Protokoll der Sitzung vom 04.07.2008

(Beifall DIE LINKE)

Ich rufe als nächsten Redner für die SPD-Fraktion Abgeordneten Pilger auf.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde mich in meinen Ausführungen auf die beiden hier zur Diskussion stehenden Anträge beziehen und werde deswegen auch nicht auf die vielen eher populistischen Aussagen von Herrn Kubitzki eingehen. Ich sage mal, um diese Zeit hat er die von meiner Seite aus umsonst.

Der von den beiden Koalitionspartnern in Berlin vor wenigen Tagen beschlossene 3. Armuts- und Reichtumsbericht sorgte offensichtlich schon im Vorfeld für politische Bewegung. Schon die Diskussion der letzten Monate brachte die Kolleginnen und Kollegen der CDU im Bund, aber auch hier im Land auf Trab. Innerhalb der Bundesregierung wurde der Bericht als rot-grünes Relikt noch nie wirklich von der Union gelitten, also wurde in Berlin insbesondere vom Bundeswirtschaftsminister dagegen gehalten. Er mäkelte, dass die ab 2006 stattgefundene positive wirtschaftliche Entwicklung und der Abbau der Arbeitslosenzahlen nicht berücksichtigt wurde. Immerhin monierte er nicht, dass die Reichen sowohl im Berichtszeitraum als auch danach reicher wurden. Im Ergebnis ist der CDU der Versuch der Bagatellisierung nicht gelungen. Wir müssen auf allen politischen Ebenen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet hat. Das sorgt offensichtlich auch innerhalb der Thüringer CDU für Handlungsdruck. Endlich wird der über lange Jahre gepflegte Widerwillen und die Untätigkeit rund um die Sozialberichterstattung beendet. Deshalb begrüße ich ausdrücklich im Namen meiner Fraktion die Anträge der CDU und der LINKEN. Beide fordern die Landesregierung auf, tätig zu werden. Das kann nicht wirklich schaden, nein, es ist gut so. Tätig zu werden in dem Sinne, dass der Landtag endlich möglichst aktuelle Thüringer Daten in die Hand bekommt. Ich erwarte, dass die Landesregierung in der Lage ist, fundierte Aussagen zur Situation und zum Abbau von Armut zu treffen. Wir haben deshalb zunächst auf das Einreichen eines eigenen Antrags verzichtet. Offenbar scheint doch parteiübergreifend Einvernehmen darin zu bestehen, dass wir zur qualifizierten Bewertung der Situation diese spezifischen Thüringer Daten benötigen. Ob man nun Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht zieht oder Folgerungen, das ist letztlich egal. Wichtig hingegen ist, dass die bisherige Abwehrhaltung der Landesregieung gegenüber einer derartigen Berichterstattung aufgegeben wurde.

Handlungsbedarf, meine Damen und Herren, wird aufgrund der Ergebnisse des Berichts der Bundesregierung auch in Thüringen bestehen. Es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass die zentralen Aussagen des Berichts in Thüringen etwa nicht zutreffen würden. Demnach nimmt die Ungleichverteilung der Einkommen zu, zumindest für den Zeitraum zwischen 2002 und 2005 sind die Bruttolöhne zurückgegangen. Ich unterstelle, dass Thüringen in diesem Bereich eine besonders negative Rolle einnehmen wird. Wir haben bei der Diskussion um die Leiharbeit und um den Mindestlohn immer wieder die Niedriglohnideologie dieser Landesregierung vor Augen geführt bekommen. Das hat jetzt schon Folgen. Der Fachkräftemangel in einigen Bereichen ist unübersehbar. Und siehe da, der Wirtschaftsminister fordert ak

