Protokoll der Sitzung vom 09.12.2004

Wenn Sie gestatten, würde ich gern am Ende meiner Rede Ihre Zwischenfrage beantworten.

Sie haben genauso wenig ein Konzept auf der Ausgabenseite. Natürlich ist es so, dass durch den Anstieg der Verschuldung die Spielräume in der Verschuldung nicht mehr vorhanden sind. Jeder weiß das. Aber das, was jetzt gemacht wird, das Ausweisen von Fehlbeträgen im übernächsten Jahr, führt doch dazu, dass sich die Situation nicht bessert, sondern verschlechtert. Wir gleichen jetzt mit dem Haushalt 2005 Fehlbeträge in Höhe von 220 Mio.   Das sind Fehlbeträge, die aus unrealistisch veranschlagten Haushalten im Jahr 2003 und 2004, also vor der Wahl, resultieren, und dafür müssen jetzt die Kommunen die Zeche bezahlen. Das ist nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Dazu gehört Ihr Umgang mit den Sondervermögen, mit den Kreditermächtigungen am Haushaltsausschuss vorbei. Dazu gehört die Betrachtung von alternativen Finanzierungen und die Betrachtung der Landesgesellschaften, was ein eigenes Thema ist. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren,

wir bleiben dabei, wir fordern einen umfassenden Kassensturz. Legen Sie alle Verbindlichkeiten offen. Dazu gehört auch die Vorlage, das Offenlegen aller Ist-Zahlen gegenüber dem Haushalts- und Finanzausschuss. Das sollten Sie auch ohne ständige Aufforderung machen. Ich will Ihnen auch den Grund sagen, warum Sie es in der letzten Zeit nicht gemacht haben, weil wir dann den Nachweis hätten, dass ein Großteil der so genannten Globalen Minderausgaben in der tatsächlichen Umsetzung zulasten von Investitionen geht. Das ist der eigentliche Grund. Deshalb: Hören Sie auf zu verschleiern, sondern legen Sie die Zahlen auf den Tisch, wie sich das gehört.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Sie erhalten den Jahresabschluss, so wie es das Gesetz vorsieht.)

Ja, richtig.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Kann nicht einer von euch mal Vorschläge nen- nen?)

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Sie sind nicht die Exekutive, Herr Hus- ter.)

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich schlage vor, dass du jetzt gehst.)

(Heiterkeit im Hause)

Dritter Punkt: Herr Matschie hat es deutlich gemacht, dass Sie konzeptionell nichts anzubieten haben.

Herr Mohring, ich komme Ihrer Aufforderung nach, Sie werden sich kaum vorstellen, dass ich mich hier hinstelle, ohne Vorschläge zu machen, wie man die Probleme lösen könnte oder wie man zumindest Ansätze entwickeln könnte, die Probleme zu lösen.

(Beifall bei der PDS)

Ich will Ihnen sagen, warum ich glaube, dass Sie kein wirkliches Konzept haben, die Haushaltsprobleme des Landes in den Griff zu bekommen. Da gibt es ein schönes Sprichwort, das heißt: Der Stil ist Ausdruck des Charakters. Das ist schon bezeichnend, nicht bloß der Präsident der IHK in Erfurt, sondern auch andere ehemals der Landesregierung sehr nahe stehende Personen kritisieren den Umgang mit ihnen, mit Betroffenen generell. Sie haben es sich natürlich mit dem Parlament im weitesten Sinne verscherzt, Sie haben es sich mit den kommunalen Spitzenverbänden verscherzt, mit den Gerichten, mit den

Betroffenen im sozialen und im kulturellen Bereich. Tatsächlich erfahren diese Menschen aus der Zeitung oder aus anderweitiger medialer Berichterstattung, was mit ihnen geschehen soll. Man redet nicht mehr mit Ihnen. Auch das ist Ausdruck, dass Sie konzeptionslos agieren.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Wer erzählt denn so etwas!)

