Protokoll der Sitzung vom 11.04.2008

Immer häufiger kompensieren Unternehmen abgebaute Vollzeitstellen mit schlecht oder gar nicht entlohnten Praktikumsstellen und besetzen diese mit Absolventen, die erwartungsvoll ihre erste Herausforderung suchen. Diesen Trend halten wir für gefährlich - für die Entwicklung der jungen Akademiker genauso wie für den Standort Deutschland und natürlich damit auch für Thüringen. Ambitionierte und talentierte Nachwuchskräfte werden immens verunsichert. Investitionen in die zukünftigen Fach- und Führungskräfte unterbleiben, junge Talente werden über Jahre hinweg nicht entsprechend gefördert. Der Fachkräftemangel, der bereits jetzt wachstumshemmende Wirkungen in verschiedenen Bereichen entfaltet und die Ausnutzung von Hochschulabsolventen als unbezahlte Arbeitskräfte können sich künftig durchaus als eine Schwachstelle für die wirtschaftliche und demographische Entwicklung Thüringens erweisen. Allein schon deshalb bedarf es unserer großen Aufmerksamkeit.

Aber auch wenn man dieses gesamtgesellschaftlich betrachtet, ist ein gelungener und frühzeitiger Berufseinstieg enorm wichtig, denn man muss sich nämlich einmal klarmachen - diese jungen Menschen sind fertig ausgebildet und warten auf eine Chance, ihr Können zu zeigen. Sie stehen nach ihrem Abschluss hochmotiviert in den Startlöchern und bis es so weit war, haben wir, hat die Gesellschaft unheimlich viel in sie investiert an Erziehung, Bildung und natürlich vieles mehr. Dazu bedarf es einer Menge Infrastruktur und auch staatlicher Unterstützung, die einiges kostet. Dieses Potenzial nicht zu nutzen, ihnen keine richtige Chance zu geben, das kann sich

unsere Gesellschaft, das kann sich Thüringen auf keinen Fall leisten.

Wir haben uns bei unserem Antrag zunächst auf die Hochschulabsolventen beschränkt, da dieser Bereich, dieser Personenkreis besonders betroffen zu sein scheint. Wir hatten ja vorhin schon von der DGB-Studie gehört von beiden Rednern. Ich will noch mal kurz die Zahlen von der Hans-Böckler-Stiftung erwähnen, herausgegeben von der FU Berlin: Nach drei Jahren haben von den Absolventen erst mal 39 Prozent eine unbefristete Anstellung gefunden; jeder Dritte war befristet beschäftigt, was 600 € weniger Lohn als für Festangestellte im Durchschnitt bedeutet; 16 Prozent hatten sich selbständig gemacht. Ich weiß nicht, wer das vorhin gesagt hatte, dass sich das negativ aus unserem Antrag herausgelesen hat - das ist überhaupt nicht so gemeint. Das ist einfach nur die Wiedergabe dessen, was die Studie festgestellt hat. 37 Prozent der Absolventen absolvieren nach dem Studium erst einmal ein Praktikum, die Hälfte davon wohl unbezahlt. Eine weitere Studie, von der wir auch schon gehört haben, deren Ergebnisse das Bundesministerium für Arbeit und Soziales uns vorgestellt hat, konstatiert außerdem, dass 51 Prozent der freiwilligen Erstpraktika nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung unbezahlt und weitere 12 Prozent unangemessen vergütet sind. Zudem gab ein hoher Anteil der Befragten an, als normale Arbeitskraft eingesetzt worden zu sein, 30 Prozent der Befragten fühlten sich ausgenutzt. Für die Aussicht auf einen festen Job akzeptieren inzwischen auch hoch qualifizierte Absolventen fragwürdige Arbeitsbedingungen. Das sollten wir nicht einfach hinnehmen. Dagegen sollten wir angehen und ein erster Schritt, die Bedingungen für akademische Berufseinsteiger zu verbessern, sind klare Regeln für Praktika, denn Praktika an sich sind nicht das Problem, das haben wir auch schon gehört. Ich selbst kann mich auch an mein Berufspraktikum in der Filmfabrik Wolfen während des Chemiestudiums erinnern. Es hat mir tiefe Einblicke in den Zustand der DDR-Wirtschaft gegeben. Praktika sind - egal ob nach der Berufsausbildung oder nach dem Studium - sinnvoll, sei es für die berufliche Qualifikation oder auch als Einstieg in den Job. Allerdings muss deren Missbrauch verhindert werden.

