Sie haben sich hier hingestellt und haben gesagt, es muss gekürzt werden bei Verbraucherzentralen, bei Frauenhäusern. Nach großem Druck aus der Öffentlichkeit und auch aus unserer Fraktion werden jetzt die Mittel endlich wieder aufgestockt, eine Fehlentwicklung teilweise jedenfalls korrigiert.
Sie wollten auf Biegen und Brechen Denkmalpflege und Landesamt für Archäologie zusammenlegen. Jetzt müssen Sie einräumen, dass das ganze Unterfangen die Steuerzahler deutlich mehr Geld kostet, und alles muss wieder gestoppt werden. Sie wollten die Eltern für die Schulbücher zur Kasse bitten. Am Ende sind Sie vom Gericht gestoppt worden. Jetzt muss das Land wieder für die Schulbücher aufkommen. Das ist eine gute Entwicklung, aber sie ist nicht Ihnen zu verdanken, sondern einer kritischen Öffentlichkeit und Gerichten, die Sie zur Umkehr gezwungen haben.
Sie, Herr Ministerpräsident, haben sich an all diesen Stellen sinnlos verkämpft, viel zu oft ohne Konzept gehandelt. Am Ende sind Sie durch Proteste der Bürger oder durch Gerichte gestoppt worden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, wir müssen die Schwerpunkte im Land anders bestimmen. Das ist auch möglich. Wir haben es in den Haushaltsberatungen mit unseren Schwerpunkten gezeigt. Einige der Vorschläge werden wir heute wieder einbringen. Dabei sind uns folgende Bereiche wichtig:
Der erste und wichtigste Bereich - Bildung und Chancengerechtigkeit: Hier muss der Schwerpunkt der Entwicklung in Thüringen liegen. Nicht umsonst hat uns die aktuelle PISA-Studie noch einmal darauf hingewiesen, bei aller leichten Leistungsverbesserung, die dort festzustellen ist. Es gibt kein Industrieland, in dem der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg so groß ist wie in Deutschland. Das kann aber nicht die Zukunft eines Landes sein, dass Kinder aus sozial schwachen Familien schlechte Aufstiegschancen haben. Das Bildungssystem muss dazu beitragen, dass man auch aus schwierigen familiären Verhältnissen nach oben kommen kann, dass Aufstieg in einer Gesellschaft möglich ist. Dafür wollen wir mit unseren Haushaltsanträgen sorgen.
Wir wollen knapp 200 Mio. € mehr für eine bessere Bildung und für konkrete Schritte gegen Kinderarmut. Der Kinderschutzbund hat uns in den vergangenen Monaten darauf aufmerksam gemacht, welches Problem an Kinderarmut in Deutschland mittlerweile entstanden ist. Die Zahlen für Thüringen sehen noch deutlich dramatischer aus. Nach den Berechnungen von Wissenschaftlern der Universität in Jena lebt jedes vierte Kind in Thüringen in Armut, in den großen Städten ist es teilweise ein Drittel der Kinder. Da kann doch eine Landesregierung einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Hier müssen wir doch versuchen, mit aller Kraft gegenzusteuern. Ich sehe aber Ihre Handlungsoptionen in diesem Bereich überhaupt nicht. Wir werden deshalb für diesen Haushalt beantragen, dass wir einen Einstieg machen bei kostenloser Essenversorgung in Kindergärten und Schulen für bedürftige Kinder beispielsweise,
dass wir einen Einstieg machen für eine umfassende Lernmittelfreiheit, dass es ein Starterpaket für Kinder am Schulanfang gibt. Das sind Schritte, die notwendig sind, um Chancengleichheit zu sichern. Deshalb machen wir diese Vorschläge und wollen hier etwas durchsetzen.
Wir wollen Ihre Kürzungen durch die Familienoffensive rückgängig machen, weil Ihre Kürzungen der Zuweisungen für Kindergärten und Kinderkrippen fatale Folgen zeigen. 300 Erzieherinnenstellen sind inzwischen in Thüringen gestrichen.
In vielen Einrichtungen steigen die Elternbeiträge. Die Zahl der Kinder zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr, die in den Kindergärten angemeldet werden, ist zurückgegangen. Das sind die Effekte Ihrer Familienpolitik. Das haben Sie zu verantworten. Ich sage Ihnen, jede Kindergartenstelle, die gestrichen wird, ist eine Streichung, die Sie zu verantworten haben.
Jeder Elternbeitrag, der erhöht wird in diesem Land, ist eine Beitragserhöhung, die Sie zu verantworten haben mit Ihren Streichungen bei den Kindergärten.
Ich sage Ihnen, überall in Deutschland wird darüber diskutiert, wie wir Kindergartenstrukturen ausbauen können, wie wir besser für frühkindliche Bildung sorgen.
