Geben Sie mir recht, dass ich formuliert habe, dass es gerade umgekehrt wichtig ist, die Aufgaben bei den Kommunen zu stärken und dass genau deshalb die Behördenstrukturreform und weitere dieser Re
Das haben Sie gesagt, das hat aber nichts mit meiner Argumentation zu tun, sondern es ging um die Frage, ob kleine Strukturen effizient sind, ob Zusammenlegung von Strukturen etwas bringt. Sie haben gesagt, kleine Strukturen sind genauso effizient und auf der anderen Seite legen Sie aber Strukturen zusammen, um mehr Effizienz zu gewinnen. Das ist aus meiner Sicht widersprüchlich und das bleibt es auch nach Ihrer Bemerkung.
Dann ist ja die Frage, wo nehme ich die Vorbilder für bestimmte Strukturvorstellungen her? Sie haben Bayern und Baden-Württemberg genannt. Nun kann man ja durchaus von erfolgreichen Ländern auch lernen. Aber man muss auch einmal fragen: Haben die denn die gleichen Voraussetzungen wie wir, wenn es um Strukturfragen geht? Bayern und Baden-Württemberg sind Geberländer. Bayern und BadenWürttemberg sind nach wie vor in einer Situation, in der es Bevölkerungszuwachs gibt, insbesondere durch Zuwanderung in diese Regionen. Thüringen ist ein Nehmerland, Thüringen bestreitet nur die Hälfte seiner Ausgaben aus eigenem Steueraufkommen. Thüringen ist ein Land mit deutlichem Bevölkerungsverlust und wird es auch in den nächsten Jahren bleiben. Deshalb kann ich, wenn ich über Strukturen in Thüringen nachdenke und notwendige Veränderung, mich eben nicht an Bayern und Baden-Württemberg orientieren, sondern ich muss mich an vergleichbaren Ländern orientieren wie beispielsweise Sachsen und Sachsen-Anhalt. Diese vergleichbaren Länder gehen genau in die Strukturreform hinein, die wir als SPD einfordern. Sie machen eine gekoppelte Verwaltungs- und Gebietsreform, die schaffen größere Kreisstrukturen, sie haben zum Teil größere Gemeindestrukturen geschaffen.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie sagen, solange sie in Verantwortung sind, wird es solche Strukturveränderungen in Thüringen nicht geben, dann kann ich nur im Interesse dieses Landes sagen, dann müssen wir dafür sorgen, dass Sie nicht mehr lange in Verantwortung bleiben.
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Mit was denn? Mit 15 Prozent? Wie wollen Sie das schaffen, Herr Matschie?)
Dann will ich zu Ihrem Vorwurf, Sie setzen im KFA ja nur das um, was wir über das Verfassungsgericht eingeklagt haben, ein paar Sätze sagen. Das neh
men Ihnen selbst Ihre eigenen Kommunalpolitiker nicht ab, sondern das, was das Verfassungsgericht vorgeschrieben hat, bedeutet, den Kommunen eine aufgabenangemessene Finanzausstattung zu geben - plus Spielraum für sogenannte freiwillige Aufgaben. Was die Kommunen im Kern kritisieren, ist die Frage, wie Sie mit Ihrer Korridorbildung angemessene Finanzausstattung definiert haben. Indem Sie gesagt haben, wir machen den Durchschnitt der Ausgaben, alles, was oben drüber liegt, schneiden wir vollständig weg, und von dem, was unten drunter liegt, gehen wir bis zur Hälfte. Daraus errechnen Sie die Aufgaben. Da sagen Ihre Kommunalpolitiker, das ist falsch. Das ist nicht angemessen und da war - das sind nicht meine Worte, Herr Althaus -
von Betrug die Rede und Ihre Stellvertreterin hat von grottenschlechtem Handwerk gesprochen. Nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis, Herr Ministerpräsident.
Dann haben Sie hier gesagt, sehr belehrend, man könne nur das ausgeben, was man auch erarbeitet hat. Das ist ja im Grundsatz richtig. Aber ich erinnere Sie daran, es war Ihre Landesregierung, es war Ihre Finanzpolitik, die in den letzten Jahren für massiv steigende Schulden in diesem Land gesorgt hat.
