Antragsanlass - und das sind die Kinderschutzdienste - eingegangen sind.
Sie haben in Ihrer Antragsbegründung geschrieben, dass der Anlass für Ihren Antrag die landesseitige Reduzierung der Mittelzuweisung für die Kinderschutzdienste ist. Dem ist nicht so. Wenn Sie die Beantwortung Ihrer Kleinen Anfrage gelesen hätten,
richtig gelesen und auch richtig interpretiert hätten, hätten Sie feststellen können, dass im Haushaltsjahr 2006 keine Reduzierung der Mittel für die 12 Kinderschutzdienste stattfand.
Im Gegenteil, die Mittel sind ausgeweitet worden. Es sind in drei Kinderschutzdiensten sogar in erheblichem Maße noch mehr an Personalkosten zur Verfügung gestellt worden und alle 12 Kinderschutzdienste erhalten die gleiche oder eine höhere Fördersumme als im vergangenen Jahr. Insofern ist das falsch, was Sie in Ihre Antragsbegründung hineinschreiben. Sie versuchen damit auch den Anlass zu einer Diskussion zu bieten, an einem Punkt, wie Sie selber aus der Beantwortung Ihrer Kleinen Anfrage wissen müssten, dass dem nicht so ist.
Frau Kollegin Jung, ich gebe Ihnen Recht, es ist so, wir müssen konstatieren, dass es eine Vielzahl von Kindern gibt, die auf der Schattenseite leben müssen. Ich pflichte Ihnen nicht bei, dass die wichtigsten Ursachen dafür soziale Schwierigkeiten der Eltern sind, denn da bin ich anderer Auffassung. Auch Eltern, die sich in sozialen Schwierigkeiten befinden, sind sehr wohl in der Lage, ihren Kindern Liebe und Erziehung mit auf den Weg zu geben. Wir sollten das nicht per se als eine der Hauptursachen ausmachen, warum Kinder in schwierige Situationen kommen. Die Hauptursachen - da denke ich, da könnten wir uns auch hier im Landtag einig sein - sind in jedem Fall Erziehungsdefizite, dass Eltern nicht in der Lage sind, das an Liebe, an Erziehung, an Zuwendung weiterzugeben, was wir uns für die entsprechende Entwicklung der Kinder wünschen. Ich glaube, da müssen wir auch im Wesentlichen ansetzen. Wir müssen den Kindern Hilfe bieten. Das tun wir. Das ist im Grundgesetz ganz klar geregelt, der Schutz des Kindeswohls ist in unserer Thüringer Verfassung ganz klar geregelt, das ist im SGB VIII klar geregelt und auch im Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz.
In all den beschriebenen Gesetzen ist geregelt, wie das Kindeswohl zu schützen ist, dass das Kindeswohl über allem steht, über allem auch, was wir in der Diskussion immer wieder berücksichtigen müssen; auch beispielsweise Elternrechte, auch den Eingriff, wann wir Elternrechte intervenieren. Ich glaube, dessen müssen wir uns auch immer wieder bewusst sein, wenn wir Hilfeangebote unterbreiten. Es ist aber auch etwas im SGB VIII ganz klar geregelt und das ist die Zuordnung derjenigen, die in der Pflicht sind, dies umzusetzen. In der Pflicht sind eben nicht, wie Sie es, Frau Jung, beschrieben haben, die Träger, sondern es ist in allererster Linie der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Insofern können wir als Land, so ist es im SGB VIII geregelt, immer unter
stützend helfen - das tun wir auch mit den Richtlinien und den fachlichen Empfehlungen, die wir haben -, wir können allerdings den Kommunen diese Pflicht nicht abnehmen. Diese Pflicht besteht auf der kommunalen Seite und, ich denke, die Kommunen sind sich sehr wohl dieser Pflicht bewusst und handeln auch entsprechend. Das erleben wir in den vergangenen Jahren da, wo Kinderschutzdienste entstanden sind, aber auch dort, wo es keine Kinderschutzdienste gibt, denn auch dort wird diese Arbeit geleistet. Wir haben in Thüringen 12 Kinderschutzdienste und in allen anderen Kreisen wird diese Arbeit durch den allgemeinen sozialen Dienst der Jugendämter auch in einer hervorragenden Art und Weise geleistet. Ich glaube, das gehört dazu, dass wir dies würdigen, dass wir dies auch ernst nehmen und dass wir denjenigen, die diese Arbeit leisten, auch unsere Unterstützung zusagen und dann auch angedeihen lassen.
