Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

2. Die Anzuhörenden beurteilten den Meldeweg über das Gesundheitsamt oder das Jugendamt unterschiedlich.

3. Die Nutzung von Sanktionen, das heißt, Entzug des Thüringer Erziehungsgeldes, wurde konträr vertreten.

4. Positiv wurde die Rolle der Familienhebammen hervorgehoben.

Das hat zu zwei Änderungsanträgen der CDU-Fraktion geführt. Die Änderungen betreffen die Möglichkeit, einen versäumten Termin bei den U-Untersuchungen zu heilen und zweitens die Rolle der Familienhebammen zu stärken.

Der Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit hat am 5. Dezember den SPD-Antrag abgelehnt und den Antrag der Landesregierung mit den eingebrachten Änderungen mehrheitlich angenommen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ich eröffne die Aussprache und rufe für die Fraktion DIE LINKE den Abgeordneten Bärwolff auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die tragischen Fälle von Kindesvernachlässigung und Kindeswohlgefährdung haben in Politik und Gesellschaft die Diskussion um Verbesserungen im Bereich des Kinderschutzes angeregt und gefördert. Dabei kann es leider keinen 100-prozentigen Schutz aller Kinder in allen Situationen geben. Diese Tatsache aber sollte niemanden davon abhalten, seine Bemühungen um Verbesserung fortzuführen oder zu intensivieren. Wir tun gut daran, den Schutz von Kindern zu befördern und stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.

Mit den heute hier vorliegenden Gesetzentwürfen soll der Schutz ausgeweitet und gestärkt werden. Dem kann man an sich nichts entgegenstellen, ist doch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jugendämtern und Einrichtungen des Kinderschutzes für ihre so wertvolle und mitunter lebensrettende Arbeit zu danken. Die Verantwortung, die diese Menschen tragen, sollte aber für uns Verpflichtung sein, sie in ihrer Tätigkeit zu unterstützen. Das betrifft die Möglichkeit der Fortbildung, das betrifft aber auch klare Verfahrensweisen und personelle Entlastungen. Die personelle Entlastung scheint mir dabei eine Schlüsselfrage zu sein, denn was bringen die besten Gesetze, die besten Netzwerke und vielen, vielen Vorschriften zum Schutze der Kinder, wenn die Personalsituation in den Jugendämtern, den Kinderschutzdiensten oder Einrichtungen der Umsetzung dieser im Wege stehen.

Deshalb appellieren wir als Linksfraktion an Sie, Frau Ministerin: Sorgen Sie endlich dafür, dass die Personalsituation in den Jugendämtern und in Kinderschutzeinrichtungen verbessert wird. Lange Wartelisten, wie sie es bei den 15 Thüringer Kinderschutzdiensten gibt, zeigen deutlich auf, dass es hier noch einen gewaltigen Handlungsbedarf gibt.

(Beifall DIE LINKE)

Die Gesetzentwürfe von Landesregierung und SPD haben grundlegende Verbesserungen im Kinderschutz zum Ziel. Dieses Ziel kann man unterstützen, jedoch - und das fällt dem Leser dieser Werke sofort auf - erstrecken sich die Lösungsvorschläge nur auf einen Bruchteil dessen, was tagtäglich zu leisten ist.

Während sich der Gesetzentwurf der Landesregierung nur bei den verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder aufhält und nicht darüber hinauskommt, betrachtet der Gesetzentwurf der SPD auch regionale Netzwerke, Familienhebammen und finanzielle Aspekte. Zumindest, was die Breite der Lösungsvorschläge angeht, ist uns der Gesetzentwurf der SPD am nächsten.