tuell, und zwar am 02.07.2008, auf einer CDU-Fachtagung die Wirtschaft zur Zahlung höherer Löhne auf. Es ist aber schwer, die einmal gerufenen Niedriglohngeister wieder aus den Köpfen zu verbannen. Schwer vor allen Dingen dann, wenn die Landesregierung politisch immer wieder anders handelt. Bei der Diskussion zur Leiharbeit haben wir erneut feststellen müssen, dass diese CDU-Landesregierung und die sie tragende Mehrheitsfraktion alles dafür tut, das selbst bestehende außerordentlich niedrige Tarifvereinbarungen weiter unterlaufen werden dürfen. Erstmalig im Jahr 2008 und längst nicht in allen Bereichen ist es den DGB-Gewerkschaften gelungen, den Trend jahrelanger Reallohnverluste umzukehren. Der Bundesbericht beschreibt in diesem Zusammenhang als eine Ursache der Reallohnverluste ausdrücklich die stark sinkende Tarifbindung in Deutschland, besonders in Ostdeutschland. Ihre ignorierende Haltung, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, gegenüber dem missbräuchlichen Umgang mit Tarifverträgen, Ihre Abwehr von Mindestlöhnen, Ihre schulterzuckende Akzeptanz von Hungerlöhnen, Ihre Untätigkeit im Bereich der Leiharbeit und der öffentlichen

(Unruhe CDU)

Auftragsvergabe, Ihre öffentliche Förderung von Niedrig- und Niedrigstlöhnen, all das sorgt für Armut in Thüringen. Sie werden bei Ihrem eigenen Antrag wohl kaum darum herumkommen, die Folgen Ihrer Politik auch zu beschreiben. Als besonders armutsgefährdete Gruppen werden im Bundesbericht Arbeitslose und Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung sowie Alleinerziehende genannt. Es ist bedauerlich, dass die CDU in ihrem Antrag Alleinerziehende nicht ausdrücklich als spezifische Gruppe genannt hat, auf die ein besonderes Augenmerk zu richten ist.

(Beifall SPD)

Die Bundesregierung betrachtet weiterhin die Zunahme des Niedriglohnbereichs auch bei Vollzeiterwerbstätigkeit mit Sorge. Die Thüringer Landesregierung geht damit offenkundig nach wie vor völlig sorglos um. Die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich zeichnet sich dadurch aus, dass nur das oberste Einkommenszehntel einen leichten Zuwachs in der Einkommensverteilung hat, während die mittleren Einkommensanteile stagnieren und die unteren fünf Einkommenszehntel gar sinken. Weiterhin wird auf den Zusammenhang zwischen geringer Qualifikation und höheren Armutsrisiken verwiesen. Schließlich wird die Teilhabe an Erwerbsarbeit als der entscheidende Faktor der Armutsvermeidung angesehen, vorausgesetzt, es handelt sich um eine sozial abgesicherte und vollzeitnahe Beschäftigung und vorausgesetzt, es erfolgt eine Lohnzahlung, die den Menschen ein Auskommen ohne zusätzliche

ergänzende Transferleistungen ermöglicht. Als Gegenstrategien werden unter anderem faire Arbeitsbedingungen und angemessene Erwerbseinkommen eingefordert. Alles brandaktuelle Themen, nicht nur auch, sondern gerade in Thüringen.

Meine Damen und Herren, der Aufschrei der Kollegen der CDU war groß, als der Bundesarbeitsminister die Vorstellung der vorläufigen Ergebnisse sehr zu Recht mit der Forderung nach einem Mindestlohn verbunden hat. Ich bin gespannt, welche Daten uns die Landesregierung für Thüringen offerieren wird und wie sie sich dann argumentativ gegen einen Mindestlohn aussprechen kann. Ich bin mir sicher, dass die Mehrheitsfraktion dieses Landtags dies gemeinsam mit der Landesregierung dennoch tun wird, aber die Argumentation wird Ihnen nach Vorlage auch Ihrer Daten noch schwerer fallen. Wer Armut bekämpfen will und Mindestlöhne verweigert, der ist politisch unglaubwürdig.

(Beifall SPD)

Wer Arbeit um jeden Preis propagiert, der will eine ungezügelte, nicht aber eine soziale Marktwirtschaft.

Noch eine Anmerkung sei gestattet. Armut wirkt sich bei Kindern besonders dramatisch aus. Sie mindert zu einem frühen Zeitpunkt die Chancen, das spätere Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Der Kreislauf sich immer wieder reproduzierender Armut ist nicht mehr zu übersehen. Und die zunehmende Spaltung der Gesellschaft ist nirgends deutlicher als in unseren Kindergärten und Schulen. Gleichzeitig ist aber auch die Chance nirgends größer als im Kindesalter, Armut zielgerichtet und nachhaltig abzubauen. Das setzt zunächst und vorrangig die Versorgung bedürftiger Kinder mit ausreichender und gesunder Ernährung voraus. Der Handlungsbedarf ist unübersehbar. Ein Vorschlag auch meiner Fraktion zur Bekämpfung der Kinderarmut gemeinsam mit den Kommunen ab dem neuen Schuljahr liegt seit Monaten im Sozialausschuss. Außer Vertagung in den Herbst, Abwarten auf bundesgesetzliche Neuregelung und Ankündigungspolitik ist seitens der Landesregierung nichts geschehen.

