Zunächst zur Sicherheitslage: Deutschland ist Teil eines weltweiten Gefahrenraums. Die versuchten Kofferbombenanschläge auf Regionalzüge haben uns diese Gefahrenlage nachdrücklich aufgezeigt. Nur ein Konstruktionsfehler hat Deutschland letztlich vor ähnlichen Folgen wie nach den Anschlägen in Madrid und London bewahrt. Die abstrakte Gefährdung bestimmter Staaten durch den islamistischen Terrorismus bemisst sich im Wesentlichen nach folgenden Kriterien: Haltung in den Konfliktfeldern Afghanistan und Irak, direkte Erwähnung durch die Führungspersonen der Al Kaida, Bin Laden und Al Zavahiri, sichtbare Beteiligung am internationalen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, Vorwurf der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Islam bzw. der Muslime, pro westlich ausgerichtete Politik im Hinblick auf die arabischen Staaten und auf den Staat Israel.
Auch wenn im internationalen Kontext betrachtet nach wie vor insbesondere von einer besonderen Gefährdung der USA, Großbritanniens und Israels auszugehen ist, lässt sich aus diesem Kriterienkatalog ableiten, dass es eine zwar als nachrangig, aber gleichwohl relevant zu bezeichnende Gefährdungslage für die Bundesrepublik Deutschland gibt. Es besteht daher Anlass, mit aller Entschiedenheit die aus dem internationalen Terrorismus drohenden Gefahren abzuwehren.
Sehr geehrte Damen und Herren, derzeit liegen keine konkreten Erkenntnisse vor, die eine über die allgemein bestehende abstrakte Gefährdungsanalyse hinausgehende erhöhte Gefährdung für den Freistaat Thüringen begründen. Anders als andere Bun
desländer verfügt Thüringen nicht über ein weitverzweigtes S- oder U-Bahn-Netz, in welchem sich täglich Tausende von Menschen aufhalten, so dass es sich als Anschlagsziel anbieten würde. Ebenso kann nur vage prognostiziert werden, inwieweit Thüringer Firmen oder sonstige Thüringer infrastrukturelle Einrichtungen für potenzielle Attentäter interessant sein könnten. Gleichwohl lassen sich auch für Thüringen besonders sensible Bereiche aufführen, in denen eine potenzielle Gefährdung einer Vielzahl von Menschen denkbar wäre. So stellt zum Beispiel das Thüringer Schienennetz der Deutsche Bahn AG ein mögliches Anschlagsziel dar. Gleiches gilt für die im Freistaat Thüringen ansässigen Firmen oder hier befindliche industrielle Anlagen, die immer als Sabotage- oder Anschlagsziel in Betracht kommen könnten.
Ein erhöhtes Gefährdungspotenzial dürfte auch im Zusammenhang mit zentralen Feierlichkeiten vorliegen. Menschenansammlungen und der Aufenthalt von Repräsentanten anderer Staaten sowie Vertretern aus Politik und Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland sind hier ausschlaggebend für eine solche Gefährdungseinschätzung. Dies gilt allerdings in gleichem Maße für alle Bundesländer und Großstädte.
Die beschriebene Gefahrenprognose für die Bundesrepublik und den Freistaat Thüringen verdeutlicht, dass die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen islamistischen Terrorismus weiter zu intensivieren sind. Hierzu ist es vorrangig, das gegenwärtig nicht messbare Potenzial islamistischer Terroristen mit ihren Kontakten und Strukturen aufzudecken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nun auf die von der Thüringer Landesregierung nach dem 11. September 2001 ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit eingehen. Die Landesregierung hat damals einen umfassenden Maßnahmenkatalog aufgestellt, um den Kampf gegen den Terrorismus gerade auch in Thüringen zu verbessern. Die wichtigsten Kernpunkte sind folgende: Einrichtung einer Koordinierungsstelle Terrorismus unter Federführung des Landeskriminalamts Thüringen; Einrichtung des Interministeriellen Arbeitsstabs für Notfalllagen, kurz IMAS genannt; Einrichtung einer Informationssammel- und Auswertestelle im Thüringer Landeskriminalamt (ISA USA); Einrichtung einer besonderen Aufbauorganisation (BAO USA) im Thüringer Landeskriminalamt; Einrichtung von Sondermeldediensten, zum Beispiel bei Hinweisen auf Gefährdung durch biologische, bakteriologische oder chemische Substanzen; Intensivierung der Analyse möglicher Gefährdungen von Personen und Objekten; Erhebung der Berechtigten für Gefahrguttransporte; Überprüfung von Privatpi
loten sowie Flugschülern Thüringens; Erhebung von Flugplätzen, Verkehrslandeplätzen; Rasterfahndung sowie die Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel für Personal und Logistik, unter anderem zur Verstärkung des polizeilichen Staatsschutzes.