Thüringen ist nicht das einzige und nicht das erste Land, in dem ein Kinderschutzgesetz verabschiedet wird. In Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz gibt es bereits solche und auch in Berlin wird derzeit in den Ausschüssen darüber debattiert. Mit den Kinderschutzgesetzen wollen Landesregierung und SPD den Kinderschutz generell verbessern, allerdings - so nicht nur die Einschätzung der LINKEN - beziehen sich diese beiden Gesetzentwürfe nur auf den Schutz von Kleinkindern. Bei der Landesregierung ist dies explizit der Fall, weil sie sich nur auf die Vorsorgeuntersuchungen und mögliche Repressionen versteift. Bei der SPD ist dies implizit der Fall, weil all die Maßnahmen, die sie vorschlägt, auch nur bei Kleinkindern ankommen, sowohl was die Familienhebammen anbelangt als auch die lokalen Netzwerke haben Sie nur Kleinkinder im Blick. Nach Ansicht der LINKEN umfassen aber die Aufgaben des Kinderschutzes nicht nur Kleinkinder, sondern Kinder, die auch älter als drei oder vier Jahre sind. Hier ist einer der grundlegenden Makel, der beiden Gesetzen anhaftet. Kinderschutz ist aus Sicht der LINKEN mehr und Kinderschutz erstreckt sich nicht nur auf diese kleine Altersgruppe von Kindern.

(Beifall DIE LINKE)

Aus Sicht der LINKEN können wir dem Gesetz der Landesregierung nicht zustimmen, nicht nur, dass sich die Landesregierung ausschließlich auf Kleine konzentriert, nein, das macht die SPD leider genauso, aber im Gegensatz zur Landesregierung umfasst der Gesetzentwurf der SPD nicht nur Fragen der Vorsorgeuntersuchungen. Hier sind wir bei Ihnen, wenn Sie einfordern, dass diese Vorsorgeuntersuchungen verbindlich sein müssen. Jeder hat die Pflicht, mit seinen Kindern an den Vorsorgeuntersuchungen teilzunehmen, soweit sind wir einverstanden. Allerdings hat die LINKE auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir den vorgeschlagenen Sanktionen äußerst kritisch gegenüberstehen. Repressionen sind aus unserer Sicht kaum geeignet, gerade die Familien, die ihrer Teilnahmepflicht an den Vorsorgeuntersuchungen nicht nachkommen, genau dazu zu bewegen. Statt der angedrohten Streichung des Landeserziehungsgeldes brauchen wir niedrigschwellige und aufsuchende Hilfen in diesem Bereich.

(Beifall DIE LINKE)

Bei der Anhörung des Sozialausschusses am 7. November hat unter anderem Prof. Merten deutlich gemacht, dass Sanktionen bei diesen teils schwierigen und sensiblen Familien eher auf Widerstand stoßen, als dass sie zur Einsicht bewegen und die Vorsorgeuntersuchungen nachgeholt werden. Die Praxis im Saarland, wo die Vorsorgeuntersuchungen bereits verpflichtend sind, hat dies gezeigt. In den Zahlen

des Saarlandes ausgedrückt heißt das, 90 Prozent der Kinder besuchen ohne Aufforderung die Untersuchungen. So weit, so gut. Die verbleibenden 10 Prozent werden per Post benachrichtigt. Hier nehmen weitere 8 Prozent an den Vorsorgeuntersuchungen teil. Lediglich 2 Prozent der Eltern bleiben säumig. Um genau diese Truppe geht es uns aber. Wie bekommen wir diese 2 Prozent der Eltern zu den Vorsorgeuntersuchungen? Wir als LINKE sagen, dass wir diese Familien nur über niedrigschwellige und aufsuchende Hilfen erreichen können, entweder über das Jugendamt, beispielsweise über Mütterberatungsstellen, oder auch über Familienhebammen. Mit Sanktionen erreichen wir hier nichts.

(Beifall DIE LINKE)

Zudem steht ja grundsätzlich die Frage, wer von der Pflicht, an den Vorsorgeuntersuchungen teilzunehmen, betroffen ist. Oder anders ausgedrückt, wer von den Sanktionen überhaupt getroffen werden kann, denn im Gesetzentwurf der Landesregierung wird bei Nichtteilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen die Streichung des Landeserziehungsgeldes angedroht. Das Landeserziehungsgeld aber wird nur an Kinder im Alter von 2 bis 3 Jahren gezahlt. Diejenigen, die eine Kindertagesstätte besuchen, treten das Landeserziehungsgeld in Höhe von 150 € an die Kita ab. Die Streichung der 150 € fällt hier also weg. Ob man den Kindergartenbesuch an die Teilnahme an der Untersuchung knüpfen kann, darf auch bezweifelt werden, da zumindest der bundesweite Rechtsanspruch auf einen Kindergartenbesuch per SGB VIII verankert ist und hier keine Rückschlüsse zur Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen stattfinden. Den Familien, deren Kinder nicht in die Kita gehen, die 150 € zu streichen, darf unter Umständen auch als Kindeswohlgefährdung gewertet werden.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Die wollt ihr doch sogar für alle streichen.)