Meine Damen und Herren, die hier beantragte Berichterstattung darf nicht zu weiteren Verzögerungen bei der Bekämpfung der Kinderarmut führen. Viel zu viel Zeit wurde durch Ignoranz und Lavieren der Landesregierung schon verloren. Die Bekämpfung der Kinderarmut hat keine Zeit bis zur Verteilung von Wahlkampfgeschenken. Berichte, so wichtig sie auch sind, sorgen nicht für eine vollen Bauch armer Kinder, die zunehmend mangel- und fehlernährt sind.

(Beifall SPD)

Nun noch einmal konkret zu den beiden Anträgen. Bei den Kollegen der LINKEN bezweifele ich, dass bis zum Oktober 2008 ein qualifizierter Bericht von der Landesregierung vorgelegt werden kann. Das ist aus unserer Sicht zu kurzfristig, wird uns aber nicht daran hindern, diesem ansonsten positiven Antrag zuzustimmen. Bei dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU fehlen mir drei wesentliche Schwerpunkte, deren Aufnahme ich anrege.

1. Das Augenmerk sollte auch gerichtet werden auf die Gruppe der Alleinerziehenden.

2. Es sollte weiterhin Wert gelegt werden auf die Darstellung der Einkommensverteilung im Freistaat Thüringen, also auf arm und reich. Und es sollte eine Frist für die Folgerungen benannt werden.

Die von den Kollegen der CDU vorgenommene Ausweitung der zu beteiligenden Akteure wird von uns ausdrücklich begrüßt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Panse zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in diesen Tagen erhalten die Schülerinnen und Schüler in Thüringen ihre Zeugnisse. In der letzten Woche haben die Abiturienten schon ihre Abschlusszeugnisse erhalten. Worüber wir heute reden, das ist das Abschlusszeugnis von Rot-Grün. Da ist zu Recht darauf hingewiesen worden, man muss das an dieser Stelle, Herr Pilger, glaube ich, zunächst zu Beginn betonen. Denn Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, die Zahlen, über die wir hier reden, beziehen sich auf den Erhebungszeitraum zwischen 2002 und 2005. Wenn ich mich recht entsinne, hat da einer Ihrer Kollegen, der manchmal hier vorn in der ersten Reihe sitzt, als Staatssekretär von 2002 bis 2004 Verantwortung dafür mitgetragen. Rot-Grün - und das halte ich für die CDU-Fraktion hier fest - war Auftraggeber dieses Berichts. Die zugrunde gelegten Zahlen beziehen sich im Wesentlichen auf den Zeitraum 2002 bis 2005. Deshalb selbstverständlich ist auch Rot-Grün zunächst der Adressat auch der kritischen Anmerkungen, Herr Pilger, die Sie gerade hier vorgenommen haben.

Und ein zweiter Punkt, Herr Kollege Kubitzki, man merkt eben schon, dass Sie die Rede offensichtlich auch schon vor einem Monat hier gern gehal

ten hätten. Zwischenzeitlich ist der Entwurf verabschiedet. Der Entwurf ist von der Bundesregierung, das haben Sie offensichtlich registriert, überarbeitet, aber zwischenzeitlich auch beschlossen worden. Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht liegt uns mit einigen Änderungen vor. Und es ist gut, dass wir auch hier darüber diskutieren können.

Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ist überschrieben mit „Lebenslagen in Deutschland“ und Sie haben recht, Herr Kubitzki, er wurde äußerst kontrovers in den letzten Wochen diskutiert. Die Beurteilung, die Spannbreite der Beurteilung reichte dabei durchaus sehr weit. Ich darf einmal in Erinnerung rufen, Markus Krapka vom Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin sagte dazu: „Es ist eine absolut zu kurz geratene Auswahl der Fakten.“ Es sagt aber auch gleichzeitig das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln, das Papier sei von der Wirklichkeit überholt. Ausdrücklich möchte ich für die CDU-Fraktion diese Aussage unterstützen und bekräftigen, insbesondere auch die Aussage, die das Institut der Deutschen Wirtschaft dazu getroffen hat - ich zitiere: „Wer einen näheren Blick in das Schriftstück wirft, stellt fest, der soziale Ausgleich funktioniert.“ Ich stelle fest, der soziale Ausgleich in Deutschland funktioniert.

Herr Kubitzki, Sie haben vorhin ja darauf hingewiesen, 13 Prozent der Menschen in Deutschland leben nach dem 3. Armuts- und Reichtumsbericht in Armut. Aber 26 Prozent wären es, wenn wir keine sozialen Transferleistungen hätten. Wir sind da durchaus mit den sozialen Transferleistungen in Europa in einem Spitzenmaßstab. Auch das kann man aus dem 3. Armuts- und Reichtumsbericht herauslesen. Ebenso zu bekräftigen ist aber auch die Aussage, die das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln dazu getroffen hat, das können Sie nachlesen in der Ostthüringer Zeitung, ich zitiere: „Schaut man sich das 413 Seiten starke Werk jedoch genauer an, bleibt für Panikmache nicht viel übrig.“ Für die CDU-Fraktion möchte ich - durchaus anknüpfend an diesen Bericht - die fünf wesentlichen Kernaussagen herausstellen, die für uns im Zentrum der Betrachtung stehen.

Zum Ersten, und darauf sind Sie beide nur sehr eingeschränkt eingegangen, Arbeitslosigkeit bleibt das größte Armutsrisiko. Selbstverständlich deshalb müssen wir alle unsere Aktivitäten darauf bündeln, dass weiter Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse entstehen. Und die aktuellen Zahlen der Arbeitslosenstatistik, nicht zuletzt auch die aktuellen Zahlen der Arbeitslosenstatistik in Thüringen, bestätigen uns, dass wir uns da auf einem guten Weg befinden.

Zum Zweiten, der Armuts- und Reichtumsbericht stellt fest, das Armutsrisiko liegt in Deutschland unter dem EU-Durchschnitt. Deutschland befindet sich auf ei

ner Ebene mit Finnland und Frankreich, aber da sich die Armutsdefinition des Berichts in der EU allerdings an der Abweichung vom Nettoäquivalenzeinkommen orientiert, ist ein Vergleich der tatsächlichen Armut schwierig. Sie wissen, wir haben hier mehrmals über die Definition diskutiert, ob wir uns am Existenzminimum orientieren oder ob wir uns am Nettoäquivalenzeinkommen orientieren. Es ist und bleibt durchaus schwierig. Auch so ist es ein Stückchen zu erklären, dass es in dem Bericht herausgestellt wird, dass ausgerechnet die Tschechische Republik nach dieser Definition die niedrigste Armutsrisikoquote in Europa hätte. Das illustriert das Problem anschaulich, denn kaum einer wird wohl auf die Idee kommen festzustellen, dass wir in der Tschechischen Republik keine Armut hätten.

Zum Dritten, es gibt aktuell keine Altersarmut. Auch das stellt der Bericht fest. Gleichwohl, sage ich allerdings für die CDU-Fraktion, müssen wir dabei die Rentenentwicklung der nächsten Jahre einschließlich auch der Angleichung der Renten in Ost und West im Blick behalten. Wir haben uns auch hier im Thüringer Landtag als CDU-Fraktion und als Landesregierung dazu positioniert. In einer der letzten Plenarsitzungen haben wir dazu diskutiert, Beschlüsse gefasst, aber es bleibt festzuhalten, aktuell besteht keine Altersarmut in Deutschland.

