Protokoll der Sitzung vom 24.11.2006

Na ja, das war nicht der Fall.

Städte und Gemeinden, Landkreise, Bürgerinnen und Bürger fordern den Nachweis der Notwendigkeit und der Dringlichkeit des vorgesehenen Leitungsausbaus und das, werte Kolleginnen und Kollegen, mit Recht. Dabei, meine Damen und Herren, ist es fatal, wenn man die DENA-Studie als die heilige Schrift ansieht, ohne die Ausgangsdaten einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen und auch einmal die derzeitige Faktenlage sich ganz genau anzuschauen. Immer wieder bekommen wir zur hören, hauptsächliche Ursache - auch heute wieder in diesem Hause - des Leitungsbaus ist der Transport des Windstroms vom Norden in den Süden. Aber, meine Damen und Herren, Prognosen sind das eine, Tatsachen sind das andere und Letztere sprechen eine weitaus weniger optimistische Sprache.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Es gibt schlimmeres.)

Derzeit sind in Deutschland...

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD)

Hören Sie doch erst einmal zu und dann können Sie doch gern hier vorkommen und können hier vorn reden und können auch dagegen argumentieren - kein Problem. Derzeit sind in Deutschland Windräder mit einer Leistung von 19 Gigawatt gebaut. In Windparks soll im Jahre 2020 mehr als das Doppelte an Energie gewonnen werden, das besagt zumindest die DENA-Studie, doch auch klar ist, dass momentan die besten Plätze auf dem Land vergeben sind und dass seit 2002 die Zahl der neuen Windräder dort drastisch sinkt. Das heißt, man muss auf Investitionen auf dem Meer setzen. Doch wer das hier in Deutschland tut, betritt aufgrund auch der geltenden Kriterien, die wir haben, Neuland. Der Bau und die Wartung sind weitaus anspruchsvoller und komplizierter als in anderen Ländern, die Investitionen entsprechend und es fehlen auch die Erfahrungen. Das ist übrigens auch aus der DENA-Studie deutlich zu erkennen. Derzeit sind nur zwei Testanlagen mit einer Gesamtleistung von 6,8 MW vor Rostock und Emden realisiert. Schon die Zielvorgabe, die man sich 2007 gesetzt hat, liegt in weiter Ferne und entspricht auch nicht dem Stand der DENA-Studie. Deshalb stellt sich hier schon die Frage nach der Dringlichkeit und auch der Notwendigkeit der Leitung. Eine Antwort auf diese Frage kann ich hier nicht geben, ich glaube aber auch, die kann die Landesregierung hier nicht geben. Ich glaube, die Beantwortung einer solcher Frage kann man nur mit einer weiteren Studie, einer Folgestudie, erhalten.

Eines möchte ich hier auch noch sagen: Unzureichend betrachtet wurden in der DENA-Studie die

Fragen der Leitungsoptimierung auch unter den vorher hier schon genannten Aspekten. Nicht umsonst warnen die Fachexperten vor einem überschnellen Netzausbau und mahnen Leitungsoptimierungen an, die gleichfalls eine hohe Versorgungssicherheit, die wir brauchen, das ist unstrittig, gewährleisten. Ebenfalls halte ich es für dringend geboten, auch Erdverkabelungsvarianten in besonders sensiblen Bereichen zu betrachten, so wie das auch in vielen Stellungnahmen zum Raumordnungsverfahren oder zu den Antragskonferenzen ausgeführt wurde.

Frau Doht, man sollte nicht immer nur alles nachreden, was Vattenfall hier zum Besten gibt. Man sollte sich, wenn man über Erdverkabelung redet, ganz intensiv auch damit beschäftigen. Wenn Sie dies tun würden, dann würden Sie hier nicht so reden, wie Sie das getan haben.

(Unruhe bei der SPD)

(Glocke der Präsidentin)

Es gibt auch ein Papier des Bundesumweltministeriums, dort gibt es ganz konkrete Ausführungen gerade zu Erdverkabelungen. Man sollte nicht solche Dinge reden, wie Sie das gemacht haben. Was wir brauchen, ist die Erarbeitung einer unabhängigen Studie zu Stromübertragungstechniken im Hochspannungsnetz anhand der ganz konkreten Maßnahmen der 380 kV, die hier verlegt werden sollen. Dabei sind nicht nur Betrachtungen auf einzelwirtschaftliche Kosten zu beziehen, sondern es sind auch die sozialen Kosten zu berücksichtigen. Das heißt, jene Nachteile zu bewerten, die als Folge umweltbelastender Maßnahmen bei unbeteiligten Dritten auftreten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

In diesem Zusammenhang sollte auch gleichzeitig geprüft werden, inwieweit Kopplungsmöglichkeiten mit bereits planfestgestellten Infrastrukturmaßnahmen, zum Beispiel mit dem ICE, möglich sind. Da sich die Maßnahmen tangieren, auch zeitlich tangieren, halte ich das für gut möglich.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Ich denke, Sie wollen den ICE nicht.)