Na ja, darüber können wir noch einmal sprechen. Also, wir haben nicht für das Landeserziehungsgeld plädiert, Kollege Panse, wir waren das garantiert nicht. Wie allerdings die verpflichtende Teilnahme bei Familien mit jüngeren Kindern umgesetzt werden soll, nämlich dieser, die nicht das Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen, steht im Gesetzentwurf der Landesregierung leider nicht. Denen kann kein Landeserziehungsgeld gestrichen werden. Wo also, um in der Logik der Landesregierung zu bleiben, greifen die Sanktionen in solchen Fällen? Die im Gesetz formulierte verpflichtende Teilnahme ist also nur eine Pseudopflicht, wie der Präsident des Thüringischen Landkreistages, Herr Dohndorf, bei der Anhörung im Sozialausschuss gesagt hat. Wir als LINKE lehnen Sanktionen im Zusammenhang mit der Teil

nahme an den Vorsorgeuntersuchungen prinzipiell ab. Aus unserer Sicht sind sie nur bedingt geeignet, den Kinderschutz zu verbessern. Immerhin sind diese Vorsorgeuntersuchungen auch Instrumente des Kindergesundheitsschutzes und der Fokus liegt bei den Ärzten genau eben auf diesem. Zudem hat sich herausgestellt, dass die Kinder, die Opfer von Misshandlungen und Kindesvernachlässigung werden, meist an den Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen haben.

Für uns als LINKE ergeben sich daraus zwei wichtige Fragen: Kann die verpflichtende Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen den Kinderschutz tatsächlich verbessern? Wie können wir gewährleisten, dass die Kinder vorrangig von fachkundigen Ärzten, also Fachärzten für Kinderheilkunde, beurteilt und untersucht werden? Im Zusammenhang mit den Vorsorgeuntersuchungen hat die Landesregierung die Bildung eines Vorsorgezentrums angeregt, welches die Teilnahme kontrollieren soll. Dass es hier einer zentralen Stelle bedarf, die die Teilnahme überprüft und gegebenenfalls Einladungen an säumige Familien schickt, ist nachvollziehbar. Warum man dieses Vorsorgezentrum allerdings nicht bei den Krankenkassen ansiedelt, die die Abrechnungen der Vorsorgeuntersuchungen durch die Ärzte in jedem Falle erhalten, ist unklar. Mit den Krankenkassen muss die Landesregierung sowieso in Verhandlungen treten, wenn sie denn endlich eine Landesrahmenvereinbarung erreichen möchte. Die Teilnahme, auch die verpflichtende, an den Vorsorgeuntersuchungen ist für uns nur ein Baustein, um den Kinderschutz zu verbessern, aber auch andere Aspekte müssen aus unserer Sicht unbedingt berücksichtigt werden.

Einer dieser Bausteine ist für die LINKE die Frage der Familienhebammen. Familienhebammen können in der Familie wirksam arbeiten, da sie mit einer besonderen Vertrauensposition und nicht als Amtsperson in die Familie kommen. Darin scheint der Schlüssel zu liegen. Das staatliche Wächteramt, wie es die Jugendhilfe ausführt, ist teils ungeeignet, um in den schwierigen familiären Konstellationen Kontakt zu Eltern und Kindern zu knüpfen. Die Hebammen kommen hier leichter und über geringere Hürden an diese Familien heran. Während die Jugendhilfe mit den Hilfen zur Erziehung erst greift, wenn ein erzieherischer Hilfebedarf vorliegt und die Eltern dann nach der Hilfeplanung den Maßnahmen zustimmen, kann die Familienhebamme auch ohne Hilfeplanung in die Familien gehen, wobei hier eine Altersbeschränkung auf die nachgeburtliche Phase bis zum 1. Lebensjahr liegt. Für weiterführende Hilfen ist dann jedoch wiederum das Jugendamt zuständig. Der Freistaat hat ja auch die Ausbildung der Familienhebammen finanziell unterstützt. Das findet generell unsere Zustimmung, jedoch ist der weitere Umgang mit Einsatz der Familienhebammen ungeklärt. Wie sollen