Damit sind wir schon beim zweiten Teil unseres Antrags. Eine Initiative - es ist auch schon von einigen Vorrednern erwähnt worden -, die bereits jetzt für faire Praktika wirbt und teilnehmende Unternehmen zertifiziert, ist die "Fair Company", eine Initiative des Job- und Wirtschaftsmagazins „karriere“ unter Schirmherrschaft des Bundesarbeitsministeriums. Die Initiative vergibt das Gütesiegel „Fair Company“ an Unternehmen, die gute Praktikumsbedingungen bieten, dafür werben und auch danach handeln. Dazu müssen die Firmen fünf Kriterien erfüllen, zu

deren Einhaltung sie sich schriftlich verpflichten. "Fair Companys" substituieren keine Vollzeitstellen durch Praktikanten, vermeintliche Volontäre, Hospitanten und Ähnliches, vertrösten keinen Hochschulabsolventen mit einem Praktikum, der sich auf eine feste Stelle beworben hat, ködern keinen Praktikanten mit der vagen Aussicht auf eine anschließende Vollzeitstelle, bieten Praktika vornehmlich zur beruflichen Orientierung während der Ausbildungsphase an, zahlen Praktikanten eine adäquate Aufwandsentschädigung. Ich denke, wenn die Landesregierung sich dafür einsetzt, diese Kampagne in Thüringen bekannt zu machen, unterstützt sie damit die Chance, dass sich einige Thüringer Unternehmen sozusagen als freiwillige Selbstverpflichtung dieser Initiative anschließen. Ich habe gehört, dass die CDU unserem Antrag da folgen will und auch von der Landesregierung habe ich vorhin eher Positives zu dieser Kampagne gehört, so dass ich mal davon ausgehe, dass wir das dann so beschließen könnten und dass das dann auch umgesetzt wird. Bundesweit haben es jetzt schon über 950 Unternehmen getan, darunter nicht nur bekannte Schwergewichte wie Audi, BASF, BMW, Deutsche Bank, Deutsche Bahn, E.ON, Verlagsgruppe „Handelsblatt“, sondern auch eine ganze Reihe weiterer unbekannter Firmen. Ich denke, die Landesregierung ist gut beraten und ich hoffe, dass wir unsere Forderung dann auch umzusetzen.

Eine ebenso berechtigte Forderung unsererseits ist das Erarbeiten eines Maßnahmeplans zur Rückkehr von Hochschulabsolventen nach Thüringen bzw. zu deren Verbleib. Die Notwendigkeit und Argumente, die dafür sprechen, habe ich bereits genannt und glücklicherweise steht ja auch schon eine Institution bereit, die sich diesem Problem annehmen könnte. Der Unternehmens- und Fachkräfteservice der LEG, so denke ich, wäre hier der richtige Ansprechpartner. Zu diesen Maßnahmen gesellt sich derzeit auf Bundesebene die Initiative des Bundesarbeitsministers Scholz. Eine Gesetzesinitiative der SPDFraktion ist bereits angekündigt. Auch Sie, Frau Hennig, hatten vorhin von einigen Aktivitäten der SPD auf Bundesebene gesprochen und deswegen kann ich gar nicht ganz verstehen, warum Sie uns hier kritisieren. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass man sich dieser Probleme auf allen Ebenen annimmt.