Insofern ist es nicht redlich, wenn Sie hier in Ihrer Antragsbegründung sagen, dass wir fahrlässig die Kinderschutzdienste gefährden würden. Ich habe das an den Zahlen gerade deutlich gemacht, dass die 12 Kinderschutzdienste jährlich durchschnittlich einen Personalkostenzuschuss in Höhe von 34.000 € bekommen. Das ist mehr als im vergangenen Jahr, das wird aus der Beantwortung der Anfrage Ihres Kollegen Bärwolff deutlich und das wird aus den Zahlen, auch aus den Bewilligungsbescheiden für die 12 Kinderschutzdienste deutlich.
Frau Pelke, Sie haben die fachlichen Empfehlungen des Landesjugendhilfeausschusses angesprochen. Ich war dabei, als der Landesjugendhilfeausschuss die fachlichen Empfehlungen im Juni 2004 beschlossen hat. Diese fachlichen Empfehlungen sind Leitlinien für das, was auf kommunaler Ebene umgesetzt werden soll und umgesetzt wird. Sie wissen aus Ihrer Arbeit als Stadträtin genauso wie ich und wie der Kollege Bärwolff, dass es Städte gibt, die das immer sehr ernst genommen haben und sehr intensiv auch Kofinanzierungsmittel bereitgestellt haben. Sie wissen aber auch aus der Diskussion, die wir hier im Thüringer Landtag geführt haben, dass es Landkreise gab, die immer einen Bogen darum geschlagen haben oder die sich schwerer damit getan haben. Wir haben das hier mehrfach öffentlich auch im Landtag thematisiert. Wir wissen, dass es eine Zeit lang Probleme in Suhl gab, um die Kofinanzierungsmittel im Weimarer Land gab es Probleme, um die Kofinanzierungsmittel auch im Unstrut-Hainich-Kreis. Wir haben das in den vergangenen Plenardebatten immer wieder hier angesprochen, wenn wir das Gefühl hatten, wir können als Landespolitiker auch auf die kommunale Ebene einwirken, appellieren und auch sie an diese Pflicht der Erfüllung ihres Auftrags, das Kindeswohl sicherzustellen, nachdrücklich erinnern. Dann haben wir hier diskutiert und das ist, denke ich, richtig, wichtig und auch notwendig. Was Sie aber
gesagt haben, dass die Kinderschutzdienste der Beliebigkeit des Haushaltsplans unterworfen sind, ist nicht richtig. Wir haben nämlich, wenn wir hier den Landeshaushalt aufstellen, wir alle als Landtagsabgeordnete, jedes Mal die Verantwortung, die Haushaltsmittel bereitzustellen. Das müssen wir diskutieren, das werden wir in dem Umfang auch tun. Sie haben die Beispiele skizziert, dass wir im Jahre 2002 in diesem Haushaltstitel mehr an Geld hatten. Das ist richtig, das ist aber auch erklärbar. Die Förderung der Kinderschutzdienste verlief nämlich nach Anschubfinanzierung, nach Grundausstattung. Jeder Kinderschutzdienst, der neu entstanden ist, hat eine Anschubfinanzierung bekommen, wo sowohl eine sächliche Ausstattung sichergestellt wurde als auch eine Anschubfinanzierung, die zunächst die Kommunen ermutigen sollte, entsprechend in Kofinanzierungen einzusteigen. Das fand statt und das ist einer der Gründe, warum auch Haushaltsmittel im Zeitraum zwischen 2002 und heute, sich, was direkt die 12 Kinderschutzdienste angeht, verändert haben.
Aber es ist eben nicht so, dass das unsere Verantwortung ist, sondern dass das schon in allererster Linie die Verantwortung der Kommunen ist. Wir helfen dabei. Dafür gibt es diese Richtlinien und dafür gibt es diese Empfehlung. Die Richtlinie, die Herr Bärwolff ansprach, die jetzt 1,5 Vollzeitbeschäftigtenstellen vorsieht, ist im Übrigen seit über einem Jahr in Kraft, wo die Kinderschutzdienste auch damit arbeiten und die Kofinanzierungsmittel auch bereitgestellt werden.
