Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Und siehe da, die Strategie ist die gleiche wie bei der Familienoffensive. Zunächst sucht man Schuldige, verunglimpft sie. Damals waren es die sich angeblich bereichernden Träger und nun sind es die Frauen, die mit einem ihnen zustehenden und mühsam erkämpften Recht angeblich Missbrauch betreiben. Ich sage „angeblich“, denn mit der Wirklichkeit hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. Sie unterstellen gemeinsam mit Ihren Gesinnungsfreundinnen und Gesinnungsfreunden, dass Frauen bei einer Schwangerschaftsunterbrechung leichtfertig handeln. Genau das unterstellen Sie und nicht nur das, Sie versuchen in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen zu lassen, als ob durch dieses angeblich leichtfertige Handeln von Frauen öffentliche Kosten entstehen, die man besser zur Unterstützung von Frauen mit einem unerfüllten Kinderwunsch einsetzen könnte. Sehr bewusst zielen diese Argumente darauf ab, nicht nur die Frauen, sondern auch die Gesellschaft zu spalten. Mit Ihrer Unschuldsmiene wollen Sie an einem mühsam gefundenen gesellschaftlichen Konsens vor elf Jahren ganz bewusst zündeln. Sie nehmen dabei gemeinsam mit Ihren Gesinnungs

freunden sehr bewusst in Kauf, dass der Versuch, Ihr frauen- und familienpolitisches Weltbild durchzusetzen, zulasten von Frauen in Notlagen geht, jawohl, zulasten von Frauen, von all den Frauen, die materiell auf Hilfe angewiesen sind und die sich alle ihre Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch gewiss nicht leicht gemacht haben, Herr Minister Zeh. Reden Sie doch mit den Beratungsstellen. Wir haben auch einige Vertreter als Besucher hier oben in den Reihen sitzen. Reden Sie doch mit den Beratungsstellen, statt mit diesen Vorurteilen zu argumentieren, und Sie werden erfahren, dass es den immer wieder entweder offen oder subtil unterstellten Missbrauch in der Realität nicht gibt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Deshalb ist es auch absurd, wenn Sachsens Sozialministerin im „Spiegel“ fordert, ich zitiere: „Wir müssen die Frauen zur Eigenverantwortung verpflichten.“ Und wenn die Ministerin dann schließlich feststellt, eine Schwangerschaft sei bei all den Verhütungsmöglichkeiten ja kaum noch vorstellbar, meine Damen und Herren, für mich war es bis dahin nicht vorstellbar, dass eine ostdeutsche Sozialministerin eine derartig eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit haben kann.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Schlimmer kann man nicht dokumentieren, dass man von der Lebenswirklichkeit tausender und abertausender Frauen nichts, einfach nichts weiß, Frau Tasch, oder auch nichts wissen will.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Erzählen Sie doch nicht solche Märchen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht kann sich ja eine Sozialministerin oder ein Sozialminister wirklich nicht vorstellen, dass die Ausgaben zum Beispiel für die Pille oder für andere Verhütungsmittel bei einem Einkommen auf dem Niveau von Hartz IV eben ganz erhebliche Ausgaben sind. Den Frauen aber zudem mangelnde Eigenverantwortung für ihr Sexualleben zu unterstellen, das ist einfach unverfroren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wenn man wie unser Sozialminister die Väter finanziell in die Verantwortung nehmen will, dann will er die Frauen noch mehr in Notlagen und damit in die Abhängigkeit von Männern treiben. Das ist ein politischer Rückschritt, aber er wird sich nicht umsetzen lassen. Denn die Frauen sind nicht mehr die untertänigen Heimchen am Herd des Mannes und sie wer

den es auch nie mehr sein.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Sie werden sich die mühsam erkämpften Rechte nicht nehmen lassen

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Bravo!)

(Unruhe bei der CDU)

und sie werden sich schon gar nicht von einigen lebensfremden CDU-Politikern und CDU-Politikerinnen in einer Entscheidung beeinflussen lassen,

(Beifall bei der SPD)

die jede Frau für sich sehr alleine, sehr verantwortlich trifft.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Emde, Sie können zum Thema auch noch sprechen. Ja, dieses mittelalterliche Theaterstück, da können Sie sicher sein -

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

ich bin beim letzten Satz und beende ihn noch, Frau Präsidentin - werden sich die Frauen in Thüringen und in der Bundesrepublik gewiss nicht gefallen lassen. Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Wolf, Die Linkspartei.PDS.

Meine Damen und Herren, was tut die Landesregierung nicht alles für den Aufschwung in Thüringen. Neue berufliche Perspektiven werden geschaffen. Es boomen wieder - in ihren Phantasien sicherlich - die Jobs der Engelsmacherinnen und der Quacksalber.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Also, ihr seid doch unmöglich.)