(Beifall SPD)

Es soll eine gesetzliche Klarstellung geben, die unter anderem den Unterschied zwischen Praktika und Scheinpraktika präzisiert. Die gesetzliche Klarstellung soll den Lernzweck stärker als Mittelpunkt eines Praktikums definieren. Unternehmen und Praktikanten sollen künftig die Bestimmungen klar und eindeutig aus dem Gesetz erkennen können und auf bereits existierende einschlägige Vorschriften,

z. B. im Berufsbildungsgesetz verwiesen werden. Damit soll klarer, verbindlicher und belastbarer festgelegt werden, dass im Zentrum eines Praktikums das Lernen, die Weiterqualifikation und die Fortbildung stehen und nicht die Verrichtung, das Abarbeiten gewöhnlicher Tätigkeiten im Sinne eines reinen Arbeitnehmerersatzes. Praktikanten mit abgeschlossener Berufsausbildung sollen ferner Anspruch auf eine angemessene Vergütung haben und dass, wenn Praktikanten als Arbeitnehmer eingesetzt werden, auch und gerade dann ein Anspruch auf angemessene Vergütung besteht.

Ich komme damit zum Schluss. Ich werbe nochmals dafür, unserem Antrag zuzustimmen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Herr Staatssekretär, bitte.

Vielleicht abschließend ganz kurz sehr komprimiert einige wenige Punkte, die ich noch einmal unterstreichen, hervorheben will. Erstens: Der Datenschutz muss beachtet werden. Das ist einfach so. Das gilt für jede Form der Datenerhebung und selbstverständlich auch bei Studienabgängern. Zweitens: Der Blick an die Ränder hilft natürlich nicht, die heute hier angesprochenen Probleme sachlich und seriös zu bewerten. Vielleicht hilft es ja, Menschen zu verunsichern, wenn man gesellschaftlich instabile Lagen erzeugen will, daraus mag man noch politisch Honig saugen wollen, aber die jungen Leute sollten sich nicht verunsichern lassen,

(Beifall CDU)

denn eines wissen wir ganz genau: Nichts schützt besser vor Arbeitslosigkeit als eine hervorragende Ausbildung.

Ich beende die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer 1 des Antrags erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch.

Dann kommen wir zur Abstimmung über Punkt 2 dieses Antrags. Es war eine Einzelabstimmung beantragt worden. Bitte?

Außer der beantragten Einzelabstimmung beantragen wir namentliche Abstimmung.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Punkt 2 a): „Die Landesregierung wird aufgefordert, mit eigenen Aktivitäten und Abstimmungen in Wirtschaftsverbänden die Kampagne ‚Fair Company’ in Thüringen bekannt zu machen und für faire Bedingungen für Praktika zu werben“. Ich bitte, die Stimmzettel einzusammeln.

Hatten alle die Möglichkeit, ihre Stimmzettel abzugeben? Das ist offensichtlich der Fall. Dann beende ich die namentliche Abstimmung und bitte um

Auszählung der Stimmen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt: Es wurden abgegeben 74 Stimmen und alle 74 Stimmen haben mit Ja gestimmt. Damit ist Punkt 2 a) angenommen (na- mentliche Abstimmung siehe Anlage 1).

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag in den Punkten 2 b) und c). Wer für den Antrag in den Punkten 2 b) und c) ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diese Punkte 2 b) und c) des Antrags, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung. Damit sind mit Mehrheit die Punkte 2 b) und c) des Antrags abgelehnt. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 17

Die ärztliche Versorgungs- situation in Thüringen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/3810 -

Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Dr. Fuchs, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, eigentlich bedauere ich so ein bisschen in meinem eigenen Sinn, dass es keine Einführung des SPD-Antrags gibt, denn ich muss Ihnen ehrlich sagen - bitte?

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist nur wegen der Zeit.)

Wegen der Zeit, ja, aber das ist das Hauptproblem, wissen Sie, ich würde ja gern etwas Positives sagen wollen

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Dann tun Sie es.)

zu dem Antrag, denn ich glaube, was das Thema betrifft, sind wir uns alle einig, dass Handlungsbedarf notwendig ist. Aber es tut mir leid, ich habe mir jetzt die Frage gestellt für mich allein, der Minister war vorhin so nett, zu unserem Antrag einen Sofortbericht zu geben, warum er jetzt keinen Sofortbericht gibt. Ich habe mir erlaubt, die Frage zu beantworten: Ich sehe es ganz einfach darin, alle aktuellen Daten der ärztlichen Versorgungssituation in Thüringen, die Sie angesprochen haben in Ihrem Punkt 1, können Sie nachlesen im Versorgungsbe

richt 2007 der Kassenärztlichen Vereinigung. Da sind sie veröffentlicht und jedem Bürger zugänglich. Und da erlaube ich mir jetzt auch mal so eine Attacke, wie gesagt, das Thema ist wichtig, man muss dann vielleicht auch einen SPD-Antrag machen, damit man diesbezüglich dann auch mal in die Presse kommt.