Sie haben unter allen neuen Bundesländern in den letzten Jahren die schlechteste Finanzperformance gehabt; das ist Ihnen immer wieder in das Stammbuch geschrieben worden.
Ich weiß gar nicht, wie Sie dazu kommen. Dann haben Sie Ihre Entscheidung zu Wasser - Herr Mohring, ich komme gleich noch zu Ihnen - und Abwasser noch einmal angesprochen und haben gesagt, Sie hätten hier vor der Wahl ein Problem erkannt und es dann nach der Wahl gelöst. In der Tat gab es heftige Auseinandersetzungen um die Beiträge. Aber die Auseinandersetzungen spielten sich vor allem im Feld des Abwasserbereiches ab, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Was Sie gemacht haben nach der Wahl, war, ohne dass ein zwingender Grund, ohne dass wirklich Not bestand, die Wasserbeiträge abzuschaffen.
Sie haben auch im Abwasserbereich etwas gemacht, das war sicher notwendig. Aber Sie haben die Wasserbeiträge abgeschafft, ohne dass danach die Öffentlichkeit gerufen hätte, und das in einer Finanzsituation mit dramatischer Schuldenaufnahme des Freistaats.
Herr Ministerpräsident, Sie haben damit dafür gesorgt, dass den Milliardenschulden eine weitere Milliarde Schulden hinzugefügt wird, die die Thüringer Steuerzahler über die Jahre tragen müssen.
Nein, da geht es eben nicht um die 144 Mio. €, die Sie zurückgezahlt haben. Da geht es um das, was im Sondervermögen im Landeshaushalt eingestellt ist, und um die Zinslasten, die Sie 30 Jahre lang dafür tragen müssen, dass die Wasserbeiträge zurückgezahlt wurden.
Die summieren sich auf 1 Mrd. €. Das müssen die Thüringer Steuerzahler irgendwann aufbringen und niemand sonst. Deshalb sage ich, das war unverantwortliche und falsche Politik und das bleibt es auch.
Dann, Herr Mohring, Familienpolitik: Sie sagen, Sie haben hier wirkliche Wahlfreiheit geschaffen. Auch wir gehen davon aus, dass Familien eigenständig entscheiden, wie sie mit der Kindererziehung umgehen. Niemand hat das bestritten. Natürlich, wer sonst entscheidet denn, wie lange ein Kind zu Hause erzogen wird und wann es in den Kindergarten oder in die Kinderkrippe geht. Niemand bestreitet das. Aber was Sie gemacht haben mit Ihrer Familienoffensive ist einerseits eine Umverteilung von Finanzmitteln bei den Familien untereinander. Bevor Sie die Familienoffensive gemacht haben, haben die gering verdienenden Eltern ein Landeselterngeld bekommen, um ihre schwierige Finanzsituation etwas auszugleichen. Davon konnten sie z.B. den Kindergartenbeitrag bezahlen und da blieb in aller Regel sogar noch ein bisschen was übrig. Nach Ihrer Familienoffensive müssen die Eltern mit geringem Einkommen, wenn sie das Kind in den Kindergarten schicken, das Landeselterngeld an den Kinder
garten geben. Sie haben also weniger zur Verfügung als vor Ihrer Familienoffensive. Die, die Geringverdiener sind, haben weniger zur Verfügung, aber dafür haben die Familien, die ein höheres Einkommen haben, jetzt auch ein Landeselterngeld. Die ganze Operation, wenn man die Familien untereinander betrachtet, heißt: Wer weniger hatte, dem ist etwas weggenommen, wer mehr hatte, dem ist etwas dazugegeben worden. Da sage ich, das ist eine falsche Politik sozialen Ausgleichs.
Die zweite Auswirkung der Familienoffensive: Sie haben bei den Kindergärten gekürzt. Was denn sonst? Dass das Angebot noch gut ist, das hat mit der enormen Anstrengung der Kommunen zu tun, auch von CDU-Kommunalpolitikern - natürlich -, aber nicht mit Ihrer Politik.
