Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Da die Thüringer die öffentliche Verschuldung zu Recht als problematisch wahrnehmen, hat uns auch interessiert, ob die Staatseinnahmen oder die Staatsausgaben in ihren Augen das Problem darstellen. Die überwältigende Mehrheit der Thüringer sieht in den Ausgaben das Problem. Eine Position, die, wie ich finde, auch verständlich ist. Wenn von 100 € Lohnkosten des Arbeitgebers bei einem alleinstehenden Durchschnittsverdiener nur 47,40 € ankommen, dann hat auch jeder selbst eine Erfahrung über die viel zu hohe Abgabenlast. Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, dass fast neun von zehn Befragten für Ausgabenkürzungen eintreten. Es wird klar, dass wir

mittelfristig auch deshalb zu einer deutlichen Senkung der Steuer- und Abgabenlast kommen, damit die Menschen auch spüren, dass durch die eigene Arbeit auch ein höherer eigener Ertrag möglich ist. Das ist auch ökonomisch geboten. Wie Sie alle wissen, im Wettbewerb der europäischen Länder haben wir an dieser Stelle eine schlechte Position.

Unverändert lehnen die Thüringer Kürzungen bei den Bildungsausgaben mit großer Mehrheit ab. Sie wissen also, wie entscheidend eine exzellente Thüringer Bildungslandschaft für die Zukunft des Freistaats, für die Zukunft jedes Einzelnen ist. Auch die Themen Fachkräftemangel und Abwanderung korrespondieren ja direkt mit dieser Investition.

Die jüngsten PISA- und IGLU-Ergebnisse zeigen, dass unsere Politik richtig ist. Ich danke den engagierten Lehrerinnen und Lehrern, den Erzieherinnen und Erziehern, dass sie bei diesem kontinuierlichen politischen Rahmen eine so exzellente Leistung vollbracht haben.

(Beifall CDU)

Worauf es jetzt ankommt, das ist ganz eindeutig: Kontinuität und Qualität sind die Stichworte, die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit jeder einzelnen Schule ist hier ein entscheidender Weg. Wichtig ist es, dass wir auf keinen Fall ständige Strukturveränderungen betreiben oder immer mit neuen Konzepten diese Arbeit belasten. Am Ende müssen Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher auch wissen, dass man zu ihrer Arbeit steht, dass man sie begleitet und dass sie in ihrer Struktur, in die sie sich eingearbeitet haben, auch zukünftig ihre Arbeit leisten können.

Am ehesten halten interessanterweise die Thüringer Kürzungen bei der Wirtschaftsförderung und beim Umweltschutz für vertretbar. Offenbar beeinflussen auch hier die wirtschaftlichen Erfolge und die verbesserte Umweltsituation die Befragten. Der Handlungsbedarf wird in beiden Bereichen vergleichsweise gering eingeschätzt. Ich bin sicher, dass damit nicht gemeint ist, dass wir die Wirtschaftsförderung einstellen sollen oder dass wir uns nicht weiter bemühen, z.B. beim Thema alternative Energien, weiter gut voranzukommen. Die Thüringerinnen und Thüringer sehen aber auch die Erfolge dieser Wirtschaftsförderung und Förderung für eine bessere Umweltsituation. Insoweit sehe ich das eher als Zustimmung für den Weg, den wir in den letzten Jahren gegangen sind. Diese gute wirtschaftliche Bilanz ist ja auch Folge einer zielgenauen Förderpolitik,

(Beifall CDU)

einer Politik, die den Mittelstand in den Mittelpunkt rückt, die mit vielen selbst verantwortlichen Unternehmern in Thüringen eine gute Entwicklung organisieren konnte. Diese Förderpolitik, das wissen Sie alle, bleibt wichtig. Denn wir müssen jetzt den Zeitraum nutzen bis zum Jahr 2013 und dann auch noch bis zum Jahr 2019, wo uns erhebliche Mittel aus der Europäischen Union und aus der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stehen. Deshalb sind unsere Förderprogramme und Förderprojekte zielgenau auf diesen Mittelstand und auf die Förderung von Mittelstand, Wissenschaft und Forschung ausgerichtet.

