Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

(Beifall DIE LINKE)

Nächste Anmerkung - den Hochschulbereich lasse ich jetzt ausdrücklich weg - da hat Ihnen Frau Hennig ausreichend dazu gesagt, ich hoffe, Sie können darauf noch mal eingehen -, aber zu der Kulturfrage möchte ich mich noch einmal äußern. Auch das ist dann immer in Sonntagsreden recht schön gesagt - Kultur ist kein Luxus in diesem Land, wir geben ungeheuer viel Geld für die Kultur aus. Wir geben mehr Geld als alle anderen für die Kultur aus und es könnte sich jeder Bürger so wohl in diesem Freistaat fühlen, weil wir so viel Kultur haben. Richtig ist, wir haben viel Kultur. Richtig ist aber auch, dass Kultur und Bildung zwei Seiten einer Medaille sind, und richtig ist auch, dass seit vielen Jahren immer wieder an dem Etat für den kulturellen Bereich gekürzt worden ist. Sie haben es selbst in Ihrem Entwurf des Landeskulturkonzepts aufgeschrieben. Da

brauchte ich mir nicht mal die Mühe zu machen, die Zahlen nachzurechnen. Sie haben es aufgeschrieben und die Kurve geht gewaltig nach unten. Um es mal zu übersetzen, er sagt jetzt zu mir, es wird nicht gekürzt. Nun mag vielleicht in diesem Haushalt nicht gekürzt werden und da hatte ich dann bei der Verleihung des Kulturpreises folgenden Satz aus Ihrem Mund vernommen: Es könnte sein, ich zitiere den Kultusminister sinngemäß, dass hinter der Drei von 1,3 Prozent Kulturquote noch eine größere Zahl stehen wird. Das heißt, der 0,0-prozentige Anstieg ist dann der Gipfel des Machbaren aus dem Hause des Kultusministeriums.

Ich möchte aber auf einen ganz anderen Bereich eingehen. Sie haben in Ihrem Haushalt in zwei Titelgruppen noch eine feste Finanzierung für die institutionelle Förderung von Kultureinrichtungen - einmal für die Theater und Orchester in der Titelgruppe 79 und einmal in der Titelgruppe 78 die institutionelle Förderung für die Museen. Ich möchte mich jetzt nicht darüber auslassen, das habe ich oft genug getan, dass dort auch die Mittel zu gering veranschlagt sind, weise aber darauf hin, dass eigentlich die mittlere Fraktion dem Haushaltsplan nicht zustimmen kann, denn die Haushaltserläuterung zur vertraglichen Fixierung der Theater- und Orchesterverträge im Jahr 2009, und die sind Teil des Haushaltsplans, fehlen.

(Glocke der Präsidentin)

Kollegin Dr. Klaubert, Sie haben nur noch eine Minute Sprechzeit.

Diese haben Sie nicht angefügt und sie fehlen in diesem Haushaltsplan.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: 57, 56.)

Und dann möchte ich als Zweites anmerken, dass unsere Kommunalpolitiker und unsere Haushaltspolitiker Ihnen mehrfach erläutert haben, und ich selbst habe das an geeigneter Stelle auch schon getan, dass die Lösung für Musikschulen, Bibliotheken und Jugendkunstschulen in einem veränderten Herangehen an die Kommunalfinanzen bestehen würde, indem wir erst einen „kleinen Kulturlastenausgleich“ einführen und dann einen großen.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist nicht parteipolitisch borniert geprägt, sondern ein interessanter Versuch einer Lösung. Kei

ner aus Ihrem Ministerium ist in diesem Zusammenhang einmal auf unsere Fragen und Vorschläge eingegangen. Demzufolge reichen wir diesen Antrag wieder ein. Vielleicht folgt der eine oder andere mit seiner Stimme einem solchen Vorschlag und öffnet das Fenster in die richtige Richtung. Und ich sage zum Abschluss noch einmal: „Dieser Einzelplan ist Haushalt unseres Reichtums, Haushalt unserer Zukunft.“, aber was stand heute in der TA? „Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben, man muss auch noch zu ängstlich sein, ihn umzusetzen.“ Das galt für Ihr Ministerium, für uns gilt: Es ist Zeit für Veränderungen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich erteile jetzt das Wort der Abgeordneten EhrlichStrathausen. Die SPD hat noch 18 Minuten Redezeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, „Maßnahmen zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit von Kindern“, so lautet unser SPD-Antrag und ich möchte ihn hier auch noch mal begründen. „Thüringen sagt Ja zu Kindern“ - diese Initiative stellte uns Sozialminister Zeh in der letzten Plenarsitzung vor. Ich weiß, er sitzt draußen. Ich hoffe, er hört das auch alles. Beide Oppositionsfraktionen hatten damals kritische Anmerkungen, aber wir haben unsere Unterstützung zugesichert. Ich habe damals betont, dass sich Kinderfreundlichkeit über die Aktion hinaus in konkreter Politik und damit auch im Haushalt wiederfinden muss. Maßnahmen zum Abbau von Kinderarmut wurden von uns in diesem Zusammenhang schon eingefordert; das war vor einem Monat. Nun ist der Presse zu entnehmen, dass im Rahmen der eingegangenen Spenden für die Initiative unter anderem die Suppenküche in Eisenach gefördert wird. Genau das zeigt, dass Kinderarmut wohl offensichtlich doch ein Problem ist in Thüringen und bestimmt nicht nur in Eisenach.