- ich bin in vielen gewesen -, dann werden Ihnen die Erzieherinnen Folgendes erzählen: Es gibt gute Überlegungen für einen Bildungsplan für frühkindliche Bildung, aber wir haben nicht das Personal, um diesen guten Bildungsplan auch umzusetzen. Deshalb sage ich Ihnen, was Sie machen, ist eine falsche Politik, und wir werden die korrigieren.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will einen zweiten Bereich ansprechen. Wir brauchen echte Anstrengungen auch auf dem Arbeitsmarkt.
Es ist richtig, der konjunkturelle Aufschwung hat den Arbeitsmarkt entlastet. Die Arbeitslosenzahlen sind gesunken. Es ist aber auch richtig, dass wir immer
noch Regionen mit extrem hoher Arbeitslosigkeit in Thüringen haben. Es ist auch richtig, dass sich bei den Langzeitarbeitslosen bisher nicht sehr viel bewegt hat. Deshalb müssen wir über Instrumente nachdenken. Wie können wir Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit besser unterstützen? Wie können wir Menschen, die lange Zeit arbeitslos sind, wieder besser in den Arbeitsmarkt integrieren. Wir haben als Thüringer SPD mitgeholfen, ein Bundesprogramm durchzusetzen, was die Idee der Bürgerarbeit aufgreift. Das hat jetzt den etwas technischen Titel „Kommunal-Kombi“. Der Kern ist folgendermaßen: Der Bund stellt Mittel zur Verfügung, damit in den Kommunen bis drei Jahre befristete öffentliche Beschäftigungsverhältnisse eingerichtet werden können. Dieses Programm kann aber nur funktionieren, wenn auch das Land einen Beitrag zu diesem Programm zahlt und Länder und Gemeinden gemeinsam ein solches Programm tragen. Sie haben bisher dafür nichts im Haushalt vorgesehen, und deshalb beantragen wir, hier Mittel einzustellen. Wir wollen, dass in Thüringen langzeitarbeitslosen Menschen in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit besser geholfen werden kann als heute.
Die soziale Kluft in Deutschland wächst - das ist eine Überschrift aus der Süddeutschen Zeitung vor einigen Wochen. Darin heißt es: Die obersten 10 Prozent der Gesellschaft verfügen über fast zwei Drittel des gesamten Volksvermögens, die untere Hälfte über fast nichts. Angesichts einer solchen Entwicklung ist es doch dringend notwendig, dass Politik darüber nachdenkt, wie man gegensteuern kann. Ich habe hier in diesem Hause von der Landesregierung immer nur gehört, insbesondere vom Ministerpräsidenten, wir haben zu viel Gleichheit in diesem Land und wir müssten dafür sorgen, dass wieder mehr Differenzierung und Ungleichheit möglich ist. Wir haben eine Landesregierung, die Thüringen immer noch als Niedriglohnstandort versucht anzupreisen. Das ist der falsch Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren, so kommen wir aus dem Schlamassel nicht heraus.
Ich will einen dritten Schwerpunkt ansprechen - die innere Sicherheit: Der Innenminister ist ja inzwischen selbst zu einem Sicherheitsrisiko in Thüringen geworden.
Das Chaos, was Sie bei der Polizei angerichtet haben, ist nicht mehr zu verantworten, Herr Innenminister, und wir werden morgen in der Aktuellen Stunde auch darüber noch einmal reden.
Eine aktive Wirtschaftspolitik ist die vierte Säule, die wir im Blick haben bei diesen Haushaltsberatungen. Die strategische Frage für die weitere Entwicklung hier in Thüringen - und das können Sie hören, wenn Sie mit den Wirtschaftsverbänden reden - ist: Gibt es auch in den nächsten Jahren genügend Nachwuchs an jungen Fachkräften? Dieser Frage haben Sie sich bisher überhaupt nicht ausreichend gestellt. Denn in einem Land, in dem die Geburtenzahl so deutlich abgenommen hat wie in Thüringen, in dem in den nächsten Jahren nur noch halb so viel Kinder die Schulen verlassen, müssen wir doch energisch dafür sorgen, dass möglichst viele Kinder möglichst gut ausgebildet diese Schulen verlassen. Das ist aber nach wie vor nicht der Fall. Deshalb ansetzen bei der frühkindlichen Bildung, beginnen für Chancengleichheit sorgen, eine Schulreform machen, die dafür sorgt, dass alle Kinder gleiche Chancen haben und dass nicht mehr so viele Jugendliche in Sackgassen landen.
