Aber ich werde mich auch weiterhin nicht einschüchtern lassen. Für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns gibt es kein überzeugendes, nicht mal ein passables Argument. Selbstverständlich ist es unser Ziel, dass alle, die arbeiten wollen, eine Arbeit finden, mit der ein Einkommen zu erzielen ist, mit dem so etwas wie ein landesüblicher Standard der Lebensführung und -vorsorge erreichbar ist. Darüber muss man nicht streiten. Das Anliegen, dass diejenigen, die Vollzeit arbeiten, von ihrem Einkommen auch leben können und deutlich mehr bekommen als das Existenzminimum, unterstütze ich, unterstützt meine Fraktion. Es geht aber vor allen Erwägungen rund um diese oder jene Vorstellung von einem angemessenen Einkommen darum, ob mit einem als verbindlich geltenden flächendeckenden Mindestlohn der Beschäftigungsmisere in den unteren Qualifikationsbereichen beizukommen ist. Das Signal, jetzt einen Mindestlohn einzuführen, weist in allen Belangen in die falsche Richtung - ökonomisch, weil der gesetzliche Mindestlohn die kostenbedingte Arbeitslosigkeit erhöht; finanzwirtschaftlich, weil der Staat die durch den Mindestlohn verhärtete und steigende Arbeitslosigkeit aus Steuern und Krediten zu alimentieren hätte; politisch, weil der Staat unvermeidbar zum gegnerschaftlich bestreikten Partner würde, wenn der Mindestlohn nicht zur Zufriedenheit der Gewerkschaften geriete. Man kann es drehen und wenden, wie man will, mit dem gesetzlichen Mindestlohn gerieten Staat, Gesellschaft und Wirtschaft auf eine Rutsche, die ökonomisch und politisch nicht dahin führt, wo Wohlstand und Gerechtigkeit zu Hause sind. Der gesetzliche Mindestlohn weist einen verhängnisvollen Irrweg. Es ist außerdem unredlich, Deutschland mit seinen starren Arbeitsmarktregeln und hohen Lohnzusatzkosten mit Ländern wie Großbritannien zu vergleichen, denn diese Länder haben ein nicht mit Deutschland vergleichbares Sozialsystem. Ein Mindestlohn von 6,50 € pro Stunde bringt
den Beschäftigten netto nur etwa 4,80 € Stundenlohn, kostet die Arbeitgeber aber mehr als 8,60 € pro geleisteter Arbeitsstunde. Das war auch einer der Gründe, weshalb das Konzept des solidarischen Bürgergeldes entwickelt wurde. Es ist eine echte Alternative zum Mindestlohn.
Statt Arbeitsplätze zu vernichten, schafft es allein im Niedriglohnbereich über 1 Mio. Vollzeitarbeitsplätze, aber es bringt auch den Beziehern niedrigerer Einkommen mehr. Ab einem Stundenlohn von 2,15 € hat ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in Verbindung mit dem solidarischen Bürgergeld von 800 € abzüglich 200 € Gesundheitsprämie ein höheres Einkommen als bei einem Mindestlohn von 6,50 €. Bei einem Stundenlohn von 4,50 € hat ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in Verbindung mit dem solidarischen Bürgergeld sogar ein um 190 € höheres Monatsnettoeinkommen als bei einem Mindestlohn von 6,50 €. Die Grundlage hierbei bilden 160 Monatsarbeitsstunden. Das heißt, meine Damen und Herren, ein Mindestlohn vernichtet nicht nur Beschäftigung, er stellt die Beschäftigten auch schlechter als ein garantiertes Mindesteinkommen für alle. Fachleute warnen zu Recht vor der Einführung von Mindestlöhnen, weil diese Arbeitsplätze gefährden. Gerade die Debatte um einen Mindestlohn unterstreicht, wie wichtig es ist, eine klare Alternative zu diesem ökonomisch gefährlichen Weg zu haben. Die ordnungspolitische Begründung des Unsinns Mindestlohn trägt leider bei den Menschen aus unterschiedlichen Gründen nicht - daher klare Ansage: Wer in Vollzeit arbeitet, muss existenzsicherndes Einkommen bekommen. Und da sage ich: Mindesteinkommen statt Mindestlohn,
