Protokoll der Sitzung vom 08.06.2006

beteiligung. Die Zahl der ungültigen Stimmen war erheblich, für mich unverständlich. Man muss vielleicht auch dort noch einmal eindeutig darauf hinweisen, dass zusätzliche Kennzeichnungen von Wahlzetteln dazu führen, dass dieser Wahlzettel, diese Stimmabgabe ungültig ist. Mehr Demokratie - das wurde von Verschiedenen angesprochen - und die Lösung über die direkte Demokratie halte ich für außerordentlich fraglich. Es wird dazu führen, dass Interessengruppen, die ganz begrenzte Partikularinteressen wahrnehmen, auf diese Art und Weise versuchen, hier ihre Ziele durchzusetzen. Da sehe ich - wir haben nun mal ein Mehrheitsprinzip -, dass hier doch Probleme vorhanden sind. Frau Enders führte noch an: Warum haben Sie Städte und Gemeinden per Gesetz verpflichtet, Straßenausbaubeiträge zu erheben? Mit Verlaub, das ist der Standard in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland und es entspricht dem Kommunalabgabensystem und der Rechtsprechung, dass die Kommunen verpflichtet sind, ihre möglichen Einnahmen auszuschöpfen, und entsprechend der Staat das nicht finanziert. Wenn wir das nicht machen - das wissen Sie doch als Bürgermeisterin, Frau Enders -, dann müsste das Land das letztlich bezahlen oder aber im Finanzausgleich müssten es dann andere Bundesländer bezahlen oder der Bund. Also bitte nicht so eine verengte Betrachtungsweise, wie Sie das hier versuchen.

Warum keine Unterschriftensammlung in öffentlichen Gebäuden? Auch dies ist, glaube ich, einfach zu beantworten. Es gibt eine Neutralitätsverpflichtung der staatlichen Behörden, der öffentlichen Hand, deswegen sollte das tunlichst vermieden werden. Die Initiativen, Privatleute etc. können ihre Unterschriften auch außerhalb staatlicher Gebäude sammeln. Aber das ist eine Grundeinstellung, glaube ich, die haben Sie noch nicht so ganz verstanden, was dahinter steckt, dass dies aus meiner oder aus anderer Leute Sicht sinnvoll ist.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, Die Links- partei.PDS: Keine Belehrung.)

Also, Herr Fiedler hat gesagt, wir müssen uns überlegen, wie wir mehr Menschen zur Wahl bekommen, das ist die entscheidende Frage. Hier hat niemand - und das hat sich ergeben aus der Aktuellen Stunde bis zum jetzigen Zeitpunkt - ein Patentrezept. Aber, Herr Hauboldt, wir werden uns schon etwas überlegen, um bei der Überarbeitung der Kommunalwahlordnung vielleicht eine höhere Wahlbeteiligung zu erzielen. Vielen Dank.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich beende den ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den zweiten Teil auf

b) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Geplante Einführung allgemeiner Studiengebühren in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsiden- tin des Landtags - Drucksache 4/1980 -

Ich erteile das Wort der Abgeordneten Hennig, Die Linkspartei.PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, damit wir nicht immer nur über Studierende und ihre mögliche Auffassung sprechen, begrüße ich heute auf der Tribüne Vertreter der KTS

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

und möchte an dieser Stelle einen Brief der KTS verlesen, den alle Abgeordneten heute bekommen haben. Mit Blick auf die Aktuelle Stunde - Stellungnahme der Konferenz Thüringer Studierendenschaften zu dem Thema „Studiengebühren“: „Sehr geehrte Damen und Herren, die KTS als Vertretung der Thüringer Studierendenschaften lehnt die Erhebung von Gebühren für das Studium ab.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Im Gegensatz zu den Äußerungen unseres Herrn Althaus sehen wir die Einführung von Studiengebühren als nicht unvermeidlich an. Bildung kann und muss als öffentliches Gut allen zur Verfügung stehen, unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund. Dies kann aber auch nur erreicht werden, wenn für eine ausreichende Finanzierung des gesamten Bildungssystems und im Speziellen der Hochschulen gesorgt wird. Hierbei ist die Landesregierung gefragt, wenn sie wirklich die Bildungshoheit haben möchte, ihre Haushaltspolitik gerade im Bildungsbereich zu überdenken. Zumindest ist es ihr anzuraten, wenn sie wirklich mit Köpfchen dem 21. Jahrhundert sich stellen möchte und Thüringen zukunftsfähig machen will. Die Kosten, die ein Studium mit sich bringt, werden schon heute zum allergrößten Teil von den Studierenden und ihren Familien getragen. In diesem Rahmen attestierte auch der aktuellste Bildungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung dem deutschen Bildungssystem eine im höchsten Maße soziale und vor allem finanzielle

