Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Alle Fraktionen haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt. Jede Fraktion hat in der Aussprache eine Redezeit von 5 Minuten für jedes Thema. Die Redezeit der Landesregierung beträgt grundsätzlich 10 Minuten für jedes Thema. Hat die Landesregierung eine Redezeit von mehr als 10 Minuten in Anspruch genommen, so verlängert sich die Aussprache für das jeweilige Thema um die über die 10 Minuten hinausgehende Zeit. Die Aufteilung der Verlängerungszeit auf jede Fraktion erfolgt zu gleichen Teilen.

Ich rufe den ersten Teil des Tagesordnungspunkts 11 auf

a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: "Wohnen muss bezahlbar bleiben auch in Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/5459

Die Aussprache eröffnet Frau Abgeordnete Schubert von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Markt nicht mehr funktioniert, dann muss die Politik eingreifen und handeln, und der Markt funktioniert nicht mehr für Wohnungsuchende in Jena, Weimar und Erfurt. Wohnraum ist dort knapp und teuer und Mieter müssen in den meisten Fällen, wenn sie ein Mietverhältnis eingehen, eine Maklercourtage zahlen, der keine angemessene Leistung gegenübersteht. Die SPD im Bund hat Handlungsbedarf erkannt und ich verweise auf das Steinbrück-Papier, in dem verschiedene Forderungen aufgemacht werden, unter anderem eine Mietpreisbremse für Wieder- und Neuvermietungen, die Begrenzung der Erhöhung bei Bestandsmieten, nämlich auf maximal 15 Prozent innerhalb von vier Jahren, und das Bestellerprinzip bei der Maklercourtage. Ich erinnere an das letzte Plenum, wo unsere Fraktion ein Diskussionsangebot gemacht hat und sich die Koalition der Fachdebatte im Ausschuss komplett verweigert hat. Ich möchte einmal zugestehen, dass der späte Zeitpunkt, es war 22 Uhr, zu den emotionalen Reaktionen geführt hat, die ich hier ungern wiederholen möchte. Ich gebe Ihnen aber heute die Möglichkeit, diese zu revidieren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Doht, mit Ihrer Pressemitteilung begrüßen Sie das, was die SPD im Bund da vorhat, und sie verweisen auf das Thüringer Wohnungsbauvermögen

und auch das Wohnraumfördergesetz, was wahrscheinlich heute noch dieses Plenum passieren wird. Aber ich warne auch davor, zu meinen, damit würde man etwas gegen die unangemessene Maklercourtage unternehmen oder auch die zu hohen Mieten. Denn wir haben uns in Jena umgehört bei den Wohnungsgenossenschaften, die werden diese Förderung nicht in Anspruch nehmen. Insofern ist es natürlich richtig, für das Wohnungsbauvermögen einen gesetzlichen Rahmen zu haben, aber es reicht nicht. Es sind offensichtlich die oben genannten Punkte, wie man das Ordnungsrecht verbessert, hier gefragt, um wieder einen fairen Wohnungsmarkt auch in den städtischen Regionen in Thüringen zu etablieren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundestag hat noch im Dezember gegen die Stimmen der Opposition ein Mietrechtsänderungsgesetz auf den Weg gebracht; das Gesetz ist im Moment im Bundesrat geparkt. Auf den allerletzten Drücker ist noch eine Art Landesermächtigung in diesen Gesetzentwurf eingegangen, die eine Begrenzung von Mietsteigerungen im Bestand vorsieht von 15 auf 20 Prozent innerhalb von drei Jahren. Also ich will sagen, auch Schwarz-Gelb hat hier Handlungsbedarf erkannt, wir würden an dieser Stelle noch weiter gehen, die Kollegen von der SPD auch, aber das geht zumindest in die richtige Richtung. Es soll auch verstärkt gegen Mietnomaden mit Zwangsräumungen vorgegangen werden. Wir sagen als GRÜNE, Mietnomaden sind ein Problem, ich habe selbst im Bekanntenkreis so einen Fall und schlage auch vor, dort etwas zu tun. Aber das, was da drinsteht, geht zu weit und es stellt alle Mieter, und der größte Teil der Mieterinnen und Mieter in diesem Land zahlen jeden Monat ehrlich ihre Miete, unter Generalverdacht, und das müssen wir verhindern, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Interessant ist die Duldungspflicht für energetische Sanierung, die den Mietern aufgebürdet werden soll, für drei Monate dürfen sie die Miete nicht mehr mindern. Die Bundesregierung hat das getan unter dem Deckmantel, hier etwas für die energetische Gebäudesanierung tun zu wollen. Das ist schon bemerkenswert. Durch die Minderung der Rechte von Mietern meint man, etwas für die Energiewende tun zu wollen. Das ist falsch. Mit dem Mietrecht kann man nicht unsere Gebäude sanieren, meine Damen und Herren, dafür braucht es ein verlässliches Ordnungsrecht und vor allem auch eine verlässliche Förderkulisse.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verweise auf den stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Machnig, der in einem außerparlamentarischen Bündnis „Neue Energie in Thüringen“ für Thüringen gefordert hat, ein Erneuerbare-Wärme

