Protokoll der Sitzung vom 22.06.2007

Nur Thüringen hat sich, was die Kreditaufnahme angeht, seit 2004 noch einmal spürbar verschlechtert gegenüber den anderen neuen Bundesländern.

(Beifall bei der SPD)

Und wenn Prof. Seitz zu Thüringen sagt, die Ursachen sind hauptsächlich hausgemacht, weil zu viel Geld in ineffiziente Strukturen finanziert wird, dann werden Sie dem sicher nicht widersprechen können.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Kosten dieser unsoliden Finanzpolitik sind überproportionale Zinslasten.

Wir müssen im Jahr etwa 730 Mio. € an die Banken nur Zinsen zahlen. Im Vergleich - nun sind die Ränge hier ziemlich leer -, aber wenn man mal sieht, dass der Innenminister in seinem Einzelplan gerade mal 450 Mio. € im Jahr zur Verfügung hat, oder wenn man sieht, dass wir für den Justizbereich für sämtliche Gerichte, Staatsanwaltschaften, Gefängnisse 290 Mio. € brauchen und da müssen wir über 700 Mio. € nur für Zinsen abdrücken, da weiß man, wie einem das wehtut, und das Ganze bei den historisch niedrigen Zinssätzen. Wenn sich da ein bisschen die Schraube dreht, da haben wir schnell 100 oder 200 Mio. € Zinsausgaben mehr; das muss jeder wissen.

Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Diezel, ich freue mich, dass die Steuerquellen sprudeln im Moment. Das ist gut, das ist auch gut für unser Land. Ich möchte Sie auch ausdrücklich darin bestätigen, in dem Kurs weiterzumachen, die Steuermehreinnahmen dazu zu verwenden, keine weiteren Kreditaufnahmen zu machen.

Wir haben natürlich auch gestaunt, wie schnell Sie plötzlich doch auf dem SPD-Kurs waren, so schnell wie möglich die Nettoneuverschuldung auf Null zu bringen. Ich weiß nicht, ob es abhängig davon war, dass Prof. Seitz im März bei Ihnen in der Haushaltsklausur der Landesregierung war. Das ist aber nur eine Vermutung.

Meine Damen und Herren, wir reden über die Dinge, die wir im Moment überschauen. Aber die größten Probleme kommen erst noch, ich will mal die vier wichtigsten nennen:

Das ist einmal die sinkende Bevölkerungszahl. Die Einwohnerzahl von 2005 bis 2030, berechnet nach dem Bericht der Landesregierung, da haben wir minus 15,7 Prozent. Der Rückgang der Einwohnerzahl ist weitgehend proportional mit dem Verlust an Steuereinnahmen und mit den Mindereinnahmen aus dem Länderfinanzausgleich.

Zweiter wichtiger Faktor ist der West-Ost-Transfer. Der Solidarpakt II war bisher weitgehend konstant, ist ab 2009 stark fallend und 2019 geht er auf Null.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wenn es nach Frau Kraft gehen würde, wäre er schon jetzt zu Ende. Und das ist eine SPD-Fraktionsvorsitzende. Erklären Sie das mal lieber.)

Eine werden Sie ja finden. Wir sind uns doch hier einig, dass der Solidarpakt II unangetastet bleiben soll.

Hören Sie doch einmal auf die Ministerpräsidenten aus Bayern und Baden-Württemberg, da wissen Sie, wo die Post hingeht.

Dritter wichtiger Faktor - die EU-Mittel: Thüringen ist in der Förderperiode 2007 bis 2013 noch Ziel-1-Gebiet. Ab 2014 wird es gravierende Einschnitte geben. Die ostdeutschen Bundesländer befinden sich zwischen starken Lobbys im Westen und zwischen sehr strukturschwachen Ländern im Osten; im Prinzip ist es wie beim Sandwich, die Ostländer sind das Würstchen, was dazwischen hängt.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist aber das Leckerste.)

Der vierte Punkt, der uns in Zukunft stark belasten wird, das sind die Pensionslasten. Bei den Pensionsausgaben haben wir heute etwa 40 Mio. € pro Jahr. Nach den Schätzungen der Landesregierung werden es bis zum Jahr 2020 schon 270 Mio. € sein. Vorsorge ist dringend geboten. Auch der Rechnungshof weist in seinen Berichten, auch im letzten Bericht, wieder darauf hin, dass die Landesregierung nicht vorgesorgt hat und dass sie das dringend tun soll. Vorschläge der SPD gab es genug in Anträgen formuliert. Bisher wurde dort gemauert. Die Landesregierung sah keinen Handlungsbedarf, während beim Bund und einer ganzen Reihe von Bundesländern dort Vorsorge getroffen wird.