Viertens, entgegen der landläufigen Meinung gehört, so die Aussage des 3. Armuts- und Reichtumsberichts, Deutschland im europäischen Vergleich zu den Ländern mit der niedrigsten Armutsrisikoquote von Kindern. Das wird uns immer ein bisschen anders suggeriert, aber der Bericht stellt es heraus. Gleichwohl müssen wir feststellen, und da gehe ich auf den Hinweis von meinen Vorrednern ein, Familien mit Kindern sind mit einem höheren Risiko behaftet, und unter ihnen, auch da gebe ich Ihnen recht, insbesondere Alleinerziehende. Allerdings genau dafür hat ja auch die Bundesregierung Entscheidungen getroffen. Sie wissen, der Kinderzuschlag als jüngste Veränderung soll da ebenso gegensteuern wie ein eigener Regelsatz für die Kinder im SGB II. Auch dazu haben wir uns hier mehrfach im Plenum intensiv ausgetauscht.

Ich muss auch dazu sagen, Herr Kollege Pilger, es geht um den noch ausstehenden Existenzminimumbericht dazu. Denn der Existenzminimumbericht von Herrn Bundesminister Scholz soll die dafür notwendigen Zahlen liefern. Ich hoffe sehr, dass, wenn er vorliegt, dann tatsächlich die Beschlussfassung des Bundesrates, beispielsweise zum Kindermehrbedarf, auch Sie hatten das ja angeschnitten, Herr Kubitzki, zügig umgesetzt wird. Einen fünften Punkt möchte ich noch ansprechen, der aus diesem Bericht herauszulesen ist, das ist die Wohnungssituation. Die Wohnungssituation der Menschen in Deutschland ist im

internationalen Maßstab sehr gut, und sie hat sich verbessert. Das stellt dieser Bericht fest, und ich stelle fest, das gilt ausdrücklich auch für Thüringen.

Es gibt aber darüber hinaus auch durchaus fragwürdige Feststellungen im Armuts- und Reichtumsbericht, Zahlen die es durchaus verdienen, näher beleuchtet zu werden. Wenn Sie sich die Armutsquote in Thüringen anschauen, die schwankt allein schon in den großen Städten zwischen 10,8 Prozent in der Landeshauptstadt Erfurt und 20,6 Prozent in Jena. Bei Jena, und das wird wohl hier keiner ernsthaft behaupten, handelt es sich ja nun sicherlich nicht um eine strukturschwache Region. Deswegen ist es wichtig, dass man sich diese Zahlen anschaut, auch so ein Stückchen die Schwächen beleuchtet einer solchen Berechnung und auch einer solchen Defintion.

Wir haben aber heute zwei Anträge vorliegen. Sie haben es gesagt, einen Antrag der LINKEN und einen Antrag der CDU-Fraktion. Ich möchte vorab durchaus an die Adresse der LINKEN mit einigen provokanten grundsätzlichen Bemerkungen beginnen.

Erstens, liebe Kolleginnen und Kollegen, entgegen der Meinung der LINKEN verbessert ein Armuts- und Reichtumsbericht nicht die Lage von auch nur einem einzigen Betroffenen. Uns liegt zwischenzeitlich nun der 3. Armuts- und Reichtumsbericht vor. Im Jahr 2001, wissen Sie, gab es den 1. Bericht dazu. Trotzdem halte ich fest, ein Bericht allein verbessert nicht die Situation der Betroffenen.

Zweitens, es ist falsch - und daran knüpfen Sie, Herr Kubitzki, an -, als Armutsdefinition lediglich die zur Verfügung stehenden Finanzmittel für Singles, wie Sie es in Ihrem Antrag auch beschreiben, heranzuziehen. Bei diesem von den LINKEN genannten Wert von 781 €, auch da weise ich darauf hin, sind viele andere soziale und geldwerte Transferleistungen nicht berücksichtigt. Auch da muss man der Ehrlichkeit halber darüber diskutieren dürfen.

Drittens, und da werde ich sehr deutlich, Gleichheit schafft keine Gerechtigkeit. Wenn es nahezu allen Menschen gleich schlecht geht, wie beispielsweise in der ehemaligen DDR, mag wohl die Abweichung vom Nettoäquivalenzeinkommen geringer und daher vielleicht auch nach dieser Definition die Armuts- und Reichtumsquote kleiner sein, aber ich glaube nicht, dass ein normal denkender Mensch sich deshalb die DDR zurückwünscht. Um es vielleicht auch etwas deutlicher für Frau Scheringer-Wright und andere Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Fraktion zu sagen, da zitiere ich an dieser Stelle Konfuzius. Konfuzius sagt: „Der Edle strebt nach Harmonie, nicht nach Gleichheit. Der Gemeine strebt nach Gleichheit,

nicht nach Harmonie.“

(Beifall CDU)