die Jugendämter mit Familienhebammen, die normalerweise freiberuflich sind, umgehen? Welche Stundensätze sollen gezahlt werden? Wie bindet man die Familienhebamme zum Beispiel in Netzwerke des Kinderschutzes ein und welche rechtliche Einordnung zwischen SGB V - Krankenkassenleistungen - und SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe - schlägt die Landesregierung vor? Hierzu liefert auch wiederum der Gesetzentwurf der Landesregierung keinerlei Aussage, die aber dringend geboten wäre. Im Kinderschutzmaßnahmekatalog allerdings wurde der Einsatz der Familienhebammen groß gefeiert. Aus unserer Sicht brauchen wir eine gesetzliche Verankerung der Aufgaben und der Wirkungsbereiche der Familienhebamme. Das verschiedene Vorgehen, welches teilweise in den Kreisen herrscht, muss, denke ich, aufgehoben werden. Wie viele der kürzlich ausgebildeten Familienhebammen arbeiten eigentlich tatsächlich als Familienhebammen und in welchen Formen? Aus dem, was die Landesregierung hier in den Empfehlungen vorgelegt hat, kann man den Eindruck gewinnen, es ginge um einen wenig durchdachten Schnellschuss. Nicht nur, dass sich Kinderschutz bei der Landesregierung nur auf Kleinkinder beschränkt, sie vergisst auch völlig, Aussagen zu den Finanzen zu treffen. Auch die wenigen Vorschläge und Regelungen, die durch Ihr Gesetz formuliert werden, bedürfen einer gewissen finanziellen Unterstützung. Mag sein, dass der Kinderschutz sowieso eine Pflichtaufgabe der Kommunen ist, aber so ganz ohne Geld geht es eben doch nicht. Dabei ist es ein Skandal, dass Sie von der CDU erst die Personalstandards beispielsweise für die Kinderschutzdienste absenken und dann, wenn Not am Mann ist, blitzschnell die Kürzung wieder zurücknehmen. Und weil das alles noch nicht genug ist, haben Sie jetzt auch noch die Mittel für den Kinderschutz in die Richtlinie für örtliche Jugendförderung gesteckt. Zwar antwortet man im Ministerium auf entsprechende Anfragen immer, dass die Mittel in den Kommunalen Finanzausgleich geflossen sind, warum man dann aber die Richtlinie Jugendpauschale entsprechend ändern musste, das erschließt sich uns nicht. Wenn die Mittel für den Kinderschutz im Kommunalen Finanzausgleich sind, dann lassen Sie doch bitte schön die Jugendpauschale unangetastet für die freiwilligen Aufgaben. Für die Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Jugendverbandsarbeit fehlt das Geld doch sowieso an allen Ecken und Enden, warum dann noch zusätzliche Aufgaben hineinformulieren?

Wer ein dichtes Netz für den Kinderschutz weben will, Frau Ministerin, muss dafür auch Geld in die Hand nehmen. Umsonst ist der Schutz von Kindern nicht zu haben. Dazu gehören aber auch die Leitlinien für einen effektiven und effizienten Kinderschutz, die durch den Landesjugendhilfeausschuss verabschiedet wurden. Eine Rolle haben diese bisher leider kaum gespielt, obwohl sie doch gewichtige An

haltspunkte für einen effizienten Kinderschutz liefern.

