Protokoll der Sitzung vom 02.03.2007

(Unruhe bei der SPD)

Aber auf der anderen Seite sehe ich allerdings natürlich auch eine große Übereinstimmung - eine Übereinstimmung im Zweifel an der Sinnfälligkeit der 380-kV-Hochspannungsleitung, so wie sie uns jetzt vorliegt, denn die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, sie fragen zumindest, ob die Leitung energiewirtschaftlich und versorgungsseitig überhaupt notwendig ist. Genau das frage ich mich seit Monaten und nicht nur ich frage mich das, sondern das fragen sich Tausende Menschen in Thüringen, das fragen sich Menschen in Bayern und darüber hinaus. Das fragen sich Menschen beileibe nicht nur dort, wo sie vielleicht auch mit einer Stromleitung in Mitleidenschaft gezogen werden würden, das fragen sich viele Menschen in dieser Region. Genauso - wie einige Kollegen hier im Landtag auch schon angesprochen haben - sehe ich natürlich auch die Probleme mit der Windkraft. Es ist offensichtlich, dass es Probleme mit der Windkraft gibt, die als Begründung

(Beifall bei der CDU)

für den Bau der 380-kV-Leitung hier auch immer wieder genannt werden.

(Unruhe bei der CDU)

Denn mit dem Tempo kommt man nicht voran. Es ist auch aus einer Kleinen Anfrage, die Bodo Ramelow im Deutschen Bundestag gestellt hat, erkennbar, dass 15 dieser Offshore-Anlagen genehmigt sind, dass aber bis jetzt noch nicht eine im Bau ist. Man kann hier auch erkennen, dass es große Probleme bei dem Genehmigungsverfahren oder nicht bei den Genehmigungsverfahren, sondern bei der Bauausführung gibt.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Wenn sie genehmigt sind, gibt es mit den Ge- nehmigungsverfahren keine Probleme.)

Frau Kollegin Becker, Sie können doch gern nachher nach vorn kommen und können dagegenargumentieren, die SPD auch, es steht doch jedem hier in diesem Parlament frei. Aber es gehört auch zu den Gepflogenheiten...

(Glocke der Präsidentin)

Danke schön.

Wenn man das weiß, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man das Geschwafel von Vattenfall die ganze Zeit angehört hat - und das habe ich -, wie notwendig diese Trasse ist, und wenn dann auch noch solche Argumente kommen, wie „ein licht

durchfluteter Raum des Lebens“ soll diese Trasse werden, oder andere Erklärungen kommen noch dazu, man könnte ja die Masten sogar als schöne Wegweiser im Thüringer Wald verwenden, dazu brauchte ich nichts mehr zu sagen, darauf haben die Bürgerinnen und Bürger entsprechend auch reagiert. Ich bitte Sie schon um Verständnis dafür, dass es für mich als Bürgermeisterin in einer doch von den Auswirkungen dieser Leitung betroffenen Städte und Gemeinden überhaupt keine andere Alternative geben kann, als diese Leitung mit allen zur Verfügung stehenden parlamentarischen, außerparlamentarischen und rechtlichen Schritten zu bekämpfen. Das kündige ich hier auch schon im Thüringer Landtag an.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie können sich ja dann mit dem Kollegen Krapp zu- sammentun.)

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich glaube, dass das jetzt eine Sache ist, die Thüringen betrifft. Ich glaube, dass man darüber auch überparteilich diskutieren muss und auch diskutieren kann, denn es ist eine wichtige Sache, die viele Bürgerinnen und Bürger hier in Thüringen betrifft.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Da müsste man aber darüber diskutieren.)

Was mich allerdings verwundert, dass so ein Antrag hier in diesem Parlament und zum anderen eine mündliche Anhörung, die doch von allen Fraktionen hier im Thüringer Landtag gefordert worden ist, im Ausschuss für Bau und Verkehr mit Mehrheit der CDU-Fraktion abgelehnt worden ist. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, es gehört zu den parlamentarischen Gepflogenheiten, dass man sich zumindest die Argumente der Interessengemeinschaft „Achtung Hochspannung“, der BiS, der Verbände, der Vereine, der Städte und Gemeinden, dass man sich diese zumindest auch einmal anhört und nicht vorerst so eine Anhörung abschlägig beurteilt. Ich glaube, das gehört ganz einfach auch zu Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit. Ich fordere auf - und das war auch heute hier schon ein Antrag, der kam -, dass eine solche Anhörung stattfinden soll.