Die Landesregierung hat diese Maßnahmen darüber hinaus durch entsprechende Gesetzesänderungen begleitet. Am 28. Juni 2002 ist das Thüringer Gesetz zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechts in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz erfolgten nicht nur umfassende Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes, sondern auch Änderungen im Ordnungsbehördengesetz und im Verfassungsschutzgesetz. Mit Artikel 3 des Gesetzes wurden die Voraussetzungen zur Erweiterung der Befugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz geschaffen. Damit stehen dem Landesamt für Verfassungsschutz die Befugnisse zu, wie es der Bundesgesetzgeber dem Bundesamt für Verfassungsschutz mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz übertragen hat. Weiterhin wurden im Thüringer Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 17. März 2003 Regelungen zum personellen Sabotageschutz aufgenommen. Die Regelungen sind vergleichbar mit Artikel 5 des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 9. Januar 2002. Auch mit dem geplanten Gesetz zur Änderung des Polizeirechts, welches die Landesregierung vor der Sommerpause zur Anhörung freigegeben hat, soll der Verbesserung der Terrorismusbekämpfung Rechnung getragen werden. So sollen die Voraussetzungen für eine bessere Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten und für den Austausch personenbezogener Daten mit ausländischen Sicherheitsbehörden geschaffen werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Schutz der inneren Sicherheit ist eine schwierige Aufgabe, da in der Regel eine Abwägung mit dem Schutz von Freiheitsrechten zu erfolgen hat. Vor überzogenen Forderungen nach einer abschreckenden Omnipräsenz des Staates ist daher eben so zu warnen wie vor jenen Stimmen, die stets gegen eine Verstärkung des Sicherheitsapparats votieren. Sicherheitspolitische Maßnahmen bedürfen des notwendigen Augenmaßes. Hiervon werden sich die Maßnahmen der Landesregierung auch weiterhin leiten lassen. Denn auch wenn eine Vielzahl der von der Landesregierung eingeleiteten Maßnahmen nach dem 11. September bereits Erfolge gezeigt haben, die aktuelle Gefahrenlage erlaubt es uns nicht, uns zurückzulehnen. Auch künftig ist es zur Erkenntnisgewinnung und zur Gefahrenabwehr sowie zur Einleitung entsprechender Strafverfahren notwendig, Straftaten und sonstige Ereignisse mit Staatsschutzrelevanz analytisch aufzuarbeiten. Deshalb ist es auch künftig erforderlich, alle Informationen von internen und externen Stellen zu sammeln, mit vorhandenen Erkenntnissen abzugleichen und zu bewerten, um alle
erreichbaren Informationen in rechtlich zulässiger Weise für Belange des Staatsschutzes und zur Terrorismusbekämpfung zeitnah zu erschließen und zu nutzen, Informationen gezielt zu verdichten, auszuwerten und somit die Voraussetzungen zu schaffen, um von bestimmten Personen ausgehende Gefahren zu erkennen und abzuwehren, Straftaten dieser Personen zu verhindern, festzustellen und aufzuklären, Strukturen einer kriminellen Parallelgesellschaft zu erkennen und aufzuhellen sowie um Vollzugs- und Regelungsdefizite festzustellen und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten.
Die operative Zusammenarbeit aller Behörden und Einrichtungen mit Sicherheitsaufgaben des Freistaats ist noch weiter zu intensivieren. Gute Zusammenarbeit führt zu mehr Information und zu einer qualitativ besseren Aufklärungsarbeit. Deswegen bin ich froh, dass sich Anfang September die 16 Innenminister und Senatoren der Bundesländer vor dem Hintergrund einer Vorlage der Bundesregierung auf ein Konzept für eine gemeinsame Antiterrordatei geeinigt haben.