Wir haben, auch da möchte ich widersprechen, mit den Hilfen zur Erziehung einen klaren Rechtsanspruch, einen definierten Rechtsanspruch, worauf Kinder und Eltern einen Anspruch zur Hilfe haben. Das betrifft sowohl die stationären Angebote als auch die teilstationären Angebote. Das, was Sie skizziert haben, Frau Kollegin Pelke, dass es da in dem einen oder anderen Jugendamt ein restriktives Vorgehen gibt, wenn es um die Zuweisung von stationären Hilfen zur Erziehung geht, von Plätzen zur stationären Hilfe zur Erziehung, das ist mir bewusst. Das ist aber auch etwas, das müssen wir den Eltern, das müssen wir den Kindern deutlich machen und auch der Öffentlichkeit deutlich machen, dass das ein einklagbares Recht ist, dass die Kommunen verpflichtet sind, diese Hilfen zur Erziehung bereitzustellen und auch finanziell auszustatten. Herr Bärwolff, Sie haben die Änderungen im KICK im letzten Jahr angesprochen. § 8 a sagt nicht, dass jetzt erst die Pflicht besteht, das Kindeswohl stärker zu sichern. Er sagt im Wesentlichen, wann Jugendämter intervenieren müssen. Im Übrigen auch eine Lehre aus dem, was wir mit dem Fall des Jonny-Lee hier in Erfurt erlebt haben. Das war ja kein Fall, den die Kinderschutzdienste in ihrer
Verantwortung hatten, der Kinderschutzdienst in Erfurt nicht, dafür war Jonny-Lee zu klein. Es war ein Fall, wo das Jugendamt hätte handeln müssen, stärker hätte handeln müssen, weil Jonny-Lee nicht selbst in einen Kinderschutzdienst hätte gehen können und seine Vernachlässigung anzeigen und deutlich machen können.
Insofern müssen wir sehr wohl auch die Frage stellen, wann und wie wir Kindeswohlgefährdung erkennen und ob wir dann die richtigen Instrumente haben, gegen diese drohende Kindeswohlgefährdung auch anzugehen. Insofern ist die Änderung im KICK im vergangen Jahr schon helfend, denn dort wird gesagt, wenn mindestens zwei Hinweise auf eine drohende Kindeswohlgefährdung vorliegen, muss das örtliche Jugendamt handeln. Diese zwei Hinweise, die unabhängig voneinander genauso von der Nachbarschaft, von Verwandten, aus der Kindertagesstätte oder aus Einrichtungen der öffentlichen Jugendhilfe kommen können, müssen wir dann auch ernst nehmen. Ich finde das richtig und gut.
Wir haben - auch das war einer der Punkte, den einer der Vorredner ansprach - die Aufforderung für die Kinderschutzdienste, Netzwerke zu bilden; sie bilden die Netzwerke. Die Kinderschutzdienste können nämlich immer nur beratend helfen. Die Kinderschutzdienste sind dazu da, um Kindern, die zu ihnen kommen, tatsächlich Hilfeangebote aufzuzeigen, ihnen zu sagen, wo sie Hilfe erfahren können und dann diese Hilfe zu vermitteln. Diese Hilfe zu organisieren ist in allererster Linie etwas, was die örtlichen Jugendämter tun, wo Hilfepläne aufgestellt werden, wo festgelegt wird, welche Maßnahmen angezeigt sind, diesen Kindern Unterstützung angedeihen zu lassen. Das ist etwas, was ein Kinderschutzdienst originär allein gar nicht mehr tun kann, auch nicht allein tun muss, denn da haben wir in der Regel dann sehr schnell die Frage, ob wir beispielsweise mit Kinder- und Jugendpsychiatern, mit Mitarbeitern des allgemeinen sozialen Dienstes, aber auch mit Mitarbeitern der Jugendämter, die Elternarbeit leisten können, sehr intensiv dann in diese Arbeit einsteigen können.
