Ich bitte das jetzt in der Abschlussabstimmung zu bekunden. Wer für den Gesetzentwurf ist, der möge sich jetzt von den Plätzen erheben. Danke schön. Das Gleiche gilt nun für die Gegenstimmen. Danke schön. Ich frage auch hier noch einmal nach Stimmenthaltungen. Stimmenthaltungen gibt es nicht, stelle ich fest. Der Gesetzentwurf ist angenommen.
Gesetz zur Weiterentwicklung der gemeindlichen Strukturen im Freistaat Thüringen Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 4/4239 - dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 4/4484 - dazu: Änderungsantrag der Frak- tion DIE LINKE - Drucksache 4/4499 - ZWEITE BERATUNG
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete, die CDU-Fraktion dieses Hohen Hauses brachte zur Plenarsitzung am 4. Juli 2008 ihren Gesetzentwurf in Drucksache 4/4239 zur Weiterentwicklung der gemeindlichen Strukturen in den Thüringer Landtag ein. Laut Beschluss des Hauses wurde dieser federführend an den Innenausschuss und begleitend an den Justizausschuss zur Beratung überwiesen. Noch am 4. Juli 2008 verständigten sich die Mitglieder des Innenausschusses darauf, zu diesem Gesetzentwurf eine breite Anhörung durchzuführen und einen größeren Kreis von betreffenden Personen und Institutionen einzuladen. Nach dieser Vorverständigung zur Anhörung fand dann diese am 5. September 2008 statt; ausgewertet wurde sie am 26. September 2008. Die zur Anhörung Eingeladenen tru
gen den Abgeordneten ihre Hinweise und Ratschläge vor. Eine Reihe dieser Änderungshinweisen fand Eingang in die Vorlage 4/2365, die dann vom federführenden Innenausschuss am 26. September mehrheitlich angenommen wurde. Feststellbar war, dass die künftig minimale Größe von Thüringer Gemeinden oder die Rechtsstellung von Ortsteil- bzw. Ortschaftsbürgermeistern eine der inhaltlichen Schwerpunkte nach dem Problem der Thüringer Landgemeinden in den Beratungen des Ausschusses darstellten. Der mitberatende Justizausschuss stimmte mehrheitlich dem vom Innenausschuss beschlossenen Vorschlag, wie in Vorlage 4/2365 enthalten, am 2. Oktober 2008 zu. Somit kann ich Ihnen die Beschlussempfehlungen in Drucksache 4/4484 mit dem Gesetzentwurf in Drucksache 4/4239 zur Beratung und Beschlussfassung in diesem Hohen Haus empfehlen. Neu hinzugekommen ist von der Fraktion DIE LINKE ein Änderungsantrag zur Beschlussempfehlung in Drucksache 4/4499 zu unserer heutigen Beratung. Ich danke Ihnen.
Ich eröffne die Aussprache und rufe als Erstes für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Kuschel auf.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits der Titel der Gesetzesvorlage der CDU-Fraktion ist eine Irreführung der Öffentlichkeit. Es wird nichts weiterentwickelt, so wie es im Titel steht, sondern es werden alte Strukturen zementiert. Zudem behandeln wir einen Gesetzentwurf, mit dem die Regierungspartei die jahrelange Arbeit der Enquetekommission zur Farce erklärt. Ohne jede Not brechen Sie ein Gesetz vom Zaun, mit dem Sie eine angebliche Reform vortäuschen. Obwohl unser Vertrauen in die Kommissionsarbeit der CDU ja nie sonderlich stark ausgeprägt war, muss ich heute gestehen, dass ich die Art und Weise, wie Sie heute die Arbeit der Enquetekommission beenden werden, für äußerst bedenklich halte. Ich könnte es auch anders formulieren, es ist skandalös.