Es hat lange genug gedauert, jetzt haben wir es auf den Weg gebracht. Ich glaube, wir haben insgesamt eine richtige Linie zwischen den Vorgaben unserer Verfassung, insbesondere dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und den Notwendigkeiten einer funktionsfähigen Informationsvernetzung andererseits, gefunden. Es handelt sich um ein System, das alle für die Terrorismusbekämpfung zuständigen Institutionen der Länder und des Bundes miteinander vernetzt. Das sind zweimal 16 Institutionen, also die jeweiligen Landespolizeien, die Landesämter für Verfassungsschutz plus die drei Nachrichtendienste, der Zoll, das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei, also insgesamt 38 Institutionen, die miteinander vernetzt sind. Um es klar zu sagen: Es handelt sich nicht um eine Fahndungsdatei, die Vernetzung verbessert aber den Informationsaustausch und damit die Chancen, wertvolle Erkenntnisse für Fahndungen zu gewinnen. Jetzt gilt es, das System der Informationsvernetzung so schnell wie möglich beim Bundeskriminalamt einzurichten und auch in Thüringen dafür die technischen und logistischen Voraussetzungen zu schaffen. Ich habe dazu bereits unmittelbar nach der Innenministerkonferenz eine Projektgruppe konstituieren lassen, die die Umsetzung in Thüringen vorbereitet.
Meine Damen und Herren, um eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden zu erreichen, habe ich für Thüringen bereits vor einiger Zeit eine Konzeption zur Aufklärung krimineller islamistischer Strukturen in Thüringen, KAKIST heißt diese, einführen lassen, denn die wirksame Bekämpfung des
internationalen Terrorismus setzt profunde Kenntnisse voraus über die personelle Zusammensetzung und gefährdungsrelevante Strukturen der terroristischen Netzwerke, deren tatsächlichen und zu erwartenden Aktionsraum sowie deren erklärte bzw. offenkundige Ziele. Aus den gewonnenen Erkenntnissen müssen interne sowie behördenübergreifende Handlungsempfehlungen erarbeitet und umgesetzt werden, um terroristische Gefahren und Schäden zu verhüten sowie begangene Straftaten terroristischer Gewalttäter und ihrer Unterstützer zu verfolgen und aufzuklären.
Die damit verbundenen Aufgaben übersteigen jedoch aufgrund ihrer Komplexität den Rahmen herkömmlicher polizeilicher Ermittlungstätigkeit. Das Landeskriminalamt Thüringen hat daher mit Einrichtung einer besonderen Aufbauorganisation, der BAO 22, bereits im April 2004 die organisatorischen Voraussetzungen zur Bewältigung der oben genannten Ziele geschaffen. Trotz Kräftebündelung innerhalb der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts sind mit den vorhandenen personellen Ressourcen die anstehenden Aufgaben aufgrund ihrer Komplexität vorhersehbar nicht in einer verantwortbaren Zeit zu leisten. Deshalb habe ich veranlasst, dass die BAO 22 auch von den Polizeidirektionen personell und logistisch unterstützt wird. Es ist vorgesehen, diese Stellen der Landespolizei dauerhaft dem Landeskriminalamt für die Terrorismusbekämpfung zuzuweisen. Diesem Beispiel Thüringens sind zwischenzeitlich Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mit entsprechenden Organisationsanpassungen gefolgt. Darüber hinaus gingen Nachfragen aus mehreren Ländern ein. Insofern hat sich die BAO 22 als richtungsweisendes Pilotprojekt erwiesen.