Meine Damen und Herren, Sie zerstören mehr, insbesondere mit Blick auf die Kommunalhaushalte. Ich will Ihnen eins sagen, weil Sie uns immer vorwerfen, wir hätten kein Konzept: Die Strukturprobleme des Landeshaushalts, Frau Lieberknecht, auch mit dem, was Sie beschrieben haben, demographische Entwicklung, Zurückgehen der Einnahmen aus Solidarpakt-II-Mitteln und auch die langfristige Frage, ab 2013 sind spätestens die Zuweisungen aus EUFonds, die wir bekommen haben - Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie mit dem, was Sie jetzt vorgeschlagen haben, bei den Kommunen zu kürzen in 2005, diese langfristigen Strukturprobleme des Landeshaushalts nur annähernd lösen können. Im Gegenteil,

(Zwischenruf Abg. Lieberknecht, CDU: Anfangen!)

ich sage Ihnen, dieses Streichen, dieses Zerstören von Strukturen wird sich auch haushaltspolitisch absolut kontraproduktiv auswirken, nicht bloß auf den Landeshaushalt, sondern auch auf die Haushalte der Kommunen.

(Zwischenruf Abg. Lieberknecht, CDU: Alternativen!)

Sie treffen damit, meine Damen und Herren, tatsächlich den Lebensnerv des Landes. Das Leben findet nun mal in den Kommunen statt, das wissen Sie auch. Methodisch - darauf ist auch schon hingewiesen worden - gehen Sie ab von Ihrer bisherigen Politik. Sie fordern die Kommunen offen zum Rechtsbruch auf und signalisieren jetzt schon über den Innenminister, dass man bei der Würdigung der Kommunalhaushalte, bei der Kreditgenehmigung sehr großzügig sein wird. Auch hier vollzieht man letztlich einen Bruch in der bisherigen Politik, indem man bisher Kommunen, die es vielleicht auch nötig gehabt hätten, Kredite verweigert hat mit dem Argument, die dauerhafte Leistungsfähigkeit wäre nicht gegeben. Und jetzt, wo man die Probleme des Landes auf die Kommunalhaushalte abwälzt, signalisiert man, aber wir drücken dann ein Auge zu, wenn die Haushalte nicht ausgeglichen sind, ihr braucht ja nur Kredite aufzunehmen. Das, finde ich, ist wirklich eine Schweinerei.

(Beifall bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wahrheit ist, dass Sie einen Wahlhaushalt 2004 aufgestellt hatten und dass Sie kein Konzept für die Zeit nach der Wahl haben. Das ist auch der wahre Grund, warum Sie die Zeit bis jetzt verschlafen haben, warum wir jetzt im Dezember einen ersten Entwurf beraten und im Februar 2005 möglicherweise einen beschlossenen Landeshaushalt haben. Die Wahrheit ist, dass die Kommunen Ihre Wahlversprechen bezahlen müssen. Die Folgen, meine Damen und Herren, werden verheerend sein, wenn beispielsweise so über Erwachsenenbildung, über die Fragen von Jugendpauschale etc. geredet wird. Sie müssen sich das schon überlegen und das ist auch die Frage an die Kommunalpolitiker bei Ihnen. Wir haben in den letzten Jahren erhebliche Finanzmittel des Landes in die Sanierung von genau diesen Einrichtungen eingestellt. Was ist denn, wenn diese Einrichtungen im nächsten Jahr nicht mehr betrieben werden? Dann stehen die leer. Das ist doch auch eine Frage: Wie wird dieses Geld eingesetzt? Investiert wird in den Kommunen genau mit dem Ansatz und mit dem Ziel, dass diese Einrichtungen dauerhaft betrieben werden können, weil sie Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger darstellen, deshalb müssen diese Leistungen im Kern auch erhalten werden.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, zu den Alternativen: Wir haben mit unserem Masterplan ein Angebot an die Landesregierung gemacht. Die SPD hat ebenfalls ein Angebot gemacht mit Blick auf eine umfassende Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform. Frau Lieberknecht, wenn Sie schon aus einem Brief zitieren, dann will ich Ihnen meine Erfahrungen wenigstens mitteilen. Vor Ort gibt es sehr große Bereitschaft darüber nachzudenken, wenn schon Verwaltungsreform, wenn wir schon das Jahr 2010/2015 in den Blick nehmen müssen, was wir dann noch an Einnahmen haben, was wir dann noch an Bevölkerung haben, wie wir Verwaltungsstrukturen auf diesen Zeitraum einstellen können. Dann begreift doch jeder vor Ort, auch jeder Bürgermeister, dass eine Verwaltungsreform, die nachhaltig ist, ohne Gebietsreform gar nicht zu machen sein wird. Warum Sie diese fünf Jahre verschlafen wollen,