(Beifall SPD)

Selbst der Bundesminister Horst Seehofer verkündete im August, dass er die Gemeinschaftsverpflegung in Schulen und Kitas verbessern möchte und er darüber mit den Bundesländern verhandeln will. Ziel soll sogar dort sein, allen Kindern gesundes Essen zur Verfügung zu stellen. Auch in den Ländern insgesamt bewegt sich etwas. Rheinland-Pfalz voran wird nun auch im Saarland, in Nordrhein-Westfalen Kindern aus finanzschwachen Familien die Teilnahme an kostengünstigen, warmen Mahlzeiten ermöglicht. Auch der hessische CDU-Ministerpräsident leugnet nicht mehr die Situation dieser Kinder. Er ver

kündete vor wenigen Tagen, dass Hessen ab 2008 das Essen für bedürftige Kinder subventioniert. Und in Thüringen? Was geschieht in Thüringen? Minister Zeh sagt in einem Atemzug Ja zu Kindern und Nein zu kostenloser Essenversorgung unserer armen Kinder. Er sieht in einer Landesfinanzierung des Essens für arme Schülerinnen und Schüler lediglich ein Detail - so ist es seiner letzten Rede zu entnehmen gewesen - und er befürchte, dass mit einem solchen Detail nicht die Kinderarmut als solche bekämpft werde, sondern die Eltern aus ihrer Verantwortung entlassen werden.

Meine Damen und Herren, es geht hier um ein winziges Detailchen, welches mittlerweile für ungefähr ein Viertel der Kinder in Thüringen Tag für Tag das Leben bestimmt. So ein winziges Detailchen ist das. Diesen Kindern stehen jeden Tag 2,57 € für Essen zur Verfügung. Herr Emde - er sitzt heute mal da oben, das ist sehr nett bei dem Thema -, nimmt man die Kriterien der Gesellschaft für gesunde Ernährung - ich habe Ihren Beitrag vom letzten Mal nicht vergessen - zur Grundlage, so reicht der Regelsatz für Kinder zur gesunden Ernährung dieser Kinder gerade einmal für 22 Tage.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Ehrlich-Strathausen?

Nein, ich werde erst einmal meine Rede beenden. Dann schaue ich nach der Zeit, Herr Kuschel, und dann schaue ich, wie viel Zeit für unsere Fraktion noch übrig bleibt.

Wovon sollen die Kinder an den restlichen Tagen leben? Das, Herr Sozialminister Zeh, sind tatsächlich zwei Details, die man sich vor Augen halten sollte, 2,57 € oder gesundes Essen für 22 Tage.

Das hat - Frau Lieberknecht ist jetzt nicht da - nichts mit Bequemlichkeit der Eltern zu tun, wie sie es heute früh nannte, nein, damit tut sie den Eltern Unrecht, die sich redlich Mühe geben, ihren Kindern ein gesundes Essen zu ermöglichen.

Dass aber Tausende von Kindern in diesem reichen Land davon betroffen sind, das ist kein Detail mehr, sondern das ist einfach unerträglich und die bisherige Haltung der Landesregierung besteht in der Verleugnung. Ich beweise das jetzt auch noch einmal.