Meine Damen und Herren, im vorliegenden Antrag werde ich auch aufgefordert, auf die Notwendigkeit der Verstärkung der polizeilichen Präsenz in Einrichtungen und Verkehrsmitteln des ÖPNV einzugehen.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen versichern, dass sich die polizeilichen Fachgremien seit geraumer Zeit mit Fragen der Erhöhung der Sicherheit für die Fahrgäste nicht nur im öffentlichen Personennahverkehr, sondern im öffentlichen Personenverkehr insgesamt beschäftigen. Zu diesem Zweck wurde unter der Führung des Bundesministeriums des Innern eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Diese gemeinsame Arbeitsgruppe hat einen Bericht vorgelegt, welcher insbesondere Rahmenvorschläge zur Sensibilisierung des Personals und der Nutzer des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs beinhaltet. Darüber hinaus wurde eine Rahmenkonzeption zur Umsetzung von Handlungsempfehlungen erarbeitet, die weitere Möglichkeiten für eine noch intensivere Aufklärung und Beratung der Verkehrs
betreiber zur verbesserten Früherkennung geplanter Anschläge auf Einrichtungen des öffentlichen Personenverkehrs im Zusammenwirken von Polizei und Verkehrsbetreibern aufzeigt. Dabei wird richtigerweise von der zwingend erforderlichen Kooperation der Sicherheitsbehörden mit den Betreibern des öffentlichen Personenverkehrs zur Prävention terroristischer Anschläge durch Sensibilisierung der eigenen Mitarbeiter und natürlich der Nutzer ausgegangen. Dementsprechend setzt die Sensibilisierungskampagne in einem Medienkonzept die Maßgaben und Erwartungen der Sicherheitsbehörden um, welches vor allem auf die Belange und Möglichkeiten der Betreiber des öffentlichen Personenverkehrs ausgerichtet ist. In Thüringen sahen die betroffenen Verbände der im öffentlichen Personenverkehr tätigen Unternehmen nur geringe Möglichkeiten der Beteiligung an der Kampagne; ungeachtet dessen hat sich die Polizei an den Sensibilisierungskampagnen beteiligt. So wurden Plakate für den Aushang zur Information der Bürger sowie Hinweiskarten in Form von praktischen Einsteckkarten für das Personal im öffentlichen Personenverkehr gefertigt; jeweils 2.100 Plakate sowie 2.400 Einsteckkarten wurden im März dieses Jahres über die Polizeidirektion an die Unternehmen des ÖPV verteilt bzw. diesen übergeben. Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, haben sich nicht nur wir, sondern alle Experten der gesamten Bundesrepublik mit der Thematik auseinandergesetzt. Die nunmehr vorliegende Forderung, die polizeiliche Präsenz in Bussen und Bahnen zu erhöhen, wurde dabei geprüft und als nicht praktikabel verworfen. Der Nutzen einer solchen Maßnahme wäre im Verhältnis zum Aufwand extrem gering.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die im Zusammenhang mit der Entwicklung der Sicherheitslage seit dem 11. September bereits ergriffenen vielfältigen Maßnahmen sind ein erstes und insgesamt gutes Ergebnis. Die aktuelle Sicherheitslage erfordert aber weitere Maßnahmen, damit auch künftig Polizei und Verfassungsschutz optimal den dargestellten Aufgaben gerecht werden können. Vor allen Dingen bin ich der Überzeugung, dass unsere Sicherheitsbehörden auch technisch und personell gestärkt werden müssen. Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Wir müssen, darüber sind sich der Innenminister des Bundes und der Länder einig, die Möglichkeiten insbesondere der Verfassungsschutzbehörden verstärken, Informationen zu sammeln, die uns in die Lage versetzen, Anschläge, wenn irgend möglich, zu verhindern. Dem dient, das habe ich bereits dargestellt, die Antiterrordatei. Weitere Aspekte, die Sie aus der öffentlichen Diskussion erkennen, sind eine verbesserte Kontrolle des Internets sowie die Videoüberwachung an ausgewählten Orten; einen entsprechenden Prüfauftrag habe ich an die Polizeiabteilung bereits erteilt. Alles in allem müssen
wir also auch in Thüringen unsere Ressourcen neu ordnen und an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Dieser Hintergrund, meine Damen und Herren, war ein wesentlicher Aspekt für das Projekt OPTOPOL. Der Prüfauftrag lautete: Überprüfung der Organisationsstruktur der Thüringer Polizei und Vorlage von Vorschlägen für substanzielle und realisierbare Organisationsoptimierungen. Die Projektgruppe hat die bestehenden Strukturen und Rahmenbedingungen analysiert, Experten befragt, bereits vorhandene Untersuchungen zur Personal- und Organisationsoptimierung einbezogen, zum Beispiel das Mikos-Gutachten von 2003, und insbesondere die Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Hessen und Schleswig-Holstein für einen Ländervergleich herangezogen. Das Ergebnis von OPTOPOL wurde am 20.Juni dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie alle kennen die wesentlichen Eckpunkte. Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen, dass es sich dabei um ein von unseren Polizeiexperten erarbeitetes Konzept handelt und dass ich voll und ganz dahinterstehe. Im Übrigen habe ich es während der gesamten Erarbeitungsphase selbst auch eng begleitet.
