Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

Bevor ich auf einige Punkte nochmals eingehen möchte, möchte ich mich hier mit einem ständig zitierten Argument zur Ablehnung unseres Gesetzentwurfs kurz auseinandersetzen: „Das“ - wie Kollegin Walsmann im Ausschuss formulierte - „andere Menschenbild“. Immer wieder begegnen uns in der Diskussion folgende Worte: „Wir haben es hier nicht mit Chorknaben, sondern mit Wiederholungstätern, Schwerverbrechern, unverbesserlichen notorischen Straftätern zu tun.“ Und um dies nicht genügend erscheinen zu lassen, noch die apodiktische Feststellung „und vor denen muss die Gesellschaft mithilfe des Strafvollzuges geschützt werden“.

(Beifall CDU)

Dies war und ist Ausgangspunkt Ihres - lassen Sie mich es so formulieren - Law-and-Order-Gesetzes. Der Jugendstrafgefangene, das Risiko an sich und überhaupt.

Dies, meine Damen und Herren, ist nicht unser Ansatz, ist auch nicht unser Menschenbild. In unserem

Gesetzentwurf zum Thüringer Jugendstrafvollzug und auch in den vorliegenden Änderungsanträgen wird deutlich, der Jugendstrafvollzug hat eine besondere soziale Funktion. Die Betroffenen sollen zu einem eigenständigen, straffreien und verantwortungsvollen Leben in Freiheit befähigt werden. Diese Sozialisierungs- bzw. Resozialisierungsarbeit ist je nach Einzelfall auch an einem schon volljährigen Strafgefangenen um Anfang 20 noch zu leisten. Deshalb muss auch diese Betroffenengruppe die Chance auf Maßnahmen im Strafvollzug haben. Daher freuen wir uns durchaus, dass auch die CDU-Mehrheit die Sinnhaftigkeit eingesehen hat und nun den Anwendungsbereich des Thüringer Strafvollzugsgesetzes nach dem Vorschlag des Gesetzentwurfs der LINKEN gestaltet hat, wobei - ich habe es im Ausschuss gesagt - das war das Einzige, was übernommen worden ist.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist aber eine kühne These.)

Wir hätten uns aber im Interesse jugendlicher Straftäter in den Vollzugsanstalten in Thüringen gewünscht, dass noch weitere Regelungsvorschläge aus dem Entwurf der LINKEN Eingang im Landesgesetz gefunden hätten. Vor allem unser Konzept der nicht repressiven Konfliktregelung war von zahlreichen Sachverständigen in der Anhörung des Ausschusses sehr positiv bewertet worden. Einer der Anzuhörenden hatte in diesem Zusammenhang auch auf Analysen der Situation im Jugendstrafvollzug Nordrhein-Westfalen verwiesen. Ergebnisse der Untersuchungen - je repressionsfreier die Formen des Vollzugs desto weniger Gewaltprobleme in den Vollzugsanstalten. Die in unserem Gesetzentwurf mit Konfliktschlichtung betrauten unabhängigen Vertrauenspersonen und der von uns vorgeschlagene Strafvollzugsbeauftragte sollen auch die Funktion eines Ombudsmannes vor Ort bzw. für die Landesebene erfüllen. Damit Regelungen Genüge getan, die von den Vereinten Nationen zum Schutz der Jugendlichen im Falle der Freiheitsentziehung aufgestellt wurden, wäre auch hilfreich gewesen. Diese UN-Regelung verbietet übrigens auch den Gebrauch von Schusswaffen im Jugendstrafvollzug. Selbst solchen Forderungen der UN kommen Sie, meine Damen und Herren der CDU-Mehrheit, im Gesetzentwurf nicht nach. Das macht doch nach unserer Auffassung sehr augenfällig deutlich, wie stark Sie das Prinzip - ich wiederhole mich - Law and Order in dem Gesetzentwurf verankert haben.

(Beifall DIE LINKE)

Die Verschärfung in Sachen Videoüberwachung passt dann, meine Damen und Herren der Mitte im Haus, nur noch gut zu dieser Grundlinie. Solche Instrumente sind aber - das sagen Fachleute aus Wis

senschaft und Praxis - nicht sonderlich geeignet, um Jugendliche zu eigenständigen, verantwortlichen, sozial reifen und engagierten Bürgern zu machen, die für den Rest des Lebens möglichst straffrei bleiben sollen. Wichtig ist es vielmehr - notwendig aus den Bezügen der Welt heraus - sie wieder in das Leben einzubinden. Deshalb müssen die Jugendämter und andere Stellen sich kontinuierlich vom ersten Tag der Haft an um die jugendlichen Gefangenen kümmern. Diese lückenlose Vernetzung ist in den Regelungsvorschlägen der Ausschussmehrheit auch nicht wieder aufgetaucht.