Als wir, meine Damen und Herren, schon vor 10 Jahren, als noch von Ärzteschwemme die Rede war, auf dieses Problem hier in den neuen Bundesländern aufmerksam gemacht haben, nämlich wegen der schon damals erkennbaren Altersentwicklung bei den Ärzten hier in Thüringen, wurden wir als Panikmacher, als Schlechtredner hingestellt. Allein in der letzten Legislaturperiode haben wir mehrfach Anträge zur ambulanten sowie stationären Versorgung in Thüringen eingebracht und auf diesen drohenden Ärztemangel hingewiesen und allzu unterstützend, Kollegin Taubert, waren Ihre Beiträge diesbezüglich nicht. Ich meine, vorgestern, ja, das war vorgestern, haben Sie dem Kollegen Kuschel bei einer Debatte ein Kompliment gemacht und ihm einen erstaunlichen Erkenntnisgewinn zugesprochen. Ich gebe Ihnen dieses Kompliment heute zurück.

(Beifall DIE LINKE)

Bezogen auf den zweiten Teil Ihres Antrags, wo ich dafür bin, dass wir das machen und dass es da Pläne geben muss, aber da muss ich Ihnen jetzt auch mal was zurückgeben: Sie bemahnen mich immer hier, wenn ich Probleme anbringe - ja, das ist Bundespolitik, das ist Bundespolitik. Da kann ich Ihnen auch diesen Hinweis nicht ersparen, dass allein die zwei letzten großen Gesundheitsreformen, die maßgeblich von Ihnen von der SPD mitgeprägt worden sind, auch die Rahmenbedingungen der ärztlichen Versorgung in Thüringen ambulant wie auch auf der stationären Ebene natürlich wesentlich beeinflusst haben, und das eben nicht gerade positiv.

(Beifall DIE LINKE)

Wer bitte redet denn dem Wettbewerb im Gesundheitswesen das Wort, einem Wettbewerb, der angeblich zu mehr Qualität in der medizinischen Versorgung führt und zu mehr Effizienz? Genau das beinhaltet die letzte Gesundheitsreform. Und auf die besonderen Probleme der neuen Bundesländer, die ja nun mal wirklich historisch unterschiedlich gewachsen sind, ist in keiner der letzten Reformen nur annähernd mal eingegangen worden, obwohl, das muss ich auch sagen, auch von Ost-Abgeordneten im Bundestag der SPD usw., von CDU-Leuten, von uns darauf hingewiesen worden ist, dass wir eine historisch gewachsene Spezifik haben, die auch in einer großen Bundesgesundheitsreform irgendwie mal ihren Niederschlag finden müsste. Das ist nie passiert.

So möchte ich Ihnen mal, meine Damen und Herren, allein am Beispiel der medizinischen Versorgungszentren aufzeigen, die ja etwas Positives sind, wenn sie auch inhaltlich richtig und organisatorisch richtig ausgestaltet werden, was da eigentlich an Fehlentwicklungen in der Praxis läuft. Die SPD-Gesundheitsministerin verkündet, wenn wir Medizinische Versorgungszentren schaffen würden, ähnlich den Polikliniken - ich freue mich ja, dass man das Wort heute sagen kann, ohne dass man beschimpft wird -, dann wird die ambulante Versorgung sozusagen automatisch besser. Schön wär’s, wir würden das begrüßen. Aber, meine Damen und Herren, in welcher ländlichen Region, z.B. in Thüringen, befindet sich ein Medizinisches Versorgungszentrum, um die dort drohende ambulante Versorgung zu sichern? Antwort: in keiner. Und fragt man nach, wer betreibt denn vorrangig Medizinische Versorgungszentren und wozu hier in Thüringen? Das Medizinische Versorgungszentrum in Meiningen z.B., das dem RhönKrankenhaus vorgelagert ist, gilt bei Insidern als Goldgrube für die Rhön AG. Medizinische Versorgungszentren, so wie sie jetzt entstehen und die Gesundheitsreform es auch zulässt, dass sie so entstehen, haben den sogenannten Drehtüreffekt. Sie sorgen dafür, dass kein Bett der Klinik leer bleibt unter den neuen Finanzierungsbedingungen der DRGs. Das sind keine Medizinischen Versorgungszentren, wie wir sie auch unterstützen würden und wie wir sie gern hätten.

