Ich frage Sie: Ist das eigentlich für Sie alles nur das Jammern von Lobbyisten? Sind das alles nur Einzelinteressen, die man nicht weiter berücksichtigen muss und gegen die man sich einfach mit der Brechstange durchsetzen muss? Hat da jeder nur sein Eigenes im Auge und den Blick für das Große und Ganze verloren? Nein, Herr Althaus, was hier in den letzten Monaten, insbesondere seit Ihrer Regierungserklärung im September, passiert ist, ist etwas anderes. Der Streit, den die Landesregierung mit den Kommunalverbänden, mit den Kammern, mit den Wohlfahrtsverbänden, mit den Vereinen, mit den Trägerorganisationen und selbst zum Teil mit den eigenen Mitarbeitern hat, reicht viel, viel tiefer. Der Präsident der IHK Erfurt, Herr Chrestensen, hat das vor einigen Monaten richtig erkannt und mit einem Satz auf den Punkt gebracht: "Das hätte es unter Vogel nicht gegeben!" Warum hat er das eigentlich gesagt? Ist das auch nur das Jammern eines ewigen Lobbyisten, Herr Althaus, oder steckt dahinter nicht vielmehr die Sorge, dass hier eine Kultur der Gemeinsamkeit in Thüringen verloren zu gehen droht, dass hier eine Kultur des Dialogs, die es einmal in diesem Land gab, des Miteinanderredens, des Miteinander-Probleme-Besprechens verloren geht durch die Art und Weise, wie Sie Politik machen, Herr Althaus?
Sie regieren von oben herab. Sie sprechen zu den anderen, aber Sie reden nicht mehr mit ihnen und da liegt das Problem. Ich bin überzeugt, eine Reform kann nicht gelingen, wenn man alle gegen sich aufbringt. Eine Reform kann nur gelingen, wenn man die Kräfte bündelt, wenn man die gewichtigen gesellschaftlichen Gruppen, die wichtigen Verbände an seine Seite bekommt,
anstatt sie alle gegen sich aufzubringen. Wer etwas bewegen will, braucht Mitstreiter und braucht Verbündete. Wenn Sie so weitermachen, Herr Althaus, wie bisher, dann wird Thüringen Schaden nehmen. Machiavelli hat einmal gesagt: "Wenn du stark bist, dann beginne, wo du stark bist; wenn nicht, beginne dort, wo du eine Niederlage am leichtesten verschmerzen kannst." Herr Althaus, unser Land hat Stärken und zu diesen Stärken gehörte in der Vergangenheit unsere Dialogkultur, die geholfen hat, dieses Land voranzubringen. Lassen Sie uns doch bei dieser Stärke wieder ansetzen. Es wäre auch für
Sie kein Zeichen von Schwäche, wenn Sie auf diesen Weg zurückkehren. Es ist nicht zu spät, wieder auf das Miteinander in diesem Land zu setzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich mit einem Dank beginnen, einem Dank ausdrücklich an die Finanzministerin, an das Kabinett, dass Sie in schwierigster Zeit, unter schwierigsten Umständen uns mit dem heutigen Tag einen Haushalt hier im Thüringer Landtag vorlegen, der im Rahmen der Verfassung aufgestellt werden konnte, der viele, viele Gespräche erfordert hat, den Sie aber gemacht haben, den Sie machen konnten. Auch das ist keineswegs mehr selbstverständlich,
wenn wir uns die Haushalte der deutschen Länder in der gegenwärtigen Situation ansehen. Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Finanzministerin ausdrücklich danken für ihre Rede, die sie heute gehalten hat - eine ehrliche Rede, eine sehr sachliche Rede, die der Situation unseres Landes in dieser außerordentlich schwierigen Situation angemessen ist.
Das halte ich für sehr, sehr wichtig, dass wir in dieser sachlichen Art tatsächlich hier miteinander umgehen. Das kann ich nun von Ihnen, meine verehrten Kollegen - Herr Kollege Ramelow, Herr Kollege Matschie - nicht sagen.
Voller Widersprüche! Aber was mich gewundert hat: Ich dachte, es ist wenigstens noch ein bisschen Unterhaltungswert dabei, aber keine Story, die nicht schon x-mal zitiert worden wäre.