- Erhöhung der polizeilichen Präsenz vor Ort zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung durch die Straffung der Organisationsstrukturen;
- Schaffung einer neuen Sicherheitsarchitektur durch die Einrichtung eines ständigen Einsatzstabes im Thüringer Innenministerium, der bei Bedarf in einen kooperativen Einsatzstab aus dem Stand umgebaut werden kann; dies erhöht die Handlungsfähigkeit bei besonderen und herausragenden Landeslagen.
Einsparung von Investitions- und Liegenschaftskosten und Personal schaffen eine perspektivisch ausgerichtete, bürgerorientierte, leistungsstarke und effiziente Organisation unter Berücksichtigung der sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.
Die Strukturoptimierung bei der Thüringer Polizei enthält eine Vielzahl von Detailaspekten, auf die ich hier und heute nicht eingehen möchte. Leider sind nur einige Aspekte plakativ von interessierter Seite durch die Medien der Öffentlichkeit präsentiert worden. Das wird der Arbeit der Polizei und des Ministeriums in keiner Weise gerecht. Wesentliches Ziel der Arbeit ist es aber, unsere Polizei fit für die Herausforderungen zu machen, vor denen wir stehen.
In aller Kürze: Im Innenministerium soll die polizeistrategische Ebene besser von der operativen Ebene getrennt werden. Im Bereich der operativen Ebene soll die Stelle eines Inspekteurs der Polizei als zen
trale Führungs- und Integrationsstelle geschaffen werden. Ihm obliegen als Polizeiführer die Einsatz- und Führungsverantwortung für alle besonderen polizeilichen Einsatzlagen von landesweiter Bedeutung. Darunter fallen beispielsweise Anschläge mit terroristischem Hintergrund, große Schadensereignisse und Amoklagen ebenso wie herausragende Demonstrationen und Großveranstaltungen sowie direktionsübergreifende Einsätze.
Zur professionellen Bewältigung von größeren Gefahren- oder Schadenslagen, Katastrophen sowie den bereits erwähnten besonderen polizeilichen Einsatzlagen soll eine modulare Zusammenführung von Stabseinheiten der Landesregierung, Lagezentrum, interministerieller Arbeitsstab für Notfalllagen, der Polizei, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, der Rettungsdienste, des Zivilschutzes und gegebenenfalls auch der Bundeswehr zu einem kooperativen Landeseinsatzstab erfolgen. Erfahrungen aus zurückliegenden Ereignissen, zum Beispiel Gutenberg-Gymnasium, Hochwasser 2003, begründen für solche Lagen die Notwendigkeit einer gemeinsam operativen Einsatzleitung. Entscheidend ist hierbei nicht die Häufigkeit solcher Lagen, sondern die Bedeutung dieser Ereignisse für den Freistaat. In einem kooperativen Landeseinsatzstab wird die Zusammenarbeit der Einsatzkräfte bei der ressortübergreifenden Lagebewältigung garantiert. Die organisatorische Anbindung an das Innenministerium gewährleistet einen mittelfristig reduzierten Technik- und Ressourcenaufwand.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bündelung der Aufgaben bei einem Inspekteur der Polizei mit einem Stab für besondere Einsatz- und Landeslagen als Kernelement einer kooperativen Führungsorganisation setzt bundesweit Maßstäbe. Im Übrigen wird ein solcher Stab in der Lage sein, in besonderen Situationen die für den Katastrophenschutz zuständigen Landräte und Oberbürgermeister zu entlasten. Ein weiteres Ziel von OPTOPOL ist es, die Aufgaben von vier Behörden und sechs Dienststellen umzuverteilen und damit die Polizeiorganisation zu verschlanken. Vollzugsbeamte sollen soweit wie möglich von Verwaltungsaufgaben freigestellt werden und damit für ihre eigentlichen Aufgaben zur Verfügung stehen. Mit der Reduzierung der Anzahl der Polizeidirektionen von sieben auf vier wird die Polizeistruktur erheblich gestrafft und es entstehen Behördengrößen, mit denen in anderen Ländern bereits erfolgreich gearbeitet wird. Zusätzlich können auch die in jeder Polizeidirektion vorhandenen Führungs- und Stabsstellen bei der Kriminalpolizei, Verkehrspolizei sowie den Polizeiinspektionen Zentrale Dienste verringert werden. Bei Umsetzung dieser Vorschläge wird die polizeiliche Grundversorgung durch die Reduzierung von Personal im Stabs- und Verwaltungsbereich gestärkt
werden. Dem Bereich der Polizeiinspektionen können so voraussichtlich 105 zusätzliche Beamte zugeführt werden. Dem Bereich der Verkehrspolizeiinspektionen sollen sukzessive in Anlehnung an den Ausbauzustand der Autobahn insgesamt 88 Polizeivollzugsbeamte zugeführt werden. Im Bereich der Kriminalpolizeiinspektionen werden im Interesse einer effektiven und bürgernahen kriminalpolizeilichen Arbeit alle bisherigen elf Standorte der Kriminalpolizei erhalten bleiben.
