Ich eröffne die Aussprache. Ich rufe als Erstes für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Jung auf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Gesetzgebung zum Schutz vor Tabakrauch hätte zu einer Sternstunde des Landtags werden können, wenn hier und heute ein Gesetzentwurf aus der Mitte des Parlaments vorgelegt worden wäre, der konsequent für einen wirklich umfassenden
Schutz in allen öffentlichen Räumen und auf allen Ebenen, vom Land bis in die Kommune, gesorgt hätte. Stattdessen diskutieren wir über einen Gesetzentwurf und mehrere Anträge.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich nicht für die Mehrheit meiner Fraktion an dieser Stelle spreche.
Meine Damen und Herren, ich stehe hier, ich bin in einer nichtrauchenden Familie aufgewachsen, lebe in einer nichtrauchenden Familie und unsere drei erwachsenen Söhne sind auch alle Nichtraucher.
Groß geworden bin ich auch mit der Werbung im damaligen Westfernsehen, wo da Waschmaschinen kaputtgegangen sind, und dann kam der Spruch „Greife lieber zur HB“.
Als kleines Mädchen habe ich dann meine Mutter gefragt, ob sie, wenn unsere Waschmaschine kaputtgeht, mit Rauchen anfängt. Das war ja dieser Gedanke, der da rübergebracht worden ist. Was will ich damit sagen? Als ich älter geworden bin, stand Rauchen für große Freiheit. Ich will das nicht alles ausdehnen. Auch ich habe einmal in einem kurzen Zeitraum zur Zigarette gegriffen. Ich erzähle das zu einem späteren Zeitpunkt. Was ich damit sagen will, ist einfach: Bestimmte Vorbildwirkung, bestimmte Einflüsse sind natürlich prägend auch auf ein Verhalten beim Rauchen.
Meine Damen und Herren, das Rauchen hat in Deutschland wie in vielen Ländern eine lange Tradition. Hier wie überall wirkt Nikotin auf die Psyche. Insofern wird diese Debatte natürlich hoch emotional geführt, auch in meiner Fraktion. Trotz allem sollten wir nicht vergessen, es geht um die Rechte von 73 Prozent der Bevölkerung, die Nichtraucherinnen und Nichtraucher sind.
Es geht vor allem um die Kinder und Jugendlichen, es geht um die Vermeidung von Leid durch Tod und schwere Erkrankungen. Es geht aber auch um die Minderung der horrenden Kosten, die für das Gesundheitssystem entstehen, und um die Senkung der Folgekosten. Nicht zuletzt geht es um den Willen von über 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Auch das sollten wir immer bedenken.
Der Schutz vor dem Schadstoff Tabak, meine Damen und Herren, ist nicht identisch mit dem Verbot des Rauchens. Zu rauchen oder nicht zu rauchen ist die Entscheidung eines jeden Einzelnen, die auch ich respektiere. Mit dem Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen sollen Nichtraucher und Raucher davor geschützt werden, den mit dem Rauchen einhergehenden Belastungen nicht permanent und unausweichlich ungewollt ausgesetzt zu sein. Natürlich erschöpft sich der Gesundheitsschutz in Sachen Tabakrauch nicht im Rauchverbot für öffentliche Einrichtungen. Ich plädiere selbstverständlich für einen Dreiklang:
Die Helioskliniken zum Beispiel praktizieren es. Für die Kliniken besteht ein Rauchverbot und sie motivieren ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzuhören, denn es ist erwiesen, dass Verbote und Ächtungen an der einen Stelle und die Prävention an der anderen Stelle das Nichtrauchen erleichtern und den Mainstream verändern helfen. Ich denke, daraus wird ein Gesamtansatz. Aber wir haben das nicht getan. Was wir eigentlich hätten tun müssen, nämlich eine breite Aufklärung darüber zu betreiben, was Nichtraucherschutz eigentlich bedeutet und was es bedeutet, die Droge Tabak zu ächten, das wäre gut für die Sache gewesen.