Ich könnte mir auch Einspareffekte, wenn die Notwendigkeit der Maßnahme - nicht ICE - der Leitung gegeben ist, vorstellen. In Gesprächen mit der DBProjektbau wurde mir das so bestätigt.

Meine Damen und Herren, ich fordere die Landesregierung auf, endlich aktiv zu werden. Ich fordere Sie auf, die betroffenen Städte und Gemeinden zu unterstützen. Ich fordere Sie auf, eine Studie in Auf

trag zu geben,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wobei unterstützen?)

die unter anderem auch - hören Sie mir eigentlich zu? - die von mir dargelegten Fakten, die heute hier in dieser Landtagssitzung zum Ausdruck gebracht wurden, ganz einfach mal betrachten.

(Unruhe bei der SPD)

Diese Studie fehlt. Ich denke, das sollte man auf den Weg bringen. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Jetzt die Nachfrage, Frau Abgeordnete Enders. Bitte, Herr Schwäblein.

Frau Kollegin, Sie tragen Ihren Protest ja sehr, sehr kräftig vor. Finden Sie nicht auch, dass er glaubwürdiger wäre, wenn Sie nicht als Erstes bei Vattenfall um Ausgleichsmaßnahmen gebeten hätten?

(Beifall bei der CDU)

Herr Schwäblein, ich weiß nicht, wie Sie zu einer solchen Aussage kommen. Zu Ausgleichsmaßnahmen werde ich mich mit Vattenfall nicht unterhalten. Das sage ich hier auch mit aller Deutlichkeit. Es ist so, Städte und Gemeinden lassen sich nicht kaufen

(Unruhe bei der CDU)

und ich, Herr Schwäblein, schon gar nicht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Dann erteile ich das Wort Herrn Minister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eigentlich bietet der Antrag der Landesregierung dann die Möglichkeit, wirklich einen umfassenden Bericht über Eingriffsmaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen bei Infrastruktur

vorhaben hier vorzulegen. Deswegen werden wir das auch tun und ich werde das mit großer Freude im I. Quartal des nächsten Jahres machen. Ich will nur sagen, es geht wirklich weiter, nicht nur die 380 kVLeitung. Ich will es nur an einem Beispiel sagen: Beim Ausbau der Landesstraße von Herschdorf bis Hohe Tanne hat es einen Eingriff gegeben in einer Größe von etwa 18.000 Quadratmetern und es gibt 14 ganz konkrete Ausgleichsmaßnahmen in einer Größenordnung von 18.591,15 Quadratmetern. So detailliert wird auch der Bericht aussehen, wo wir das dann alles aufschlüsseln. Man könnte es auch über das ganze Land machen, das würde aber etwas länger dauern. Wenn ich die Liste allein im Thüringer Wald sehe, welchen Umfang das angenommen hat, reden wir über etwa zwei- bis zweieinhalbtausend investive Maßnahmen in Thüringen, die alle planfestgestellt sind und die auch in der Planfeststellung mit Ausgleichsmaßnahmen entsprechend belegt sind.

Auf einige angesprochene Sachen möchte ich kurz eingehen. Herr Kummer ermittelt den Verkehr als Hauptverursacher. Da haben Sie vollkommen recht - kein Widerspruch, überhaupt kein Widerspruch. Ich habe einen Schulatlas von 1952 bei mir zu Hause, den empfehle ich mal anzuschauen. Das dichteste Autobahnnetz 1952 in Deutschland war in Sachsen und in Thüringen. Ansonsten war Autobahn nur Flickwerk im Westen Deutschlands. Wenn man Wirtschaftskraft entwickeln will - und das sind die Erfahrungen der letzten 15 Jahre -, wann entstehen Unternehmensansiedlungen? Dann, wenn die Regionen über Infrastrukturmaßnahmen erreichbar sind.

(Beifall bei der CDU)

Auf Waldwegen kann man keine Produkte wegtransportieren. Für Automobilzulieferer den ÖPNV nutzen, halte ich auch nicht für die richtige Lösung, sondern da gehört schon eine ordentliche Verkehrsinfrastruktur dazu.