Gesetz einzuführen. Ich frage die Koalition, wenn der Minister hier diese Forderung unterschreibt: Wo ist denn das Gesetz für Thüringen? Ich frage die Koalition - ich habe jetzt einige Punkte aufgeworfen, für alle reicht die Zeit leider nicht -: Wie ist Ihre Haltung zu diesen brennenden Fragen, die gerade die Menschen in Erfurt, Jena und Weimar interessieren?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was tun Sie von Thüringen aus, was tun Sie, um hier den Wohnungsmarkt wieder in Ordnung zu bringen? Gestern hat der Bundesrat, der Rechtsausschuss des Bundesrates, eine Empfehlung abgegeben, die eindeutiger nicht sein kann, aus genau den Gründen, die ich genannt habe, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Ich fordere Sie auf, liebe CDU, liebe SPD, tun Sie genau das, stimmen Sie der Anrufung des Vermittlungsausschusses zu, wenn Sie für die Mieterinnen und Mieter etwas erreichen wollen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Scherer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hatte eigentlich gedacht, dass wir das Thema im Dezember ausdiskutiert hatten und war der Meinung, dass GRÜNE nicht nur oberlehrerfähig, sondern auch lernfähig sind, aber offensichtlich habe ich mich da getäuscht oder ich war nicht deutlich genug im Dezember.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall CDU)

Ich kann Ihnen aber unsere Meinung noch mal darlegen. Ich bleibe dabei: Das, was Sie hier tun, ist nichts anderes als oberflächliche Effekthascherei. Sie gaukeln den Leuten vor, dass der Wohnungsmangel dadurch beseitigt wird, dass andere die Maklergebühr bezahlen. Das ist ja ein Witz.

(Beifall CDU)

Damit wird keine einzige Wohnung mehr geschaffen. Meinen Sie im Ernst,…

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das habe ich nie behauptet.)

Was nützt es dann, wenn wir über Wohnungsmangel reden, wenn Sie die Maklergebührzahlpflicht anders verteilen, und zwar zwangsweise anders verteilen, entgegen freien, vertraglichen Abreden?

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Aber ungerecht ist es trotzdem.)

(Abg. Schubert)

Nein, das ist nicht ungerecht, das ist einfach Markt. Herr Bärwolff, kein vernünftiger Investor wird doch noch in Mietwohnungsbau investieren, wenn er von vornherein als der böse Kapitalist dargestellt wird.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Natürlich, dann wird auch keiner mehr investieren. Wenn Sie auch noch die Mietpreisregulierung einführen, dann sage ich Ihnen, dann ist der Mietwohnungsbau tot - mit sozialistischem Gruß.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist einfach nur platt.)

Aber es wundert mich - normalerweise ist das ja ein Part der LINKEN -, dass die GRÜNEN jetzt diesen Part übernehmen. Offenbar gefallen Sie sich darin, jetzt linke Rollen anzunehmen, das könnte ja sein. Wohnungsmangel wird nicht dadurch beseitigt, dass ich Restriktionen für den Mietwohnungsmarkt einführe. Dadurch wird der Wohnungsmangel auf keinen Fall beseitigt und dadurch kriege ich auch keine angemessenen Mieten. Wohnungsmangel wird dadurch beseitigt, dass ich im kommunalen Bereich etwas dafür tue, dass Mietwohnungen gebaut werden.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das fängt beim Oberbürgermeister an, geht bei den Stadträten weiter und endet beim Stadtplanungsoder Bauamt.

(Beifall FDP)

(Unruhe DIE LINKE)

Und was machen die gerade in Jena? Wo sind denn die Leute im Stadtrat in Jena, die Bauland für Mietwohnungsland zur Verfügung stellen? Und wo ist denn die städtische Wohnungsgesellschaft, die Mietwohnungen baut? Ich habe gerade eben das Gegenteil gehört, die wollen gar nicht. Wenn es so lukrativ ist, warum bauen die denn keine Mietwohnungen?

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die bauen aber keine Sozial- wohnungen.)

Die sollten aber Sozialwohnungen bauen. Es ist gerade der Sinn der städtischen Wohnungsgesellschaften, dass sie Sozialwohnungen bauen. Wenn die genügend bauen würden und es genügend Bauland dafür gäbe, dann würde auch der Wohnungsmangel beseitigt, aber nicht durch das, was Sie hier propagieren, dadurch wird er ganz sicher nicht beseitigt.

(Beifall FDP)

Ich will Ihnen zum Schluss noch etwas aus einem Gutachten vorlesen, das unter anderem vom Deut

schen Mieterbund in Auftrag gegeben wurde, also unverdächtig, nicht von Kapitalisten. Darin steht: „Sollte in den kommenden Jahren der Mietwohnungsbau nicht wesentlich gesteigert werden können, so werden neue regionale Wohnungsmangelsituationen entstehen und bereits vorhandene Knappheiten werden sich weiter verschärfen.“ Dann wird im Fazit noch ein Satz dazu geschrieben: „Zur Minderung der Wohnungsnot sind die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau dringend zu verbessern. Eine Verbesserung der Abschreibungsbedingungen, eine erhebliche Ausweitung der Objektförderung wie auch die Bereitstellung von Bauflächen seitens der betroffenen Städte sind erforderlich, um kurzfristig den Mietwohnungsbau zu erhöhen.“ Das ist das, was Wohnungsmangel beseitigt, und zwar nur das. Danke schön.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abgeordnete Heidrun Sedlacik.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist Dezember 2012, in Weimar, Stadtratsitzung: „Wer die Miete nicht bezahlen kann, muss eben wegziehen“. Diese ungeheuerlichen Worte vom Fraktionsvorsitzenden der FDP im Weimarer Stadtrat sind Anlass genug, sich heute in der Aktuellen Stunde mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich erinnere an die Weimarer Verfassung, die 1919 beschlossen wurde. In deren Artikel 1955 wurde erstmals formuliert, dass es staatliches Ziel ist, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung zu sichern. Herr Scherer, wenn wir die Wohnungen alle privatisieren, alle verkaufen, haben wir als Politiker keine Möglichkeit mehr der Einflussnahme in diesem Bereich. Wir schreiben aber heute das Jahr 2013.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das ha- ben Sie nicht begriffen.)