Allerdings möchte ich noch auf eines hinweisen: Reden ist sicherlich das eine, handeln das andere. Ich möchte auch darauf verweisen, die Mitglieder des Stadtrates meiner Heimatstadt haben sich einstimmig dafür entschieden, gerichtlich gegen das Raumordnungsverfahren vorzugehen, und streben ein Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Weimar an. Wir gehen davon aus,

dass bei den gravierenden Verfahrensfehlern, die im Raumordnungsverfahren gemacht worden sind, dieses Raumordnungsverfahren einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird. Das ist eine Maßnahme, die letzte Woche auch vonseiten des Stadtrates ergriffen worden ist. Bereits im September vergangenen Jahres hat der Kreistag des Ilm-Kreises mit großer Mehrheit - und da gab es nur eine Stimmenthaltung, die des Abgeordneten Klaus von der Krone, der ja auch Landtagsabgeordneter ist - den Beschluss gefasst, diese Leitung abzulehnen. Bei dieser Beschlussfassung wurde u.a. darauf verwiesen, dass bereits im Rahmen der Umsetzung des Verkehrswegeprojekts ICE-Strecke Ebensfeld-Erfurt sowohl im Raumordnungsverfahren als auch im darauffolgenden Planfeststellungsverfahren der Bau einer 110-kV-Bahnstromleitung über den Rennsteig als nicht raumverträglich abgelehnt wurde und bei diesem Abschnitt eine andere Lösung gefunden worden ist. Ich warte schon mit sehr großem Interesse darauf, was im Ergebnis zum Raumordnungsverfahren rauskommt und welche Gründe dann eventuell pro 380-kV-Leitung vorgebracht werden, wo doch alle Welt weiß, dass sich die in Bezug auf Natur, Landschaft und Tourismus vorgefundene Ausgangssituation im Bereich der möglichen Trasse seit dem damaligen Planfeststellungsbeschluss eher noch verschärft hat. Da gibt es mittlerweile sich stabilisierende touristische Infrastruktur und die ist maßgeblich wichtig natürlich auch für den Tourismus.

Da ich annehme, dass in diesem Hause noch nicht jeder verinnerlicht hat - wir hatten ja im Ausschuss für Bau und Verkehr auch das Thema 380-kV-Leitung wieder, Herr Minister Trautvetter -, dann will ich das hier noch mal ganz laut wiederholen: Der Naturpark Thüringer Wald und der unter Naturschutz stehende Rennsteig sind eines der Markenzeichen Thüringens schlechthin. Die verstellt man eben nicht mit 70 bis 100 Meter hohen Masten, da schlägt man keine Schneisen bis zu 120 Metern Breite, zumal man dann auch noch begründen muss, warum beim Bau der ICE-Strecke eine 110-kV-Freileitung mit Masthöhen zwischen 10 und 30 Metern nicht ging. Sehr neugierig bin ich darauf - wenn die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens dann vorgestellt werden -, wie man einen Brief des Bundesumweltministers Gabriel an den Deutschen Städte- und Gemeindetag vom Mai vergangenen Jahres bewertet, der noch einmal deutlich vor überstürzten Entscheidungen zum Bau von oberirdischen Stromtrassen im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergie warnt und darauf hinweist, den erforderlichen Netzausbau zumindest in bestimmten Gebieten in Form von Erdverkabelungen den Vorzug zu geben. Ich erwarte in diesem Zusammenhang - auch wenn der Herr Minister darauf wieder reagieren wird -, dass man Kopplungsmöglichkeiten mit bereits planfestgestellten Infrastrukturmaßnahmen wie zum Beispiel

dem ICE prüft. Wenn schon der Thüringer Wald mittels Tunnel für die Bahn unterquert werden soll, warum dann nicht gleich parallel dazu ein Tunnel für eine Stromleitung. Und das geht, Herr Minister.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich möchte Ihnen da auch drei Varianten vorstellen, die wir im Ausschuss nicht so intensiv beraten konnten. Erstens: Man würde den Rettungsstollen, der ja sowieso vorgesehen ist, der auch parallel zum Tunnel gebracht werden muss, durchgängig ohne Unterbrechung bringen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Und beim Unfall wird er abgeschaltet.)