Es ist wahnsinnig viel auf den Weg gebracht worden und, ich glaube, wir werden 2010 mit dem Ausbau der Autobahnen und dem Bundesfernstraßenbau zum Teil dann in Thüringen eine Infrastruktur im Straßennetz haben, auf die man wirklich aufbauen und man sagen kann, der Autobahnbereich ist so ausgebaut, wie wir ihn in Thüringen auch brauchen.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich ist der Thüringer Wald als sensibles Gebiet immer besonders betroffen, wenn ich dort einen Ausgleich mache. Ich hätte mir auch andere Lösungen vorstellen können bei der ICE-Strecke als Täler zuzuschütten. Übrigens bietet eine solche Deponie, wenn sie nach der Baumaßnahme begrünt ist, ein ganz anderes Bild als vielleicht während der

Baumaßnahme. Das kennt ja Frau Enders bestens, wenn man von Großbreitenbach nach Katzhütte fährt, hat man direkt neben der Straße eine ehemalige Deponie, die, glaube ich, hervorragend renaturiert ist. Wer nicht weiß, was darunter liegt, wenn z.B. ein Gast kommt, der wird überhaupt nicht mehr erkennen, welche Produkte eigentlich unter dieser grünen Fläche liegen. Auch darüber müssen wir später einmal reden.

Es wird das Thema Rennsteigzertifizierung mit Infrastrukturmaßnahmen verknüpft. Das hat ja nun wirklich nichts damit zu tun. Übrigens, Frau Doht und Herr Kummer, ich würde Ihnen wirklich empfehlen: Lesen Sie sich den Zertifizierungsbericht mal ganz genau durch. Es gibt dort ganz strenge Kategorien, ganz strenge Parameter. Die erfüllen wir in einem Punkt nicht und deswegen haben wir keine Zertifizierung bekommen. Da spielte die Verlegung der Erdgasleitung auf dem Rennsteig keine Rolle, da spielte nicht einmal der Rennsteig durch Neuhaus eine Rolle. Auch das hätte nicht dazu beigetragen, die Zertifizierung zu versagen. Bei den straßenbegleitenden Wanderwegen, bei denen der Rennsteig direkt neben der Straße verläuft, das war der entscheidende Punkt, an dem wir die Prozente von straßenbegleitenden Wanderwegen überschreiten. Das war der einzige entscheidende Punkt. Dort müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das erfüllen. Ansonsten stehen nämlich in dem Zertifizierungsbericht außerordentlich positive Sachen drin, wie sich der Rennsteig als Hauptwanderweg des Thüringer Waldes dort nach außen hin darstellt.

Wir wollen auch keine Zerschneidung des Thüringer Waldes mit zwei Stromtrassen. Wir haben eine Trasse. Deswegen legen wir auch Wert darauf, wenn das Verfahren für eine andere Trasse positiv ausgeht, dass dann der Eigentümer der jetzigen Stromtrasse, nämlich E.ON Thüringer Energie AG sich an die andere Trasse mit anbindet und wir diese Trasse zurückbauen.

Im Übrigen in dem ganzen Verfahren, sage ich, Frau Enders, zu DDR-Zeiten hat man anders geplant, als man heute plant.

Die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten ist eine Gerade. So ist die 220-kV-Trasse durch den Thüringer Wald geschlagen worden. Dass sich die Schönbrunner bei dem jetzigen Raumordnungsverfahren nicht melden, das ist doch verständlich. Stellen Sie sich vor, wir kommen zu der Entscheidung, wir bauen die andere Trasse aus, dann ist Schalkau zufrieden, dann ist Großbreitenbach zufrieden und dann habe ich den Protest in Schönbrunn. Wenn Sie von Masserberg nach Schönbrunn fahren und schauen, wie auf dem Gegenhang die alte Trasse voll im Licht steht, dann wissen Sie, wie früher sol

che Trassen geplant worden sind.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Über die Häuser hinweg.)

Über die Notwendigkeit einer neuen Studie - und Frau Enders, das brauchen Sie nicht immer zu wiederholen, dass die Landesregierung eine neue Studie in Auftrag geben muss. Wir werden es nicht machen, weil es gar nicht notwendig ist. Ich kenne die Planungen, ich kenne die investiven Planungen der Offshoreanlagen, ich kenne die Planungen, in Lubmin ein Erdgasturbinenkraftwerk aufzubauen, ein Steinkohlekraftwerk dort oben aufzubauen. Ich kann das nicht beeinflussen. Ich frage mich auch als Thüringer Minister für Bau und Verkehr: Wäre es nicht eine bessere Lösung, ein Erdgaskraftwerk in Bayern zu bauen und lieber eine zweite Erdgastrasse durch Deutschland zu legen, anstatt das Erdgaskraftwerk im Norden zu bauen und den Strom dann nach dem Süden zu transportieren? Aber ich kann es nicht beeinflussen.

(Beifall bei der SPD)

Diese Energieproduzenten entstehen im Norden.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Richtig.)

Spätestens seit den Ereignissen Anfang November - und da müssen Sie schon mal hinterfragen, wie denn die Situation an dem Tag war. Natürlich war die Windenergie nicht der Auslöser.