Das wäre Aufgabe einer Landesregierung, in die Debatte um die Reform der beruflichen Bildung endlich mal einzusteigen. Ich habe hier keinen einzigen Vorschlag bisher gehört. Da wird inzwischen bei der Wirtschaft diskutiert über ein Modell des Industrie- und Handelskammertages „Dual nach Wahl“, Grundausbildungen in den Berufen wieder zu stärken, mehrere Berufe zusammenzufassen. In den Gewerkschaften wird diskutiert über europäische Kernberufe. In dieser Landesregierung in dieser wichtigen Fachkräftefrage - Schweigen im Walde, nichts, null, kein Angebot, keine Lösung.
Förderung von Zukunftstechnologien: Sie fahren die Förderung von Technologie- und Gründerzentren zurück mit diesem Haushalt. Da frage ich mich, wenn man an dieser Stelle nichts sät, da, wo Gründungen initiiert und unterstützt werden sollen, wie will man denn in den nächsten Jahren ernten. Deshalb sagen wir, dieser Weg ist falsch, wir stocken wieder auf an dieser Stelle. Dazu werden wir Anträge im Haushalt stellen und ich hoffe, dass Sie dem zustimmen. Die Gründer- und Technologiezentren brauchen mehr Geld, nicht weniger Geld.
Auch bei der Frage Energieeinsparung, erneuerbare Energien ist von dieser Landesregierung nicht viel zu hören. Natürlich lassen Sie sich gern sehen, wenn es darum geht, Spatenstiche zu machen oder neue Unternehmen einzuweihen. Die Solarbranche boomt auch in Thüringen, das ist gut. Aber die Solarbranche boomt, weil wir damals das Erneuerbare-Energien-Gesetz durchgesetzt haben im Bundestag gegen erbitterten Widerstand der CDU, meine sehr ge
Das ist der Grund für den Boom. Und jetzt, Herr Mohring, stelle ich einmal die Frage, was hat Thüringen eigentlich selbst beigetragen, da will ich mich jetzt gar nicht auf unsere eigenen Recherchen und Untersuchungen beziehen, sondern auf eine Untersuchung, die dazu gemacht worden ist von einer Zeitschrift, die ein gewisses Renommee in dieser Frage hat, nämlich von GEO. In dieser GEO-Untersuchung nimmt Thüringen den letzten Platz bei der Frage ein: Wer hat eigentlich gute politische Umweltstrategien? Thüringen ist auf dem letzten Platz. Da sage ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann und das darf nicht so bleiben, auch diese Landesregierung hat eine Verantwortung für Klimaschutz, für gute Umweltpolitik und deshalb brauchen wir Geld in diesem Bereich.
Eine bessere Politik für Thüringen ist machbar, davon bin ich überzeugt, das haben wir mit unseren Anträgen zum Haushalt gezeigt. Wir haben das, was wir mehr ausgeben wollen, gut gegenfinanziert. Dass die Vorschläge seriös sind, sieht man daran, dass Sie einige davon selbst aufgegriffen haben, Herr Mohring, um Ihre eigenen Vorschläge gegenzufinanzieren.
Thüringen, davon bin ich überzeugt, braucht eine Aufbruchstimmung, sonst kann eine Aufholjagd auch nicht gelingen, aber diese Landesregierung hat keine Kraft mehr für eine solche Aufbruchstimmung, der Doppelhaushalt 2008 und 2009 zeigt es ganz deutlich. Es gibt keine Vision, es fehlt der Schwung, es gibt auch keine wirklich neuen politischen Projekte. Der Ehekredit, den Sie jetzt wieder aus der Schublade geholt haben, der ist nun wirklich nicht der große Renner. Das ist ein alter Ladenhüter, der unter heutigen Bedingungen wenig bringt.
Den Kredit bei den Eltern, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Union, den haben Sie durch Ihre Art der Familienoffensive ohnehin verspielt.
Dieser Doppelhaushalt wird der Nachlass Ihrer Regierungszeit sein. Eines kann man heute schon sagen: Geschichte haben Sie damit nicht geschrieben. Sie haben wenig getan, um Thüringen auf die Herausforderungen der Zukunft, auf die nächsten Jahre vorzubereiten. Viel Zeit wurde verschwendet, viel Porzellan wurde unnütz zerschlagen, weil dieser Lan
desregierung ein Kurs und eine klare Perspektive fehlen; anstatt Probleme zu lösen, ist diese Landesregierung selbst zum Problem geworden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und, Herr Ministerpräsident, im Moment haben Sie noch finanzielle Gestaltungsspielräume; nutzen Sie diese Chance auf den letzten Metern bis 2009, packen Sie endlich Zukunftsaufgaben an, schmeißen Sie die unfähigen Minister aus Ihrem Kabinett, sonst sind auch die nächsten zwei Jahre verlorene Jahre für Thüringen.