Entscheidend ist, dass wir auch weiterhin nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern dass wir zielgenau fördern, denn nur so können wir das Vertrauen auch in die Wirksamkeit der Wirtschaftsförderung erhöhen. Nachhaltigkeit, die auch dem Willen der allermeisten Thüringer entspricht, müssen wir in Zukunft weiter Rechnung tragen. 83 Prozent sprechen sich dafür aus, dass bei der Wirtschaftspolitik vor allen Dingen Beschäftigungsanreize wichtig sind. Die Mehrheit spricht sich gegen staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus. Das heißt, der Vorrang der direkten Wirtschaftsförderung von Mittelstand, von Landwirtschaft, von Dienstleistung ist nicht nur unser politischer Weg, sondern wird auch von der Mehrheit der Thüringerinnen und Thüringer genauso gesehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachhaltige Investitionen, dieses Thema steht nun auch in der aktuellen Debatte. Was sind nachhaltige Investitionen? Wir hören in den letzten Wochen Vorschläge von Einkaufsschecks und vieles andere mehr. Wenn wir wirklich auch in Zukunft nachhaltig investieren wollen - und das will auch die Mehrheit der Thüringerinnen und Thüringer -, ist es wichtig, diese Wirtschaftskraft, diese Wirtschaftsstruktur weiter zu stärken. Genau dazu haben wir in den letzten Monaten immer wieder neue Entscheidungen gefällt. Ich denke an die zusätzliche Qualifikation von Ingenieuren, an das stärkere Vermarkten des Wirtschaftsstandorts Thüringen, an die gute und auch flexible Anwendung der vorhandenen Förderprogramme und eine Ausweitung der entsprechenden Rahmenbedingungen. Auch das Landesstraßenprogramm ist eine solche wichtige Initiative, denn hier wird nachhaltig in die Struktur Thüringens investiert und damit die Zukunftsfähigkeit Thüringens entscheidend gestärkt.

(Beifall CDU)

Ein wichtiges Programm ist das unter der Überschrift „Exzellentes Thüringen“, wo wir im letzten Jahr schon im Einvernehmen mit der Wirtschaft, den Hochschulvertretern, den Forschungsvertretern eine sehr große Summe aus Steuermitteln für vier Jahre festgelegt haben, um die Verbindung von Mittelstand, Forschung, Hochschule noch zu stärken. Sie alle wissen,

dass gerade Forschung, Entwicklung und Technologie entscheidend sind für den Erfolg unserer Wirtschaft. Die Autoren haben gefragt, welchen Stellenwert die gegenwärtigen Probleme voraussichtlich in zehn Jahren haben werden, also durchaus eine mittelfristige Perspektive.

