Protokoll der Sitzung vom 11.04.2008

Und genau hier gilt es anzusetzen. Mit dem Antrag, den DIE LINKE vorlegt, wollen wir die Zusammenarbeit verfestigen und so versuchen, die durchaus vorhandenen Lücken im Kinderschutz zu schließen. Auch das von Ihnen vorgelegte Kinderschutzgesetz wird diesem Anspruch leider nicht gerecht, weshalb wir diesen Antrag hier aufrechterhalten. Ich erinnere daran, dass sich Ihr Gesetz ausschließlich auf das SGB VIII und SGB V konzentriert, die ÖGD-Verordnung allerdings Landesrecht ist, was uns eigentlich eigene Regelungskompetenzen ermöglicht. Als Anknüpfungspunkt nehmen wir - wie besprochen - hierbei den öffentlichen Gesundheitsdienst, an den eine Mütter- und Familienberatung angesiedelt wird oder, soweit sie vorhanden ist, ausgebaut werden soll. Dort soll niedrigschwellige Hilfe sowie aufsuchende Arbeit geleistet werden, die gemeinsam mit den Familienhebammen und in Kooperation mit dem Jugendamt den Kinderschutz auch gerade für die unter dreijährigen Kinder ausbauen sollen. Daneben wollen wir mit unserem Antrag erreichen, dass eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Ämtern geregelt wird. Damit eine umfassende Kooperation gewährleistet werden kann, müssen

Kinderschützer und Ärzte auch wissen, um wen es sich handelt. Hier ist auch mit den vorhandenen datenrechtlichen Grundlagen ein Austausch der relevanten Daten möglich. Die Defizite, die wir im Kinderschutz bemerken, die wir mit unserem Antrag aufgreifen wollen, sind folgende:

Bei den Debatten um den Kinderschutz ging es ja vor allem immer um Geld, es ging um die Möglichkeit von Vorsorgeuntersuchungen und es ging um diverse Einzelaspekte, etwa um die Kinderschutzdienste. Diese Debatte war aus unserer Sicht richtig, notwendig und gut, jedoch wurden die Lücken zwischen diesen einzelnen Strukturen nicht geschlossen, sondern in den jeweiligen Strukturen werden neue Modelle aufgestellt, werden neue Modelle etabliert. Eine Vernetzung findet leider so nicht statt. Im Kinderschutz wurde also bislang kaum ein umfassender Ansatz verfolgt, der das Kind, seine Eltern, aber auch die öffentlichen Hilfestrukturen im Blick hatte. Mit unserem Antrag wollen wir diesen ganzheitlichen Ansatz jedoch zur Diskussion stellen und uns damit an einer Diskussion beteiligen. Hinzu kommt, wie von Frau Taubert bereits ausgeführt, dass sich gerade im Kinderschutz und in den betreffenden Richtlinien und Gesetzen in den letzten Jahren einiges geändert hat und nicht unbedingt zum Besseren, wie man aus den Landkreisen vernehmen kann. Statt beispielsweise im Rahmen des Ausbaus des Kinderschutzes die Kinderschutzdienste stärker zur fördern und sich für die Qualitätsstandards einzusetzen, hebt die Landesregierung lieber die entsprechende Richtlinie auf und überlässt diese heiklen Entscheidungen lieber den klammen Kommunen, die sowieso jeden Euro zweimal umdrehen müssen.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Die Kommu- nen haben mehr Geld als der Freistaat.)

Damit hat die Landesregierung bewiesen, dass sie Konflikte mit den Kommunen scheut und deshalb nur zu halbstarken Regelungen bereit ist, die im Zweifelsfall mehr Schaden anrichten als sie dem Anliegen des Kindesschutzes Rechnung tragen.

(Beifall DIE LINKE)

Wie bereits angesprochen, streitet die LINKE für einen ganzheitlichen Ansatz beim Kinderschutz, und dieser beginnt mit Vorsorgeuntersuchungen. Das beginnt aber auch bei der medizinischen Betreuung werdender Mütter. Das geht über den öffentlichen Gesundheitsdienst und betrifft auch den Kampf gegen Kinderarmut. Vor allem aber müssen den Müttern niedrigschwellige Angebote unterbreitet werden. Am letzten Dienstag fand eine Fachtagung der Agentur für Gesundheitsförderung statt, bei der es genau um diese Frage ging. Was machen wir beispiels

weise mit Teenager-Schwangerschaften? Wie kann man die elterlichen Kompetenzen stärken? Hier muss auch ein Ansatz des Kinderschutzes liegen. Wie verhält man sich mit der Kindergesundheit und wie macht man Eltern auf diese Aspekte aufmerksam?