Meine Damen und Herren, ich hatte bereits betont, dass die Innenminister des Bundes und der Länder darin übereinstimmen, dass dem Informations- und Kommunikationstechnikbereich als erfolgsbestimmender Kernbereich polizeilicher Arbeit auch und gerade im Kampf gegen den Terrorismus besondere Bedeutung zukommt. Daher sieht die Strukturoptimierung vor, diesen Bereich neu auszurichten. Beim Landeskriminalamt soll eine Zentralstelle für Information und Kommunikation eingerichtet werden. Dadurch werden die Aufgaben bei der Behörde gebündelt, die für die Informations- und Kommunikationsverbindungen der Polizei national und international verantwortlich ist. Mit regionalen, der Zentralstelle unmittelbar angegliederten Betriebs- und Servicestellen an den Standorten der zukünftigen Polizeidirektionen werden zudem die täglich anfallenden Aufgaben einheitlich und auch ressourcensparend erfüllt werden. Die Straffung der Organisationsstruktur und die Bündelung der Aufgaben führen zu einer wirtschaftlicheren Aufgabenerfüllung. Trotz der Stärkung der polizeilichen Basisdienststellen können nach den vorläufigen Berechnungen erhebliche Einsparungen vor allem in den Stabs- und Verwaltungsbereichen erzielt werden. Mehrkosten für Bürger und Einbußen der polizeilichen Grundversorgung sind nicht zu erwarten, da die polizeiliche Verfügbarkeit an allen bisherigen Standorten beibehalten wird. Die vorgeschlagenen Organisationsmaßnahmen ermöglichen beim Personal eine sukzessive Reduzierung um 433 Stellen. Durch diese Maßnahmen werden Personalausgaben in Höhe von ca. 11,75 Mio. € jährlich eingespart. Auch bei Sachmitteln ergeben sich deutliche Reduzierungen. Allein im Bereich der nicht mehr notwendigen Bauinvestitionen ist eine Verringerung von ca. 30 Mio. € zu erwarten. Weitere Einsparungen ergeben sich im Bereich der Beweissicherungs- und Servertechnik sowie bei der Ausrüstung der Einsatzzentralen. Insbesondere werden sich die Kosten, die mit der Einführung des BOS-Digitalfunks für die Funknutzung und Leitstellentechnik entstehen, natürlicherweise verringern. Allein die Reduzierung um drei Leitstellen führt nach vorläufigen Schätzungen zu Einsparungen von ca. 1,6 Mio. € an Investivkosten im Polizeibereich. Optimierungen lassen sich auch dadurch erreichen, dass wir versuchen, Einzelteile der Länderaufgaben gemeinsam zu tragen. Deshalb haben wir frühzeitig an einer intensiven Zusammen
arbeit zwischen den Polizeiorganisationen der Länder und des Bundes gearbeitet. Eine Kooperationsvereinbarung mit dem Freistaat Bayern und dem Land Nordrhein-Westfalen auf dem Gebiet der Informationstechnik hat sich ebenso bewährt wie die enge Zusammenarbeit in der Sicherheitskooperation zwischen Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Ein Vertrag über die polizeiliche Zusammenarbeit besteht auch mit dem Land Hessen. Diese Länderkooperationen sollen künftig noch stärker genutzt werden, um zentrale Kosten und personalintensive Aufgaben zu bündeln und somit Ressourcen zu sparen.