weil es Wachstum und Beschäftigung schafft, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern netto mehr bringt und vor allem die notwendige Solidarität der Gesellschaft sichert. Man kann wohl nicht oft genug daran erinnern, wie frisch die Grundeinkommensdiskussion in Deutschland noch ist. Dass sie jetzt bereits eine wichtige Rolle in der Programmdiskussion der CDU spielt, haben wohl die wenigsten erwartet. Unter der Leitung unseres Ministerpräsidenten Dieter Althaus ist Mitte September in der CDU die Kommission „Solidarisches Bürgergeld“ zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Die Kommission soll das Thema „Solidarisches Bürgergeld“ sachlich begleiten und weiterentwickeln. Auf der Agenda stehen Fragen der Finanzierung, der moralischen und rechtlichen Beurteilung vor dem Hintergrund der langfristig ohnehin notwendigen Veränderungen im Steuer- und Sozialsystem. Ich erinnere daran, dass der Vorsitzende des DGB Thüringen die
sen Vorschlag „solidarisches Bürgergeld“ als interessanten Vorschlag eingestuft hat. Es geht also dabei nicht mehr nur darum, ob ein Grundeinkommen eingeführt werden soll, sondern gleichzeitig auch darum, wie ein einhergehender Umbau der sozialen Sicherung ausgestaltet werden könnte. Dabei hat das Grundeinkommenskonzept gegenüber den bestehenden Sozialversicherungssystemen den Vorteil, dass es nicht über den Faktor Arbeit finanziert wird und der bürokratische Aufwand, wie er mit der Sozialversicherungsverwaltung verbunden ist, nahezu vollständig entbehrlich wäre. Das ist einerseits erfreulich, weil dadurch eine Realisierung eines Grundeinkommens tatsächlich näher rückt, andererseits sind sicherlich manche erschrocken, was mit einer visionären Forderung passieren kann, wenn sie erst einmal von Parteien für sich vereinnahmt wird. In den Sog der Realpolitik geraten, kann es dabei urplötzlich vorrangig um Fragen der kurzfristigen Finanzierbarkeit und realpolitischer Machbarkeit gehen, hinter denen die Ursprungsforderung der strukturellen Reform der Sozialsysteme nur noch schwer erkennbar ist. Das ist ein Bohren dicker Bretter und braucht Zeit, zumal bei anderen Parteien in dieser Frage entweder Ablehnung oder merkwürdige Stille herrscht. Auch die Thüringer SPD kann immer nur das Plakat „Mindestlohn“ hochhalten und der Versuch, dieses zum Mobilisierungsthema für den nächsten Bundestagswahlkampf zu machen, ist unübersehbar. Doch glauben Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, einen Wettbewerb über die Höhe des Mindestlohns werden Sie gegen den Salon-RobinHood Lafontaine immer verlieren.
Nun hat die Berliner Koalition in Meseberg im August einen Kompromiss gefunden, um für die aktuelle Situation Antworten zu finden. Ich bin mit dieser Lösung nicht zufrieden. Die Probleme will ich gleich noch schildern. Wenn aber in Umfragen zwei Drittel der Deutschen für Mindestlohn sind, wenn aber die Probleme mit Hartz IV wachsen, die Zahl der Aufstocker rasant zunimmt, muss Politik handeln, bis Reformen wie das Bürgergeld greifen können. Der Mindestlohn-Kompromiss der Großen Koalition sieht die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und die Anwendung eines aktualisierten Mindestarbeitsbedingungsgesetzes als branchenbezogenes Verfahren für Lohnuntergrenzen vor. Wir stehen zu diesem Kompromiss mit Bauchschmerzen, meine Damen und Herren. Nur die SPD ist wortbrüchig - wie versprochen, so gebrochen. Der SPD-Bundesvorsitzende Beck, der ja wohl bei den Koalitionsverhandlungen eingebunden ist, bringt als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz einen Gesetzentwurf für flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in den Bundesrat ein. Meine Damen und Herren, das ist Bruch der Vereinbarung.