(Beifall bei der PDS)

mit der Konsequenz, dass wir 2009 wieder anfangen müssen, vom Grundsatz zu denken, dass es dann noch schwieriger wird und die Strukturprobleme des Landeshaushalts sich wahrscheinlich dann potenziert haben, denn mir bleibt unverständlich, Herr Ministerpräsident, wie auch Sie so ein Angebot der Op

position ausschlagen können. Das war ein ernst gemeintes Angebot im Gegensatz zu einem Behördenkahlschlag, der ja genau deshalb kritisiert wird, weil kein Konzept dahinter steht, weil Sie noch nicht mal sagen können, was spart es, weil sie es mit den Betroffenen nicht regeln und weil es nicht langfristig gedacht ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Zur Haushaltskonsolidierung gehört natürlich auch die Überprüfung von allen Ausgabearten. Das ist doch gar keine Frage, aber wir setzen andere Prioritäten, wir gehen mit anderen Prämissen ran. Wir fragen beispielsweise nach Zuschüssen an die Messe, wir fragen nach Zuschüssen an die LEG. Schauen Sie sich die Positionen den Flughafen Erfurt betreffend an, Spielbank, die Straße vor dem Landtag, Verwaltungsausgaben generell, all das ebenso wie die Überprüfung und das Straffen von Förderprogrammen. All das sind Sachen, die man genauso diskutieren muss wie alles andere. Dann muss politisch einfach entschieden werden und entsprechende Leistungskriterien müssen natürlich auch eingeführt werden. Wie kontraproduktiv in diesem Zusammenhang - was ich eingangs sagte -: Volkswirtschaftliche Zusammenhänge werden bei Ihnen missachtet.

Meine Damen und Herren, wie kontraproduktiv die CDU rangeht, zeigt doch eigentlich ihre Stellung im Bundesrat zur Abschaffung der Eigenheimzulage. Da wird tatsächlich sehr viel diskutiert. Aber warum hat die CDU generell was dagegen, dass sich der Bund auch mit den Einsparungen dieser Mittel eines Teils seiner Ausgaben entledigt? Es soll konsolidiert werden, es soll gespart werden. Warum machen Sie keinen Vorschlag, einen Teil der bisher für die Eigenheimzulage aufgewandten Mittel umzuwandeln beispielsweise in Mittel zur Förderung von Wohnungs- und Städtebau, um insbesondere das Problem, was wir dort mit Blick auf die Demographie haben, zu lösen? Warum sperren Sie sich dagegen, wenn ein Teil der Eigenheimzulage oder der Mittel für die Eigenheimzulage in Bildung und Forschung umgelenkt wird?

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Die werden ja nicht umgewandelt.)