Nicht nur meine Schlussfolgerung ist es, dass die größten Probleme, vor denen wir finanzpolitisch stehen, vor uns liegen und dass wir uns im Moment noch um kleine Dinge unterhalten.

Meine Damen und Herren, die CDU hat die Mahnungen lange Jahre in den Wind geschlagen und dann unmittelbar nach der Landtagswahl 2004, ich sage einmal, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in der Staatskanzlei geheimbündlerisch eine Behördenstrukturreform ausgetüftelt.

(Unruhe bei der CDU)

Ich will jetzt hierzu nichts mehr sagen, weil wir ja heute Nachmittag schon lang darüber diskutiert haben, aber zu manchen Maßnahmen muss die Frage erlaubt sein. Wenn durch solche Maßnahmen einerseits die Qualität der Arbeit sinkt und andererseits die Kosten auch noch in die Höhe gehen, dann frage ich mich, wo bleibt der Effekt? Wo ist die Nachhaltigkeit in dem, was Sie vorschlagen? Oder werden die Maßnahmen jetzt nur durchgezogen, weil der Ministerpräsident sie einmal 2004 verkündet hat und jetzt dort nicht mehr abweichen will? Es soll 300 Mio. € im Jahr bringen, wenn das Ganze durchgezogen ist. Ich sage, diese Veränderungen reichen unter den vier Punkten, die ich vorhin genannt habe, bei wei

tem nicht aus. Zudem kommt die Behördenstrukturreform sehr spät und die Maßnahmen greifen nur langsam.

Meine Damen und Herren, Handeln ist jetzt angesagt. Das darf nicht nur halbherzig erfolgen, sondern jetzt muss die Regierung die Weichen stellen. Wie soll das aussehen? Herr Mohring hat das Ziel schon formuliert und gesagt, 2020 wollen wir mit einem Haushaltsvolumen von 7 Mrd. € auskommen. Gut, wenn das so klappen würde. Wenn wir allerdings schauen, wie das gemacht werden soll z.B. in das Zukunftspaket, welches die CDU geschnürt hat, dann stehen dort viele allgemeine Formulierungen wie Schulden abbauen, keine Neuverschuldung und Ähnliches. Wie es gemacht werden soll, steht da kaum drin. Einige wenige konkrete Punkte sind PPP-Projekte, das wissen wir, die alternative Finanzierung von Maßnahmen wird in die Zukunft verschoben, Schattenhaushalte. Auch wieder Verschiebungen von Ausgaben ins Morgen. Es steht auch drin Privatisierung von Aufgaben (z.B. Justizvollzugsanstalten). Da gibt es aber auch schon negative Erfahrungen anderer Bundesländer, die versucht haben, den Knast zu privatisieren. Also zweischneidige Sachen, ob da wirklich die Millionen auch entsprechend eingespart werden.

Insgesamt also einige Einzelmaßnahmen, kein geschlossenes Konsolidierungs- und Anpassungskonzept, kein Konzept für eine optimale Ausgestaltung der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen. Jeder weiß, wir brauchen größere Verwaltungseinheiten, wir brauchen flachere Hierarchien. Wir brauchen nur mal in die Nachbarländer zu gucken, nach Sachsen zum Beispiel. Dort steht die dreistufige Verwaltung auf dem Prüfstand. Von der sächsischen CDU-Regierung wird gesagt, die mittlere Verwaltungsebene ist weitgehend verzichtbar, wenn weitere Aufgaben an die Kommunen übertragen werden bei großen und leistungsfähigen Gemeinden, bei leistungsfähigen Landkreisen.

Jeder Mensch bei uns weiß, dass Einheitsgemeinden effizienter sind als Verwaltungsgemeinschaften. Dann ist es ein Fehler, wenn man schon kein Geld hat, Prämien für Gemeindefusionen auszusetzen, sondern man muss es beschließen, dass das gemacht wird, wenn man weiß, dass das richtig ist.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wenn Herr Althaus sagt, er redet nicht über eine Kreisreform, oder er redet nicht bis 2009 über eine Kreisreform, dann sind das Aussagen zum finanziellen Schaden für unser Land.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Erzähl doch nicht einen solchen Quatsch!)

