Darüber mögen Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, amüsieren. Es ist Geld angefasst worden, der Lift ist eingebaut worden und er ist durch die Leute nutzbar. Das ist das, was zählt.
Natürlich ist es richtig - und das hat auch Minister Reinholz in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht -, dass die Barrierefreiheit zu einem Markenzeichen des Thüringer Tourismus werden kann. Das sind nicht nur Lippenbekenntnisse, das belegt auch die Tatsache, dass Thüringen bereits vor zwei Jahren schon das erste und einzige Bundesland war, was mit einem Katalog rein nur für barrierefreie Angebote aufgewartet hat. Oder ist das auch nicht richtig? Ich habe ihn dabei.
Thüringen hat damals auch eine Auszeichnung auf der ITB dafür bekommen und das zeigt eigentlich deutlich, dass das Thema schon seit Jahren von der Landesregierung auch entsprechend ernst genommen worden ist.
Das heißt natürlich nicht, dass wir uns zurücklehnen können, z.B. - und ich habe gestern erst noch mal einen Versuch gemacht - lässt die Internetpräsentation der Thüringer Tourismus GmbH barrierefreie Angebote nur schwer erkennen. Das ist aber ein handwerkliches Problem, bei dem ich sage, das kostet nicht viel Geld. Hier muss noch etwas getan werden, um auch die barrierefreien Angebote schneller zugänglich zu machen über das Medium Internet. Genauso verhält es sich aber auch bei den meisten Internetpräsentationen der Leistungsträger. Einen Grund dafür sehe ich darin, dass das Thema „Barrierefreiheit“ nach wie vor noch nicht in dem Maße ins Bewusstsein der Leute gerückt ist, wie wir
uns das eigentlich alle wünschen würden. Bewusstsein auf der einen Seite, aber auch die Chance, aus entsprechenden Angeboten auch die wirtschaftlichen Erträge zu erzielen, aus dem einfachen Grund, weil Barrierefreiheit - und da bin ich mal mit dem Kollegen Nothnagel einer Meinung - eben längst nicht mehr nur die Menschen etwas angeht, die von Behinderung betroffen sind, denn es sind auch Familien mit kleinen Kindern und insbesondere auch Senioren, die von Barrierefreiheit profitieren und die sie auch dankbar annehmen. Das Stichwort „Demographie“ ist vorhin schon mal gefallen und wir erleben das ja auch bei der Gästestruktur, die Thüringen besucht, nach wie vor und dass es eben in zunehmendem Maße die Senioren sind - die sind zwar fit, aber es sind eben Senioren -, die hauptsächlich die Reisegebiete in Thüringen auch ansteuern.
Aus dem PDS-Antrag geht auch hervor, dass Sie selbst vielfältige Bemühungen um die Barrierefreiheit sehen, die die Landesregierung hier unternommen hat. Zu den vier Säulen: Das sind zum einen die Ausflugsziele und die Sehenswürdigkeiten, zum anderen der Verkehr - da wissen wir, damit ist der ÖPNV gemeint - und da haben wir in der Hauptsache die kommunalen Träger, die Kommunen an sich und auch die Beherbergungsbetriebe, das sind die vier Säulen, die bei dem Thema „Barrierefreiheit“ eine Rolle spielen. Daraus wird deutlich, dass eine originäre Zuständigkeit des Freistaats nicht gegeben ist, was aber auch nicht heißt, dass wir die Bemühungen nicht unterstützen. Die Landesregierung wird das auch weiterhin tun und dabei insbesondere die angefangenen Projekte „Barrierefreie Modellregion“ oder das Verbundprojekt „Touristische Assistenzsysteme“, kurz TAS, es ist gerade angesprochen worden, sollten weiter ausgebaut werden. Aber es ist eben auch angesprochen worden, dass dazu die Verbände und die Träger, die diese Systeme eigentlich bis jetzt begleitet haben, sich auch bekennen müssen und dass es hier nicht in erster Linie der Freistaat ist, der gefordert ist, der wird das ihm Mögliche dazu tun, aber wir müssen dort auch gemeinsam mit den Trägern verstärkt daran arbeiten, dass diese Projekte und diese Vorhaben weiter vorangetrieben werden. Deshalb möchte ich an dieser Stelle heute auch gar nicht tiefer auf diese ganzen Anliegen eingehen. Meine Fraktion würde den Antrag im Wirtschaftsausschuss gerne tiefer beraten, damit wir ihn dann zu gegebener Zeit hier wieder an dieser Stelle aufrufen und entsprechend auch abschließen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, allein durch die soziodemographische Entwicklung wird sich die Zahl derer, die in ihrer Orientierung oder Bewegung eingeschränkt sind, in den nächsten Jahren ständig erhöhen. Derzeit leben in Deutschland fast 7 Mio. Menschen mit einer Behinderung. Ein großer Teil dieser Zielgruppe würde