In der Haftanstalt müssen dann den Betroffenen berufliche und fachliche, aber auch soziale und gesellschaftliche Kompetenz vermittelt werden. Bis hin zum Antiaggressionstraining oder anderen lebenspraktischen Fertigkeiten wäre hier etwas zu sagen. Es ist tatsächlich ein Problem, wenn Jugendliche, die bald volljährig sind oder schon darüber hinaus, Unterstützung brauchen, um überhaupt sozialisiert zu werden. Der Jugendstrafvollzug darf aber nicht auf der Stufe stehen bleiben, über die Versäumnisse von Elternhäusern oder staatlichen Strukturen, wie der Schule, zu lamentieren. Er muss dann Sozialisierung im Einzelfall auch nachholen.

Vor diesen Gesichtspunkten ist es auch nicht so sehr verwunderlich, dass wir in unserem Entwurf statt auf Disziplinierung mehr auf Motivation, auf Eigeninitiative und Unterstützung zum selbstmotivierten Handeln setzen. An der Diskussion um die Sozialtherapie wurde es in der Anhörung meines Erachtens exemplarisch deutlich. Eine zwangsweise verordnete Therapie wird nicht funktionieren. Man muss sich schon die Mühe machen, die Eigenmotivation für eine erfolgreiche Maßnahme zu schaffen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich will nicht verhehlen, meine größte Enttäuschung im Zusammenhang mit der Diskussion der Gesetzentwürfe war nicht der Vorwurf, ein anderes Menschenbild zu haben oder der Vorwurf, mit unserem Entwurf die Stufe der Sozialromantik erreicht oder gar nicht verlassen zu haben - wobei wir wieder bei der Frage von Visionen angekommen sind. Nein, Visionen bzw. der Mut von einem Paradigmenwechsel im Jugendstrafvollzug vom geschlossenen hin zum offenen hat nicht stattgefunden. Gerade die Erfahrungen und Ergebnisse im Zusammenhang mit Formen des offenen Strafvollzugs in Deutschland zeigen, dass jene offenen Formen zielführender, wirksamer und mit Blick auf Eingliederung, soziale Veränderung und Vermeidung von Rückfälligkeit wesentlich nachhaltiger sind. Auch und gerade hier, meine Damen und Herren der CDU, werfen wir Ihnen mangelnden Mut und mangelnde Zukunftsorientiertheit vor.

(Beifall DIE LINKE)

Mit dem Neubau der Strafvollzugsanstalt in ArnstadtRudisleben hat Thüringen auch logistisch gute Voraussetzungen, um Jugendstrafvollzug weiterzuentwickeln. Doch wie tragische Vorfälle im Jugend- und Erwachsenenstrafvollzug in Thüringen in jüngster Zeit zeigen, ist die gesetzliche und bauliche Logistik nicht alles und vielleicht auch nicht das Entscheidende. Die praktische Umsetzung der Vorgaben im Strafvollzug ist im Alltag der Strafgefangenen das Wesentliche. Hier kommt dann auch die Personal- und Arbeitssituation in den Blick. Neben der Neueinstellung von Vollzugspersonal müssen auch das Beförderungsproblem gleichfalls diskutiert und entschieden werden, ganz zu schweigen von der Praxis der Fort- und Weiterbildung und fachlicher Qualifizierung. Das Personal muss hier weiter vorangetrieben werden. Beachtet werden muss auch, dass für den Jugendstrafvollzug noch weiter gehende Qualifizierungen als im Erwachsenenstrafvollzug notwendig sind. Fachlich qualifiziertes Personal kostet Geld. Die Förderung von Beteiligten an sozialen Netzwerkstrukturen, wie z.B. Straffälligenhilfe, kostet eben auch Geld.