Zunächst hat ja die CDU eine regelrecht ruhige Hand gehabt, was die inhaltliche Arbeit in der Enquetekommission betraf. In der ersten Zeit bestand die Arbeit weitestgehend darin, dass bekanntes und auch für jedermann öffentlich zugängliches Material erneut beschafft und auch ausgewertet wurde. Für die CDU war das vielleicht durchaus sinnvoll und erhellend gewesen, da sie zum damaligen Zeitpunkt und bis heute immer noch kein klares Konzept hatte, wie
denn dieses Land für die Zukunft fit gemacht werden soll. Die CDU agierte damals wie heute mutlos, kraftlos und visionslos. Insofern hat sich daraus vielleicht der Informationsbedarf begründet. Aber hätte sich die Regierungspartei, so wie es sich gehört und wie die Menschen das in unserem Lande zu Recht erwarten können, konzeptionell mit den Fragen der Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform auseinandergesetzt, dann hätte sie nicht erst einen solchen Lesekurs in der Kommission absolvieren müssen. Für meine Fraktion war die anfängliche Arbeit deshalb eine Farce, weil uns die Informationen schon längst vorlagen. Ich bin mir auch sicher, dass die SPD diesen Informationsbedarf in dieser Tiefe nicht gebraucht hat. Auch wenn die Schlussfolgerungen, die die SPD gezogen hat, für uns nicht konsequent genug sind, bleibt dennoch festzustellen, dass beide Oppositionsfraktionen in der Enquetekommission ihre Hausaufgaben gemacht haben, aber die Regierungspartei hat bedauerlicherweise kläglich versagt.
Jetzt will ich noch einmal schnell zum Missbrauch dieser Enquetekommission Ihrerseits zurückkommen, meine Damen und Herren der CDU. Obwohl Sie sämtliche Daten abgefordert und hoffentlich auch ausgewertet haben, haben Sie daraus keine zukunftsfähigen Schlussfolgerungen gezogen. Sie wollen alles so belassen, wie es ist, obwohl sich die Rahmenbedingungen für staatliches Handeln und für das Handeln der Kommunen in den letzten Jahren verändert haben. Mit den alten Strukturen können Sie auf die neuen Herausforderungen, vor denen das Land, aber auch die Kommunen stehen, nicht reagieren. Die jetzigen Strukturen hatten durchaus ihre Berechtigung, das gestehen wir zu, aber spätestens seit 1999 zeigte sich der Reformbedarf. Darauf haben Sie bis heute - wir schreiben jetzt das Jahr 2008 - nicht reagiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir uns den heutigen Gesetzentwurf ansehen, stellt sich natürlich die Frage, warum haben wir uns all die Zeit in der Enquetekommission gequält mit Ihnen. In der letzten Sitzung der Kommission hat der Vorsitzende Herr Carius dann zum wiederholten Mal die Katze aus Sack gelassen. Es ging dabei um die Thesen, die die CDU-Fraktion für eine mögliche Kreisgebietsreform erarbeitet und eingebracht hat. Herr Carius hat dabei gesagt, dass die CDU bereits das beschlossen habe und daran würde sich nichts ändern. Genauso haben Sie die Enquetekommission über die ganze Zeit gestaltet. Sie haben in Ihren CDU-internen Kreisen irgendetwas beschlossen, in die Enquetekommission eingebracht - Veränderungen waren nicht mehr möglich. Das ist der Missbrauch dieser Enquetekommission, meine sehr geehrten Damen
Die CDU will die Landräterepublik in Thüringen beibehalten mit all ihren demokratischen Defiziten. Ich verweise noch einmal darauf: auf Kreisebene keine Bürgerbegehren, keine Bürgerentscheide möglich; der stark dominierte übertragene Wirkungskreis, wo die Kreistage völlig außen vor sind, wo nur der Landrat und die Verwaltung letztlich entscheiden können.
Deshalb sagen wir: Thüringen braucht keine Stillstandspolitik, sondern endlich den Weckruf zum Aufbruch, meine Damen und Herren.
Sehr geehrte Damen und Herren, zur Geschichte dieses Gesetzentwurfs gehört auch der zwischenzeitlich aufgekündigte Kompromiss von CDU und SPD. In der Enquetekommission bestand ja das Bestreben der beiden, sich in einer Koalition zu üben. Offensichtlich wusste dabei die SPD lange Zeit nicht, wohin sie politisch will. Das Ergebnis dieses Taktierens war der von der CDU und SPD getragene Vorschlag zur Bildung der sogenannten Landgemeinden. So weit, so gut die Einigkeit zwischen CDU und SPD. Ursprünglich hatten beide die Landesregierung durch einen Beschluss hier im Landtag beauftragt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Vorgaben, die Empfehlungen der Enquetekommission umgesetzt werden sollten. Aus guten Gründen - auf die komme ich dann später noch einmal zurück - hat aber die Landesregierung darauf verzichtet, diesen Beschluss des Thüringer Landtags, getragen von CDU und SPD, durchzusetzen. Dann kam plötzlich die CDU-Fraktion selbst und hat ihren Gesetzentwurf vorgelegt und da war die Enttäuschung bei der SPD natürlich stark ausgeprägt, denn die SPD störte unter anderem, dass nicht die ursprünglich vereinbarte Einwohnergrenze von 4.000 der Maßstab für die Bildung der Landgemeinde sein sollte, sondern dass die CDU gesagt hat, wir lassen es bei der jetzigen Einwohnergrenze für Einheitsgemeinden, nämlich bei 3.000 Einwohnern. Wenn das jetzt das einzige Problem an diesem Gesetzeswerk wäre, meine Damen und Herren der SPD, dann ist Ihre Ablehnung aber wenig überzeugend. Abgesehen davon, dass Sie wissen müssten, dass man mit dieser CDU in diesem Lande keine Politik mehr machen kann, hätten Sie sich niemals in die taktischen Fänge der CDU begeben dürfen. Das haben Sie aber erneut gemacht. Sie haben tatsächlich geglaubt, wenn Sie auf das galoppierende Pferd der CDU setzen, würden Sie punkten können. Doch die Landgemeinden kommen nicht gut an, weder bei den Kommunalpolitikern noch bei den Bürgern.