Vor allem private Krankenhausträger haben schon lange begriffen, wie sie trotz Senkung der Verweildauer und Fallpauschalenvergütung zu ihren Einnahmen kommen oder auch für Aktionäre zu höheren Dividenden. Das einst vorbildliche Gesundheitssystem der Bundesrepublik wird sukzessive zerstört, weil riesige Profiterwartungen die Gier großer Unternehmen geweckt hat. Und jetzt betragen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen ca. 150 Mrd. €. Macht die große Politik die Tür weiter auf für Privatisierung des Krankheitsrisikos, so ist der Berechnung zufolge bei erfolgreicher Zerschlagung der gesetzlichen Krankenkasse bis zum Jahr 2020 mit mehr als 520 Mrd. € für die Versichertenunternehmen zu rechnen - und das sind dann keine solidarischen mehr.

In den letzten Wochen und Tagen beschäftigten sich Thüringer Regionalzeitungen fast regelmäßig mit dem Ärztemangel. Letzter Anlass war die 16. Thüringer Ärztewoche in Weimar. Ich finde das gut, dass da jetzt auch mal in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wird. Was ich bedaure, ist, dass sie leider versäumen, die Öffentlichkeit auch über die Macht- und Konzerninteressen auf diesem Gesundheitsmarkt mit aufzuklären.

Meine Damen und Herren, es muss etwas getan werden für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung - auch hier in Thüringen. Bereits mit der Drucksache 4/1793 vom März 2006 zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung hatte meine Fraktion die Landesregierung aufgefordert, Maßnahmen zur Schließung von Versorgungslücken zu treffen und darüber zu berichten. Ich weiß nicht warum - sie hat es tatsächlich auch getan, am selben Tag. Ursachen für Probleme unserer ärztlichen Versorgungssituation sehe ich in der jahrelangen Verunglimpfung des Arztberufs. Ich bin für Kritik, aber das, was teilweise auch in den Medien jetzt mit den Ärzten gemacht wird, ist keine positive, in die Zukunft weisende Kritik, sondern ja, ich nenne es schon manchmal Verunglimpfung.

Ich sehe auch das Problem, das ist heute früh schon besprochen worden, in der zunehmenden Bürokratisierung. Und dann das Hauptproblem, und da kommen wir immer wieder darauf zurück und da übe ich auch keine Kritik, weil ich weiß, Thüringen war ein Land, was versucht hat, das zu klären, kam aber gegen die Vielzahl der anderen Länder aus den alten Bundesländern nicht an: Ich halte nach wie vor das Problem der geringeren Honorierung der Leistungen hier in den neuen Bundesländern für einen Hauptgrund der Probleme, die wir haben bezüglich des Ärztemangels.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe auch heute früh schon darüber gesprochen und das gehört auch hier wieder dazu. An der Stellschraube der Rationierung und der Deckelung von Gesundheitsleistungen wurde durch die Bundespolitik beständig gedreht, und das hat seine Auswirkungen. Ich erinnere noch mal an das Arzneimittelversorgungswirtschaftlichkeitsgesetz, was heute früh eine Rolle spielte, aber - und das dürfen wir auch nicht vergessen - auch mal an die Auswirkungen der Arbeitsmarktreform Hartz IV auf die budgetierte Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen. Das sind nämlich Rieseneinnahmeverluste. Und KV - die Leistungen sind da, die müssen gezahlt werden, da gibt es keinen Ausgleich. Freie Arztstellen und lange Wartezeiten gehören seit Jahren zum Bild der medizinischen Versorgung.