Meine Damen und Herren, unsere Erwartungen zum Jugendstrafvollzug haben sich nicht erfüllt. Auch gehe ich davon aus, dass unsere Änderungsanträge keine Mehrheit hier im Haus finden werden. Daher werden wir als Fraktion DIE LINKE aufmerksam verfolgen, wie sich der von der Landtagsmehrheit verabschiedete Entwurf in der Praxis umsetzen lässt und in seiner Umsetzung darstellt. Wir werden zukünftig darauf dringen, dass Evaluierung und Gesetzesfolgenabschätzungen auch umfassend stattfinden und daraus dann die notwendigen Konsequenzen gezogen werden im Interesse der Jugendlichen für einen modernen und zukunftsweisenden Jugendstrafvollzug. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat der Abgeordnete Höhn, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ich das Hohe Haus kenne, können Sie sich sicherlich noch daran erinnern, als ich am 21. Juni dieses Jahres in meiner Rede in der ersten Lesung zu diesen beiden Gesetzentwürfen darauf aufmerksam gemacht habe, wie die nur sehr langsam fortschreitende Entwicklung in der Justizpolitik in den letzten 30 Jahren in Deutschland in Bezug auf den Jugendstrafvollzug hier nun endlich zu einem vorläufigen Schlusspunkt gekommen ist. Ich kann

daran nur nahtlos anknüpfen, allerdings muss ich mich an dieser Stelle - und ich tue das nicht gern, das sage ich ganz deutlich - in Bezug auf einen von mir damals gebrauchten Begriff etwas korrigieren. Ich sprach an diesem Tag von einer historischen Debatte. Das schien wohl doch ein klein wenig voreilig, denn historisch, meine Damen und Herren, im Sinne von „herausragend“ oder vielleicht auch „bedeutend“ ist dieser Gesetzentwurf zum Thüringer Jugendstrafvollzug nicht, den dieses Hohe Haus im Anschluss beschließen darf. Wohl eher dürften für dieses Gesetz die Formulierungen „Jugendstrafvollzug auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner“ oder „Jugendstrafvollzug auf Sparflamme“ oder vielleicht auch, etwas schärfer formuliert, „Jugendstrafvollzug nach Kassenlage“ angebracht sein.

Meine Damen und Herren, ich will mich an dieser Stelle zur Untermauerung dieser Kritik, die ich an diesem Gesetzentwurf zu üben habe, ganz eng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halten, das mit seinem Urteil vom 31. Mai 2006 den letzten Anlass dafür geboten hat, dass wir uns hier mit dieser Materie beschäftigen dürfen. Dazu will ich Ihnen an drei Kernthesen dieses Urteils nachweisen, inwieweit die Landesregierung hier in ihrem Gesetzentwurf mit diesen Grundforderungen des Bundesverfassungsgerichts letztendlich gesetzgeberisch umgegangen ist. Die erste Kernthese des Bundesverfassungsgerichts - und an dieser Stelle darf ich zitieren: „So hat er“ - gemeint ist der Staat - „durch gesetzliche Festlegung hinreichend konkretisierter Vorgaben Sorge dafür zu tragen, dass für allgemein als notwendig anerkannte Vollzugsbedingungen und -maßnahmen die erforderliche Ausstattung mit den personellen und finanziellen Mitteln kontinuierlich gesichert ist.“

Meine Damen und Herren, verehrter Herr Minister Schliemann, offensichtlich kennen die Bundesverfassungsrichter die Politiker schon sehr genau. Jedenfalls muss man das bei dieser Diktion des Urteils so feststellen, denn sonst hätten sie nicht die Betonung auf „hinreichend konkretisierter Vorgaben“ gelegt und auch die kontinuierliche Sicherung der finanziellen Mittel für den Jugendstrafvollzug eingefordert. Leider sind diese deutlichen Worte aus Karlsruhe bei uns in Thüringen, bei Ihnen, Herr Schliemann, bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs und - ich betone an dieser Stelle ausdrücklich - auch bei der Mehrzahl Ihrer Länderkollegen immer noch nicht angekommen. Zur Erläuterung des letzten Satzes: Es gab eine Arbeitsgruppe von neun, zeitweise zehn Ländern, die den ehrenwerten Anspruch hatten, einen gemeinsamen Gesetzentwurf oder eine gemeinsame Linie im Jugendstrafvollzug auf die Beine zu stellen. Ich will das auch erklären, denn wie sonst könnte es sein, dass Sie zum Beispiel bei der Frage der Entlassungsvorbereitung junger Strafgefangener keine konkreten Betreuungsschlüssel und Personalvorgaben im Ge

setz verankert haben. Eine solche Entlassungsvorbereitung ist aber einer der notwendigsten Schritte im Jugendstraffvollzug, denn ein Wegsperren für immer gibt es Gott sei Dank an dieser Stelle nicht. Der Landesjugendhilfeausschuss hätte sich auch die gesetzliche Festschreibung des notwendigen Personals für die Entlassungsvorbereitung gewünscht. Wir haben als Fraktion diesem Wunsch in einem entsprechenden Änderungsantrag im Ausschuss Rechnung getragen, der das übliche Schicksal von Oppositionsanträgen erleiden musste.