Ich komme zu dem Schlussteil: Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Beginn meiner Ausführungen habe ich Ihnen die Sicherheitslage für unser Land näher dargelegt. Uns allen ist bewusst, dass kein Staat auf dieser Welt absolute Sicherheit garantieren kann. Andererseits braucht sich Thüringen nicht zu verstecken. Die Mitarbeiter der Thüringer Polizei tun täglich ihr Bestes, um so viel Sicherheit wie irgend möglich zu gewährleisten.
Die Zukunft der Thüringer Polizei ist nachhaltig nur zu sichern, wenn wir junge Leute für diesen Beruf heute gewinnen können. Darauf habe ich wiederholt aufmerksam gemacht. Die Landesregierung hat daher zugesagt, in dieser Legislatur je 120 Anwärter pro Jahr, beginnend ab 2006, einzustellen und nach bestandener Prüfung zu übernehmen. Das sind daher bis 2009 nach Adam Riese 480 Polizeivollzugsbeamte. Danach muss, bedingt durch zu erwartende Altersabgänge, eine flexible Nachsteuerung natürlich vorgenommen werden, was bisher noch nicht überall erkannt worden ist, wie das Projekt OPTOPOL diesbezüglich gemeint ist.
Meine Damen und Herren, Thüringen ist nach wie vor eines der sichersten Länder der Bundesrepublik Deutschland. Ich bin überzeugt, dass wir nach dem Umbau unserer Polizeistruktur die Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger noch effektiver gewährleisten können. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, mir liegen Redemeldungen aus allen drei Fraktionen vor. Ich gehe davon aus, dass alle drei Fraktionen die Aussprache zum Sofortbericht wünschen. Es wird nicht widersprochen. Damit eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Hahnemann, Die Linkspartei.PDS.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister - reicht das? gut -, auf die letzten fünf Jahre zurückblicken heißt, die Welt zu betrachten mit all ihren Veränderungen. Die furchtbaren Ereignisse des 11. September markieren eines der Eckdaten. Minister Gasser hat andere Eckdaten genannt, aber - und da komme ich schon wieder weg von der Freundlichkeit, Herr Minister, und hin zur Kritik - die Kriege und Kriegslasten, ohne dass Probleme gelöst worden wären, haben Sie nicht genannt. Aber auch derer müssen wir uns stets bewusst sein. Bewusstes Gedenken erfordert, über das Andenken hinauszugehen, und das erlaubt auch kritische Betrachtungen. Ich wage die These, wenn Sie sagen, Herr Minister, Thüringen ist eines der sichersten Länder der Bundesrepublik Deutschland, dann hat es so gut wie nichts mit der Steigerung der Sicherheitsmaßnahmen der letzten fünf Jahre zu tun. Die Sicherheitsmaßnahmen der letzten Jahre haben auch kausal kaum etwas noch effektiv mit internationalem Terrorismus und dessen Abwehr zu tun. Ich mag Ihnen in der Folge den Eindruck erwecken, mir ginge es nicht um Sicherheitsinteressen, aber ich widerspreche Ihnen, nein, gerade darum geht es uns.
Die letzten fünf Jahre waren nämlich Jahre der Versäumnisse. Wichtige Zeit wurde vertan, in der eigentlich über die Ursachen von Gewalt, Krieg und Terror im 21. Jahrhundert nachzudenken aller Grund gewesen wäre. Wichtige Zeit ist verloren, in der nachhaltige multilaterale Konzepte hätten entwickelt werden können, um Frieden, Ausgleich und Demokratisierung in krisengeschüttelten und kriegserschütterten Regionen voranzubringen. Selbst das Gedenken an die Opfer der Terroranschläge und Kriege stand in all den Jahren hinter den Trommelschlägen der Militärs und der politischen Scharfmacher zurück. Denn allen ist klar, die Ikonisierung in HollywoodFilmen kann ein echtes menschliches Andenken nicht ersetzen. Auch das, meine Damen und Herren, wurde nicht geleistet.