Man kann diesen Stollen für beide Funktionen machbar und möglich machen, indem man dies durch eine Abtrennung bringt. Sie müssen sich ganz einfach mal mit entsprechenden Fachleuten dazu unterhalten. Oder zweitens: Man könnte sich an die Lösung im Brenner-Basistunnel anlehnen. Dort hat man den beim Baubetrieb zur Entwässerung und Lüftung benötigten Stollen heute als Kabelstollen in Nutzung. Übrigens, auch da sei gesagt, die EU hat sich an diesem Projekt mit 40 Mio. € beteiligt. Es gäbe auch noch eine dritte Variante, die einen separaten Kabelstollen parallel zum Tunnel darstellt, und hier könnten auch Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Baumaßnahmen ICE und der Leitung genutzt werden.

Herr Minister, und ich kann Sie wiederholt nur auffordern und das tue ich immer und immer wieder, weiterhin nach alternativen Möglichkeiten zu suchen und diese zu prüfen auf der Grundlage eines Gutachtens und nicht nach Gutdünken.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal auf zwei Interviews verweisen mit führenden Leuten von Vattenfall, u.a. mit Herrn Wolfgang Neldner, Chef des Netzbetreibers Vattenfall Europe Transmission, der da sagt: Tunnel kommt nicht in die Tüte - das war in der TA nachzulesen oder im „Freien Wort“ -, lassen Sie uns mal fünf Sekunden darüber nachdenken.

Herr Minister, ich fordere Sie auf, zwingen Sie, dass man nicht nur fünf Minuten darüber nachdenkt, sondern dass man ernsthaft darüber nachdenkt, wie man verschiedene Möglichkeiten auch finden kann, um, wenn eine Verkabelung notwendig ist, wenn die Notwendigkeit gegeben ist, dies auch in bestehende oder in bereits planfestgestellte Infrastrukturmaßnahmen mit einzubinden. Ich möchte auch mal mit Ihrer Erlaubnis aus diesem Interview zitieren. Ich weiß nicht, bei mir haben da alle Alarmglocken geklingelt.

(Unruhe bei der CDU)

Da fragt zum Beispiel der Journalist - es geht hier noch mal um die Leitung -: „Von dieser Leitung hat Thüringen nichts?“ „Nein“, antwortet er, „aber wir haben eine freie Leitung beantragt und wir werden sie auch bauen.“

„Sie wollen also im Naturpark mit dem Bulldozer unterwegs sein?“ Da antwortet Herr Neldner: „Wir haben Pantoffeln an und behandeln den Thüringer Wald als Wohnzimmer.“

Wenn Sie über eine solche Aussage noch lachen können, die hier getroffen worden ist, dann weiß ich nicht mehr. Wir sind verantwortlich hier für dieses Land Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Aber nicht nur Sie alleine, Frau Kollegin.)

So etwas hier einfach nur zu akzeptieren, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, das ist eine Unmöglichkeit.

(Unruhe im Hause)

Kommen Sie doch einfach nach vorn, reden Sie hier vorn, das können Sie gern tun und dann können Sie auch dagegen argumentieren. Aber ich finde, ich muss Ihnen das mal …

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie sind die einzige Retterin des Thüringer Waldes.)

(Glocke der Präsidentin)

Von Ihnen, muss ich ehrlich sagen, habe ich noch nichts gehört, gar nichts.