Mit Blick auf die Zukunft unterscheidet sich die Einschätzung beträchtlich. Wirtschaftspolitische Probleme verlieren an Bedeutung, sozialpolitische Probleme werden in den Augen der Befragten immer größer. Ohne Frage, wenn wir es heute fragen würden, würde das Ergebnis sicher anders ausfallen, denn die wirtschaftspolitischen Probleme würden deutlich gestärkt werden. Die künftige Problemagenda aus mittelfristiger Sicht: Sozialpolitische Probleme werden an Bedeutung zunehmen, werden vor allem vom Thema Rentensicherung und Abwanderung angeführt. Die Aufgaben, die hier zu lösen sind, sind enorm. Das wissen auch die Thüringerinnen und Thüringer. 62 Prozent sind für eine grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme. Eine klare Aussage, die uns auch als Politikerinnen und Politiker in die Pflicht nimmt. Die Forderung nach einer grundlegenden Reform bedeutet nicht für die Thüringerinnen und Thüringer, dass das eigenverantwortliche, private Handeln vernachlässigt werden soll. Nein, es bedeutet, dass die finanziellen Grundlagen für das soziale Sicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland neu festgelegt werden müssen. Denn zwei Drittel sagen zum Thema „Eigenverantwortung“, dass ein gewisser Geldbetrag natürlich auf die sogenannte hohe Kante zu legen ist. Das ist ein positiver Beitrag, denn Eigenverantwortung und Verantwortung der Gemeinschaft sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Thüringen-Monitor zeigt, dass die Thüringerinnen und Thüringer verantwortlich denken und handeln, und dass sie sich weiter eine nachhaltige Politik wünschen. So sind sich die Menschen im Freistaat auch einig, dass Wirtschaftswachstum nicht auf Kosten der Umwelt gehen darf. Sechs von sieben Befragten vertreten genau diese Position. Eine Position, die im Übrigen auch Arbeitslose in hohem Maße unterstützen. 60 Prozent sind sogar bereit, höhere Preise für Produkte zu zahlen. Ein, wie ich finde, positiver Ansatz, denn gerade unsere Landwirtschaft und unsere Ernährungswirtschaft leiden ja darunter, dass häufig die Preise nicht wirklich den Produktwerten entsprechen. Die Thüringer Landesregierung stellt sich aus Überzeugung auch diesen Forderungen und gestaltet eine verantwortungsvolle, seriöse Politik, die über den Tag hinausreicht. Eine Politik, die nicht utopische Wohltaten verspricht, sondern das Verantwortungsbewusstsein aller fordert. Die Thüringer wollen auch, dass sie ihre eigenen Kräfte weiter stärken. Wir sagen, was wir tun. Wir tun, was wir sagen.

Wir halten Wort und das schafft, wie man auch dem Thüringen-Monitor entnehmen kann, Vertrauen.

In diesem Sinn ist auch das hohe Maß an Kompetenz vor allem in Wirtschaftsfragen, das die Thüringer der Politik der Landesregierung zusprechen, ein erfreulicher Vertrauensbeweis. 50 Prozent der Thüringer sagen, die Landesregierung macht diese verantwortliche Politik. Ausgesprochen positiv ist auch, dass vor allem der demokratischen Mitte die Kompetenz zur Lösung der Herausforderungen zugesprochen wird.

Insgesamt zeigt der Thüringen-Monitor 2008, dass das Vertrauen der Befragten in die Union groß ist. Gerade wenn es darum geht, die am drängendsten empfundenen Probleme zu lösen, nämlich Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern und die Abwanderung zu stoppen, traut man das am ehesten der Union zu. Auch beim Voranbringen des ländlichen Raums und bei der Kriminalitätsbekämpfung genießen wir großes Vertrauen. Die Daten beweisen, dass dieses Vertrauen auch gerechtfertigt ist. Beste Aufklärungsrate gleich kurz nach Bayern.

(Beifall CDU)

Auch unsere bildungspolitische Linie ist richtig. Das bestätigen die guten und auch sehr guten Ergebnisse Thüringens bei der PISA-Studie, beim Bertelsmann Länderreport und ganz aktuell im IGLU-Ländervergleich. Allerdings müssen wir diese Erfolge noch stärker vermitteln, denn sie sind nicht nur Erfolge, die statistisch wahrgenommen werden sollten, sondern sie sind ein Standortvorteil für Thüringen. Sie schaffen Zukunftspotenzial.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Thüringen-Monitor 2008 bestätigt nicht nur die Politik der Landesregierung, sondern er zeichnet auch ein positives Bild der Menschen im Freistaat. Hier leben also in der Mehrzahl Menschen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Menschen, die aber auch zu Recht fordern, dass Politik Rahmenbedingungen für dieses eigenverantwortliche Handeln schafft und weiter sichert.