Nun hat sich herausgestellt, dass aus dem Galopp ein Stolpern wurde und aus dem Pferd ein alter Esel. Jetzt versuchen Sie abzuspringen und stellen dabei fest, dass es schmerzhaft sein kann, wenn man insbesondere mit dem Gesicht auf dem Boden aufschlägt. Sie haben sich eine blutige Nase geholt. Das kann wieder heilen, wenn Sie sich endlich aus dem Lasso der CDU befreien und sich wieder darauf besinnen, was für dieses Land gut ist. Das taktlose Spekulieren auf irgendwelche Prozentpunkte bei der Sonntagsfrage wird Sie da nicht weiterbringen. Wer sich an die CDU bindet, wird mit ihr abstürzen, auch bei den Wahlen, meine sehr geehrten Damen und Herren der SPD.
Wir als LINKE stehen zu unserem Masterplan einer Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform, auch wenn es am Anfang dafür harsche Kritik gab. Doch wir sind bei unserem Konzept geblieben, weil es richtig ist. Inzwischen ist die Akzeptanz für unser Konzept gewachsen.
Unser Konzept wurde zwischenzeitlich sogar von der IHK in Teilen übernommen. Insofern muss unser Masterplan doch etwas Kreatives, Anziehendes und auch in sich Schlüssiges haben,
wenn selbst die Interessenvereinigung der Wirtschaft die Konzepte der LINKEN in großen Teilen aufgreift.
Ja, Herr Mohring, vielleicht habe ich mir das von Ihnen abgeschaut. Aber selbst da können Sie mit mir nicht mithalten. Glauben Sie es mir.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ausgangspunkt der Landgemeinden war im Oktober vergangenen Jahres ein Treffen der CDU-Altvorderen in Oberhof, also oben in den Bergen. Vor einem Jahr musste die CDU zur Kenntnis nehmen, dass sie sich nicht länger diesem Thema Gebietsreform verweigern kann. Zwar hatte die CDU immer erklärt, dass sie nichts ändern wolle, doch angesichts des zunehmenden Drucks in der Öffentlichkeit musste sie
von dieser Position abweichen und etwas machen, was so aussieht wie eine Reform. Da hat die CDU die Landgemeinde erfunden. Ich will Ihnen auch sagen, warum Sie den Menschen auf üble Art und Weise mit diesem Modell etwas vorgaukeln. Sie nehmen die Verwaltungsgemeinschaft und versuchen, sie zu reformieren. Dabei wissen wir, dass dieses Konstrukt so viele Fehler aufweist, Konstruktionsfehler, dass eine Reform an den einzelnen Elementen nicht dazu führen würde, dass diese Art der kommunalen Verwaltung auf gemeindlicher Ebene tatsächlich zukunftsbeständig ist.