Ein wichtiger Ansatzpunkt unseres Antrags liegt nämlich darin, das Kind in seinem Umfeld zu betrachten. Mit einer verbindlichen Regelung zu den Vorsorgeuntersuchungen hat man hierfür einen Ausgangspunkt, um frühe Hilfen, aber auch medizinisches Fachpersonal der Mütter- und Familienberatungsstellen mit dem des Jugendamtes anbieten zu können. Es geht darum, dass möglichst alle Kinder an der U-Untersuchung teilnehmen, denn so haben Kinderärzte eine erste - wenn auch eingeschränkte - Möglichkeit, die Entwicklung von Kindern zu beobachten. Denjenigen, die nicht an den Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen, soll nicht mit Sanktionen beigekommen werden, sondern mit aufsuchenden Hilfen, mit Unterstützung und Beratung, wie es Fachleute seit Längerem fordern. Diese aufsuchende Arbeit soll auch nicht primär durch das Jugendamt geschehen, sondern durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mütter- und Familienberatungsstellen. Wir haben uns hier ganz bewusst entschieden, stärker auf den öffentlichen Gesundheitsdienst zu setzen, denn erstens ist hier die medizinische Fachkompetenz gerade für die Kleinkinder unter drei Jahren vorhanden. Zum anderen ist es etwas anderes, ob eine Hebamme in eine Familie kommt oder das Jugendamt. Mit dem ihm vorauseilenden Ruf stellt es eine zu hohe Hürde für gerade diejenigen Eltern auf, die die größten Probleme haben. In den Mütter- und Beratungsfamilienstellen sollen die notwendigen sozialen und elterlichen Kompetenzen erlernt werden können. Kinderärzte, Jugendschützer, Sozialarbeiter, aber auch Familienhebammen kommen regelmäßig zu dem Schluss, dass genau diese Kompetenzen unterdurchschnittlich vorhanden sind. Kinder zu schützen, bedeutet aber auch, Eltern zu bilden und Ihnen diese sozialen Kompetenzen zu vermitteln. Dies soll und dies kann auch eine Familienberatungsstelle leisten. Mütter, gerade im Teenageralter, oder auch Mütter untergewichtiger Babys müssen in den Fokus genommen werden. Dazu kann die Mütterberatung, angesiedelt beim ÖGD, beitragen. Das schließt das Jugendamt und dessen Auftrag als Wächteramt nicht aus, sondern ermöglicht hier niedrigschwellige Hilfen und Angebote.

Was mache ich mit einem Kind, wenn es krank ist? Wie koche ich gesunde Mahlzeiten für mein Kind? Was muss ich in welcher Situation tun? Mit wem kann ich reden? Diese Fragen sollten nicht durch eine Elternakademie, wie sie mit der Familienoffensive geschaffen wurde, geklärt werden, sondern mit Elternbildung. Wir brauchen direkte Angebote für Eltern.

Ein weiterer Aspekt: Damit Kinderärzte und Hebammen wissen, wohin sie gehen sollen, müssen sie bestimmte Informationen haben. Diese werden von der Geburt bei den Standes- oder Meldeämtern erhoben. Selbst mit den heutigen datenrechtlichen Regelungen wäre eine problemgerechte Übermittlung von Daten durchaus möglich, beispielsweise meint das der Datenschutzbeauftragte des Freistaats. DIE LINKE streitet also über einen ganzheitlichen Einsatz im Umgang mit dem Kinderschutz. Experten, beispielsweise die des Sozialpädiatrischen Zentrums Erfurt, beobachten zunehmend, dass sehr junge und früh gebärende Eltern nicht über die grundlegenden Kenntnisse verfügen und schon mit geringen Anforderungen überlastet sind. Aber genau hier liegt auch ein zentrales Problem des Kinderschutzes. Es müssen auch das elterliche Umfeld und die Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen, in Betracht gezogen werden.