Wie in den Vorjahren spricht auch der ThüringenMonitor 2008 von einem hohen Institutionenvertrauen. Zwei Drittel der Thüringer haben großes Vertrauen in sogenannte politikferne Institutionen, allen voran in die Polizei und in die Gerichte. Allerdings vertrauen immer weniger - nämlich ein Drittel - den sogenannten politiknahen Institutionen. Das Maß an Vertrauen hängt auch von wirtschaftlichen Fragen und ihrer Wahrnehmung ab. Ökonomisches Vertrauen stärkt - das war der Ausgangspunkt - politisches Vertrauen. Vertrauen, das wir rechtfertigen wollen mit einer Politik der Vernunft, der langfristigen Perspektive, der

Kontinuität und der Besonnenheit. Thüringen ist für die aktuellen und künftigen Herausforderungen gut gerüstet. Das beweisen die Daten der letzten Monate und das beweist auch dieser Thüringen-Monitor.

Trotzdem kommt der Erfolg auch künftig nicht von allein. Wenn wir unsere Verantwortung wahrnehmen, jeder an seinem Platz, wird Thüringen die gute Entwicklung der letzten 18 Jahre fortsetzen. Die Politik muss dafür glaubwürdig sein, sie muss ernsthaft sein, sie muss die Reformen anpacken, für optimale Rahmenbedingungen am Wirtschaftsstandort Thüringen sorgen und sie darf keine Luftschlösser bauen oder die Menschen mit populistischen Versprechen täuschen. Wenn man die Thüringer mittelständische Wirtschaft betrachtet, wenn man die leistungsfähige Bildungs-, Hochschul- und Forschungslandschaft betrachtet, wenn man das hohe Maß an innovativen Technologien im Thüringer Mittelstand ansieht, wenn man die Stärke der Familien betrachtet, die leistungsfähigen und intakten Kommunen oder auch die reiche Kulturlandschaft, dann sind das entscheidende Beispiele, die deutlich machen, dass die Potenziale in Thüringen gut geprägt und zukunftsfähig entwickelt sind.

Die Thüringerinnen und Thüringer werden weiterhin ihre Motivation, ihre Kreativität und Flexibilität einbringen, um diese Voraussetzungen, die geschaffen worden sind, weiter zu stärken und daraus wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Die Schlüssel für unsere Zukunft heißen also Verantwortung und Vertrauen. Wir setzen auf Thüringen, ein modernes, ein weltoffenes Land. Wir setzen vor allen Dingen auf die Menschen, die hier leben und die hier auch in Zukunft leben wollen und die auch Interesse an Thüringen haben, die zu uns kommen. Der Thüringen-Monitor 2008 bestätigt uns, er ermutigt uns und gibt uns auch neue Aufgaben auf, denen wir uns mit aller Kraft stellen werden.

(Beifall CDU)

Ich frage, wer wünscht die Aussprache zur Regierungserklärung? Alle drei Fraktionen. Damit eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort Herrn Abgeordneten Hausold, Fraktion DIE LINKE.

Werte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Zeitpunkt dieses Monitors war ja im Vorfeld schon etwas diskutiert. Die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion hatten dann sogar einen Antrag dazu gestellt. Auch Sie, Herr Ministerpräsident, haben darauf aufmerksam gemacht, dass sich seit der Befragungszeit vieles im Land verän

dert hat. Wenn diese Regierung, die ja nun alles noch mal vier Wochen hinausgeschoben hat, wirklich Mut zur realen Situation gehabt hätte, hätte sie sich vielleicht für eine wenigstens in Teilen mögliche Nachbefragung entschieden, um ein Stück weit ein aktuelleres Bild der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auf verschiedene Fragen, insbesondere zum Thema soziale Marktwirtschaft, zu bekommen. Aber das haben Sie offensichtlich nicht getan. Ich nehme an, Ihr Zeitaufschub galt eigentlich mehr der für Sie sicherlich nicht ganz einfachen Interpretation der vorliegenden Ergebnisse in die positive Richtung.