gern häufiger verreisen und mehr Geld im Urlaub ausgeben, wenn es mehr passende Angebote für sie gäbe. Deshalb gehört barrierefreier Tourismus zu den wachsenden und innovativen Segmenten innerhalb der Tourismuswirtschaft. Nach einer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellten Studie bescheren derzeit rund 3,64 Mio. schwerbehinderte Reisende dem deutschen Tourismus immerhin einen Umsatz von 2,5 Mrd. € und sichern damit rund 65.000 Vollzeitarbeitsplätze. Das Prinzip der Barrierefreiheit wird jedoch immer noch lediglich auf die Zielgruppe der behinderten Menschen bezogen. Das ist aber falsch, denn die Herstellung von Barrierefreiheit nützt allen und nicht nur einer bestimmten Personengruppe. In der Studie des damaligen BMWA „Ökonomische Impulse eines barrierefreien Tourismus für alle“ heißt es dazu - Frau Präsidentin, ich zitiere -: „So ist bekannt, dass eine barrierefreie zugängliche Umwelt für etwa 10 Prozent der Bevölkerung zwingend erforderlich, für etwa 30 Prozent bis 40 Prozent notwendig und für 100 Prozent kompatibel ist.“ Es geht, wenn wir über Barrierefreiheit reden, eben nicht nur um Blinde und Rollstuhlfahrer, es geht um alle Menschen mit Mobilitäts- und Aktivitätseinschränkungen. Dazu zählen auch ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen bzw. Familien mit kleinen Kindern und Reisende mit schwerem Gepäck. Wenn man sich das vor Augen führt, erkennt man die Notwendigkeit und auch die Chancen des barrierefreien Tourismus. Leider hat sich beim zuständigen Thüringer Wirtschaftsministerium offensichtlich diese Erkenntnis noch nicht eingestellt.
Lassen Sie mich doch mal weiterreden, Herr Heym. So ist es aus meiner Sicht kein Zufall, dass in der Tourismuskonzeption des Freistaats Thüringen das Wort „Barrierefreiheit“ kein einziges Mal vorkommt, auch auf der Homepage des Thüringer Tourismusministeriums weitestgehend Fehlanzeige. Ein einziger Eintrag erscheint da, wenn man den entsprechenden Suchbegriff eingibt. Allein das beweist, dass die PDS mit ihrem Antrag richtig liegt.
Die Problematik „Barrierefreiheit“ muss ein viel größeres Gewicht bei allen konzeptionellen Überlegun
gen in Sachen Tourismus bekommen. Andere Länder sind da wesentlich weiter. So erklärte der brandenburgische Wirtschaftsminister Ulrich Junghans bereits vor mehr als einem Jahr - Frau Präsidentin, ich zitiere -: „Der barrierefreie Tourismus ist fest in unserer Tourismusstrategie verankert. Wir erschließen dieses Marktsegment durch eine entsprechende Angebotsgestaltung, Qualifizierung und Vermarktung. Unser Ziel ist, mobilitätseingeschränkten Menschen eine gleichwertige Teilnahme an den touristischen Angeboten in Brandenburg zu ermöglichen. Vieles ist bereits erreicht worden. Erfolgreich dazu beigetragen hat unter anderem die über zwei Jahre laufende Qualifizierungsoffensive ‚Barrierefreier Tourismus für alle im Land Brandenburg’. Das barrierefreie Angebot wird kontinuierlich weiterentwickelt, ausgebaut und vernetzt.“ Was passiert in Thüringen? Da endet ein vom Bund gefördertes InnoRegio-Projekt „Barrierefreie Modellregion - Tourismus für alle“, ohne dass die Regierung oder der zuständige Minister sich Gedanken macht, ob da nicht erhaltenswerte Strukturen sind, die da wegbrechen. Es ist eben einfach so. In anderen Bundesländern wird mühsam versucht, solche Vernetzungsstellen aufzubauen. Hier in Thüringen hat man sie, weiß sie aber offensichtlich nicht zu schätzen. Liegt es daran, dass die Landesregierung das von der damaligen rot-grünen Bundesregierung ins Leben gerufene InnoRegio-Förderprogramm ohnehin nie gemocht und unterstützt hat? Ich kann es nicht verstehen. Nach meiner Auffassung sollte versucht werden, diese über Jahre hinweg entstandene Kompetenz und das aufgebaute Netzwerk in Sachen „barrierefreier Tourismus“ in der Region Oberhof-Ohrdruf zu erhalten und als Anlaufstelle für ganz Thüringen zu etablieren, vielleicht unter Federführung des Regionalverbundes „Thüringer Wald“, welcher ja ohnehin flächenmäßig fast die Hälfte des Freistaats Thüringen abdeckt. Wenn man barrierefreie Angebote machen möchte, dann kommt es darauf an, die gesamte Tourismuskette von der Information und Buchung, über die An- und Abreise bis zu den Freizeit-, Sport und Kulturangeboten im Blick zu haben. Deshalb ist natürlich auch die Einbeziehung der unterschiedlichen Akteure des Tourismus in die Bemühungen um mehr Barrierefreiheit unabdingbar.