Um dies leisten zu können, ist die verbindliche Vorsorgeuntersuchung ein wirklich wichtiger Schritt. Hinzu kommen aber auch klare Regelungen für die jeweiligen Ämter, die mit dem Schicksal der Kleinkinder betraut sind. Hierzu gab es zahlreiche Vorschläge, auch auf der bereits angesprochenen Fachtagung vom Sozialminister. Das von der Landesregierung vorgelegte Kinderschutzgesetz kommt diesen Anforderungen aber nur teilweise nach und greift zu kurz. Deshalb wollen wir eine umfassende Debatte im Sozialausschuss dazu führen. Das Kind, aber auch das Umfeld und die Umstände, unter denen es aufwächst, müssen Gegenstand von Politik sein. Dabei spielt auch die grassierende Kinderarmut eine wichtige Rolle, die bei Kindern zu Unter- und Mangelernährung führt. Die Eltern vor existenzielle Nöte stellende Kinderarmut kann so nicht hingenommen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Um den Kinderschutz zu stärken, sind verbindliche Vorsorgeuntersuchungen und auch der 19-PunkteMaßnahmekatalog unerlässlich. Jedoch sich darauf auszuruhen, reicht bei Weitem nicht aus. Dazu braucht es genau diese Vernetzung, die ich angesprochen habe und die wir als LINKE in unserem Antrag fordern. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat der Abgeordnete Panse, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, an die Adresse der Antragsteller Frau Fuchs und Herrn Bärwolff: Ich habe noch mal nachgesehen, bei der Landtagssitzung am 21. September letzten Jahres waren Sie zumindest anwesend. Herr Bärwolff hat auch gesprochen. Wenn ich mir allerdings den Antrag jetzt anschaue und das, was wir gerade hier gehört haben, stelle ich mir schon die Frage, ob das vielleicht nur eine körperliche Anwesenheit war, denn das, was wir damals, am 21. September letzten Jahres, diskutiert haben, haben wir am 21. September auch schon mal abschließend für uns als Thüringer Landtag entschieden. Wir haben nämlich die Landesregierung in einem Antrag aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzubereiten und vorzulegen, der vieles von dem erfasst, was Sie hier gerade skizziert und eingefordert haben, der aber ein Stück weit auch von dem abweicht und eine andere Richtung vorgibt, insbesondere was die Frage der verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen angeht.

Ich muss Ihnen sagen, wenn man sich dann anschaut, dass wir jetzt inzwischen seit über 14 Tagen auch einen Referentenentwurf der Landesregierung vorliegen haben, muss ich Ihnen schon die Frage stellen, ob Sie entweder nicht die Zeit gefunden haben in den 14 Tagen, diesen Gesetzentwurf zu lesen oder Sie vielleicht, Herr Bärwolff, Ihre Rede schon für die Sitzung im Februar geschrieben hatten und auch nicht mehr ändern wollten. Sie haben Sie uns jetzt so vorgetragen, als ob zwischenzeitlich seit September letzten Jahres nichts geschehen wäre, dem ist aber mitnichten so. Sie haben da eine durchaus getrübte Wahrnehmung oder eine mangelnde Lesekompetenz, eins von beiden kann sicher eine Rolle spielen.

Aber ich komme gern auf die Beschlusslage vom letzten Jahr an dieser Stelle einmal zurück. Wir haben nämlich damals, am 21. September 2007, Frau Taubert hat darauf hingewiesen, nach einer langen Debatte, nach einer langen, fachlich guten Debatte, die wir auch im Sozialausschuss hatten, mit einer öffentlichen Anhörung im Sozialausschuss, letztendlich dann hier im Thüringer Landtag ohne Gegenstimmen, so ist es im Protokoll vermerkt, den Antrag der CDUFraktion beschlossen. Der Antrag der CDU-Fraktion sagt zu dem Thema verbindlichere Vorsorgeuntersuchungen genau das, was Sie jetzt in dem Gesetzentwurf der Landesregierung wiederfinden. Wir wollen ein höheres Maß an Verbindlichkeit der Vorsorgeuntersuchungen, es ist eben leider so, wie Sie vielleicht noch in Erinnerung haben könnten, dass das bei allem, was wir wünschen, mit verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen gar nicht so einfach geht. Die verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen setzen nämlich voraus, dass man ein Sanktionsinstrument