Ich will aber hier noch eine zweite Frage aufmachen. Ebenfalls im Vorfeld dieses Monitors wurde immer wieder diskutiert und nachgefragt, da wir schon eine sehr langjährige Praxis in diesen Dingen haben, was wird denn nun als Schlussfolgerung aus diesem Monitor für die Thüringer Politik, insbesondere auch durch die Thüringer Landesregierung zu erwarten sein. Meine Erwartungen, meine Damen und Herren, waren eher sehr gering, was Schlussfolgerungen betrifft. Das haben Sie, Herr Althaus, mit Ihrer Rede heute bis auf einen Punkt auch wieder bestätigt, indem Sie nämlich eigentlich keine Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen aufgemacht haben. Aber an einer Stelle haben Sie es getan, ausgerechnet an der Stelle der Bekräftigung Ihres Vorhabens, ein Neuverschuldungsverbot in der Verfassung auf den Weg zu bringen. Das, meine Damen und Herren, ist angesichts der Finanz- und Wirtschaftsmarktkrise nun endgültig völliger Realitätsverlust und ein Zeichen in die völlig falsche Richtung für dieses Land.

(Beifall DIE LINKE)

Angesichts des Gegenstands und der Fragen der aktuellen Finanzmarktkrise und des Schwerpunkts des Monitors muss ich an dieser Stelle einige generelle Bemerkungen in diesem Kontext tun. Gestern, meine Damen und Herren, meldete „Der Spiegel“, dass die Ökonomen den schärfsten Wachstumseinbruch seit 1949 erwarten. Es steht also eine tiefe Rezession bevor. Es wäre eine Rezession, wie sie die Bundesrepublik Deutschland noch nicht durchlitten hat seit 1949. Dem Essener Forschungsinstitut RWI zufolge wird die deutsche Wirtschaft 2009 um 2 Prozent schrumpfen. Das DIW rechnet bereits für das Winterquartal 2008 mit einem Rückgang um 0,3 Prozent.

Angesichts solcher Meldungen zeugen die Handlungen, die die Regierung in Bund und Sie hier, meine Damen und Herren der Landesregierung und der Thüringer CDU, an den Tag legen oder - besser gesagt - nicht an den Tag legen, wirklich von Unkenntnis und Ignoranz in einem Ausmaß, das eigentlich selbst uns als Opposition vor Kurzem noch nicht ganz vorstellbar war. Man denke sich nur, der Wirtschaftsmi

nister, Herr Reinholz, redet in diesen Tagen, in dieser Woche von konjunkturellen Dellen. Ich frage: Hat diese Regierung eigentlich mitbekommen, was sich in der Bundesrepublik, weltweit und hier in Thüringen abspielt? Ich sage, nein, Sie scheinen vor sich hinzudämmern im Schlaf des Seligen, der sich auf seinen Erfolgen ausruht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann mich daher nur dem Chefökonomen der „Financial Times Deutschland“ Thomas Fricke anschließen, der in einer Kolumne letzte Woche, am Freitag - zugegeben etwas sehr bissig, aber ich denke trotzdem treffend - festgestellt hat, die CDU entwickelt sich zur Sammelstelle für die weltweit dümmsten Argumente gegen die Konjunkturpolitik, meine Damen und Herren. Und das ist Realität.

(Beifall DIE LINKE)