Kultusminister Goebel erklärte Ende August in einer Berliner Zeitung, dass man seit der Streichung der Landessubventionen für das Schulessen keinen Rückgang bei der Teilnahme verspürt habe. Er wird

weiter zitiert mit der Erkenntnis, es werden nicht mehr Kinder am Schulessen teilnehmen, selbst wenn es kostenlos ist. Woher wissen Sie das? Seit gestern liegt mir nach über sieben Wochen, fast acht Wochen auf Nachfrage die Beantwortung meiner Kleinen Anfrage zur Schulspeisung vor. Die Antworten sind angesichts der tatsächlichen Probleme und der ministeriellen Bearbeitungszeit wirklich ein Witz - ich kann es nicht anders sagen. Nichts wissen Sie und Sie wollen es auch nicht wissen, weder wie viele Schüler an der Schulspeisung teilnehmen noch welche dieser Schüler aus einkommenschwachen Familien kommen. Nach Ihrer Ansicht besteht überhaupt keine Veranlassung, solche entsprechenden Daten überhaupt abzufragen. Auf meine Frage, ob die Landesregierung über Kenntnisse verfügt, inwieweit Schüler während des Schulbesuches keine ausreichenden Nahrungsmittel hätten, antwortet der Thüringer Kultusminister mit Nein. Also woher weiß dann dieser gleiche Kultusminister in der Berliner Zeitung, dass kein Rückgang bei der Inanspruchnahme zu verspüren sei? Woher nimmt er diese selbstgefällige Gewissheit, zu behaupten, dass nicht mehr Kinder am Schulessen teilnehmen können, selbst wenn es kostenlos wäre? Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, es fällt mir schon schwer, mit solchen Aussagen relativ sachlich umzugehen, und es fällt mir auch deshalb schwer, wenn ich mir die gut gepolsterte persönliche Lebenssituation derer vorstelle, die in dieser Form aus den Ministerien oder an der Spitze der Ministerien in diesem Moment mir geantwortet haben. Ich versuche es aber noch einmal.

(Beifall SPD)

In jeder Schule, in jedem Kindergarten, insbesondere in Förderschulen ist diese Armut von Kindern wohlbekannt; das reicht vom Essen bis hin zur Versorgung mit Schulmaterialien, ganz zu schweigen von der Teilhabe an Schulausflügen, an besonderen kulturellen oder auch an sportlichen Veranstaltungen, die einen Eigenanteil der Eltern erfordern. Noch einmal, werte Kollegen von der CDU: Mit knurrendem Magen lässt es sich schlecht lernen; erst kommt das Essen und dann der kluge Kopf. Frau Lieberknecht sagte vorhin zu Recht: Erfolgschancen stehen jedem Kind zu. Stimmt! Aber mit halbleerem Schulranzen und leerer Frühstücksdose schämen sich die Kinder; schon zu Beginn des Eroberns ihrer kleinen Welt stehen die Kinder damit am Rand. Das beginnt im Kindergarten und setzt sich später konsequent fort. Und Thüringen sagt Ja zu Kindern? Wenn die CDU-Landesregierung und die CDU-Fraktion die Fakten ganz nüchtern betrachten, dann erkennen sie die Kinderarmut auch bei uns in Thüringen endlich an und verstecken sich nicht hinter solchen Formalien wie auch bei meiner Anfrage. Das hilft den Kindern nicht, denn die Fakten liegen hier auf dem Tisch. Das beweisen Ihnen die Studien, das

berichten Kindergärtnerinnen, Lehrer, Mitarbeiter in den Grundsicherungsämtern landauf, landab, die Thüringer Tafeln, das erklären die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände. Die Landespolitik kann das ändern, wenn sie nur will, das beweisen Ihnen Ihre CDU-Kollegen in Hessen, im Saarland und in Nordrhein-Westfalen, die das schon längst erkannt haben.

(Beifall SPD)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie haben mit den vorliegenden Anträgen unserer Fraktion zur Essenversorgung armer Kinder im Kindergarten, in den Grundschulen und in den Förderschulen, für ein Starterpaket für Schulanfänger und eine Arbeitsmittelpauschale für Grundschüler die Gelegenheit zu beweisen, dass Thüringen Ja sagt zu Kindern, zu Kindern, die unter uns leben, die da sind und die unsere Hilfe brauchen. Sie haben die Gelegenheit zu beweisen, dass diese Behauptung des Ministers in der Berliner Zeitung einfach nur ein Ausrutscher war.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag kann der Landtag zeigen, dass er ein kinder- und familienfreundliches Thüringen will, dass uns der Abbau von Benachteiligung von Kindern auch etwas wert ist. Obwohl die Anträge im Haushalts- und Finanzausschuss abgelehnt worden sind, bitte ich hier an dieser Stelle noch einmal im Interesse der Kinder und der betroffenen Eltern erneut um Ihre Zustimmung. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Emde, CDU-Fraktion. Die CDU-Fraktion hat noch 19 Minuten Redezeit.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Jetzt kommt Herr Emde und redet auch noch mal zu Hartz IV.)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst mit ein paar Worten auf Frau Ehrlich-Strathausen reagieren. Es ehrt Sie Ihr Einsatz für Kinder, die vom Leben ein Stück weit benachteiligt werden, und an der Stelle sind wir sogar gemeinsam in einem Boot. Aber ich glaube, das Thema armer Kinder, die nichts zu essen bekommen und am Hungertuch nagen, überziehen Sie hier maßlos. Als Sportlehrer lassen Sie mich mal ganz einfach sagen: Wir haben in den Schulen eher das Problem, dass die Kinder fettsüchtig und adipös sind, und weniger, dass sie an Unterernährung leiden.