findet, wie man verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen dann auch zu einer Pflicht macht. Das müssten Sie eigentlich wissen, Sie beschreiben auch in Ihrem Antrag an keiner Stelle mit keiner Silbe, wie Sie vielleicht diese Pflicht meinten, durchsetzen zu können. Daran scheitern im Übrigen auch in anderen Ländern momentan die Praktiker der Umsetzung, denn was tut man denn tatsächlich mit Eltern, die ihre Kinder nicht zu Vorsorgeuntersuchungen vorstellen, auch nach mehrmaliger Ermahnung nicht vorstellen, auch nach Beratungsgesprächen nicht vorstellen? Wir sind schon der Auffassung, dann hat das Jugendamt einen Handlungsauftrag, sich diese Familien anzuschauen, aber eben zunächst einen Handlungsauftrag, diese Familien anzuschauen. Auch das Jugendamt kann nur in sehr begründeten Ausnahmefällen eine ärztliche Untersuchung anordnen.

Wir haben, als wir damals darüber diskutiert haben, wie wir den Weg zu der verbindlicheren Vorsorgeuntersuchung gehen, in Thüringen den Weg gewählt über die Jugendämter. Das hat einen guten Grund gehabt. Wir haben damals begründet, dass wir den direkten Weg zu den Jugendämtern suchen, dass wir nicht den Weg über die Gesundheitsämter wollen, weil da auch Zeit verloren gehen kann. Die Gesundheitsämter haben in dieser Frage keine rechtliche Handlungskompetenz. Wenn es tatsächlich um Interventionen in Familien geht, sind die Jugendämter diejenigen, die nach dem Sozialgesetzbuch VIII den Handlungsauftrag haben, die letztlich auch handeln müssen, wenn sie Defizite erkennen. Wir wollten diese zeitliche Verzögerung, diesen Weg über die Jugendämter, über die Gesundheitsämter an dieser Stelle vermeiden und da ist es eben mitnichten so, Frau Kollegin Taubert, wie Sie es beschrieben haben, dass Kostengründe damals ausschlaggebend waren, auch nicht eine Haushaltslogik, wie Sie es hier skizziert haben, sondern uns ging es um den direkten Weg zu den Jugendämtern. Im Übrigen sollten Sie sich mit den Ländern einmal beschäftigen, die den Weg über die Gesundheitsämter gehen. Im Saarland beispielsweise - da habe ich mir die Zahlen einmal schicken lassen und nachgesehen, was so nach dem ersten Jahresbericht der verpflichtenderen Vorsorgeuntersuchung im Saarland dazu zu sagen ist, ich will Ihnen gern die Zahlen nennen - haben Sie bei der U5, das ist eine der Vorsorgeuntersuchungen, derzeit eine Beteiligungsquote von 80 Prozent der Eltern. Andersherum gesagt, wenn man es auch auf die Zahlen umrechnet, 2.600 Kinder werden dort zur Vorsorgeuntersuchung U5 vorgestellt. In 500 Fällen war eine Erinnerung, eine Mahnung, notwendig, die dort erfolgte. In 70 Fällen hat das Gesundheitsamt letztendlich in aufsuchender Arbeit sich mit den Familien auseinandergesetzt und in letzter Konsequenz 7 Fälle an die Jugendämter gemeldet, wo die Jugendämter dann tatsächlich auch zu Handlungen aufgefordert waren

und offensichtlich diese Handlungen auch ausgeübt haben.