Selektivität. Durch die Einführung von Studiengebühren würde sich diese zwangsläufig noch mehr erhöhen und die ohnehin geringe Anzahl der Studierenden aus einkommensschwachen Familien noch eher davon abgehalten...“

Abgeordnete Hennig, zitieren Sie noch aus dem Brief? Sie hatten mich a) nicht gefragt, ob Sie zitieren dürfen, und auf der anderen Seite ist es...

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das braucht sie auch nicht.)

Normalerweise wird gesagt: „Sie gestatten, dass ich zitiere.“ Auf der anderen Seite wollen wir diese Diskussion nicht dazu nutzen, um Briefe zu verlesen, sondern es geht um einen aktuellen Beitrag in der Diskussion.

Frau Präsidentin, also zum einen, Herr Höhn hat es ja schon gesagt, ich muss nicht fragen und möchte mich trotzdem entschuldigen, dass ich nicht gefragt habe, und hole das nach. Ja, ich zitiere noch aus diesem Brief und ich denke, aktueller können wir keine Meinung von Studierenden hier diskutieren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wenn die Abgeordneten nichts dagegen hätten, würde ich gern weiter verlesen.

„Die Schere zwischen Arm und Reich würde auch im Bildungsbereich noch weiter auseinander gehen als ohnehin schon und auch das Ziel der Landesregierung von mehr Studienanfängern pro Jahrgang würde in weite Ferne rücken. In diesem Zusammenhang sind auch die Pläne zur Einführung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 50 € ab Sommersemester 2007 zu sehen. Abgesehen davon, dass uns nicht klar ist, warum Studierende einen defizitären Landeshaushalt mit ausgleichen sollen, während auf der anderen Seite Mittelkürzungen im Hochschulbereich und damit die Verschlechterung von Studienbedingungen im Hochschulpakt quasi festgeschrieben werden, befürchten wir, dass es bei deren Höhe über kurz oder lang nicht bleiben wird. Darüber hinaus stellen sie nur eine weitere Belastung zusätzlich zu den ohnehin hohen Semesterbeiträgen durch sich verteuernde Semestertickets und höhere Abgaben an das Studentenwerk dar und werden auch schon potenzielle Studienanfänger und Studierende, die nicht mit einem dicken Portemonnaie gesegnet sind, davon abgehalten, in Thüringen zu studieren. Auch ist sehr zu hinterfragen, warum plötzlich zwei Gebühren eingeführt werden sollen, obwohl immer nur zu

Studiengebühren Stellung genommen wird und jede weitere Gebührenfrage jeweils völlig unbeantwortet bleibt. Wir wiederholen noch einmal in der Hoffnung, dass die Thüringer Landesregierung auch mal auf Studierende und damit auf ihre Zukunft hört: Die KTS ist gegen jede Erhebung von Gebühren für das Studium, egal ob dies Studiengebühren, Verwaltungsgebühren oder Prüfungsgebühren sind. Jedwede Gebührenplanung wird sich dem Widerstand der Thüringer Studierenden gegenübersehen, die es nicht hinnehmen, dass auf ihre Kosten die roten Zahlen im Landeshaushalt verschwinden.“ Meine Fraktion schließt sich dem an.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Bausewein, SPDFraktion.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, von Konrad Adenauer ist der schöne Satz überliefert: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ Genau das scheint auch die Haltung der Landesregierung gegenüber der Einführung von allgemeinen Studiengebühren darzustellen. Sie hat nämlich dem Landtag vor gar nicht allzu langer Zeit wiederholt versichert, dass es derartige Gebührenerhöhungen in Thüringen vorläufig nicht geben wird. So erklärte Kultusminister Prof. Dr. Goebel am 25. Februar des vergangenen Jahres hier im Plenum - ich zitiere: „Die Thüringer Landesregierung plant die Einführung von Studiengebühren nicht. Konkrete Planungen liegen nicht vor.“ Ähnlich hat sich Staatssekretär Bauer-Wabnegg am gleichen Tag in einer von meiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde geäußert - ich zitiere: „Um es noch mal im Namen des Kultusministeriums und der Landesregierung klarzustellen: Aktuelle Pläne existieren nicht.“ Wenig später, am 30. März des vergangenen Jahres, hat das Kultusministerium auf eine von mir eingebrachte Kleine Anfrage geantwortet - ich zitiere zum letzten Mal: „Allgemeine Studiengebühren sind seitens der Landesregierung derzeit weder geplant noch wurde erwähnt, dass deren Planung beabsichtigt oder in Vorbereitung sei.“