Die Ökonomen beim Internationalen Währungsfonds drängen zu schnellen Konjunkturpaketen samt auch solchen Überlegungen wie Konsumschecks. Die Kollegen bei der Industriestaatenorganisation OECD finden Letzteres ebenfalls gut. Selbst die orthodoxe EU-Kommission hält es mittlerweile für ziemlich dringlich, entweder Steuerschecks oder befristet sinkende Mehrwertsteuersätze einzusetzen, um eine dramatische Wirtschaftskrise zu verhindern. So ähnlich lautet der Tenor derzeit bei der großen Mehrheit der wirtschaftspolitischen Experten. Das, denke ich, sollte uns doch zum Nachdenken anregen. Aber die Regierenden in diesem Land scheint das eigentlich wenig zu tangieren. Ministerpräsident Koch sagt zum Beispiel: Die Situation in Deutschland ist günstiger als anderswo. Er kann also offensichtlich noch nichts gehört haben von zweistelligen Einbrüchen bei der Autoindustrie und bei den Maschinenbauern und noch nichts gehört haben von Prognosen, wonach Deutschland bekanntermaßen stärker in Gefahr ist zu schrumpfen als andere Volkswirtschaften in dieser Zeit, und Umfragen, nach denen es zahllose Unternehmen als gegeben ansehen, dass sie in Größenordnungen in naher Zukunft Personal und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen müssen. Es ist doch nun wirklich das irrigste Argument gegen ein deutsches Konjunkturpaket, dass die Deutschen mit dem Geld, man höre und staune, ja auch Güter kaufen würden, die gar nicht in Deutschland produziert sind. Diesen Unsinn gab Herr Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, von sich. Dann will ich nur mal an dieser Stelle fragen, weil uns das immer gern unterstellt wird: Wer macht denn nun hier eine europaferne oder europafeindliche Politik? Wir wohl nicht, meine Damen und Herren, aber diese Bundesregierung offensichtlich doch.

(Beifall DIE LINKE)

Das zeugt auch von einer ganzen Portion an Ignoranz oder vielleicht der Unkenntnis zu ökonomischen Fakten. Deutsche Exporteure profitieren bekanntermaßen seit Monaten davon, dass Amerikaner mit ihren Steuerschecks auch deutsche Waren gekauft haben. Sie profitieren seit einiger Zeit davon, dass in Großbritannien die Mehrwertsteuer auch auf Importe gesenkt wurde oder dass die Franzosen bald mehr Geld in ihrem Portemonnaie haben werden und die Spanier und die Italiener und die Chinesen. Nur Deutschland soll bitte aufpassen, dass kein anderer unser Geld bekommt, meine Damen und Herren. Was ist das eigentlich für eine politische Auffassung in Zeiten der Globalisierung, die Sie doch nun immer als die große Chance herbeigeredet und diskutiert haben? Dieses Argument lässt mich wirklich zweifeln, ob im Bundestag, in der Bundesregierung und auch in unserer Landesregierung angekommen ist, dass es gerade um ein globalisiertes Krisenschicksal geht, nicht darum, sich wieder mal auf Kosten anderer gesund zu konkurrieren oder an Geldausgaben anderer vorrangig zu bedienen, meine Damen und Herren.

Aber Sie haben ja heute, Herr Althaus, erkennen lassen, dass Sie neuerdings zu Fragen der Regulierung auch im internationalen Maßstab bereit sind. Das hat uns einigermaßen erstaunt. Ich will nur sagen, dann sagen Sie Ihrer Bundeskanzlerin, sagen Sie der Bundesregierung und sorgen Sie im Land dafür, dass es auch nun wirklich Schritte in diese Richtung gibt. Denn bisher, meine Damen und Herren, gibt es diese Schritte nicht. Es gibt weder ein Verbot von Hedgefonds in Deutschland noch eine deutsche Initiative zu wirklicher gesetzlicher Kontrolle, die international agierende Finanzströme koordiniert und kontrolliert. Es gibt kein Verbot von Leerverkäufen, die in großen Teilen diese Finanzkrise und die Folgen heraufbeschworen haben. Es gibt im Übrigen auch keinerlei Überlegungen, dass man vielleicht die Arbeitnehmerbeteiligung und damit Stabilisierung von Einkommen bei Ausgabe von staatlichen Mitteln als Unterstützung an Banken und Konzerne festlegen kann - alles nichts, außer heißer Luft in den entsprechenden Reden. Solange sich das nicht ändern wird, meine Damen und Herren, werden wir den aktuellen Herausforderungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise nicht gewachsen sein können und werden wir schon gar nicht eine soziale Marktwirtschaft in diesem Land wiederherstellen und stabil entwickeln und verteidigen können, meine Damen und Herren. Aber das ist die Aufgabe, die aus dem Monitor hervorgeht.