Werte Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, Sie können sich gern selbst aussuchen, zu welcher Gruppe Sie nach Konfuzius wohl gehören würden. Ich muss Ihnen aber sagen, es gehört zu einer offenen Auseinandersetzung dazu, dass man deutlich auch beschreibt, Gleichheit in diesem Sinne, wie Sie es hier einfordern und anmahnen, werden und können wir nicht herstellen. Die Fraktion der LINKEN, und das wird in dem Punkt 1 deutlich, fordert einen Bericht von der Landesregierung zum Bericht der Bundesregierung. Ich habe erhebliche Zweifel, ob irgendjemand die über 400 Seiten in den letzten Wochen schon seriös auswerten konnte. Bei manchen, und das stellt man so in den letzten Tagen fest, die sich jetzt zu dem Thema äußern, habe ich sogar Zweifel, ob sie die 27 Seiten der Kurzfassung schon ausgiebig gelesen haben. Ich sage aber auch, solange wie eine umfassende Auswertung noch nicht erfolgt ist, sollten wir mit lautstarken Forderungen nach Konsequenzen sehr vorsichtig umgehen.

Jetzt sind wir bei dem Punkt, was Sie uns als mögliche Konsequenzen als LINKE dann hier präsentieren. Der LINKE-Fraktionsvorsitzende Dieter Hausold, der auch manchmal hier im Haus ist, schlägt uns dazu vor:

Erstens: Mindestlöhne, die allerdings mit Sicherheit eher Arbeitsplätze vernichten als neue schaffen. Dazu haben wir mehrfach hier diskutiert.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Ein Glück, dass der Wirtschafts- minister das jetzt verlangt.)

Zweitens: Herr Hausold schlägt uns manchmal vor, wenn er in der Plenarsitzung da ist, Erhöhung der Hartz-IV-Leistung. Ich habe vorhin schon etwas dazu gesagt. Das wird anhand des Existenzminimumberichts der Bundesregierung in Berlin zu entscheiden sein.

Das gilt im Übrigen auch für die dritte Anregung, die er uns mit auf den Weg gegeben hat - Steuersenkung für kleine und mittlere Unternehmen. Auch das wird durchaus in Berlin zu diskutieren und zu entscheiden sein. Kein Wort allerdings darüber von den LINKEN, woher - außer mit neuen Schulden - das Geld dafür kommen könnte. Auch kein Wort darüber, dass die Entscheidungen, die im Bund getroffen werden, durchaus auf dieser Ebene auch seit geraumer Zeit diskutiert werden. Da muss ich Ihnen sagen, auch da bietet sich ein Zitat an. Selbst der Landesgeschäftsführer der Parität in Thüringen

Reinhard Müller beklagt bei vielen der populistischen Forderungen einen Hang zur Klientelpolitik. Er hat recht. Er hat zweifellos recht bei dem, was wir teilweise an Forderungen in den letzten Tagen erlebt haben. Es gibt, das stelle ich fest, im Übrigen auch keine Patentrezepte. Wir sollten also vorsichtig sein, wenn wir den Menschen vorgaukeln, dass jemand das Patentrezept zur Armutsbekämpfung in der Tasche hätte.

In Punkt 2 fordern die LINKEN einen Armuts- und Reichtumsbericht für Thüringen bis zum Oktober 2008. Da glaubt selbst Herr Kubitzki nicht richtig dran, glaube ich. Auch wenn Sie den Bogen geschlagen haben, Sie hätten den Antrag vielleicht schon vor einem Monat geschrieben. Wenn man weiß, dass die Bundesregierung über zwei Jahre gebraucht hat, um die Daten zu erfassen, zusammenzutragen, auszuwerten, um einen Armuts- und Reichtumsbericht zusammenzustellen, da bin ich sehr nahe bei dem, was Herr Pilger gesagt hat. Herr Pilger hat gesagt, das ist nicht realistisch. Ich füge hinzu, das ist Populismus pur und das gilt auch für den geforderten Maßnahmekatalog zur langfristigen Beseitigung der Armutsursachen. Auch das ist in diesem Zeitraum weder inhaltlich noch zeitlich umzusetzen.