Ich frage mich, wo führt uns das weiter? Wie wollen Sie damit den Eisberg schmelzen? Keine Vorstellungen davon, das war eine Nullnummer.
billig im Denken. Und dann die Liste der Tabus, ich werde noch darauf zurückkommen. Auch das führt nicht zu Einsparungen, das führt nicht zu einer Senkung der Nettoneuverschuldung, die in der Tat zu hoch ist. Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, ich möchte in keinem anderen Land in dieser Bundesrepublik Deutschland leben als hier in Thüringen, auch im Blick auf die schwierigste Finanzsituation, die wir haben.
Das Lob im Blick auf Sachsen: Es mag ja in manchen Punkten zutreffen, aber im Blick auf die finanzielle Ausstattung der Kommunen kenne ich keine Kommune aus Thüringen, die mit der finanziellen Situation, die sie in Sachsen haben, tauschen möchte.
Wenn ich die Feuerwehren, die Sportstätten, die Schulen, die Theater, die Krankenhäuser, die Polizeiinspektionen ansehe - wir können die Liste fortsetzen -, nirgendwo ist in den vergangenen 14 Jahren in den neuen Ländern so viel passiert wie in den Thüringer Kommunen, wie in unseren Gemeinden, bei unserer kommunalen Basis, in unseren Städten und Landkreisen.
Ich denke, wir sollten da wirklich die Kirche im Dorf lassen, auch die Kirchen, für die wir im Übrigen so viel in Thüringen getan haben. Aber es ist auch klar geworden, diese 14 Jahre Politik können wir nicht so weiter fortsetzen. Deswegen stehen wir in der Situation, wo kein Haushalt seit der Wiederbegründung Thüringens vorab in der Tat so viele Kontroversen ausgelöst hat wie dieser, denn wir beginnen in der Thüringer Politik Weichen umzustellen. Die Finanzpolitik muss auf ein Gleis kommen, auf dem das Land auf mittlere Sicht aus der Verschuldung herauskommen kann bzw. den Eisberg schmelzen lassen kann und den Staat so verändert, dass auch unter ungünstigen finanziellen Rahmenbedingungen, auf die wir uns einstellen müssen aufgrund der Erfahrungen, die
wir in den letzten Jahren gemacht haben, und einer zurückgehenden Bevölkerungsentwicklung, über deren Vorhandensein wir uns auch alle einig sind, öffentliche Leistungen zu vertretbaren Kosten angeboten werden können. Das geht nicht ohne spürbare auch strukturelle Änderungen. Deswegen ist das Kernstück des Haushalts 2005 das Haushaltsstrukturgesetz mit mehr als 30 Maßnahmen, die alle wehtun. Das leugnen wir gar nicht. Lieber hätten wir auch manches weiter weggeschoben von uns, denn sie greifen in Besitzstände ein, in Besitzstände derer, die oft zu Recht auch meinen, wohl erworbene Besitzstände in diesem Land zu haben. Kommunen, öffentlicher Dienst, die Wirtschaft, Bildungsträger, Kultur viele, viele werden die Folgen dieses Haushalts spüren. Deswegen sind wir uns bewusst, und daran kann auch kein Zweifel bestehen, und ein Träumer, wer da meint, dass das ohne Widerstände abginge. Natürlich kann das nicht ohne Widerstände abgehen. Es ist das Recht der Betroffenen, sich hierzu zu äußern und zu schauen, was sie in dieser Situation machen und wie sie mit uns ins Gespräch kommen. Das ist ganz klar. Aber in dieser Situation, Herr Matschie, auf Szenenapplaus zu setzen, ist doch auch Träumerei.