Auch die Berliner SPD fordert einen allgemeinen Mindestlohn von 7,50 €. Ich darf nur daran erinnern, dass in Berlin die Tarifauseinandersetzungen für den eigenen öffentlichen Dienst mit ver.di laufen. Ver.di fordert von Herrn Wowereit, dem Bürgermeister, mehr soziale Gerechtigkeit für gute Arbeit. Also auf der einen Seite solche Gesetze in den Bundesrat einzubringen, aber selber mit den eigenen Beschäftigten nicht sehr pfleglich umgehen!
Meine Damen und Herren, alles Wahlkampfvorbereitung für das vermeintlich die eigene Wählerklientel mobilisierende Thema „Mindestlohn“.
Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie sehen, wo man hinkommt bei dieser Auswertung mit dem Mindestlohn. Morgen, glaube ich, wird wegen des Mindestlohns mit Blick auf die Post wieder im Bundesrat diskutiert. Sie können in den Medien verfolgen, wie schwierig gerade der Umgang mit diesem Tarifvertrag ist, den das ehemalige Monopolunternehmen mit ver.di ausgehandelt hat. All diejenigen, die sozusagen die Postkonkurrenz darstellen, die neuen Postdienstleister, sind natürlich in diesen Tarifvertrag gar nicht einbezogen und sagen sehr wohl, wenn der für allgemeinverbindlich erklärt wird, dass mindestens 20.000 Arbeitsplätze in den neuen Dienstleistungen verlorengehen. Florian Gerster, der Chef des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste, hat dieses gesagt.
Wem das noch nicht ausreicht, dem will ich gleich dazu sagen, auch der Einzelhandel kritisiert gerade diesen Mindestlohntarif, diese Mindestlohndebatte, weil der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels mehr als 10.000 Postagenturen und Servicestellen durch diesen Mindestlohn gefährdet sieht. Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung greift nach Auffassung des HDE in die Tarifzuständigkeit des Einzelhandels ein. Um der ganzen Sache noch eine Krone aufzusetzen, meine Damen und Herren, können Sie lesen, dass nun sogar noch versucht wird, eine eigenständige Gewerkschaft zu gründen, nämlich die Gewerkschaft der neuen Brief- und Zustelldienste e.V. mit Sitz in Köln, um als eigener Tarifpartner auch dort Tarifverträge zu machen.
Meine Damen und Herren, ein wunderbares Chaos, was durch solche Fragen dann auch angerichtet wird. Ich will Sie nur daran erinnern, wenn Sie sagen, die neuen Dienstleister würden mit Dumpingpreisen vielleicht arbeiten: Nein, die eigentliche Ursache, warum die unterschiedliche Löhne haben, liegt doch darin, dass die alte Post, jetzt nicht mehr Monopol, beispielsweise keine Mehrwertsteuer zahlen soll, 19 Prozent. Die bekommen das schon zusammen, warum die einen 8,90 € verlangen und die anderen mit 6,50 € rechnen. Denn das ist so in etwa die Dimension, in der wir uns in Ost- und Mitteldeutschland be
wegen. 19 Prozent, also keine Mehrwertsteuer, dann ist das natürlich klar, dass man neben all diesen gesetzlichen Problemen, die man damit hat, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.
Meine Damen und Herren, nachdem ich Ihnen meine und unsere Bauchschmerzen auch mit diesem Kompromiss vorgetragen habe, möchte ich nochmals sagen, wir stehen aber zu dem Kompromiss und werden sehen, was dabei rauskommt.
Ich will nur in Richtung der Kollegen der SPD sagen: Wenn der Herr Ministerpräsident Beck dann zu diesem Thema im Bundesrat aktiv ist, wird er dann hoffentlich da sein. Denn bei seiner letzten Aktion „Anreizregulierung“ hat man ja von diesem Bundesland überhaupt keinen Vertreter gefunden zu den eigenen Anträgen.
Frau Kollegin Taubert, zum Antrag Ihrer Fraktion für einen flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland noch Folgendes: Die SPD ist also auch auf diese - ja, wie soll ich mal sagen - wortbrüchige Linie ihres Bundesvorsitzenden eingeschworen. Ihr Antrag besteht aus drei Teilen. Der Punkt I beschreibt mit Wortmalerei Normalitäten und irrige Vorstellungen der SPD. Der Punkt II will die Landesregierung zum Bruch des Kompromisses der Großen Koalition auffordern und den Antrag von Rheinland-Pfalz im Bundesrat unterstützen. Dann ist klar, dass ich Punkt I und Punkt II im Namen meiner Fraktion natürlich ablehne.