Durch die CDU wird viel Zeit und Geld verplempert.

(Unruhe bei der CDU)

Wir haben schon heute acht Landkreise unter 100.000 Einwohner. Wir haben kreisfreie Städte, die viel zu klein sind und deshalb ständigen Geldmangel haben.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS: Rechnen, rechnen!)

Seitz und andere haben für die Kreisreform Einspareffekte von ca. 200 Mio. € pro Jahr ermittelt. Natürlich auch, wie bei der Behördenstrukturreform, wenn das Ganze umgesetzt wird, Ergebnisse, vollständiger Effekt in 10 bis 15 Jahren. Aber Sie müssen auch daran denken, wenn Sie mal in die Kreisverwaltungen schauen, wie viele Mitarbeiter dort über 55 sind, wie viele über 50 sind.

(Unruhe bei der CDU)

Sie brauchen sich nur die Statistik anzuschauen, dann wissen Sie, man kann das jetzt durchführen. Jetzt in den nächsten Jahren kann man die Kreisreform durchführen, ohne Personal zu entlassen, einfach durch Altersabgang. Das ist für mich ein ganz wichtiger und entscheidender Punkt. Wenn Sie den Zeitpunkt jetzt ewig rauströdeln, werden Sie das nicht mehr hinkriegen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, die Kreisreform ist die Basis für die Funktionalreform. Dann wird mit der Behördenstrukturreform auch ein richtiges Stück. Die Kreisreform ist die Basis für die effiziente Aufgabenerfüllung der Verwaltung sowohl beim Land als auch bei den Kommunen. Es ist ein Baustein zur finanziellen Gesundung unseres Landes. Den dürfen Sie nicht ewig rauszögern. Jedes Jahr, in dem Sie die Kreisreform hinauszögern, wird unseren Kindern und Enkeln eine zusätzliche Last aufgebürdet.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: So ein dummer Quatsch.)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wenn Sie die Kreisreform jetzt und in den nächsten Jahren nicht machen wollen, dann sagen Sie den Menschen im Land die Folgen, sagen Sie den Menschen, dass es noch mehr arme Städte und Gemeinden geben wird.

(Unruhe bei der CDU)

Sagen Sie den Menschen, dass die Kreisumlagen allesamt in die Höhe gehen werden und noch einmal die Städte und Gemeinden beschneiden. Sagen Sie den Menschen, dass auch in den nächsten 15 Jahren der Rotstift im Thüringer Landeshaushalt regieren wird und Sie, wenn Sie noch an der Regierung sein werden, weitere Kürzungen in den verschiedensten Bereichen vornehmen müssen. Sagen Sie das den Menschen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das hätten Sie gerne.)

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Mohring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich war beim Durchlesen der Tagesordnung zunächst überrascht, dass diese beiden Punkte „Entwicklung des Kommunalen Finanzausgleichs“ und die Große Anfrage der Linkspartei.PDS zusammen behandelt werden, weil ich denke, dass es zwei unterschiedliche Sachgebiete sind, die auch einer getrennten Beratung bedurft hätten. Deshalb will ich vielleicht auch noch einmal den kleinen Hinweis geben: Nicht überall, wenn „Finanzen“ auf der Tagesordnung steht, muss man das immer gleich zusammen behandeln. Aber angesichts der Wichtigkeit, die auch öffentlich dokumentiert wurde, will ich zu Beginn zwei Sätze sagen. Wenn ich in das Rund gucke, hier oben auf die Zuschauertribüne und vergleiche dazu die Pressespiegel der letzten Tage, dann frage ich mich ja schon, wo eigentlich die große dramatische Bedeutung bei der Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs ist. Wenn es denn so wichtig wäre, dann hätte ich mich gefreut, wenn uns die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände heute bei der Debatte beigewohnt und zugehört hätten.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb bin ich dankbar, dass der Innenminister dieser Debatte beiwohnt.

(Heiterkeit bei der CDU, Linkspartei.PDS)

Aber ich will das wirklich deutlich noch einmal sagen: Man kann nicht auf der einen Seite die Debatte nur über die Zeitung führen und jedes Gespräch, was wir anbieten, im Eklat enden lassen und wenn es darauf ankommt, dass sich das Höchste Haus dieses Landes mit den wichtigen Fragen des Kom