Die Linkspartei.PDS lehnt aufs Schärfste den Vorschlag der Landesregierung ab, die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen einzuschränken. Diese

absurde Idee zeigt in unseren Augen, wohin es führt, wenn 90 Prozent einer Landesregierung aus Männern besteht.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Das ist aus der Mottenkiste das Übelste.)

Herr Minister, meine Damen und Herren, auch für mich ist jede Abtreibung eine zu viel und ich glaube, da werden wir einen Konsens in diesem Hause herstellen können. Aber warum sind denn die Zahlen gleichbleibend oder steigend? Die Gründe, warum Frauen abtreiben, sind der Landesregierung scheinbar egal, sie werden nicht hinterfragt. Und, meine Damen und Herren, Frauen treiben eben nicht leichtfertig ab oder weil es ihnen Spaß macht oder weil es eine billigere Verhütungsmethode als die Pille ist. Das ist eine Unterstellung und eine Frechheit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Die steigenden Zahlen müssten Politik aufschrecken. Die Gründe liegen oft darin, dass die Frauen oder die Familien die finanziellen Mittel nicht haben oder auch mit anderen Kindern schon überfordert sind oder die körperlichen Zumutungen einer Schwangerschaft, die ja nicht von der Hand zu weisen sind, auch manchmal einfach zu viel sind. Die Pläne der Landesregierung aber sind für uns eine der perversesten Formen der Zweiklassengesellschaft, indem es nämlich nur noch Abtreibungen für Reiche gibt.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ist der Landesregierung schon lange ein Dorn im Auge und das wird an dieser Stelle wieder ganz deutlich. Schon jetzt, und das muss man einfach dazusagen, werden Schwangerschaftsabbrüche nur dann finanziert, wenn Frauen bedürftig sind und unter 1.000 € Einkommen haben. Sie fragen sich nicht, warum so viele Frauen unter dieser Grenze sind, sondern Sie sagen sich, dann müssen wir die Grenzen eben absenken. Das ist in meinen Augen ganz absurd und abartig.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Die Prozedur der Beantragung der finanziellen Hilfen ist im Moment schon ausgesprochen schwierig. Da können Sie mir einfach glauben, das ist für keine Frau einfach, die Kostenübernahme bei der Krankenkasse für einen Schwangerschaftsabbruch zu be

antragen. Aber Ihre Idee, die Männer jetzt noch zur Finanzierung hinzuzuziehen, ist so völlig absurd und in meinen Augen so krankhaft, wenn Sie weiterdenken - machen Sie einfach mal den zweiten Schritt, Frau Tasch -, was heißt denn das? Sie schnüffeln dann also in den Ehebetten rum, sie machen dann den DNA-Test bei Föten.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist eine Unverschämtheit!)

Aber bitte, das ist doch eine solche Einmischung in das Privateste eines Menschen, dass das für mich in meinen Augen in keiner Weise hinnehmbar ist.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: „In meinen Augen“ - das haben Sie zum 7. Mal schon gesagt.)

Der Gipfel aber an dieser Stelle - und darauf hat Frau Ehrlich-Strathausen schon völlig zu Recht hingewiesen - ist das Ausspielen von Frauen in Grenzsituationen. Ungewollte Kinderlosigkeit ist eine ganz schwere Belastung. Aber es ist eben ein Skandal, dass die Behandlung von Kinderlosigkeit aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen wurde. An dieser Stelle ist eine Gesetzesänderung notwendig. Dafür sieht die Landesregierung aber keinen Handlungsbedarf, wie eine Anfrage von Frau Tasch das ganz deutlich macht. Hier ist die Landesregierung in unseren Augen wirklich gefordert, an dieser Stelle zu einer Veränderung zu kommen. Sie sprechen davon, dass es kaum noch ungewollte Schwangerschaften gibt. Herr Minister, auf welchem Stern leben Sie? Das heißt, es wird unterstellt - Sie haben die Position unterstützt -, dass 4.200 Thüringerinnen im Jahr vorsätzlich schwanger werden, um sich dann die Finanzierung des Schwangerschaftsabbruchs unterstützen zu lassen - in meinen Augen wirklich ganz unglaublich. Anstatt Sie sich überlegen, wie die Finanzierung von Verhütungsmitteln wieder gestärkt werden kann, wie wieder auch für finanziell schlecht gestellte Frauen und Familien die Finanzierung möglich ist, fahren Sie auf so einer Ebene, die einfach völlig inakzeptabel ist.

Ihr Vorschlag ist nicht nur völlig weltfremd, er ist nicht nur frauenfeindlich, er ist frauenverachtend. Meine Damen und Herren, wir haben von dem Sozialminister Zeh schon eine ganze Menge erlebt, von dem nur wenig positiv war.

(Beifall bei der SPD)

Für mich ist dieser Vorschlag, den Sie gemacht haben, mit Abstand der größte Mist, den ich von Ihnen hier an dieser Stelle schon erlebt habe.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)