Wir haben das der Landesregierung schon damals nicht abgenommen und seit ein paar Tagen fühlen wir uns in unserer skeptischen Haltung gegenüber der Landesregierung bestätigt. Am 23. Mai dieses Jahres hat der Ministerpräsident den Medien gegenüber die Einführung allgemeiner Studiengebühren in Thüringen als „unvermeidlich“ dargestellt und als

konkreten Einführungszeitpunkt das Jahr 2009 benannt. In der OTZ ist Herr Althaus am Tag darauf sogar mit dem Satz zitiert worden: „Für Studiengebühren war ich schon immer.“ Beides widerspricht eindeutig den eingangs zitierten früheren Aussagen der Landesregierung. Sie müssen sich daher schon den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie offenbar versucht haben, den Landtag und die Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen. Ein derartiges Verhalten ist für meine Fraktion schlicht inakzeptabel.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Aber nicht nur das Verfahren gilt es zu kritisieren, auch die geplante Einführung allgemeiner Studiengebühren selbst lehnt meine Fraktion entschieden ab. Das hat vor allem soziale Gründe. Aus unserer Sicht wird eine derartige Gebührenerhebung vor allem Kinder aus einkommensschwachen Familien von den Hochschulen fernhalten und damit die ohnehin schon vorhandene soziale Schieflage bei der Zusammensetzung der Studentenschaft noch weiter verstärken.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir im internationalen Bildungswettbewerb mithalten wollen, brauchen wir in den kommenden Jahren deutlich mehr und nicht weniger Studierende. Künftig müssen bis zu 40 Prozent eines Altersjahrgangs zur Hochschule geführt werden, das entspräche ungefähr dem OECD-Durchschnitt. Studiengebühren würden dabei auf jeden Fall kontraproduktiv wirken.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist außerdem mitnichten so, dass mit der Einführung von Studiengebühren in den Bundesländern ein Stück europäische Normalität in Deutschland einzieht. Auch wenn wahrscheinlich etwas anderes gesagt wird im Vergleich zu nord- und westeuropäischen Staaten, dort sind Studiengebühren eher die Ausnahme als die Regel. In der alten Europäischen Union gibt es mehr Länder, die keine Studiengebühren haben, als Länder, die Studiengebühren haben. Ich glaube, auch in der Frage wäre es mal ganz sinnvoll, über den eigenen Tellerrand hinwegzuschauen.

Als letzten Punkt möchte ich noch kritisch erwähnen, dass es die Landesregierung auch mit dem Termin 2009 offensichtlich nicht allzu genau nimmt. Sie beabsichtigt nämlich offenbar eine scheibchenweise Einführung von Studiengebühren bereits vor 2009. Wie wir dem Referentenentwurf der Hochschulgesetzesnovelle entnehmen können, soll es bereits ab 2007 an den Hochschulen einen zusätzlichen Verwaltungskostenbeitrag von 50 € pro Semester und

pro Student geben. Das ist so eine Art Studiengebühren light; es geht wahrscheinlich dann darum, die Studenten schon mal vor 2009 an das zu gewöhnen, was da kommen wird.

Zu all diesen taktischen Manövern kann ich abschließend nur noch eines sagen: Mit uns, der Thüringer SPD, wird es 2009 keine Studiengebühren geben.