Halten wir fest:

1. Die Grundforderung des Bundesverfassungsgerichts nach gesetzlicher und kontinuierlicher Sicherung der finanziellen Mittel für den Jugendstrafvollzug ist in diesem Gesetzentwurf der Landesregierung nicht beachtet worden.

2. Die 2. Kernthese des Bundesverfassungsgerichts - ich zitiere wiederum: „Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist die Unterbringung in kleineren Wohngruppen differenziert nach Alter, Straftat bzw. Straftaten besonders geeignet.“

Meine Damen und Herren, diese Formulierung trägt insbesondere den physischen und psychischen Besonderheiten des Jugendalters Rechnung. Allerdings geht der Gesetzentwurf darauf nicht ein, obwohl gerade hier bei uns in Thüringen doch dazu die Chance relativ groß gewesen wäre, denn Sie preisen - ich sage das ohne Wertung - zu Recht seit Wochen und Monaten, dass wir die einmalige Chance haben - und ich gehe davon aus, diese Chance wird auch realisiert -, eine neue Jugendstrafanstalt hier in Thüringen eröffnen zu können. Aber dann hätte ich mir gerade gewünscht, dass sich diese Voraussetzungen, die eine solche neue Anstalt zu bieten vermag, auch in den Vorgaben für die Wohngruppen im Jugendstrafvollzug niedergeschlagen hätten. Genau dies ist nicht passiert. Der Vorschlag war - und das hat auch die mündliche Anhörung von verschiedenen Experten sehr deutlich ergeben -, dass die Größe von höchstens 12 Strafgefangenen für eine Wohngruppe für das Verfahren das Beste wäre. Das ist schlichtweg schlecht zu erklären, Herr Minister, und ist ein weiterer Kritikpunkt an diesem Gesetzentwurf. Sie haben bzw. die Mehrheitsfraktion hat aber nachher die Chance, dies zu korrigieren, denn wir haben einen entsprechenden Änderungsantrag noch einmal dem Plenum vorgelegt.

3. Damit komme ich meiner Ansicht nach zum wichtigsten Zitat des Bundesverfassungsgerichts. Die 3. Kernthese lautet - ich zitiere: „Erforderlich sind des Weiteren gesetzliche Vorkehrungen dafür, dass innerhalb der Anstalt die Gefangenen vor wechselseitigen Übergriffen geschützt sind.“

Meine Damen und Herren, ich tue es nicht gern, aber leider komme ich an dieser Stelle nicht umhin, an einige Vorfälle zu erinnern, die im Gedächtnis der Öffentlichkeit haften geblieben sind, so unter anderem vor sechs Jahren, im Herbst 2001 in der Jugendstrafanstalt Ichtershausen, als dort ein Gefangener durch zwei Mithäftlinge zu Tode kam, letztes Jahr die Vorgänge in der Justizvollzugsanstalt Siegburg in Nordrhein-Westfalen. Ich will es dabei belassen, es gäbe sicher noch weitere Beispiele, um das zu untermauern. Das heißt also, die Notwendigkeit einer solchen Gewaltschutzvorschrift für Gefangene ist doch längst erkannt worden, unsere Anhörung hier im Haus hat das ebenfalls zutage gebracht. Andere Bundesländer - an dieser Stelle kann ich als Beispiel Baden-Württemberg nennen - haben das genauso in ihr Jugendstrafvollzugsgesetz aufgenommen. Ich frage mich ernsthaft, warum das hier in Thüringen nicht möglich sein soll. An dieser Stelle wären wir dem Beispiel aus Baden-Württemberg gern gefolgt.