Das habe ich schon bei meiner Erwiderung auf die Regierungserklärung gesagt, es geht nicht um Szenenapplaus für diesen Schritt, es geht um den Schlussbeifall dann, wenn unsere Maßnahmen gegriffen haben. Und sie werden greifen, freilich über einen längeren Zeitraum, für mehr Freiheit, für Gestaltungsmöglichkeiten in der Zukunft. Das ist unser Ziel. Aber, ich sage es noch einmal, wir konstatieren: Jetzt ist die Stunde der Lobbyisten, das zu tun, was sie tun müssen, für ihre Interessen streiten, die sie vertreten. Das ist verständlich und auch nicht zu tadeln. Ich habe gestern beispielsweise auch mit 17 Vertretern des Thüringer Landesjugendringes zusammengesessen. Wir haben uns auch sehr intensiv ausgetauscht. Wir werden weiter im Gespräch bleiben und mit vielen anderen Verbänden natürlich auch.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns, die wir hier sitzen, gilt nicht einfacher Lobbyismus heute für das Interesse und morgen für das Interesse, sondern wir sind verantwortlich für das ganze Land und auch nicht für Kampagnen, heute für die einen und morgen für die anderen, jeweils wo wir uns gerade befinden,
sondern dieses Parlament, der Thüringer Landtag, muss eine Perspektive einnehmen, wo das ganze Land im Blick ist, denn wir sind schließlich allen Bür
gerinnen und Bürgern verpflichtet. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes können erwarten, dass das Mandat, was wir bekommen haben, auch in ihrem Sinne wahrgenommen wird, und nicht nur in ihrem ganz partikularen Sinne, sondern im Sinne einer Gerechtigkeit, eines Ausgleichs für alle. Das heißt dann auch, hier und heute die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, die Sie allenfalls am Rande angesprochen haben. Deswegen möchte ich sie noch einmal benennen, denn sie sind elementar im Hintergrund unseres Reformpaketes. Damit dieses Reformpaket auch verstanden werden kann, müssen wir das immer wieder kommunizieren. Erst das Ganze weist uns nämlich die Horizonte, in denen wir zu denken und zu handeln haben.
Eine Realität ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, das haben auch Sie von der Opposition gesagt, die demographische Entwicklung, zu der die öffentliche Infrastruktur nicht auf Dauer in Widerspruch geraten kann. Das tut sie aber, wenn wir hier nichts ändern. Realität sind die eingebrochenen Steuereinnahmen durch eine unzulängliche, und da komme ich nicht drum herum zu sagen, miserable Bundespolitik, durch die unsere Rahmenbedingungen bestimmt werden, denn wir sind ja hier nicht auf einer Insel der Seligen,
wo wir nur Thüringer Gesichtspunkte hätten, sondern wir werden überdimensional durch Bedingungen von außen bestimmt. Realität ist, dass die bisherigen Sparanstrengungen angesichts dieser Situation nicht reichen und in der vorhandenen Struktur auch nicht mehr gespart werden kann als wir schon sparen. Deswegen müssen wir an die strukturellen Änderungen, deswegen ist das Haushaltsstrukturgesetz das Kernelement des Haushalts 2005. Realität ist auch, dass wir durch den Schuldendienst über kurz oder lang erdrückt werden und uns an kommenden Generationen damit versündigen, wenn wir jetzt nicht handeln. Ganz klar, es geht zulasten unserer Kinder und Enkel. Es geht zulasten derer, die sich heute zum Teil überhaupt noch nicht artikulieren können. Realität ist auch, dass wir jetzt Gestaltungsspielräume erhalten und zurückerobern müssen, wenn wir der Erfolgsgeschichte des Freistaats Thüringen weitere Kapitel hinzufügen wollen. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, alles, was Sie hier verteidigen, über alles, worauf Sie hier die Hände legen, das ist im Übrigen im vollen Widerstreit gegen die Opposition im Landtag jeweils durchgesetzt worden über die 14 Jahre hinweg, selten ein bedeutendes Gesetz, selten
stimmt haben. Aber jetzt sind Sie ja fast die Schutzheiligen dieser Lage, die wir in Thüringen haben. Das zeigt doch nur, wie gut und richtig die Entscheidungen in den vergangenen Jahren getroffen worden sind. Realität ist auch ein Staat, der zu viel Geld abkassiert und umverteilt. Beim Griff in die eigene Tasche stellt man immer wieder fest, dass die öffentliche Hand schon drin war und zugegriffen hat. Das entspricht auch nicht unserem Bild vom Staat, was wir haben, denn ein solcher Staat beschneidet Freiheit, er schafft Überdruss, es lähmt und das muss geändert werden. Deshalb unternehmen wir diese Anstrengungen, die wir in diesem großen Zusammenhang auch sehen müssen.
Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, einige dieser bedrückenden Realitäten einmal genauer unter die Lupe nehmen. Die Demographie - ein bitteres Thema: "Noch weniger Thüringer", teilte am Dienstag eine Zeitung mit. Nach der koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird der Freistaat Thüringen bis 2020 rund 263.000 Einwohner verlieren. Allein dadurch werden die Schulden, die auf jedem Einwohner Thüringens lasten, von derzeit rund 5.900 @000 wenn ab 2010 keine neuen Schulden mehr gemacht werden. Durch den Rückgang der Bevölkerung verteilen sich die Schulden auf weniger Köpfe, auf weniger Personen, ein Anstieg von 5.900 @000 ' diese Zahlen so eintreffen bei strengstem Konsolidierungskurs hier im Land. Nicht auszudenken, wenn solche Szenarien - die Finanzministerin Birgit Diezel hat darauf hingewiesen - wie die von Prof. Sedlacek wahr würden und 2050 nur noch 1,1 Millionen Einwohner Thüringen bevölkerten und der Weg in den Schuldenstaat jetzt nicht gestoppt würde. Wahrscheinlich reicht die PISA-Mathematikgrundstufe völlig aus, sich davon ein Bild zu machen. Ich glaube persönlich nicht, dass es dazu kommt, aber trotzdem einmal diese Vorstellung, die man auch ernsthaft diskutieren muss, die auf ernsthafter wissenschaftlicher Basis auch errechnet worden ist, mit der wir uns auch politisch auseinander setzen, wo wir nicht die Augen schließen können. Trotzdem bin ich davon überzeugt - auch deswegen machen wir jetzt diese Politik -, dass ein attraktiver wirtschaftlich starker Standort anzieht, dass wir wieder Menschen gewinnen können, dass auch wieder Menschen mehr Mut haben, Familie zu gründen, Kinder zu haben. Deswegen auch unser Schwerpunkt Familienunterstützung,
wo wir nach wie vor Überdurchschnittliches in diesem Land leisten; aber wir sind jetzt gefragt und müssen jetzt handeln.
Wir wollen eine nachhaltige Politik, die die Interessen der künftigen Generationen mit in den Blick nimmt. Das ist mit unser Hauptaugenmerk und mit unsere Motivation, dass wir Verantwortung wahrnehmen nicht nur für alle, unter denen wir einen Ausgleich heute schaffen müssen, sondern auch über die Generationen hinweg. Das ist ein Grundelement auch der Politik der CDU-Fraktion hier im Thüringer Landtag. Ich sage Ihnen, der Sozialstaat heutiger Prägung hat sich einfach übernommen über die Jahre und Jahrzehnte. Es ist versäumt worden, diesen Sozialstaat rechtzeitig auf die Bedingungen einer alternden Gesellschaft und einer veränderten Arbeitswelt einzustellen. Da nehme ich in aller Selbstkritik - weil ich immer für Ehrlichkeit bin und immer dafür bin, Dinge klar zu benennen - die Versäumnisse in der Unionsregierungszeit im Bund nicht aus.
Die kennen Sie auch von mir, diese Ehrlichkeit. Meinhard Miegel hat - auch von der Finanzministerin zitiert - mit seinem neueren Werk "Die deformierte Gesellschaft", aber auch damals schon 1983 - im Übrigen gemeinsam mit Kurt Biedenkopf - vor der Entwicklung der alternden Gesellschaft im Blick auf die sozialen Sicherungssysteme gewarnt. Auch diese Warnungen wurden lange Zeit auch in den eigenen Reihen der Union - das gebe ich ganz deutlich zu, auch darüber haben wir ja gerade bei dem Parteitag in Düsseldorf ernsthaft diskutiert - in den Wind geschrieben. Heute müssen wir nun zu einer deutlichen Reduzierung von Neuverschuldung kommen, oberste Prioritäten hier setzen. Generationengerechtigkeit ist ein maßgebliches Kriterium, an dem wir unsere Haushaltspolitik messen wollen, und zu Recht. Es war gerade die junge Generation, die jungen Leute, auch bei unserem Weimarer Landesparteitag, die Junge Union, die ausdrücklich einen Antrag gestellt hat, Konsolidierung, Unterstützung des Reformkurses, des Sparkurses, des Sparens und Gestaltens dieser Landesregierung. Das machen die jungen Leute nicht ohne Grund,
sondern sie wissen, es geht noch viel mehr um ihre Zukunft als um unsere. Deswegen sagen sie: Bleibt dran, geht diesen Weg.
Realität sind die eingebrochenen Steuereinnahmen. Thüringen ist - ich sagte es bereits - keine Insel der Glückseligkeit und Thüringen ist kein Stern, der weitab vom Geschehen seine Kreise zieht. Die Entwicklung der Staatsfinanzen nimmt seit 2002 aufgrund - ich komme nicht drum herum, ich muss es sagen - der katastrophalen Wirtschaftsentwicklung Bund, Ländern und Kommunen fast sämtliche Gestaltungsspielräume. Mit der Mai-Steuerschätzung 2001 war