Beim Punkt III will ich einen Augenblick noch verweilen. Rein formal ist er eine Blüte schlechtester Parteitagsprosa. Der Landtag bekräftigt, dass möglich und erwünscht ist, was die Koalition in Meseberg vereinbart hat - toll -, und weiter, dass diese Vereinbarung des Mindestlohnkompromisses vom Landtag unterstützt wird. Prima!
Nun noch einmal zurück: Gerade in den Punkten I und II wurde zum Bruch der Vereinbarung aufgefordert, also auch klar eine Ablehnung des Punktes III. Die Debatte um den Irrwegantrag „Mindestlohn“ der SPD-Fraktion unterstreicht, wie wichtig es ist, eine klare soziale Alternative zu diesem ökonomisch gefährlichen Weg zu haben. Ich bin für ein Mindesteinkommen statt eines Mindestlohns, weil es Wachstum und Beschäftigung schafft, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern netto mehr bringt und vor allem die notwendige Solidarität der Gesellschaft sichert. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass die SPD selbst ihren Antrag hier noch nicht vorstellen und begründen konnte, aber das ist sicher der Demonstration draußen für einen flächendeckenden Mindestlohn zu verdanken. Ich nehme an, dass wir den Redner dann anschließend hier begrüßen können. Ich möchte gleich voranstellen, dass unsere Fraktion dem Antrag der SPD-Fraktion trotz einiger Bedenken, die wir haben, zustimmen wird, obwohl die SPD-Fraktion in der Vergangenheit hier im Hause zwei Anträgen unserer Fraktion für einen flächendeckenden Mindestlohn nicht zugestimmt hat, weil die Höhe des Mindestlohns von 8 €, der von uns gefordert wird, zu hoch für die SPD war. Aber das ist die einzige Höhe, die eigentlich ein existenzsicherndes Einkommen ermöglicht. Das möchte ich voranstellen.
Herr Kretschmer, Sie hatten jetzt vom Bohren dicker Bretter gesprochen in der Diskussion um ein existenzsicherndes Grundeinkommen oder ein Mindesteinkommen, wie Sie es nennen. Das mag ja sein. Sicher sind die Bretter dick, wenn man das ganze Steuersystem und die Finanzierung bedenkt und umstellen will, aber eines muss ich Ihnen natürlich sagen: Für die Leute, die bei einer Vollzeitbeschäftigung oder einer Beschäftigung von 38,5 Stunden mit 450 € im Monat nach Hause gehen, können Sie noch eine ganze Weile bohren, deren Lebenslage wird sich nicht verbessern. Sie werden immer Aufstocker beim ALG II bleiben. Deshalb denke ich, dass es sehr notwendig ist, zu einer schnellen und guten Lösung zu kommen. Wir halten einen flächendeckenden Mindestlohn für die richtige Lösung. Das möchte ich hier voranstellen.
Wenn Sie hier die Diskussion zu den Koalitionsvereinbarungen auf Bundesebene aufmachen, dazu will ich mich nicht äußern, das müssen Sie mit dem Koalitionspartner klären auf der Bundesebene. Das ist erst einmal Ihre Sache, wir haben da unsere eigenen Positionen, die stellen wir in der Öffentlichkeit zur Diskussion und nicht den Streit innerhalb der Koalition. Das müssen Sie machen. Das geht uns eigentlich insofern nur etwas an, dass wir unsere eigenen Positionen formulieren. Wenn Sie hier zum Bürgergeld Ihre Positionen aufmachen, halte ich es für gerechtfertigt, auch das zu diskutieren im Nachgang, dass man
darüber nachdenkt und sagt, wir haben den Vorschlag, ihr habt den Vorschlag. Wir aber brauchen für den Moment eine Lösung. Längerfristig brauchen wir eine sehr gute Lösung, z.B. ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das wäre auch eine Lösung. Aber das müsste man dann diskutieren ohne Ideologisierung, glaube ich. Aber wenn Sie hier sagen, wenn dann zum Solidarischen Bürgergeld ein Stundenlohn von 2,15 € ein existenzsicherndes Einkommen garantiert, dann frage ich Sie: Was wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie das Bürgergeld über Steuern finanzieren und die Wirtschaft subventionieren, indem die Wirtschaft nur 2,15 € Stundenlohn bezahlt? Wem wollen Sie das denn zumuten, für 2,15 € zu arbeiten? Da kann ich gar nichts dazu sagen, es ist eigentlich ungeheuerlich.