Die haben an vielen Stellen ausgeglichen, was Sie an Geld gestrichen haben. Zum Teil ist das auf dem Rücken der Erzieherinnen und Erzieher ausgetragen worden. Die haben nämlich Stunden reduzieren müssen, aber die Arbeit ist doch die gleiche geblieben. Natürlich arbeiten die für weniger Geld mehr. Aber die Schraube kann man doch nicht unendlich anziehen. Dann soll gleichzeitig ein Bildungsplan umgesetzt werden. Gehen Sie einmal in die Kindergärten und fragen Sie einmal, wie die das machen wollen, den Bildungsplan umzusetzen.
Die werden Ihnen sagen, das passt nicht zusammen die Kürzungen der Familienoffensive und der Bildungsplan auf der anderen Seite. Die brauchen eine andere Ausstattung, um den vernünftig umsetzen zu können.
Deshalb bleiben wir dabei: Es war falsch, was Sie mit der Familienoffensive gemacht haben, und es gibt ja nicht ohne Grund eine Elterninitiative, die dagegen ein Volksbegehren laufen hat. Auch da war Ihre Reaktion falsch. Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine politische Entscheidung über dieses Volksbegehren herbeiführen können, anstatt uns jetzt vor den Gerichten zu streiten, ob es überhaupt zulässig ist.
Dann will ich noch etwas sagen zu dem, was Sie hier zur Frage der Löhne in Thüringen gesagt haben und zu den Fachkräften. Herr Ministerpräsident, ich habe nicht gesagt, dass Deutschland nicht auch offen sein muss für Fachkräfte, die aus anderen Län
dern zu uns kommen. Natürlich muss es das. Auch Deutschland steht im Wettbewerb um die besten Köpfe in der Welt. Deshalb gibt es auch heute die Möglichkeit, dass Fachkräfte über einer bestimmten Einkommensgrenze ins Land kommen können, die hochspezialisierte Fachkräfte sind, die wir brauchen in diesem Land. Ich schließe ja auch eine Debatte nicht darüber aus, ob diese Grenze auch in Zukunft richtig gezogen ist. Aber bevor ich die Debatte aufmache, ob wir mehr Fachkräfte aus anderen Ländern hereinlassen, will ich doch zumindest erst einmal die Frage stellen, wie gehen wir denn mit den Leuten um, die hier selbst im Land sind, die das Land verlassen müssen, weil sie keine ausreichenden Jobs finden, die das Land verlassen müssen, weil die Bezahlung hier zu schlecht ist und irgendwo anders hingehen.
Lassen Sie uns doch an dieser Stelle anfangen und lassen Sie uns nicht sofort ausweichen und sagen, dann holen wir uns die Leute eben woanders her. Natürlich ist Qualifizierung schwieriger, natürlich ist gute Bildungspolitik schwieriger und es ist einfacher, die Tür aufzumachen und zu sagen, kommt rein. Aber wir müssen uns dieser schwierigen Anstrengung stellen, wir müssen Menschen hier in Thüringen die bestmögliche Ausbildung geben und wir müssen sie qualifizieren,
Dann haben Sie gesagt, Sie halten fest am Leistungsgedanken im Bildungssystem und Ihr Leistungsgedanke beruht auf der Auslese. Ich weiß nicht, ob Sie sich das richtig überlegt haben, Herr Ministerpräsident. Denn das, was als Auslese in diesem System passiert, und das sagen uns wissenschaftliche Untersuchungen, die wir dazu haben, passiert oft nicht entlang der Leistungsfähigkeitsgrenze von Menschen. Die Hälfte aller Übergangsempfehlungen aufs Gymnasium entspricht nicht der Leistung der Kinder. Das hat etwas damit zu tun, dass - erstens - diese Übergangsempfehlung zu einem sehr früheren Zeitpunkt kommen muss und dass hat - zweitens - etwas damit zu tun, dass bei dieser Übergangsempfehlung ganz offensichtlich der soziale Hintergrund des Kindes eine ganz entscheidende Rolle spielt.
Da kann ich doch nicht sagen, dass ist leistungsgerecht, was hier an Auslese betrieben wird. Im Gegenteil, hier liegen Leistungsreserven brach, weil Kinder in Sackgassen geschickt werden,