Das macht deutlich, bei einem hohen Prozentsatz der Eltern kommt es darauf an, sie zeitnah auch daran zu erinnern, sie zeitnah auch aufzufordern, mit ihren Kindern zu den Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Wir wissen, dass es beispielsweise bei der U5, die ich gerade im Saarland skizziert habe, in Thüringen derzeit eine Beteiligungsquote von etwa 90 Prozent gibt, also es geht um 10 Prozent der Eltern, die wir auch nachdrücklich daran erinnern wollen. Aber es wird auch deutlich, wenn es dann zu Handlungen kommt, dass das Jugendamt schnellstmöglich auch intervenieren sollte, intervenieren muss, um den wenigen Familien, die es wirklich auch nicht optimal mit ihren Kindern an dieser Stelle meinen, dann auch Hilfe angedeihen zu lassen. DIE LINKE hat es in ihrem Antrag zu den Gesundheitsämtern und dem Weg zu den Gesundheitsämtern mit der besonderen Vertrauensposition zu Kinderärzten begründet. Da sage ich Ihnen aber, wo denn sonst, wenn nicht die besondere Vertrauensposition zu den Kinderärzten da ist von den Eltern her, die ihre Kinder bei den Kinderärzten zu Vorsorgeuntersuchungen vorstellen sollen und auch in der Regel vorstellen. Das haben wir ja damals, Frau Kollegin Jung, im Ausschuss lange diskutiert, dass wir diese Vorsorgeuntersuchungen ausschließlich bei den qualifizierten, ausgebildeten Kinderärzten haben wollen, bei keinen anderen Ärzten und dass auch die Kinderärzte an dieser Stelle ausdrücklich weiterqualifiziert werden müssen und auch die Zeit haben müssen, um qualifiziert hinzuschauen, was mögliche Vernachlässigungen und Misshandlungen angeht - da sind wir uns ja durchaus damals im Ausschuss in der Beurteilung sehr einig gewesen und begrüßen deswegen vor dem Hintergrund auch, dass der gemeinsame Bundesausschuss jetzt erstens zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen empfiehlt - wie beispielsweise die 7 a, die zwischengeschaltet werden soll -, aber eben auch weitere Vorsorgeuntersuchungen bei zehn- und elfjährigen Kindern. Das ist die eine Seite, das ist richtig. Die zweite Seite ist in der Tat dann die Qualifizierung und die Qualität der Vorsorgeuntersuchungen. Die dritte Seite - und das ist unbestritten auch richtig -, wir wollen ein Höchstmaß an Eltern motivieren, an diesen Vorsorgeuntersuchungen freiwillig teilzunehmen, denn die Freiwilligkeit und das Bewusstsein, dass diese Vorsorgeuntersuchung für Ihre Kinder wichtig ist, ich glaube, das ist da ein ganz wichtiger Aspekt.

Herr Bärwolff, Sie sind noch auf die Datenübermittlung eingegangen, das steht in Ihrem Antrag auch drin. Die Datenübermittlung - das ist richtig - ist kein Problem, das hat uns auch der Datenbeauftragte mitgeteilt, insbesondere allerdings die Datenübermittlung zu den Jugendämtern, denn die Jugendämter

haben - das hatte ich schon deutlich gemacht - auch den Handlungsauftrag gemäß SGB VIII. Sie haben als Weiteres angeführt, dass Sie eine verpflichtendere Zusammenarbeit wollen. Da sage ich Ihnen schon deutlich, das steht im Gesetzentwurf der Landesregierung drin, nachzulesen in § 10. Da findet sich nahezu wortgleich das, was Sie in Ihrem Antrag anmahnen. Wenn Sie sich dann hier vorn hinstellen und sagen, Sie vermissen da klare Regelungen, muss ich Ihnen schon die Frage stellen: Wo sind die klaren Regelungen in Ihrem Antrag? In Ihrem Antrag findet sich genau zu diesem Aspekt keine klare Regelung, sondern es ist eine Beschreibung einer Verpflichtung der Zusammenarbeit genau so, wie Sie es in § 10 des Gesetzentwurfs der Landesregierung finden. Insofern bleibe ich bei dem, was ich eingangs gesagt habe: Sie haben sich diesen Gesetzentwurf augenscheinlich noch nicht ausführlich zu Gemüte führen können, ansonsten hätte sich sicherlich vieles erübrigt von dem Antrag, den Sie uns heute präsentiert haben.