Nun will ich noch einmal auf den Antrag der SPDFraktion zurückkommen. Wir sind tatsächlich auch der Auffassung und haben das hier auch mehrfach gesagt, dass ein gesetzlicher Mindestlohn notwendig ist, um Armut zu verhindern. Wer arbeitet, soll auch davon leben können. Das ist unsere Grundauffassung zu diesem Thema.
Ich möchte hier, gerichtet an die Adresse der SPD, doch noch einmal sagen und daran erinnern, dass durch die Hartz-IV-Gesetzgebung die Situation im Niedriglohnbereich sehr verschärft worden ist. Hartz IV ist Armut per Gesetz.
Sie können das dann nachher hier noch einmal darstellen. Hartz IV schafft auch per Gesetz prekäre Beschäftigungsverhältnisse und, Herr Kretschmer, prekäre Beschäftigungsverhältnisse finden wir nicht nur in den niedrig qualifizierten Bereichen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse finden Sie an den Hochschulen, finden Sie an Instituten. Da muss man doch darüber nachdenken, wodurch diese Situationen entstehen und was man dagegen tun kann.
Ich möchte noch einmal auf die Einkommenssituation in diesen unteren Bereichen eingehen. Rund 2,5 Mio. Vollzeitbeschäftigte in Deutschland beziehen sogenannte Armutslöhne. Es arbeiten bereits 36 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor. 24 Prozent bekommen prekäre Löhne und 12 Prozent erhalten die sogenannten Armutslöhne.
Prekäre Löhne bedeuten weniger als 2.163 € monatlicher Bruttolohn bei Vollzeitbeschäftigung. Das entspricht ungefähr 75 Prozent des Durchschnittslohnes. Von Armutslöhnen sprechen wir, wenn ein Mensch weniger als 50 Prozent des Durchschnittslohnes verdient. Das sind derzeit 1.470 € brutto im Monat für Vollzeitarbeit. Davon sind besonders betroffen, das wissen Sie auch, das Hotel- und Gaststättengewerbe, Einzelhandel, Gebäudereinigung, Gartenbau, Friseurgewerbe. Sie wissen auch, meine Damen und Herren, dass Tarifvereinbarungen nicht immer vor Niedriglöhnen schützen. In 670 Tarifvereinbarungen sind Löhne von weniger als 6 € pro Stunde vorgesehen. Eine Reihe dieser Entgelte sind allerdings als Einstieg für Berufsanfänger oder als Entlohnung für Ungelernte in der untersten Gruppe vorgesehen. Sie wissen, dass das Wachpersonal in Thüringen z.B. 4,32 € pro Stunde bekommt. Des Weiteren haben wir jetzt eine Situation im Baugewerbe, wo im Gegensatz zu allen anderen Branchen in Deutschland erstmalig der Gesetzgeber ein Gesetz, das sogenannte Arbeitnehmer-Entsendegesetz, erlassen hat, das es den Tarifparteien ermöglicht, Mindeststandards zu vereinbaren, die zwingend für alle in Deutschland arbeitenden in- und ausländischen Firmen und deren Beschäftigte sind. Wir wissen, dass entscheidend dabei der Arbeitsort ist, nicht das Herkunftsland. Die Hoheit über die Mindestlöhne liegt also nach wie vor bei den Tarifparteien und nicht beim Staat. Der DGB favorisiert nun die Lösung, dass dieses Arbeitnehmer-Entsendegesetz auch auf andere Branchen angewandt werden kann.