Meine Damen und Herren, mein Zwischenfazit: Der Gesetzentwurf der Landesregierung erfüllt nicht die Ansprüche der Vorgaben bzw. - ich will es vorsichtig formulieren - nicht alle Ansprüche des Bundesverfassungsgerichts. Sie folgen ja noch nicht einmal den Ratschlägen der Sachverständigen, die von Ihrer eigenen Fraktion nominiert worden sind - auch dafür habe ich ein Beispiel parat -, nämlich zu der höchst streitigen Frage im Ausschuss, ob die Gefangenen im Jugendstrafvollzug zur Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels verpflichtet werden können, führte die von der CDU-Fraktion eingeladene Sachverständige Frau Prof. Dr. Ludwig aus - ich zitiere aus dem Protokoll der öffentlichen Anhörung vom 27. September: „Ich persönlich würde es für ratsamer halten, das etwas zurückhaltender zu formulieren und nicht von einer Mitwirkungspflicht zu sprechen... Die Mitwirkungspflicht so hervorzuheben, hat die Gefahr, dass dann ein Kreislauf in Gang gesetzt wird von nicht vorhandener Motivation des Jugendlichen, disziplinarischen Maßnahmen, daraus resultierend verstärkte Abwehrhaltung des Jugendlichen gegen bestimmte Maßnahmen,..., so dass wir das, was wir erreichen wollen, ihn nämlich zu aktivieren, zu befähigen, künftig ein Leben ohne Straftaten zu führen, dann möglicherweise weniger erreichen.“ Da kann ich nur sagen: Recht hat Frau Prof. Ludwig nach meiner Auffassung, aber leider hat sich das nicht in der entsprechenden Gesetzgebung, auch nicht in entsprechenden Änderungsanträgen der CDU-Fraktion dokumentiert. An dieser Stelle sei mir ein salopper Satz gestattet: Der Grat zwischen Gradlinigkeit in der Gesetzgebung und Sturheit ist an dieser Stelle äußerst schmal.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch auf einen letzten Mangel, den der Gesetzentwurf der Landesregierung besitzt, zu sprechen kommen - das war ein wichtiges Anliegen meiner Fraktion in den Änderungen, die wir vorgeschlagen haben -, es ist das Fehlen einer sogenannten Ombudsperson für den Jugendstrafvollzug. Der Landesjugendhilfeausschuss hat in seiner sehr ausführlichen Stellungnahme im Anhörungsverfahren zu diesen Gesetzentwürfen den Ombudsmann gefordert. In Nordrhein-Westfalen hat ihn eine CDU-Justizministerin eingeführt, nur in Thüringen ist man offensichtlich der Auffassung, dass man so etwas nicht braucht, jedenfalls nicht nach Meinung der Landesregierung und der CDU-Fraktion. Dabei wäre es doch mehr als sinnvoll, gerade in der Einführungsphase dieses neuen Gesetzes eine Person in die Jugendstrafanstalten zu schicken, die sich die Sorgen und Probleme der Gefangenen und - das betone ich ausdrücklich - die der Bediensteten annimmt. Das wäre sozusagen Evaluation und Mediation in einem Schritt. Aber so weit sind Sie an dieser Stelle noch nicht, meine Damen und Herren von der CDU und auch an Ihre Adresse, Herr Minister.

Mein Fazit: Ich bin der Auffassung, dass mit diesem Gesetzentwurf, der speziell uns hier in Thüringen vorliegt, eine Chance vertan wurde, zu einem modernen und vor allem zu einem nachhaltigen Jugendstrafvollzug zu kommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Dieser Vorwurf geht auch - das muss man an der Stelle natürlich ebenso mit in Betracht ziehen - an die anderen acht, zeitweilig neun Kollegen Länderjustizminister, die sich an dieser Materie versucht haben. Und ich sage es in aller Deutlichkeit, da ist mir völlig egal, dass auch SPD-Minister mitgewirkt haben. Entscheidend ist das, was dabei herauskommt; das ist in diesem Fall nach meiner Auffassung suboptimal.

Die Rückfallstatistik von jugendlichen Straftätern mahnt uns aber, den Jugendstrafvollzug weiter zu verbessern, denn es darf nicht so bleiben, meine Damen und Herren. Es darf wirklich nicht so bleiben, dass drei von vier Jugendlichen nach der Haftentlassung innerhalb von 48 Monaten erneut verurteilt werden und mindestens jeder zweite Jugendliche erneut hinter Gitter kommt. Ich bitte Sie deshalb, stimmen Sie den von uns vorgelegten Änderungsanträgen zu.