Für uns, für die CDU-Fraktion, bleibt es dabei, wir wollen das Maßnahmebündel, den 19-Punkte-Plan, den die Landesregierung vor über einem Jahr auf den Weg gebracht hat, weiterentwickeln. Dazu gehört auch ein höheres Maß der Verbindlichkeit von Vorsorgeuntersuchungen. Nach unserem Dafürhalten beinhaltet das der Gesetzentwurf, den werden wir noch vor der Sommerpause, hoffe ich, nach den umfänglichen Anhörungen, die gerade stattfinden, hier im Thüringer Landtag beraten können. Wenn Sie daran Änderungswünsche haben, ist das für uns alle, für alle Fraktionen hier im Thüringer Landtag überhaupt gar kein Problem, Änderungsvorschläge einzubringen. Jetzt allerdings, nachdem wir vor über einem Dreivierteljahr entschieden haben, eine völlig andere Richtung zu wählen und zu sagen, jetzt wollen wir doch gern wieder zu den Gesundheitsämtern zurück, ich glaube, das wird dem nicht gerecht. Das führt nämlich genau zu dieser von Ihnen kritisierten Verzögerung, die wir alle an dieser Stelle nicht wollen. Deswegen bitte ich, dass wir den Gesetzentwurf sachgerecht diskutieren, wenn er hier im Landtag vorliegt. Für den Antrag, den Sie uns als LINKE heute vorgelegt haben, bleibt uns im Fazit dessen, was ich vorgetragen habe, aber auch anknüpfend an das, was Frau Kollegin Taubert gesagt hat, heute nur die Ablehnung. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Herr Minister Zeh, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte eingangs noch einmal dazu aufrufen, dass wir im Bereich des Kinderschutzes in der Atmosphäre, in der wir uns immer - auch hier - auseinandergesetzt haben, bleiben, nämlich dass wir uns im Grundsatz im hohen Einvernehmen bewegen, dass Kinderschutz eines der wichtigsten Dinge ist, die wir auch weiterhin aktiv begleiten wollen und auch müssen. Wir haben - auch das möchte ich hinzufügen - kaum einen Bereich, in dem wir mehr Maßnahmen ergriffen haben, wo wir vielseitigere Maßnahmen haben, die wir - das habe ich immer gesagt -, wenn es denn in aktuelle Politik umgemünzt werden muss, zum Teil neu justieren müssen. Aber wir haben vielerlei Instrumente. Gerade Sie haben, Herr Bärwolff, den Kinderschutz angesprochen, die Kinderschutzdienste. Ich will daran erinnern, dass wir in der Familienoffensive in Artikel 7 erstmalig die Kinderschutzdienste gesetzlich normiert haben, das gab es bis dahin noch nicht, natürlich auch als kommunale Aufgabe, das ergibt sich aus SGB VIII. Wir sollten respektieren, dass es diese kommunale Aufgabe gibt.

Da wir ein neues Urteil haben, ein Finanzgerichtsurteil, dass wir nämlich die Kommunen nicht mehr durch direkte Förderung im Bereich der eigenen Aufgaben unterstützen, sondern indirekt, haben wir dies seit dem Finanzgerichtsurteil umgesetzt. Natürlich erhalten die Kommunen weiterhin die Mittel, aber einmal über die Finanzzuweisungen, über die allgemeinen, bzw. hier auch über die Jugendpauschale. Dort ist nämlich die Förderrichtlinie entsprechend geöffnet worden.

Ich will des Weiteren sagen, Herr Bärwolff, es ist einfach falsch, immer noch die Legende von den klammen Kassen bei den Kommunen zu festigen. Den Kommunen geht es finanziell wesentlich besser als dem Land. Erst Anfang dieser Woche hat Frau OB Rinke offiziell verkündet, sie hätte über den Finanzausgleich 2 Mio. € mehr erhalten und man höre und staune, sie hat eigene Steuereinnahmen, die jetzt nunmehr nach langer Zeit die Zuweisungen des Landes übersteigen, so zumindest Frau Oberbürgermeisterin Rinke. Wir haben im Auftrag des Landtags ein Gesetz vorgelegt. Dieses Gesetz ist Ihnen allen zugegangen, den Fraktionen, und, ich denke, wir sollten auf Basis dieses Gesetzes auch Ihre Wünsche noch einmal diskutieren. Ich glaube, es ist deswegen nicht notwendig, noch mal jetzt einen Parallelzug auf die Gleise zu setzen und den hier noch mal fahren zu lassen. Ich nehme an, das liegt daran, dass sich das jetzt zeitlich ein bisschen verzögert hat.