(Zwischenruf Abg. Pilger, SPD: Ja, von der gesunden Ernährung. Sie haben doch von nichts eine Ahnung.)

Nichtsdestotrotz ist es natürlich so, dass wir eine wachsende Anzahl von Kindern haben, die in Familien groß werden, die die einfachsten Bedürfnisse ihrer Kinder nicht stillen können. Da bin ich voll bei Ihnen, wenn wir an den Stellen versuchen zu helfen, aber ob das dann der richtige Ansatz ist, dass wir wieder sagen, wir schmeißen Geld hinterher, und wenn es um die Frage geht, wieder flächendeckend Essengeld von Landesseite einzuführen, sage ich Ihnen nur eins, es hat schon ein rein juristisches Problem, denn die Familien, aus denen die Kinder oft stammen, sind zumeist Sozialhilfeempfänger und dann wären diese Geldleistungen wieder auf die Sozialhilfe anzurechnen und am Ende würde dort nichts ankommen. Ich glaube nicht, dass das am Ende die Lösung des Problems ist, aber ich bin immer bei Ihnen, wenn es darum geht, Kindern, die Benachteiligungen erfahren, zu helfen.

Da nehme ich gleich noch einmal diese Mär vorneweg, die ja immer wiederholt wird, die man jetzt auch bei der jüngsten PISA-Studie „PISA 2006“ wiederholt hat, die starke soziale Selektivität und die Benachteiligung von Kindern aus sozial benachteiligten Familien. Nirgendwo in Deutschland ist das weniger der Fall als hier in Thüringen. Das sollten Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

Wenn man das bei einer PISA-Studie, die deutschlandweit erscheint, hier wieder so vor sich herträgt, sei auch noch mal gesagt, Ergebnisse für Thüringen oder für Bundesländer sind an dieser Stelle gar nicht vorgetragen. Es wird auch nicht wahrer, wenn man falsche Dinge immer und immer wieder erzählt, so wie mit PISA umgegangen wird. Das kann ich bald nicht mehr hören. Denn es werden Schlüsse gezogen, die dort nie und nimmer herauszulesen sind.

Was erstaunlich ist, ist, dass sogar einige Mitmacher bei der PISA-Studie jetzt versuchen, die Erhebungsdaten und die Umgangsweisen bei dieser Studie in Misskredit zu ziehen und meinen, PISA wäre doch gar nicht ganz so ernst zu nehmen, nur weil man es einfach nicht ertragen kann, dass es in Deutschland an der Stelle aufwärts geht.

(Beifall CDU)

Frau Dr. Klaubert, wenn ich Ihre Rede höre, da schwillt einem schon so ein bisschen der Kamm, aber man kriegt ja ein dickes Fell auch über die Jahre. Sie sagen, Änderungen im Bildungssystem schlagen sich erst in einiger Zeit nieder. Da stimmen wir noch überein. Dann werfen Sie aber 20 Jahre in den Saal hinein und implizieren also dadurch, dass wir

ja alle durch die DDR gegangen sind und viele unserer Lehrer dort noch ausgebildet sind, sind wir nur deswegen so gut in Thüringen im Vergleich der Bundesländer, weil wir eben diese

(Zwischenruf Abg. Reimann, DIE LINKE: Natürlich ist das so, Herr Emde.)

Vergangenheit haben. Also das ist doch ein unfassbarer Traumtanz für mich. Ihre Schlussfolgerungen dann, dass Sie meinen, das in Zukunft in Thüringen alles noch schlechter wird, das ist doch wohl ein Kassandraruf in der allerübelsten Form.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Aber Sie sind doch selber durch das System gegangen.)

(Glocke der Präsidentin)

(Unruhe DIE LINKE)

Meine Damen und Herren,

Sie können dann selbst an das Rednerpult gehen, Frau Dr. Scheringer-Wright.