In Deutschland sprechen sich immer mehr Bürgerinnen und auch Politiker für wirksamere gesetzliche Regelungen zum Schutz vor Passivrauchen und Rauchverbote aus. Alle wissen um die lebensgefährdende Gesundheitsschädigung durch Aktivrauchen, aber auch durch das Passivrauchen. Vonseiten des Gesetzgebers ist der Schutz der Bevölkerung vor den Folgen des Passivrauchens aber bisher ein zweitrangiges Ziel gewesen. Das bisherige zentrale Anliegen war immer die Tabakprävention. Diese Herangehensweise war und ist noch geprägt vom Ansatz der Freiwilligkeit. Doch damit, meine Damen und Herren, kommen wir nicht mehr weiter. Die Politik ist jetzt gefordert, auf Länderebene für einen umfassenden, verbindlichen Nichtraucherschutz einzutreten. Wie gesagt, Passivrauchen schadet allen, Rauchern und Nichtrauchern. Hierdurch unterscheidet sich der Konsum von Tabakprodukten von allen anderen Drogen und besonders gefährdet sind Kinder und chronisch Kranke. Allein die Belastung der Luft durch Feinstaubpartikel in Innenräumen, in denen geraucht wird, liegt um ein Vielfaches höher
als die in der Außenluft zugelassenen Grenzwerte. Hier mit zweierlei Maß zu messen ist nicht überzeugend. Die Zeit ist also reif, wenn nicht sogar überreif, endlich wirksame gesetzliche Regelungen zum Schutz von Passivrauchern zu verankern.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen mein persönliches Beispiel sagen, wie ich einmal zum Rauchen gekommen bin. Es hat etwas mit Passivrauchen zu tun. Wie Sie meiner Biografie entnehmen können, war ich einmal Leiterin eines Kulturhauses. Und in meinen jungen Jahren, mit 19 Jahren, waren da natürlich viele Veranstaltungen wie Diskos, Bands haben gespielt. Nach kurzer Zeit musste ich feststellen, dass ich in dem Raum von 60/70 Metern Länge die Bühne vom Eingang nicht mehr erkennen konnte. Und nach kurzer Zeit wurde mein Gesundheitszustand so schlecht, dass ich umfiel und der Arzt mir zwei Sachen auferlegte: Entweder Sie hängen Ihren Job an den Nagel oder Sie rauchen eine Zigarette mit, dann vertragen Sie den Passivrauch besser. Rauchen ist weniger schädlich als Passivrauchen. Und so, meine Damen und Herren, bin ich für kurze Zeit einmal zum Rauchen gekommen. Ich habe dann relativ schnell wieder aufgehört. Ich bringe Ihnen dieses Beispiel, um deutlich zu machen, wie dringend notwendig es ist, dass wir uns ein einheitliches Meinungsbild im Interesse der Gesundheit von uns allen erarbeiten und konkrete Schritte hin zum Nichtraucherschutz entwickeln.
Die Lobby der Raucher, der Tabakindustrie, der Gastronomie ist stark, dem gilt es etwas entgegenzusetzen. Dazu gehört der wirksame Schutz von Passivrauchern in allen Gebäuden und Einrichtungen des Landes, auch hier im Landtagsgebäude. Vom Kindergarten bis hin zum Krankenhaus, bis zur Uni kann es letztendlich nur heißen: Nichtraucherschutz hat Vorfahrt. Dieselben Grundsätze, die für öffentliche Gebäude gelten, müssen selbstverständlich auch für die Bereiche mit viel Publikumsverkehr, insbesondere der Gastronomie gelten. Die Selbstverpflichtung des Gaststättenverbandes DEHOGA schützt Gäste und Angestellte nicht wirksam, da nur ein kleiner Teil der Gaststätten unter die Vereinbarung fällt und es zudem keinerlei Kriterien gibt, wie die in der Vereinbarung genannten Nichtraucherplätze überhaupt ausgestaltet sein müssen. Der Markt, den Sie immer so preisen, hat in seiner Urfunktion versagt, die optimale Verteilung von Gütern, hier Geselligkeit plus gute Luft zu garantieren. Dass er versagt hat, ist bitter. Der freie rauchende Bürger hat bekundet, dass er ohne Verbot nicht daran denkt, den liberalen Grundsatz zu respektieren, dass die Freiheit meiner Faust dort aufhört, wo das Kinn des Nachbarn beginnt, die Freiheit meiner Zigarette bei seiner Lunge. Das überrascht nicht. Marktversagen und vorsätzliches fortgesetztes unsoziales Handeln einer Gruppe sind die klassischen Fälle, die staatliches Eingreifen er
In einer idealen Welt rational handelnder Individuen würden Raucher aus Rücksicht darauf verzichten. In jener idealen Welt gäbe es keine Süchte, die das Urteil trüben, den Willen schwächen und die Wahrnehmung anderer Menschen und ihrer Bedürfnisse ausblenden. In einer idealen Welt des freien Markts gäbe es längst mehr Nichtrauchergaststätten als Rauchergaststätten entsprechend dem eindeutigen Mehrheitswunsch der Kunden. In jener idealen Welt gäbe es keine Existenzängste, die dazu führen, dass kein Wirt freiwillig auf einen möglichen Kunden verzichtet, mit der Folge, dass bisher nicht die Luftvergifter frei wählen mussten zwischen dem Frönen ihrer Sucht und einem Gaststättenbesuch, sondern die Nichtraucher zwischen Zuhausebleiben und Vergiftetwerden.