(Beifall bei der SPD)

Das werden wir auch bis dahin immer wieder deutlich machen, damit die Bürger 2009 bei den Landtagswahlen wissen, was sie wählen und wen sie wählen. Der Gedanke, dass es möglicherweise 2009 nicht mehr reicht, um Studiengebühren einzuführen, das scheint sich ja inzwischen auch innerhalb der Fraktion der CDU herumgesprochen zu haben,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

es gibt ja schon einige Abgeordnete, die die Einführung von Studiengebühren in der Presse gefordert haben für das Jahr 2008, so nach dem Motto, ich ziehe das mal vor, hole es aus dem Landtagswahlkampf raus und dann schaffen wir vollendete Tatsachen. Dazu von meiner Seite her nur so viel: Wenn Sie 2008 Studiengebühren einführen, schaffen wir sie 2009 wieder ab. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Schwäblein, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss mich, glaube ich, wenn sich einige zurückerinnern, an der Position, ob wir um die Einführung von Studiengebühren umhinkommen oder nicht, nicht korrigieren. Bereits vor über zehn Jahren habe ich erklärt, Hochschulen brauchen mehr Geld und öffentliche Kassen sind leer. Die Einzeltatbestände werden von niemandem ernsthaft bestritten, aber die Kombination beider wird heute immer noch in Teilen dieses Hauses ignoriert.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Dann stimmen Sie mal bei der Föderalismusre- form so, dass der Bund dann noch Geld in die Hand nehmen kann.)

Herr Matschie, zu Ihnen komme ich gleich, haben Sie bitte noch einen Moment Geduld.

Wenn nämlich beide Sätze gelten, muss man nach einer Lösung suchen und dann nützt es nichts, kräftig mit dem Fuß aufzustampfen oder zu ignorieren, Herr Kollege Bausewein, dass in Europa mittlerweile die Mehrzahl der Länder dieses System schon eingeführt hat. Wir hatten ja schon einmal eine längere Debatte, ich hatte Ihnen die Unterlagen zur Verfügung gestellt. Ich hatte gehofft, Sie könnten zählen, aber nun sagen Sie immer noch das Gegenteil. Das lässt mich bezüglich Ihrer zukünftigen Funktion etwas zweifeln.

(Unruhe bei der SPD)

Da haben Sie auch mit Zahlen zu tun, also es würde sich lohnen, bis dahin wenigstens noch die einfache Kopfrechnung wieder aufzufrischen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die öffentlichen Kassen sind leer und die Hochschulen brauchen mehr Geld. Dann muss man ehrlicherweise fragen: Wie soll man diesem Missstand, dass die Hochschulen mehr Geld brauchen, abhelfen? Und da sind nicht nur wir auf den Gedanken gekommen, sondern auch viele andere vor uns, dass die, die regelmäßig dann von ihrer besseren Ausbildung dauerhaft einen Nutzen haben, gebeten werden, einen Teil der Finanzierung beizutragen. Wir verlangen das heute schon von vielen, vielen Berufsgruppen, von Handwerksmeistern, Physiotherapeuten und vielen anderen mehr, dass sie sich für eine höhere Qualifikation persönlich finanziell engagieren. Da ist es unbestritten - aber ich nehme an, auch das werden Sie ignorieren -, dass in Deutschland eine Bildungsrendite von 2 bis 12 Prozent existiert. Deshalb tun wir unseren Hochschulen und den jungen Menschen keinen Gefallen, wenn wir ihnen keine besseren Studienbedingungen ermöglichen.

Herr Matschie, vor zweieinhalb Jahren waren Sie ein ganzes Stück weiter. Da haben Sie sich mal in die Reihe der Jungpolitiker, Netzwerker Berlin, gestellt und haben sehr wohl für die Einführung nachgelagerter Studierendenbeiträge plädiert - nicht sehr lange. Damals hat Ihnen dann Ihre Ministerin eine aufs Haupt gehauen und Sie sind rückwärts umgefallen, aber nun ist sie nicht mehr im Amt und ich dachte, Sie seien jetzt ein Stück souveräner. Insoweit ist das unverständlich, dass Sie hier wieder so eine Hauruckposition aufmachen. Seien Sie ehrlich, stehen Sie zu Ihrer Erkenntnis, die Sie schon mal hatten, und nehmen Sie Ihre Truppe von der ideologischen Grundposition ein Stück weg. Die jungen Leute werden es Ihnen tatsächlich danken.