Die Vorschläge der Linkspartei.PDS insgesamt halte ich für sinnvoll, sie erwecken jedoch manchmal den Eindruck, als ob das Land alles richten könne. Bei den einzelnen Punkten des Linkspartei.PDS-Antrags ist deshalb zu prüfen, ob in jedem Fall das Land der richtige Adressat der Forderung ist. Ich halte zu allererst ein Funktionieren der regionalen Strukturen für wichtig neben der Erkenntnis vor Ort, dass mit in sich geschlossenen barrierefreien Angeboten zusätzliche Gäste angelockt und touristische Entwicklungschancen erschlossen werden können. Das Land kann diesen Erkenntnisprozess durch gezielte Be
ratung unterstützen, wenn bei den Verantwortlichen des Landes die Erkenntnis gereift ist, dass dies nicht nur notwendig, sondern auch eine Chance für Thüringen ist. Ein Schwachpunkt des bereits genannten InnoRegio-Projekts war die Tatsache, dass im Rahmen des Projekts nur Planungen gefördert wurden. Die beteiligten Kommunen blieben bei der Umsetzung der Ideen in den meisten Fällen auf sich gestellt. Zwar konnten trotzdem viele Aspekte der Barrierefreiheit aufgrund des entstandenen Erkenntnisgewinns in laufende Baumaßnahmen integriert werden, die Umsetzung mancher Ideen blieb aber mangels finanzieller Möglichkeiten auf der Strecke. Deshalb sollte bei der Erarbeitung der in der Tourismuskonzeption des Freistaats Thüringen angekündigten Förderkonzeption zumindest die Möglichkeit eröffnet werden, in Zukunft ausdrücklich Projekte zu fördern, die dem Ziel der Verbesserung der Barrierefreiheit dienen. In der kürzlich veröffentlichten Förderrichtlinie für den Tourismus ist jedenfalls das Wort „Barrierefreiheit“ nicht zu lesen. Vielleicht erhält dann auch noch die eine oder andere im Rahmen des InnoRegio-Projekts entwickelte Idee eine Realisierungschance in Thüringen.
Ich will aber an dieser Stelle nicht weiter ins Detail gehen. Ich habe deutlich gemacht, dass auch die SPD die Auffassung vertritt, dass es einer Ausrichtung des Thüringer Tourismusangebots auf eine stärkere Barrierefreiheit bedarf, dass dort eine große Chance liegt und es im Umkehrschluss natürlich, wenn man nichts tut, entsprechende wirtschaftliche Risiken für die Tourismusbranche gibt. Deshalb sollten sich der Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit - wie schon von der CDU gefordert -, mitberatend aber auch der Ausschuss für Soziales und Familie, Gesundheit mit dem Antrag der Linkspartei.PDS befassen. Ich beantrage deshalb eine entsprechende Ausschussüberweisung. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es scheint schon immer dieses Spiel zu laufen: Allein die Antragstellung aus der Opposition ist ein Angriff gegen die Landesregierung, den man von vornherein prinzipiell erst einmal ablehnen und ihm entgegentreten muss. Entschuldigen Sie, Herr Heym, so habe ich den Beginn Ihrer Rede empfunden. Um es mal auszuräumen, will ich Ihnen aus dem Antrag die ersten zwei Sätze der Begründung vorlesen. Die lau
ten, und ich darf zitieren Frau Präsidentin: „In den zurückliegenden Jahren wurden im Freistaat zahlreiche Initiativen und Projekte zum barrierefreien Tourismus gefördert und dabei vielfältige Ergebnisse erreicht. Es kommt jetzt darauf an, diese Arbeit kontinuierlich fortzusetzen und die Ergebnisse zu verstetigen.“
Es hat keiner im Antrag behauptet oder die Behauptung aufgestellt, das Land hat nichts im barrierefreien Tourismus getan, es hat Zeiten verschlafen oder hier sind grundlegende Missverhältnisse aufzuklären.