(Beifall DIE LINKE)

Wir werden im Laufe dieser Plenarsitzung noch unsere detaillierten Vorstellungen in dieser Richtung, Vorschläge zu einem Gegensteuern gegen die Krise einbringen und Gelegenheit haben, darüber zu disku

tieren. Ich bin der Auffassung, es sind diskussionswürdige Vorschläge. Wir werden sehen, wie Sie sich dem insbesondere seitens der Landesregierung mit der Mehrheitsfraktion in diesem Hause stellen werden. Sie haben die Möglichkeit, anhand der Anträge der Opposition wirklich einmal zu handeln. Ich kann Sie nur ermuntern, nehmen Sie dies auf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Thüringen-Monitor macht einige prinzipielle Bewertungen auf, die schon ein bezeichnendes Licht auf unser Land und die politische Situation werfen. Gestatten Sie mir zu einigen Fragen hier Bemerkungen.

Zunächst zum Thema Abwanderung: Dieses Thema ist offensichtlich für die Thüringer das Problem Nummer eins. 70 Prozent der Befragten sehen das so. Wir sagen natürlich, das muss auch niemanden wundern, der sich mit der Thüringer Politik der letzten 15 Jahre auskennt. Täglich, meine Damen und Herren, man kann es als Problem nicht oft genug hervorheben, verlassen knapp 60 junge, qualifizierte Leute den Freistaat. Es wurde im Monitor allerdings keine Nachfrage gestellt, warum denn nun die Thüringerinnen und Thüringer der Meinung sind, dass das das Hauptproblem ist. Man kann natürlich im Umkehrschluss schon ganz deutlich Indizien finden. So ist es eben ein Widerspruch, wenn man die Bindung an die Heimat Thüringen als sehr hoch einstuft, aber dennoch sehr viele Menschen abwandern. Da keine Hinweise vermittelt sind im Monitor, denke ich aber, die liegen schon auf der Hand.

Wo liegen die Gründe? Thüringen ist seit Jahren das Billiglohnland Nummer eins in Deutschland. Die Arbeitslosenzahlen sind rückläufig und trotzdem sind sie natürlich durch die Pendlersituation und auch andere statistische Eingriffe am Ende real geschönt, was Arbeitsplätze hier in Thüringen betrifft. Viele Menschen in unserem Land, das hat natürlich auch mit Einkommensmöglichkeiten zu tun, sind zum Beispiel trotz Arbeit noch auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Da muss es nicht wundern, wenn Menschen, die sich entwickeln wollen, die eine Familie gründen wollen und viele andere Fragen in ihrem Leben gestalten wollen, aus diesen Zusammenhängen heraus sich gezwungen sehen, Thüringen zu verlassen.

Ich will aus der TA von heute einen Leserbrief zitieren, weil ich denke, noch besser kann man unserer Landesregierung und der CDU und deren Politik nicht ins Stammbuch schreiben, woher diese Präferenz der Thüringerinnen und Thüringer zum Thema „Abwanderung“ im Monitor kommt. Ich zitiere: „Noch mehr müssen weg, weil es nach der Ausbildung in Thüringen keine Perspektive gibt. Sie werden von den Arbeitsagenturen zum Teil regelrecht aus dem Land getrieben. Ihnen bleibt nur, sich anderswo eine

Existenz aufzubauen, die man nicht mehr aufs Spiel setzt und nach Thüringen zurückkehrt, wo man für einen Lohn arbeiten soll, der nur geringfügig über dem Hartz-IV-Satz einer dreiköpfigen Familie liegt.“ So der Leserbrief in der TA. Dem ist, meine Damen und Herren, eigentlich nichts hinzuzufügen. Aber betonen möchte ich schon, das alles ist nicht vom Himmel gefallen. Das ist das Ergebnis von 18 Jahren Politik unter Führung der Thüringer CDU in diesem Lande, meine Damen und Herren.