Vergleichen wir das mit der Situation in Europa, dann muss man sagen, in 18 der 25 EU-Mitgliedstaaten gibt es gesetzliche Mindestregelungen. Sie reichen von 121 € in Lettland bis zu 1.403 € in Luxemburg. In Frankreich liegt zum Beispiel der Mindestlohn bei 7,61 € pro Stunde. Es gibt dabei allerdings unterschiedlich von Land zu Land reduzierte Einstiegssätze für Heranwachsende. Ich glaube, dass es nicht richtig ist, beim Mindestlohn zwischen jungen und alten Lohnempfängern zu unterscheiden. Vielleicht sollte man sich in Deutschland dann wirklich für einen Mindestlohn für alle Altersgruppen entscheiden.
Ich möchte noch auf eines aufmerksam machen - darauf hat Herr Kretschmer auch schon hingewiesen -, selbstverständlich verbessert eine verbesserte Einkommenssituation der Menschen auch ihre Möglichkeit, am Leben zu partizipieren. Das stärkt dann, wie wir hier schon häufig gehört haben, die Binnennachfrage, und wenn die Binnennachfrage gestärkt wird, auch wenn die Leute ordentliche Löhne bekommen, einen Mindestlohn zum Beispiel, entwickelt sich daraus dann eine Ankurbelung der Wirtschaft. Die Leute kaufen wieder mehr, die Wirtschaft kann mehr umsetzen, das wird am Ende die Taschen der Finanzminister füllen. Aus diesem Füllen der Ta
schen der Finanzminister können dann die Abgeordneten der Fraktionen wiederum politische Forderungen ableiten, z.B. für den Bereich der Bildung oder für den Bereich der Kultur, und können damit die Situation in den einzelnen Bundesländern stärken. Das wäre schon mal ein Gedanke, der Sie vielleicht dazu veranlassen könnte, darüber nachzudenken, ob man sich nicht eventuell doch dazu bekennen sollte, für Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen. Ich glaube auch, dass die Spaltung der Gesellschaft, wie sie sich derzeit abzeichnet, in Menschen, die gut verdienen, und Menschen, die von Niedrig- und Armutslöhnen leben, nicht nur eine wirtschaftliche und soziale Spaltung nach sich zieht, sondern dass sie auch eine Spaltung im demokratischen System nach sich zieht. Sie verschließt Partizipationsmöglichkeiten in vielen Bereichen. Ich denke, dagegen sollten wir alle versuchen etwas zu tun.
Ich möchte noch einmal auf unsere Forderungen für ein flächendeckendes Mindestlohngesetz eingehen: Wir sind der Auffassung, dass ein allgemeingültiger Mindestlohn festgelegt werden sollte. Der Einstieg in den gesetzlichen Mindestlohn sollte mit 8 € erfolgen. Er kann in Unternehmen schrittweise eingeführt werden, die nicht kurzfristig dazu in der Lage sind, ihren Beschäftigten einen Mindestlohn von 8 € zu zahlen, und nach dem Einstieg ist der Mindestlohn schrittweise so weit zu erhöhen, dass dieser ein Einkommen aus Vollzeiterwerbsarbeit oberhalb der Armutsgrenze ermöglicht. Danach ist der Mindestlohn regelmäßig so zu erhöhen, dass er dauerhaft oberhalb der Armutsgrenze liegt. Ich hatte bereits auf die 8 € hingewiesen und den Pfändungsfreibetrag. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die SPD gegenwärtig einen Mindestlohn von 6 € erwägt. CDU und CSU sprechen...
Ich entschuldige mich, dann will ich mich auch so korrigieren. Ich möchte aber eines abschließend sagen: Der SPD-Antrag ist nach unserer Auffassung in der gegenwärtigen Situation tatsächlich ein Weg, um aus diesen Beschäftigungsverhältnissen herauszukommen und für Menschen ein existenzsicherndes Einkommen zu garantieren. Wir möchten, dass Menschen von Arbeit leben können, ohne noch zusätzlich alimentiert zu werden. Das ist der Grund, weshalb wir Ihrem Antrag zustimmen werden. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kaschuba, ich war die ganze Zeit hier im Saal, ich bin wegen diesem Tagesordnungspunkt nicht raus zu der Demo gegangen. Sie müssen damit Vorlieb nehmen, dass der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion zu diesem Thema auch weiterhin spricht.