Bei alldem, was Sie sicherlich auch angedeutet haben in Ihrer Rede, vielleicht wird der Minister auch noch drauf eingehen, dass es die eine oder andere Reserve noch gibt, auf die ich noch eingehen werde.
Mein Kollege Nothnagel sagte bei der Begründung unseres Antrags, dass wir eigentlich mit unserem Antrag darauf hinwirken wollen, dass die bisherigen Initiativen und Projekte zum barrierefreien Tourismus auch gewürdigt werden und aus den bisherigen Ergebnissen und Erfahrungen weiter spezifische Orientierungen für den Tourismus im Freistaat abgeleitet werden. Nach unserer Auffassung ist eine entsprechende Verankerung dieser Aufgaben und Zielstellungen in der Tourismuskonzeption Thüringen 2004 sowohl für die Landespolitik als auch für die Akteure auf allen Hierarchieebenen notwendig und auch vernünftig, wie ich finde. Man kann sicherlich auch den Prospekt hochheben, aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass im Landestourismuskonzept 2004 der barrierefreie Tourismus als Bereich überhaupt nicht auftaucht und als Begriff nur einmal.
Ich will das jetzt gar nicht weiter bewerten, aber ich glaube, das ist ein Ausdruck dessen, dass wir uns in diese Richtung vielleicht ein Stück weiter bewegen müssen. Warum wir darauf kommen und sagen, jetzt keine neue Verordnung oder kein neues Konzept allein auf diesen Bereich, sondern es zu integrieren, werde ich zum Abschluss meiner Rede vielleicht versuchen noch mal deutlich zu machen.
Verehrte Kollegen, angesichts des bisher in Thüringen und auf diesem Gebiet Erreichten müssen wir aber zu Beginn des Europäischen Jahres der Chancengleichheit 2007 - mein Kollege ist darauf eingegangen - feststellen: Barrierefreiheit in Thüringen wird aus Nichtbetroffenheit, Gedankenlosigkeit, vielleicht auch mit Vorsatz aus Kostengründen oder
auch aus anderen Gründen oftmals nicht immer mitgedacht. Das Problem haben wir. Sie, Herr Heym, haben das Beispiel selbst gesagt, den Baumkronenerlebnispfad. Das ist das Beispiel.
Jetzt ist der Aufzug da, aber bekanntlich erst nachgerüstet, denn ich kenne das Projekt von Anfang an.
Bekanntlich spielte dieser Zusammenhang, den ich jetzt mal versucht habe zu umreißen, auch in der Aussprache zum Erfahrungsbericht zur Thüringer Bauordnung hier im Landtag - das war wohl die 50. Sitzung - auch eine Rolle, Barrierefreiheit und Bauordnung in einem ganz spezifischen Bereich. Da haben wir auch die Defizite schon festgestellt. Also es gibt kaum einen Bereich - das würde ich jetzt mal behaupten -, wo Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderklaffen. Diese Feststellung können auch die durchaus gelungenen Beispiele in Thüringen nicht relativieren. Wir verkennen doch nicht die Ergebnisse im InnoRegio-Projekt oder im Thüringer Wald, was die Barrierefreiheit betrifft. Wir verkennen doch nicht das, was Frau Dr. Hildebrandt hier in Erfurt in der Barrierefreiheit erreicht hat oder in Weimar. Tourismusregionen und -verbände vor Ort haben sich große Mühe gegeben. Ich darf ruhig mal sagen - der Ministerpräsident ist zwar nicht da -, in meiner Heimatstadt, in Heiligenstadt, wo er auch wohnt, das musste ja mal gesagt werden, gibt es auch Initiativen vor Ort. Ich denke da an eine Stadtführung für sehbehinderte Menschen, in einer Stadt mit 17.000 Einwohnern. Das ist ja auch ein interessantes Projekt. Es gibt also vielfältigste Ansätze und Ergebnisse. Fragt man die im Tourismus in Thüringen verantwortlich Agierenden, ob sie im barrierefreien Tourismus einen Wirtschaftsfaktor oder eine Chance zur Erschließung von Potenzialen sehen, werden viele aus dem Bauch heraus sicherlich auch mit Ja antworten. In diesem Zusammenhang würden die meisten, so glaube ich, auf einzelne Fakten aus dem letzten tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung verweisen - ich darf vielleicht einige nennen:
Die strukturellen Veränderungen auf der touristischen Nachfrageseite, vor allem durch die sich verändernde Altersstruktur, wirken sich sowohl förderlich auf das Marktsegment Gesundheits- und Wellnesstourismus, aber eben auch auf die Nachfrage nach barrierefreien Reise- und Urlaubsangeboten aus. Das belegen alle Vereine, Verbände und Anbieter.