Lassen Sie mich noch einige Worte zum Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei darlegen. Ich sage es ganz deutlich, gut, dass es diesen Gesetzentwurf gibt. Im Übrigen - das sage ich mal als Parlamentarischer Geschäftsführer -, Sie waren auch wieder mal dran. Nachdem wir als kleinste Oppositionsfraktion ein Informationsfreiheitsgesetz und eine umfangrei

che Sicherheitsgesetzgebung vorgelegt hatten, steht Ihnen das sicherlich ganz gut zu Gesicht. Dieser Gesetzentwurf, den Ihre Fraktion vorgelegt hat, räumt den Gefangenen in einigen - ich möchte sagen -, in vielen Regelungsbereichen nach meiner Auffassung zu weitreichende Mitspracherechte ein, die sich - und das hat ebenfalls die Anhörung am 27. September ergeben - als wenig bzw. nicht praxistauglich erweisen dürften, zum Beispiel die zum Teil drastische Ausweitung der Besuchszeiten - damit sind auch organisatorische und logistische Probleme verbunden -, das Recht auf einen Facharzt ihrer Wahl für den Fall, dass in der Anstalt kein Facharzt praktiziert, um nur zwei Beispiele zu nennen, es gäbe noch wesentlich mehr. Ich habe in der ersten Lesung durchaus meine Sympathie für Ihren Gesetzentwurf erkennen lassen, allerdings nach eingehender Beratung und vor allem auch nach eingehender Auswertung der Anhörung ist meine frühere Zuneigung zu Ihrem Gesetzentwurf eher der Ablehnung gewichen. So viel dazu.

Zu begrüßen ist aber, das betone ich ausdrücklich, dass Sie ebenfalls in Ihrem Gesetzentwurf das Amt eines Jugendstrafvollzugsbeauftragten schaffen wollten, was der Funktion unseres Ombudsmannes im Grunde gleichkommt. Das wäre, ich hatte es schon betont, insbesondere in der Anlaufphase dieses Gesetzes ein wichtiges Amt.

Meine Damen und Herren, um das noch einmal auf den Gesetzentwurf der Landesregierung zu beziehen: Ich hatte schon betont, wir haben jetzt noch einmal die Möglichkeit, einige wichtige, nach unserer Auffassung sehr konstruktive Veränderungen zu diesem Jugendstrafvollzugsgesetz hier im Plenum direkt zu beschließen und dafür bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Walsmann, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur zweiten Lesung liegt uns heute der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz und ein Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS zum gleichen Thema vor. Ich hoffe nicht, dass das zur Maxime erhoben wird, wer mal wieder dran ist mit einem Gesetzentwurf,

(Beifall DIE LINKE)

denn das ist ja wohl eine sehr oberflächliche Betrachtung. Ich sage ganz deutlich: Mit der gesetzlichen Regelung des Jugendstrafvollzugs wird ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan.

(Beifall CDU)

Als Gesetzgeber - und da spreche ich alle im Raum an - können wir mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Übergangsfrist die ursprünglich eigentlich vom Bundesgesetzgeber angemahnten verfassungsrechtlich erforderlichen Grundlagen für Grundrechtseingriffe beim Vollzug der Jugendstrafe schaffen.

Erst am 1. September 2006 ist mit der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich auf die Bundesländer übertragen worden. Ich gebe zu, dass ich mich lange mit diesem Baustein der Föderalismusreform, mit der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder, schwergetan habe. Der Regierungsentwurf zum Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz zeigt aber, dass die Qualität des Strafvollzugs dadurch keineswegs beeinträchtigt werden muss. Im Gegenteil, die Landesregierung nutzt die dem Land neu zugewachsene Kompetenz, um die Qualität des Jugendstrafvollzugs nachhaltig zu verbessern und die Betreuung der Gefangenen nicht nur im Vollzug, sondern auch über den Vollzug hinaus in der wichtigen Übergangsphase zurück in die Freiheit zu optimieren. Der Gesetzentwurf der Landesregierung basiert auf der Erkenntnis, dass die Sozialisierung jugendlicher Straftäter die beste Möglichkeit der Prävention gegen neue Straftaten darstellt.

Meine Damen und Herren, eine gelungene Sozialisierung ist immer auch Rückfallverhinderung und damit die optimale Maßnahme des Opferschutzes. Das ist der Tenor des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Herr Blechschmidt. Dazu braucht es klare Vorstellungen und keine Wortspielereien, wie eben von Ihnen gehört.

(Beifall CDU)