Wir haben bei der Finanzierung, auf die ich eingegangen war, natürlich immer wieder die Verantwortung, dass wir uns auch fragen müssen: Reicht das aus? Beim Kinderschutztelefon - Sie hatten das Beispiel angesprochen - geht es im Wesentlichen um Qualifizierungsmaßnahmen, die das Land damit unterstützt, geht es im Wesentlichen um die infofreie Hotline, die geschaltet wird. Davon partizipieren auch die Kinderschutzdienste dann letztendlich, weil nämlich diese Notruftelefone, das Kindernotruftelefon, letztendlich Kinder zu ihnen vermitteln sollen, dass sie dort auch Rat und Hilfe finden. Aber dieser Rat und die Hilfe funktionieren nur dann, wenn das nie
drigschwellige Angebot eines Kinderschutzdienstes angenommen wird. Ich habe vorhin beschrieben, wie schwierig es ist, Fälle herauszufiltern, bei denen Kinder nicht selbst einen Kinderschutzdienst aufsuchen können oder vielleicht nicht in diesem Umfang die Umwelt reagiert - Nachbarn, Verwandte, Freunde - und dann letztendlich das Jugendamt auf Defizite aufmerksam machen.
Wir haben, als wir uns vor einigen Monaten als CDU-Fraktion mit dieser Frage beschäftigt haben, sehr schnell gemerkt, dass die Frage der Vorsorgeuntersuchung der U 1 bis U 10 dabei eine wichtige Rolle spielt. Wir müssen konstatieren, dass wir in Thüringen die Vorsorgeuntersuchung zwar in einem hohen Anteil in Anspruch nehmen, aber auch nicht so umfänglich, wie wir es uns in letzter Konsequenz wünschen würden. Die Vorsorgeuntersuchungen im ersten Lebensjahr des Kindes werden noch nahezu zu 100 Prozent in Anspruch genommen, aber dann lässt es nach, in Thüringen bis zur U 7, U 8, die dann gerade die spannende Phase eines Kindes im Alter von zwei bis vier Jahren darstellt. In dieser Phase sind es etwa 80 Prozent, später geht es dann noch zurück bis auf 76 Prozent der Eltern, die diese Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Wir müssen die Frage stellen, was ist mit den übrigen Eltern?
(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, Linkspartei.PDS: Genau das hat Herr Bär- wolff gesagt, dass mit einem KITA-Zen- trum auf so etwas reagiert werden kann.)
Nein, das hat Herr Bärwolff nicht gesagt, Frau Scheringer-Wright, dann müssten Sie vielleicht im Saal sein, wenn Herr Bärwolff redet.
Die Vorsorgeuntersuchungen sind etwas, wozu wir natürlich die Eltern nicht zwingen können, wir aber sehr wohl fragen müssen, wie wir eine höhere Verbindlichkeit der Vorsorgeuntersuchungen herstellen können. Es gibt momentan im Bundesrat eine lebhafte Diskussion dazu, eine Bundesratsinitiative, die Thüringen nach meinem Kenntnisstand mitträgt, die ich auch sehr unterstütze. Die sagt nämlich, wir wollen rechtlich erreichen, dass Vorsorge und die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen tatsächlich auch eines der Kriterien im KICK sein kann, ein mögliches Kriterium, um auf Kindeswohlgefährdung aufmerksam zu machen. Wenn nämlich Eltern mehrere Vorsorgeuntersuchungen bewusst auslassen, bestünde die Gelegenheit, dass Ärzte auch auf Defizite und drohende Vernachlässigung aufmerksam werden, dann könnte das eines dieser Anzeichen sein. Wir müssen aber auch konstatieren, dass der Datenschutz eine Rolle spielt. Die Krankenkassen müssen diese Daten dann auf einer rechtlichen Basis dem Jugendamt weitermelden können und das Jugendamt muss dann sagen, wir haben die
Ich bin an dieser Stelle sehr wohl dafür, dass man die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür schafft. Die Vorsorgeuntersuchungen haben nämlich dann einen sehr gewichtigen Sinn hinsichtlich eventueller Defizite, auch einer drohenden Kindeswohlgefährdung, wenn nicht nur die körperliche Konstitution von Kindern untersucht wird, sondern neben der physischen auch die psychische Konstitution, also beides gleichberechtigt untersucht wird. Ich glaube, dann haben sie den Sinn. Das bedeutet aber auch, dass entsprechende Kinderärzte qualifiziert sind und dass der Umfang der Vorsorgeuntersuchungen genau auf dieses Problem auch intensiv eingeht. Wir müssen uns dann die Frage stellen, wenn bei den Vorsorgeuntersuchungen Defizite oder beispielsweise eine drohende seelische Behinderung offensichtlich wird, ob wir die richtigen Instrumente haben, den Kindern zu helfen.