Herr Abgeordneter Höhn, Sie können hier vorn das Wort ergreifen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, genauso wie ich mich bei denen einreihe, die mit ganzer Kraft gegen die 380-kV-Leitung kämpfen, genauso reihe ich mich auch bei denen ein, die für den Ausbau erneuerbarer Energien streiten. Für mich ist das kein Widerspruch, für mich bedingt das eine das andere. Energiesparen und die effektive Nutzung von Energien stehen angesichts der drohenden Klimaveränderungen - gestern hatten wir das Thema - genauso auf der Tagesordnung wie der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien. Erneuerbare Energien, das ist meine Überzeugung, müssen dem Prinzip der Dezentralität folgen. Das EEG - ist heute hier auch schon angesprochen worden - regelt zwar

die Pflicht zur Abnahme alternativer Energien, aber es wird niemand gezwungen, Energiemengen aus alternativen Energien an Standorten zu produzieren, an denen kein Bedarf der Abnahme besteht, und diese dann über mehrere hundert Kilometer über Bundesländer hinweg, bei Netzverlusten und gigantischen Einschränkungen im Sinne des öffentlichen Gemeinwohls an den Endverbraucher zu transportieren. Das ist ein Schwachpunkt im EEG. Das EEG ist gut gemeint, aber an dieser Stelle ist es handwerklich schlecht gemacht. Ich sehe dringenden Änderungsbedarf bei § 2 Abs. 1 Nr. 3, bei dem Anwendungsbereich, und ich sehe auch Änderungsbedarf bei EnWG, und zwar in § 11 Abs. 1, auch hier muss eine klarstellende Ergänzung in das Gesetz mit hinein. Ich sehe für Thüringen hier auch eine dankbare Aufgabe, im Bundesrat sich für eine Novellierung dieses Gesetzes einzusetzen und dafür einzutreten, Strom aus regenerativen Energien nicht nur gleichmäßig im gesamten Bundesgebiet zu verteilen, sondern ihn auch gleichmäßig zu erzeugen und die wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht nur an den Investitionskosten einer Leitung, sondern auch an einer volkswirtschaftlichen Betrachtung festzumachen.

Ich würde mir wünschen, dass die Landesregierung im Zuge der Umsetzung des Antrags der CDU-Fraktion auch diesen Aspekt mit berücksichtigen würde. Genauso würde ich mir wünschen, dass die Landesregierung auch zu der Frage Stellung bezieht, wie viel Kapazität dieser 380-kV-Leitung tatsächlich für den Windstrom gebraucht würde und wie viel Kapazität Vattenfall als Netzbetreiber für seine Gewinnmaximierung durch Stromhandel in diese Leitung installieren will. Hier geht es nicht um die Einspeisung und Nutzung von regenerativen Energien, es sind Scheinargumente und das muss man auch als solche akzeptieren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Hier geht es um Stromhandel und dafür eignet sich unter anderem auch das Pumpspeicherwerk in Goldisthal, das natürlich auch Vattenfall gehört, und da kann man eben billigen Strom aus Atomkraftwerken oder Braunkohlekraftwerken zu günstigen Zeiten superteuer verkaufen. Wenn man sich das mal an der Börse ansieht, wie Strom gehandelt wird, da kostet die Stunde unter 20 € bis 400 €, je nach Tageszeit. Dafür ist diese Leitung gedacht. Ich bin nämlich überzeugt davon, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass mit einer Verstaatlichung der überregionalen Stromnetze, so wie das in anderen EU-Staaten gang und gäbe ist, neben vielen anderen Vorteilen auch die Dimensionierung dieser Stromleitungen bedeutend kleiner ausfallen würde, wenn es dabei nur - das, was hier auch immer angesprochen worden ist - um die Versorgungssicherheit gehen würde und nicht noch um die Gewinninteressen der Strom

Multis.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung zur Atomenergie, das war ja heute hier auch schon Thema. Ich warne die CDU davor, die Debatte um die 380-kV-Leitung und den CO2-Ausstoß als Klimakiller Nummer 1 dazu zu missbrauchen, den Ausstieg aus dem Ausstieg der Atomenergie zu betreiben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)