Das ganze Land debattiert über die Ergebnisse von PISA und man hätte die Möglichkeit, hier tatsächlich zu sparen und etwas für die Zukunft dieses Landes zu tun. Was Sie machen, ist einfach nur blockieren, verhindern und den anderen im Bund die Schuld geben. Das ist auch nicht redlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Das alles zusammen ist keine Politik, das ist Blockade. Mein Eindruck ist, dass Sie das Wohl der Bundespartei CDU über das Wohl auch dieses Landes stellen. Sie kommen jetzt an den Punkt, wo Sie nicht mehr vor Ort erklären können, warum das so ist, denn Ihre Politik im Bund hat dazu geführt mit den Steuerentlastungsgesetzen, das ist mein Ausgangspunkt -, dass fast alle ostdeutschen Landeshaushalte in eine gewisse Haushaltsnotlage kommen werden, wenn sie nicht schon dort sind. Diesen Zusammenhang werden wir immer wieder deutlich machen, meine Damen und Herren.

Zum Abschluss will ich Ihnen sagen: Ihr Entwurf für den Landeshaushalt 2005 ist kein Reformhaushalt - auch das werden wir deutlich machen -, sondern er wird in den Kommunen eine Politik der verbrannten Erde hinterlassen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS, SPD)

Für die Landesregierung hat sich der Ministerpräsident zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach den Reden der Oppositionsvertreter ist mein Eindruck, dass immer noch nicht begriffen wird, welche Situation in Deutschland ist, und dass sie immer noch zwei Wege geht, zum einen, den Menschen weiszumachen, wir könnten durch Verteilen die Zukunft gestalten, und zum anderen, wir könnten auf Neid setzen. Beide Wege sind Sackgassen und deshalb werden wir mit diesem Reformhaushalt für Thüringen den Einstieg in einen umfassenden Strukturwandel für die Zukunft Thüringens auch durchführen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sparen nicht, sondern wir geben nicht vorhandenes Geld nicht aus. Sparen ist etwas ganz anderes. Deutschland lebt seit Jahren über die Verhältnisse. Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, sind das keine Thüringer Statistiken, aber es sind Statistiken, die unser Land eigentlich stärker in Unruhe versetzen müssten. Ein Drittel unseres Bruttoinlandprodukts geben wir inzwischen für das Sozialprodukt aus. 82 Mio. Einwohner auf der einen Seite, 26,3 Mio. sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen minus 1,3 Mio. allein in den letzten drei Jah

ren. 50 Prozent Staatsquote sowie eine Superstruktur des Staates und als Antwort geben Sie eine soziotechnische Illusion. Sie sagen irgendetwas von Mitteln, die vorhanden sind, die sie in die kleinen Gruppen der Gesellschaft geben, um jeden zufrieden zu stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein Märchen, zu glauben, wir könnten in einer freiheitlichen Gesellschaft ohne Grenzen, Gott sei Dank, mit dem Willen Wirtschaftswachstum zu organisieren, damit die Quellen wieder gestärkt werden, durch kürzere Arbeitszeit, mehr Lohn, mehr Verteilen, gutes Urlaubseinkommen und andere Wohltaten Zukunft gewinnen. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen schon wenige Meter vor der Wand und wir werden in Thüringen dafür sorgen, dass wir das, was wir bewegen können im Land, auch bewegen. Wenn es ohne Sie geht, dann geht es eben ohne Sie.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen auch warum das für uns aus der Geschichte Deutschlands eine ganz klare Erkenntnis ist, dass wir als Land, vielleicht schon zu spät, aber jetzt die Weichen in die richtige Richtung stellen. 1969 haben Bayern und Nordrhein-Westfalen die gleiche Verschuldung gehabt, rund 1,6 Mrd.  Heute, 35 Jahre später, hat Bayern 20 Mrd. 6 verschuldung und Nordrhein-Westfalen über 100 Mrd.  Neuverschuldung. 3,6 Mrd. 1    4 jährlich - mehr als Bayern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann auch durch Landespolitik ein Land ruinieren und deswegen werden wir unsere Verantwortung hier wahrnehmen für dieses Land Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Warum wir umschalten müssen, hat sich doch in den letzten drei Jahren ganz eindeutig erwiesen.