An die Adresse der Kritiker gerichtet, die durch solche gesetzlichen Regelungen die Freiheit der Raucherinnen und Raucher eingeschränkt sehen, sage ich: Die Freiheit des Einzelnen muss Grenzen überall dort finden, wo es um die Gesundheit und um die Rechte anderer Menschen geht.
Dies ist beim Schutz vor den Gesundheitsgefahren des Passivrauchens zweifellos der Fall. Ich persönlich bedaure, dass sich die Landesregierung nicht zu einem kompletten Rauchverbot in Gaststätten durchringen konnte. Ich favorisiere, dass die Gaststätten in Thüringen zukünftig komplett rauchfrei sind. Deshalb werde ich der Streichung der Ausnahmeregelung des Gesetzes, die das Rauchen in Nebenräumen ermöglicht, zustimmen. Wer die Realität kennt, der weiß, dass der Qualm dann weiterhin vom Nebenzimmer in den Hauptraum ziehen kann und die dort sitzenden Gäste werden weiter den Gesundheitsgefahren des Passivrauchens ausgesetzt. Die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Einrichtung von Raucherräumen sowie Ausnahmeregelungen für bestimmte Betriebstypen verzerren den Wettbewerb und sie stehen genau dem entgegen, was Sie immer anführen, warum es Ausnahmeregelungen geben soll. Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband hat das erkannt und plädierte deshalb für eine einheitlich rauchfreie Gastronomie.
(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das war nicht der Verband, das war nur der Vor- sitzende. Der war nicht legitimiert.)
Übrigens, meine Damen und Herren, auch zu Ihrer viel gepriesenen Familienfreundlichkeit in unserem Land gehört eben auch Rauchfreiheit. Die Bahnhöfe sind mittlerweile fast alle rauchfrei, der öffentliche Personennahverkehr ist rauchfrei und der ICE und der IC. Was die Bahn kann, meine Damen und Herren, sollten wir im Interesse unserer Bürger auch auf den Weg bringen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat Änderungsanträge, wie ausgeführt, in den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit eingebracht, die sich in der Beschlussempfehlung des Ausschusses zum großen Teil wiederfinden. Heute hat sie nochmals einen Antrag zur Übergangsregelung des Inkrafttretens des Gesetzes zum 01.07.2008 eingebracht. Das macht sich dann erforderlich, wenn in der Gastronomie Raucherräume zugelassen werden, dann brauchen und sollten wir den Gastronomen diese Regelung einräumen.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass der konsequente Nichtraucherschutz für die Menschen in diesem Land für alle hier im Landtag so wichtig ist, dass Lobbyismus nicht die Oberhand gewinnt. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte noch mal so beginnen wie das letzte Mal zur Diskussion: Rauchen schadet der Gesundheit und Rauchen kann tödlich sein.
Rauchen verursacht mehr Todesfälle in Deutschland als Aids, Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle und Suizide zusammen.
Im Durchschnitt leben die Nichtraucherinnen und Nichtraucher länger als die Raucherinnen und Raucher. Ein Drittel aller Krebserkrankungen geht auf das Rauchen zurück. Ich will die Bemerkung von der CDU-Fraktion durchaus aufnehmen. Wir kennen ja die Diskussion darum, dass der Opa auch geraucht hat und der Opa wurde 95, eben geräuchert.
Aber im Einzelfall hätte der Opa eben auch 100 werden können und gesund und 100 ist ja auch nicht schlecht.