Werte Kollegen der SPD, wir hätten erwartet, dass Sie mit Ihrem Antrag die Landesregierung ebenfalls auffordern, wie wir es in der Vergangenheit mehrmals getan haben, sich für eine Neuregelung der Bedarfsplanung einzusetzen. Dieser Ansatz wäre ein neuer Weg, mal darüber nachzudenken - ich erkläre nachher auch noch, warum -, aber das würde dann Mut bedeuten, dass Sie sich mit den Gesundheitspolitikern Ihrer Partei im Bund auseinandersetzen und sie auch mal davon überzeugen müssten, warum das

so notwendig wäre, denn neben dem leidlichen Thema „Ärztedichte/Ärztemangel“ ist die aus dem Jahr 1993 stammende Bedarfsplanung ein weiteres ursächliches Problem der Sicherung flächendeckender medizinischer Versorgung. Während die jüngste Studie des Instituts für soziale Infrastruktur auf die zunehmenden Versorgungsprobleme im Alter aufmerksam macht, verweisen Wissenschaftler der Universität Bonn genau auf die Defizite der aktuellen Bedarfsplanung. Diese muss kleinräumiger werden. Außerdem sollten Bevölkerungs- und Patientendaten stärker berücksichtigt werden, denn nicht mehr ausreichend ist die Berechnungsgrundlage der ArztEinwohner-Relation. Hier, Herr Minister Zeh, sollte Thüringen nicht warten bis zum Jahr 2012, wo die Bedarfsplanung erst auf der Tagesordnung stehen soll. Es ist aus Sicht unserer Fraktion lebensfremd, wenn nach der Neuregelung in § 87 Abs. 7 SGB V das Bundesgesundheitsministerium erst im Juni 2012 dem Bundestag berichten soll, also erst einen Bericht geben soll, ob die Versorgungssteuerung aufgrund der Honorarverteilung, also der ärztlichen Vergütung im niedergelassenen Bereich, so erfolgreich war, dass auf eine Bedarfsplanung sogar verzichtet werden kann. Ich halte das für eine Illusion, dass man auf eine Bedarfsplanung verzichten kann.

Wir lehnen den Verzicht einer Bedarfsplanung ab, und das nicht nur für den ambulanten Bereich, sondern auch für den stationären Bereich. Da betone ich jetzt mal die Krankenhausplanung. Wir wissen, dass es eigentlich die Forderung der Krankenkassen ist, die manchmal etwas schwierig ist, aber darüber könnte man sich mal unterhalten, ob Krankenkassen noch ihr ursprüngliches Anliegen tatsächlich hundertprozentig verfolgen können durch die Gesetze, nämlich Vertreter der Versicherten zu sein, oder ob sie nicht auch durch diese Gesundheitsgesetze gesetzlich in vielen Dingen gezwungen sind, auch mehr kommerziell und betriebswirtschaftlich als fürsorglich zu denken.

Aber noch mal auf das bezogen jetzt, Bedarfsplanung - Ja oder Nein? Herr Minister Zeh, Sie können auf unsere Unterstützung rechnen, wenn Sie sich das Heft des Handelns bei der Fortschreibung des 6. Thüringer Krankenhausplans nicht aus der Hand nehmen lassen. Herr Sklenar, das muss nicht unbedingt immer etwas Schlechtes sein, weil Sie gerade „oje“ gesagt haben oder so, wenn ich es richtig verstanden hatte. Ich glaube, Herr Minister Zeh weiß, dass er da nämlich gar keinen einfachen Kampf hat. Wir wissen ja, das ist auch schon mal in diesem Hohen Haus gesagt worden, wer sich in der Gesundheitspolitik damit beschäftigt auch als Politiker, das ist, als wenn man in einem Haifischbecken schwimmen geht, weil nämlich bestimmte Interessen... Da sollte man doch sehen, dass man bei manchen Dingen...

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Sie haben doch gesagt, man soll die Ärzte nicht verunglimpfen.)