Aber gut, Sie haben zumindest anerkannt, dass es bei den Verwaltungsgemeinschaften einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Doch weil Sie sich nicht getraut haben, da vornehmlich Ihre VG-Vorsitzenden mit CDU-Parteibuch dagegen waren, haben Sie die Landgemeinde erfunden, und zwar nicht anstelle der Verwaltungsgemeinschaften, sondern neben ihnen. Im Grunde ist aber die Landgemeinde nichts anderes als eine Einheitsgemeinde mit einer ausgebauteren Ortschaftsverfassung. Hier können wir nicht nachvollziehen, weshalb Sie nicht die Gunst der Stunde nutzen und die Verwaltungsstrukturen in Thüringen vereinfachen. Die kommunale Ebene ist dazu bereit. Es ist gar nicht so häufig, dass die kommunale Ebene bereit ist, ihre eigene Struktur mit zu ändern. Aber sie wollen klare Leitbilder und sie wollen, dass das, was sie dann auch tatsächlich selbst in Angriff nehmen, eine gewisse Zeit Bestand hat. Diese Bereitschaft ignorieren Sie. Zu diesen Leuten, die bereit sind, gehören auch Landräte mit CDU-Parteibuch, wenn ich einmal an den Landrat des Landkreises Schmalkalden-Meiningen erinnern darf, der bereits in der Vereinsbrauerei in Apolda vor zwei oder drei Jahren während eines Forums gesagt hat, die kommunale Ebene ist bereit, Landesregierung handele nun endlich, schafft uns den Rahmen, damit wir uns neu strukturieren können. Die Kommunen haben erkannt, wenn das Land schon untergeht, müssen die Kommunen zumindest dafür Sorge tragen, dass das Leben in Thüringen weitergeht. Das geht mit den jetzigen Strukturen nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, anstatt von den bisher drei existierenden Gebilden, der klassischen Einheitsgemeinde, der Verwaltungsgemeinschaft und der erfüllenden Gemeinde, abzugehen und alles auf die Einheitsgemeinde zulaufen zu lassen, setzen Sie ein weiteres, ein viertes Konstrukt hinzu. Auch wir halten aber dabei durchaus die Verwaltungsgemeinschaften im Einzelfall für zukunftsfähig. Aber das sollen bitte schön die Bürger entscheiden und nicht die VG-Vorsitzenden und die Bürgermeister allein.
Aber die Landgemeinde, das ist vollkommen irre, was Sie da machen. Das ist nicht nur irre, das ist Blödsinn. Es ist den Bürgern nicht erklärbar, weshalb das Ortschaftsrecht für die Landgemeinden erweitert werden soll, für die Einheitsgemeinden aber grundsätzlich nicht, sondern nur dann, wenn es die politischen Akteure wollen. Der Bürger ist da wieder völlig außen vor. Sie brauchen sich dabei nicht zu wundern, dass der Bürger sich immer weiter von Ihnen abwendet, wenn Sie ihn ständig außen vor lassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sehen aber auch in diesen zweierlei Ortschaftsrechten erhebliche verfassungsrechtliche Probleme, weil sie Bürgerinnen und Bürger erster und zweiter Klasse schaffen. Das müssen Sie mal den Leuten draußen erklären. Weshalb sollen nur Landgemeinden eine ausgebautere Ortschaftsverfassung haben, aber die Einheitsgemeinde nicht? Wir wollen das erweiterte Ortschaftsrecht, ich verweise hier auf unseren Änderungsantrag, aber wir wollen es für alle Bürger, für alle Einheitsgemeinden in diesem Land.
Meine Damen und Herren, erstaunlich, wie Sie das früher immer abgelehnt haben, jetzt plötzlich sind Sie durchaus für die Erweiterung des Ortschaftsrechts, zwar eingeschränkt für die Landgemeinden, aber immerhin.
Ihre demokratiefeindlichen Standpunkte haben Sie da aufgegeben. Bei der Einheitsgemeinde ist es auch möglich, aber nur, wenn es die politischen Akteure wollen. Aber wir wollen, dass der Bürger davon profitiert.
Wenn Sie überzeugt sind, dass Ihre ausgebauten Ortschaftsverfassungen gut sind für dieses Land, dann ermöglichen Sie, dass sie überall eingeführt werden können und nicht nur, wenn es gewählte Stadträte wollen.
Die sind ein Träger von Demokratie, aber die wesentlichen Träger von Demokratie in diesem Land sind nun mal die Bürger. Das haben Sie noch nicht begriffen, aber im nächsten Tagesordnungspunkt werden wir dazu ja noch mal ausführlich diskutieren.
Meine Damen und Herren, dass die Landgemeinde eine Oberhofer Kopfgeburt ist, haben wir in der Enquetekommission auch daran gemerkt, dass Ihr ehemaliger Innenminister, Herr Dr. Gasser, diesen ursprünglichen Vorschlag in wesentlichen Teilen zerpflückt hat, ihn verfassungsrechtlich für sehr bedenklich gehalten hat. Sie wollten ein eingeschränktes Budgetrecht, das aber mit dem Haushaltsrecht nicht kompatibel war, deshalb haben Sie dort eine Abfuhr bekommen. Darüber ist er nicht gestolpert, sondern über andere Dinge, insofern können Sie jetzt sagen, der ist nicht mehr da. Aber ursprünglich war, dass selbst Ihr eigener Innenminister Ihrem Modell nicht folgen konnte.