Statt Wahrheiten gab es Unterstellungen und Versprechungen, statt Sicherheit gab es Krieg; ein steuerbares Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung musste herhalten zur Legitimation immer neuer Aufrüstungen sowohl im Inneren als auch nach Außen. Am Ende konstatieren Menschenrechtsorganisationen, dass die deutsche Politik etwas bewerkstelligt, was undemokratischen Kräften eigentlich nur recht sein kann. Zitat: „Wir sind Zeugen nicht nur einer Demontage des Sozialstaats, sondern auch des Völkerrechts, der Bürgerrechte und rechtsstaatlicher Prinzipien - zivilisatorische Errungenschaften, die mühsam und unter schweren Opfern erkämpft wur
den.“ Das schrieb jüngst der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Dr. Rolf Gössner, und das, was er für die gesellschaftliche Entwicklung im Ganzen als Bild zeichnet, stimmt auch für Thüringen. Herr Minister, der - ich will es einmal so nennen - Idomeneo-Effekt ist Resultat des falschen Umgangs mit den Problemen.
Meine Damen und Herren, vor fünf Jahren sind die umfangreichsten Änderungen an Sicherheitsgesetzen in der Geschichte der Bundesrepublik vorgenommen worden. Ohne Beachtung von grund- und bürgerrechtlichen Garantien wurde ein Wunschkatalog von Überwachungsmaßnahmen und Sondergesetzen zur Datensammlung erlassen. Sie sind weder effektiv, noch sind sie zielführend. Aber sie hatten eines gemein: Der Boden der Verfassung wurde deutlich verlassen. Wo die Politik die Grundrechte sturmfrei schoss, da musste das Bundesverfassungsgericht mehrfach Einhalt gebieten. Ob Rasterfahndung, ob Lauschangriff, ob Telefonüberwachung, ob Abschusserlaubnis für zivile Flugzeuge oder Sondergesetze zur Zollfahndung, überall musste das oberste Gericht ein Stoppzeichen setzen. Da zwängt sich dann zwangsläufig eine Frage auf: Ist inzwischen eigentlich die Justiz dafür da, die herrschende Politik in ihre Schranken zu weisen? Ich glaube, das ist eine Fehlentwicklung, und zwar deshalb, weil am Ende beide Schaden nehmen werden.
Auch in Thüringen wurde gar zu oft kurz vor einem Aufprall die Reißleine gezogen: Polizeiliche Überwachungskameras, die auf Anwaltskanzleien und Redaktionsräume gerichtet waren, eine Kennzeichenerfassung ohne gesetzliche Grundlage, die Rasterfahndungsposse an der Bauhaus-Universität oder auch die Bespitzelung der Opposition.
Ich werde Ihnen die Schilderung der einzelnen Vorgänge und weiterer ersparen. Ich gebe zu, es fällt mir schwer, aber es hilft mir weiter. Eines muss nämlich an dieser Stelle konstatiert werden: Mehr Sicherheit für die Thüringer Bevölkerung hat keine dieser Maßnahmen gebracht, ganz im Gegenteil. Viele fragten sich nicht nur nach dem Zweck, nach der Tauglichkeit; andere fragten vor allem nach den unsinnigen Kosten. Schließlich handelt es sich gegebenenfalls um Geld, das an anderer Stelle, zum Beispiel für die Neueinstellung von jungen, motivierten Polizeibeamten, fehlt; der direkte Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern würde das Sicherheitsgefühl in dieser Gesellschaft mehr stärken als jede technische Einrichtung oder jede elektronische Datenverarbeitung; Geld, das fehlt, um qualifiziert rechtsextremer Gewalt entgegenzutreten und die Sicherheit von nicht rechten Jugendlichen und Migranten im Freistaat erheblich zu verbessern; Geld, das fehlt,
ein dichtes Netz aus Polizeidienststellen zu erhalten, an die sich Bürgerinnen und Bürger persönlich wenden können.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle einem Eindruck entgegentreten: Wir wollen nicht vom Problem des internationalen Terrorismus ablenken oder diesen verniedlichen oder ignorieren. Wir sind jederzeit bereit, über diese Bedrohung im Allgemeinen und ganz speziell in Thüringen zu sprechen. Dazu braucht man aber einen Grund. Ein Jahrestag, zumal ein so trauriger, taugt dazu nicht.
Wir bräuchten eine offene Debatte über eine realistische Gefahrenprognose. Diese blieb das Ministerium bisher schuldig, sieht man einmal von einer kurzen Information im Ausschuss ab. Und eine wirklichkeitsgetreue Gefahrenprognose muss mehr beinhalten als die Aufzählung von Flughäfen, Autobahnen, Talsperren und Energieversorgern.