Die Thüringer Kinderschutzdienste sollten teilweise auch in die Netzwerke eingebunden werden. Jedoch, wenn man sich an die Finanzierung erinnert, dann stellt man fest, dass sich hierbei seit den Ereignissen in Sömmerda 2006 nicht allzu viel zum Positiven geändert hat. Ich möchte Ihnen das an kurzen Beispielen deutlich machen: Die fachliche Richtlinie zu den Kinderschutzdiensten wurde außer Kraft gesetzt und die Finanzierung zulasten der Kommunen und der Kinderschutzdienste verändert. Wurden früher noch 525.000 € an die Kinderschutzdienste ausgereicht, geht das Land jetzt mit der Gießkanne her und fördert alles und jeden, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn da nicht mehr Kinderschutzdienste im Besonderen, sondern Jugendarbeit, ambulante Maßnahmen für straffällige Jugendliche, Jugendsozialarbeit, Schulsozialarbeit, Schuljugendarbeit im Allgemeinen gefördert werden, bekommen die Kinderschutzdienste auch nur noch anteilig Summen aus diesem Topf. Damit werden zum einen die Kommunen bestraft, die bisher Kinderschutzdienste unterhalten und finanziert haben, zum anderen wird aber auch der gesamte Bereich der freiwilligen Aufgaben der Jugendarbeit und der offenen Angebote bestraft, weil für diese Aufgaben insgesamt weniger Geld zur Verfügung steht. Es ist also eine Verschlechterung für alle Seiten und das muss man erst einmal hinbekommen.

Dieses Vorgehen und Handeln ist aus Sicht der LINKEN nicht nur unglücklich, Sie verhalten sich geradezu wie ein Elefant im Porzellanladen. Während Sie in der Öffentlichkeit große Worte über die Rolle der Bedeutung des Kinderschutzes halten, streichen Sie in aller Stille die Gelder zusammen. Statt den Kommunen mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, klammern Sie den öffentlichen Gesundheitsdienst beispielsweise völlig aus. Hier wäre das Land ja dann auch in der Pflicht, das Personal für die entsprechenden Aufgaben zu stellen. Stattdessen fokussieren Sie Ihre Aufgabe auf die Jugendämter, da hier die Personalkosten durch die Kreise zu tragen sind. Dass die Gelder in den Kreisen eh knapp sind, scheint Ihnen bislang entgangen zu sein.

Wie sieht denn die Situation des ASD in den Kreisen aus? Welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es denn in den Kreisen für den Bereich Kinder- und Jugendschutz? In Erfurt sind es ganze zwei VbE, und das ist mit Abstand der höchste Personalbestand. In den meisten Kreisen sind dies nur halbe oder anteilige Stellen für den Kinder- und Jugendschutz. Diese Situation gilt es zu beheben, wollte man dem Anspruch einer Verbesserung des Kinderschutzes wirklich gerecht werden.

Die Fraktion der LINKEN wird also das Gesetz der Landesregierung ablehnen. Aber auch mit dem Gesetz der SPD haben wir unsere Schwierigkeiten. Ich will versuchen, die Standpunkte unserer Fraktion zu diesem komplexen Thema kurz darzulegen.

Für die Fraktion der LINKEN ist Kinderschutz mehr als nur der Schutz von Kleinkindern. Dass Kleinkinder in besonderem Maße schützenswert sind, steht außer Zweifel, aber die Fallzahlen beispielsweise jener Kinderschutzdienste legen nahe, dass vor allem Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahre diese Einrichtungen aufsuchen bzw. von ihnen betreut werden. Wer also Kinderschutz umfassend denken will, muss eine weitaus größere Altersgruppe in den Blick nehmen, als die vorliegenden Gesetzentwürfe es tun.

Des Weiteren muss die Personalsituation im Sinne des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen und Diensten verbessert werden. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jugendämtern und Einrichtungen immer mehr Aufgaben zu erfüllen haben, dann leidet unter Umständen die Qualität der Arbeit darunter. Mehr Aufgaben und höhere Anforderungen gehen bei gleichem Personalschlüssel ja wirklich zulasten der Qualität und das ignorieren Sie völlig. Dies gilt vor allem für die Erzieherinnen in den Kindergärten. Sie bekommen immer wieder neue Aufgaben ohne personelle Entlastungen. Da muss der Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre umgesetzt werden, dann sollen Elterngespräche geführt werden, da sollen Kinder individuell gefördert werden und auf den Schutz der Kinder vor Vernachlässigung und Missbrauch ist auch noch zu achten.