Ich will an der Stelle noch einmal Ihren Anspruch auf verbindlichere Regelungen für die Vorsorgeuntersuchungen aufgreifen. Das ist auch unsere Auffassung, nur haben wir hier keine Regelungskompetenz. Das wird über den gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt. Der Bundesausschuss legt fest, welche Regeln bei der Vorsorgeuntersuchung die Ärzte zu beachten haben. Unserer Ansicht nach müsste auch dort Kindeswohlgefährdung eine Rolle spielen, aber zurzeit ist mehr die medizinische Ebene berücksichtigt. Das hat der Bundesausschuss erst kürzlich noch einmal festgelegt. Wir haben über den Bundesrat eine entsprechende Initiative gestartet, die leider negativ beschieden worden ist. Hier kommen wir im Moment nicht weiter. Wir hoffen aber, dass der Bundesausschuss die Ankündigung, die er mit dieser Aussage getroffen hat, nämlich noch einmal zu untersuchen, ob es Möglichkeiten gibt, die sicher bestimmen lassen, dass das Kindeswohl gefährdet ist, wenn das also den Ärzten möglich ist, dass dann auch entsprechende verbindliche Regelungen aufgegriffen werden können. Aber solange es diese Sicherheit nicht gibt, hat man davon Abstand genommen.

Noch einmal kurz gefasst: Ich denke, wir sollten auf der Basis des vorgelegten Gesetzes, das jetzt in der ersten Anhörung der Landesregierung steht, es wird in zweiter Lesung verabschiedet werden im Kabinett und wird hoffentlich - und da bin ich ganz optimistisch - noch vor den Ferien dem Landtag dann vorgelegt werden. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aussprache. Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt worden.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Doch.)

Doch. Sozialausschuss, ja? Gut.

Dann stimmen wir ab. Wer für eine Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen eine Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung. Damit ist die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit mit Mehrheit abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 4/3812. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer gegen den Antrag ist, den bitte ich um das

Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich beende diesen Tagesordnungspunkt und rufe den auf Tagesordnungspunkt 19

Hochschulrahmengesetz beibehalten Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/3813 -

Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Eckardt, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Föderalismusreform von 2006 hat der Bund seine Gesetzgebungskompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens verloren. Die SPD-Fraktion wollte das seinerzeit nicht. Ich erinnere hier nur an unseren Antrag „Verbesserungen bei der geplanten Föderalismusreform“ vom März 2006, der die Nachteile und Negativkonsequenzen eines Rückzugs des Bundes aus der Rahmengesetzgebung thematisierte. Diese Initiative hätte der Landesregierung Gelegenheit geboten, über den Bundesrat Korrekturen am Reformvorhaben anzustoßen. Leider ist sie damals von der CDUMehrheit abgelehnt worden. Ich finde es daher gut, dass das Thema heute erneut auf der Agenda des Landtags steht.

Natürlich könnte man sagen, dass das, was gerade in Berlin debattiert wird, nämlich die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes, als Konsequenz aus der von Bund und Ländern nun einmal so beschlossenen Föderalismusreform zu betrachten und damit auch hinzunehmen ist. So einfach liegen die Dinge jedoch nicht. Mit der Hochschulrahmengesetzannullierung werden nämlich auch die bisherigen bundesgesetzlichen Bestimmungen zu den Bereichen Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse nichtig. Zwar hat der Bund auch nach Wegfall des Hochschulrahmengesetzes gemäß Artikel 74 Grundgesetz die Kompetenz, Regelungen für diese Komplexe zu erlassen, das zuständige Ministerium der Frau Schavan lässt jedoch keinerlei Bereitschaft erkennen, die den Bund nach Grundgesetz zuwachsende Gesetzgebungsbefugnis auch tatsächlich zu nutzen. Der Kultusminister hat uns jedenfalls erst vor Kurzem im Wissenschaftsausschuss bestätigt, dass das Bundesbildungsministerium derzeit nicht daran denkt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der auch für die Zukunft bundeseinheitliche Regelungen zu den Bereichen Hochschulzulassungen und Hochschulab