Zweitens: Der Anteil älterer Menschen - Herr Schubert hat einen Gedanken dazu gesagt - erhöht sich in den nächsten 25 Jahren von gegenwärtig rund 20 auf ca. 36 Prozent unserer Gesellschaft, ob wir
das wollen oder nicht. Wir haben über den Demographiebericht im Plenum geredet. Das ist jetzt die Gesamtbundeszahl, ich glaube nicht, dass die Landeszahl wesentlich davon abweichen wird.
Drittens: 1972 unternahmen 41 Prozent der über 60-Jährigen mindestens einmal im Jahr eine längere Urlaubsreise. Heute sind es 75 Prozent, also fast eine Verdopplung in dieser Altersgruppe, die eine längere Urlaubsreise unternehmen. Dem muss ich doch auch ein Angebot entgegenhalten.
Viertens: Menschen mit Mobilitätseinschränkungen reisen dagegen ca. 20 Prozent weniger. Als Ursache werden insbesondere die bestehenden Barrieren genannt. Also gibt es doch eine Aufgabe, uns diesen Fragen zuzuwenden.
Fünftens: Senioren sowie Menschen mit Behinderungen - Herr Heym, das haben Sie selber gesagt - bevorzugen vor allem Inlandsreisen in der Nähe ihrer Heimatorte. Mit 545 € pro Reise nehmen Seniorenhaushalte die Spitzenposition bei Reiseangeboten ein.
Diese und andere Fakten lassen doch berechtigterweise nur den Schluss zu, dass die Schaffung von barrierefreien Angeboten nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch den älteren Menschen und Familien mit Kleinkindern entgegenkommt. Herr Dr. Schubert hat das in seinem Redebeitrag hier bereits ausgeführt; ich wollte das nur noch einmal bekräftigen. Hierdurch können auch gemeinsame Urlaubsaktivitäten verschiedener Generationen ermöglicht werden.
Gleichzeitig, davon bin ich überzeugt, sind Menschen mit Behinderungen als touristische Zielgruppe von der Thüringer Tourismuswirtschaft noch nicht im vollen Umfang erkannt. Ich sage noch mal, Einzelbeispiele können darüber nicht ganz hinwegtäuschen. Darüber hinaus gibt es oftmals lediglich ein begrenztes Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und oftmals sind sie auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern abgestimmt als eine spezifische Gruppe. Jedoch wirken sich die vorhandenen baulichen und sozialen Barrieren sowie die fehlenden Leit- und Orientierungssysteme dämpfend auf die Reiselust der Betroffenen aus. Deshalb ist eine wesentliche Voraussetzung für den barrierefreien Tourismus, dass die gesamte touristische Leistungskette in die Überlegungen zur Angebotserweiterung einbezogen und berücksichtigt wird, da behinderte Reisende keine Spezialangebote im Sinne eines - ich setze es mal in Anführungsstriche - „Behindertentourismus“ suchen, sondern im Sinne des „Tourismus für alle“ dieselben Angebote anneh
Dafür ist nicht in allen Fragen das Land verantwortlich. Das geht vom Land bis hin vor Ort zu den Verbänden und bis in die Kommunen hinein. Das alles ist vielen in der Politik und in der Tourismusbranche mehr oder weniger bekannt. Wir registrieren, dass es auch in Thüringen Studien, Veranstaltungen, geförderte Pilotprojekte und Beispiellösungen gibt. Aber wo bleibt der Durchbruch z.B. für ein Thüringer Markenzeichen „barrierefreier Tourismus für alle“?
Herr Heym, Sie haben das auch so gesagt. Das gibt es meines Wissens gegenwärtig nur in Bayern. Wir sollten uns Bayern auch in dieser Frage wieder mal als Vorbild nehmen. Ich habe nichts dagegen, auch wenn politisch vielleicht die dortige Landespolitik nicht nach meiner Nase ist.