Hier zeigt sich, weshalb die LINKE dem Gesetz der Landesregierung nicht zustimmen kann. Das Thema Kinderschutz ist so komplex, dass eine grundsätzliche Debatte nötig ist und wir wesentliche gesetzliche Änderungen vornehmen müssten, als Sie dies mit dem vorgelegten Gesetz getan haben.

Gerade die Arbeit mit den Eltern wird vom Gesetzentwurf aus dem Sozialministerium völlig ausgeblendet. Die Eltern sind es aber meist, die das Wohl des Kindes gefährden. Ich möchte das nicht falsch verstanden wissen: Es geht nicht um einen Generalverdacht gegen alle Eltern, sondern in den Fällen, in denen es zu einer Kindeswohlgefährdung kommt, liegt die Ursache meist bei den Eltern, Eltern, die überfordert sind und in komplizierten und vielschichtigen Lebenslagen gefangen sind. Die Arbeit mit Eltern ist aber nach unserer Ansicht ein weiterer Baustein, um den Kinderschutz spürbar zu verbessern. Gerade Fragen der Erziehung, der Entwicklung des Kindes, müssen mit Eltern besprochen werden. Die soziale Arbeit hat schon lange festgestellt, dass die traditio

nelle Weitergabe von Erziehungswissen gerade in sogenannten bildungsfernen Schichten nicht mehr funktioniert. Hier wäre eine verstärkte Elternbildung eine wichtige Aufgabe. Dazu müssten Sie aber in der Tat auch die Betreuungsschlüssel für die Erzieherinnen in den Kindertagesstätten erhöhen, so dass auch Zeit bleibt, sich mit Eltern auseinanderzusetzen.

Auch die Vorbereitung auf die Elternschaft ist ein Aspekt, wenn wir Kinder künftig besser schützen wollen. Gute Kenntnisse der Eltern sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Erziehungsarbeit der Kinder. Hier sollten aus unserer Sicht Kompetenzen bereits an der Schule entwickelt werden. Dies bedeutet zwar ebenfalls keine 100-prozentige Garantie, stärkt aber die Handlungsmöglichkeiten gerade junger Eltern. DIE LINKE schlägt hier vor, Elternarbeit direkt an der Kindertagesstätte bzw. auch an den Schulen anzugliedern, zumal man damit auch nicht nur Eltern von Kleinkindern erreicht, sondern auch Eltern von Kindern im höheren Alter. Dazu braucht es freilich Geld, aber es geht ja eben nicht darum, das Machbare umzusetzen, sondern das Notwendige. Wir brauchen für eine aktive Elternarbeit keine abgehobene Elternakademie, wie die Landesregierung sie mit der Familienoffensive geschaffen hat, eine Elternakademie, die nur im kleinen Kreise arbeitet, ohne niedrigschwellig mit den Eltern direkt zu arbeiten. So eine Elternakademie verfehlt ihren Zweck. Stattdessen sollten wir die Kindertagesstätten zum ElternKind-Zentrum ausbauen, denn hier sind Kinder, Eltern und Pädagogen im vertrauensvollen Verhältnis beieinander. Hier gilt es, vorhandene Strukturen für die Belange des Kinderschutzes zu nutzen. Das aber versäumt das von der Landesregierung vorgelegte Gesetz.

Bevor ich zum Abschluss komme, möchte ich noch auf die Versorgung mit Kinderärzten aufmerksam machen. Hier stellt sich generell die Frage, wer überhaupt solche Vorsorgeuntersuchungen, wie sie im Gesetzentwurf der Landesregierung anvisiert sind, durchführen können soll: alle Ärzte, nur Fachärzte für Kinderheilkunde oder auch Hausärzte? Frau Dr. Heinig von der Thüringer Kinderschutzambulanz hat in der Anhörung des Sozialausschusses gemeint, eine Untersuchungspflicht für Kinder müsse auch mit der Pflicht einhergehen, Kinder auch bei den Kinderärzten vorzustellen. Wir als LINKE schlagen aus dem in der Anhörung Gehörten vor, Ärzten, die die Vorsorgeuntersuchungen durchführen wollen, eine entsprechende Zusatzqualifikation anzubieten. In der Anhörung des Sozialausschusses ist deutlich geworden, dass für die U-Untersuchungen in der Regel Kinderärzte aufgesucht werden sollen. Das Problem liegt hierbei freilich darin, dass gerade in ländlichen Räumen kein entsprechend dichtes Netz an Kinderärzten vorhanden ist. Dass hier auch Hausärzte die U-Untersuchungen durchführen können,

ist selbstverständlich.