schlüsse sicherstellt. Offenbar will Frau Schavan wieder einmal die Dinge einfach treiben lassen, um dann nach einem Jahr festzustellen, dass die Bundesländer aufgrund der Föderalismusreform hochschulpolitisch und hochschulrechtlich immer weiter auseinanderdriften. Im Bildungsbereich ist sie ja schon zu einem solchen Erkenntnisgewinn gelangt, allerdings etwas zu spät. Eine derartige Entwicklung dürfen wir nicht zulassen. Wir brauchen auch weiterhin bundeseinheitliche Regelungen im Hochschulbereich und die heute thematisierten Punkte Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse zeigen das in aller Deutlichkeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich das näher erläutern. Das Hochschulrahmengesetz sorgt dafür, dass in allen Ländern einheitliche Bedingungen im Hinblick auf die Zugangsvoraussetzungen für ein Hochschulstudium oder die Anerkennung von einem in anderen Bundesländern erworbenen Hochschulzugangsberechtigungen herrschen. Es macht einheitliche Vorgaben zu den von den Hochschulen zu verleihenden Abschlüssen und zu den Studienzielen der einzelnen Abschlüsse. Es benennt nicht zuletzt Eckwerte für die jeweils zu absolvierenden Studienzeiten. Was passiert, wenn dieser vom Bund gesetzte Rahmen demnächst ersatzlos wegfällt? Ich sage es Ihnen einmal ganz drastisch, es würde in kurzer Zeit zu einem kaum noch überschaubaren Wirrwarr unterschiedlichster hochschulgesetzlicher Regelungen der einzelnen Länder kommen. Jedes Land würde nach eigenem Gusto definieren, unter welchen Voraussetzungen an seinen Hochschulen ein Studium aufgenommen werden kann und wann nicht. Das gleiche Studium könnte in dem einen Land mit einem Master honoriert werden, in dem anderen aber nur einen Bachelor wert sein. Es ist überhaupt nicht mehr sichergestellt, dass ich mit dem Bachelorgrad meines Heimatlandes auch ohne Weiteres einen Masterstudiengang im Nachbarland belegen kann.

Kurz und gut, wir hätten in Deutschland dann eine hochschulpolitische und hochschulrechtliche Kleinstaaterei par excellence. Die Bundesrepublik als Ganzes könnte sich zwar freuen, dem einheitlichen europäischen Hochschulraum anzugehören, würde aber die Mobilität von Studierenden über die Ländergrenzen im Inneren deutlich erschweren. Das kann nicht das Ziel verantwortlicher Hochschulpolitik in Zeiten der Globalisierung sein. Natürlich würde so ein Durcheinander landesrechtlicher Regelungen noch weitere schwerwiegende Folgen mit sich bringen.

Ich nenne hier nur einmal die Einstellungsbedingungen für den öffentlichen Dienst. Wenn die Länder die Bestimmungen über die Hochschulabschlüsse in Zukunft völlig autonom treffen können, gewinnen sie einen beträchtlichen Spielraum für die Eingruppierung

von Hochschulabsolventen in den Landesdienst. Ein gutes Beispiel dafür, wie mit diesem Spielraum verantwortungslos umgegangen werden kann, haben wir bei der Verabschiedung des Lehrerbildungsgesetzes in diesem Hause erlebt. Da muss ein Grundschullehrer nämlich plötzlich nur noch einen Bachelorgrad vorweisen, weil das Land gern Geld an der Bildung sparen möchte und ein Bachelorabsolvent im Landesdienst nun einmal deutlich niedriger eingruppiert und schlechter bezahlt werden kann als jemand mit einem vollwertigen Masterabschluss. Fachliche Einwände im Hinblick auf das Ausbildungsniveau eines solchen, ich nenne es einmal Grundschullehrer light, spielen dann für die handelnde Landesregierung keine Rolle mehr. Das ist die qualitative Abwärtsspirale, die sich beim ersatzlosen Wegfall des Hochschulrahmengesetzes über kurz oder lang für den öffentlichen Dienst aller Länder auftun würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion will solch eine Entwicklung nicht. Wir sind gegen einen Wettbewerbsföderalismus, der sich nur allzu oft als von jeder nationalen Verantwortung losgelöste Kleinstaaterei entpuppt. Wir wollen einen bundesweiten Raum für das Hochschulstudium. Wir wollen die Mobilität der Studierenden über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg erhalten und wir wollen möglichst einheitliche Studienbedingungen in ganz Deutschland. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich im Sinne des von der LINKEN eingebrachten Antrags für die Fortexistenz bundesgesetzlicher Regelungen zu dem komplexen Hochschulzugang und den Hochschulabschlüssen einzusetzen. Die Bundesministerin Schavan ist offensichtlich nicht in der Lage, hier steuernd einzugreifen, also muss Thüringen, allein schon im Interesse der eigenen Studierenden, hier endlich im Bundesrat aktiv werden. Ich danke Ihnen.