Meine Damen und Herren, DIE LINKE begrüßt es ausdrücklich, dass der Kinderschutz verbessert werden soll. Nach unserer Auffassung ist die Gesetzesvorlage der Landesregierung aber nur gut gemeint und nicht gut gemacht. Wer Kinderschutz verbessern will, muss umfassend denken und muss vor allem Geld in die Hand nehmen. Wer es ernst mit dem Kinderschutz meint, schielt nicht nur auf die Vorsorgeuntersuchungen und darauf, welche Sanktionen greifen könnten. Es geht für uns als LINKE um Hilfe, um aufsuchende Angebote, um strukturelle Vernetzungen. Es geht darum, die bestehenden Einrichtungen in ihrer Existenz zu sichern und personell zu entlasten, und es geht um die Qualität in der Kinderschutzarbeit. Es geht um eine umfassende Neuausrichtung des Kinderschutzes. Vom 19-PunkteMaßnahmekatalog, den die Landesregierung mit großem medialen Tamtam vorgelegt hat, findet sich im Kinderschutzgesetz leider kaum etwas. DIE LINKE wird auch weiterhin dafür streiten, Kinderschutz umfassend zu denken; die heute hier vorliegenden Gesetzentwürfe sind dafür leider nur ein kleiner Baustein, der große Wurf sind sie aus unserer Sicht jedenfalls nicht. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Taubert zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Bärwolff, ich muss schon sagen, ich halte es mit Dieter Nuhr bei Ihrer Rede, wenn man keine Ahnung hat, lieber mal - und dann kommt immer Punkt, Punkt, Punkt,

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Schugens, CDU: Sehr gut!)

weil Sie die Realität doch so nicht erfasst haben, wie sie ist. Ich will mich nur darauf beschränken, weil ich annehme, dass Frau Lieberknecht für die Landesregierung das selbst tun wird.

Was die Frage betrifft, dass wir uns - und das trifft auf beide Gesetze zu, aber ich will mich nur auf das SPD-Gesetz beziehen - nur mit Kleinkindern beschäftigen, das ist einfach nicht der Fall. Zum einen haben wir schon seit Jahren auch gefordert, dass die Kinderschutzdienste, die ja umfassend tätig werden, auch im Gesetz verankert werden. Leider ist das

erfolglos geblieben. Wir können nur dafür weiter werben. Zum Zweiten ist es so, wir haben das KJHG und wir haben das Thüringer KJHAG und in beiden steht schon vieles drin. Worum wir uns jetzt hier bemühen, ist, dass wir neben dem allgemeinen Kinderschutz, der für alle Altersgruppen gilt, natürlich besonders auf die schauen, die am Anfang ihres Lebens stehen, die sich überhaupt noch nicht selbst artikulieren können, die weder im Kindergarten noch in der Kindereinrichtung noch in der Schule sich auch in irgendeiner Form äußern können, damit Kinderschutz auch tätig werden kann, damit man weiß, dass dort etwas nicht läuft. Insofern, ich verweise bei unserem Gesetz auf den § 2 - Kinderschutz - und auf den § 4 - Regionale Netzwerke - und genau da steht nicht drin, dass es sich nur um die Kleinen handeln soll, dass Kinderschutz insgesamt eine allgemeine Aufgabe für alle Altersgruppen der Kinder ist. Sie schlagen - und das will ich auch noch sagen - die Familienhebammen vor und gerade da geht es ja auch um die ganz Kleinen. Sie haben keine Alternative zu den beiden Gesetzentwürfen gebracht, keine Änderungsanträge, für den einen nicht wie für den anderen, und insofern, denke ich, sollte man dann nicht so draufhauen und sagen, es ist alles unzulänglich.

(Beifall SPD)