Protokoll der Sitzung vom 24.01.2013

Das hat wesentlich dazu beigetragen, die Auswirkungen dieser Entwicklung auch in Deutschland mit zu verschärfen. Deshalb will ich ausdrücklich sagen, wir als FDP stehen für eine vernünftige Rahmenordnung auch für Finanzmärkte wie übrigens

(Abg. Mohring)

für alle anderen Märkte. Auch das ist die eigentliche Aufgabe, die Politik in der Marktwirtschaft, in der sozialen Marktwirtschaft hat.

(Beifall FDP)

Die sogenannte Eurokrise, und deswegen habe ich vorhin „sogenannte Eurokrise“ auch gesagt, ist aber keine Währungskrise, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Euro ist stark und stabil.

(Beifall FDP)

Als er am 1. Januar 2002 bei uns als Zahlungsmittel eingeführt wurde, hatte der Euro einen Gegenwert von etwa 88 US-Cent. Gestern stand er bei 1,33 $. Der Euro ist auf dem Weg, international die Reservewährung Nummer 1 zu werden. Meine Damen und Herren, das sind keine Indikatoren für eine Krisenwährung.

(Beifall FDP)

Die aktuelle Krise ist deshalb keine Währungskrise, sondern sie ist eine Staatsschuldenkrise. Sie ist damit auch eine Krise aller Verantwortlichen, die glauben, man könne dauerhaft ungestraft Ausgaben tätigen, ohne dafür die notwendigen Einnahmen auch zu haben. Da regiert die Hoffnung, dass es vorerst keiner merkt und irgendwann dann jemand - aber nicht mehr derjenige, der Schulden verursacht hat dafür geradestehen muss, weil er einfach nicht mehr im Amt ist. Missverstehen Sie das bitte nicht als Hoffnung, dass Sie möglichst lange im Amt sind.

(Beifall FDP)

Natürlich gibt es Sondersituationen wie zum Beispiel die Zeit nach der friedlichen Revolution in den ersten Jahren. Ich will mich da ausdrücklich dem anschließen, was Mike Mohring eben hier gesagt hat. Kollege Kuschel hat gesagt, dass fiskalische Schulden umgewandelt werden in Schulden zum Beispiel bei der Infrastruktur, den Schulgebäuden usw. Herr Kuschel, wenn das stimmt, und ich glaube schon, dass das stimmt,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: In der Bilanz, Aktivseite nachschauen!)

dann stimmt aber auch der Umkehrschluss, dass verlagerte Schulden - nämlich in der Infrastruktur, im Schulbau zum Beispiel, bei der Umwelt, wenn ich allein an die Sauereien und Verbrechen denke, die wir 1990 übernommen haben, was die Umwelt betrifft, Rositz, Wismut, wie viele Hundert wilde Mülldeponien allein hier im Land, in jeder einzelnen Kommune waren - gerade in den ersten Jahren und Mike Mohring hat das ja auch mit Zahlen hier eindrucksvoll unterfüttert -, diese Infrastrukturschulden natürlich nur mit fiskalischen Schulden zunächst einmal auch zu beheben waren. Das konnte gar nicht anders sein.

(Beifall CDU, FDP)

Aber das ist eine Sondersituation. Trotzdem ist es so, dass auch jetzt, 23 Jahre danach, Thüringen immer noch nicht auf eigenen Füßen, auf eigenen Beinen stehen kann. Wir können uns noch nicht allein finanzieren, die Steuerdeckungsquote liegt bei jetzt knapp 58 Prozent, 2014, wenn alles gut geht, bei 60 Prozent. Um diese Differenz auszugleichen, muss man sich von der Argumentation und dem Gedanken, dass es immer noch eine Sondersituation wäre, auch irgendwann lösen und sich darauf besinnen, dass es dafür auch ganz reguläre Mechanismen gibt. Wir haben den Länderfinanzausgleich, wir haben europäische Fördermittel, wir haben einen Solidarpakt, der ja auch auf die Sondersituation durchaus noch ein Stück reflektiert, aber von diesen Mechanismen müssen wir uns Schritt für Schritt emanzipieren. Das muss ein Anspruch sein, den wir an uns selbst haben.

(Beifall FDP)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, halte ich die wiederholten Äußerungen der Ministerpräsidentin für fatal, wenn es um den Länderfinanzausgleich geht. Sie redet von Gelassenheit, mit der sie die Klage sieht, und wirft den Geberländern Vertrauensbruch vor.

Meine Damen und Herren, Frau Ministerpräsidentin, Bayern zum Beispiel zahlt jedes Jahr 3,9 Mrd. € in den Länderfinanzausgleich ein, 3,9 Mrd. Ich glaube schon, dass die Bayern das gern tun. Das berichten mir auch meine Kollegen, weil die nämlich aus ihrer Geschichte heraus - und sie sind jahrzehntelang selber Nehmerland gewesen - wissen, was man auch als Nehmer von der Solidarität hat. Ich glaube aber auch, dass die Geberländer zu Recht erwarten, dass wir als Nehmer diese Solidarität auch so verstehen wie sie damals, nämlich als Mittel, sich anzustrengen, als Ansporn, sich anzustrengen, um irgendwann, und zwar möglichst schnell, von diesen Zuschüssen, von diesen Mitteln auch unabhängig zu werden und nicht dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.

(Beifall FDP)

Wenn aus dieser Regierung heraus die Geberländer dann in dieser Weise beschimpft werden und nichts weiter getan wird, als darauf hinzuweisen, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist aus Sicht des Gebers natürlich, dann will ich für meine Fraktion ausdrücklich sagen, wir danken den Geberländern auch ausdrücklich dafür, dass sie uns unterstützen, dass sie diese Solidarität uns auch gewähren.

(Beifall FDP)

Aber wir verstehen auch, dass es in den Geberländern natürlich auch Probleme gibt, dass die Bevölkerung dort auch Fragen an ihre Regierung hat. Wir versprechen deshalb, wir wollen uns alle Mühe geben, damit wir diese Hilfe, für die wir dankbar sind,

keinen Tag länger in Anspruch nehmen müssen, als es unbedingt sein muss.

(Beifall FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, stehen wir, steht die FDP-Fraktion für eine Haushaltspolitik, die diesen Anspruch auch unter Beweis stellt. Würde diese Landesregierung, diese Koalition auch so eine Haushaltspolitik machen, wäre das toll. Das wäre auch eine politische Agenda und ein Vermächtnis, eine Verpflichtung auch für nachfolgende Regierungen, ein Signal auch an die nächste Generation, an die, die nach uns kommen, dass wir ihnen eben nicht einfach alles vor die Tür kippen, sondern dass wir auch selbst unseren Beitrag leisten und zu dieser Schuldentilgung beitragen.

(Beifall FDP)

Leider ist es aber Wunschdenken, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Realität sieht ganz anders aus und deshalb ist diese Haushaltspolitik ungerecht gegenüber den nachfolgenden Generationen,

(Beifall FDP)

sie ist aber, wie ich schon sagte, auch sozial ungerecht. Die Staatsschuldenkrise, meine sehr verehrten Damen und Herren, führt ja nicht zu vermehrtem Wohlstand in den Schuldenländern, sie führt vor allem zu vermehrter Arbeitslosigkeit, insbesondere und vor allem auch zu Jugendarbeitslosigkeit. Wenn wir uns die herausragenden Schuldenländer Europas anschauen, dann sehen wir Arbeitslosigkeit insbesondere bei jungen Menschen unter 24 Jahren in Italien 36 Prozent, in Spanien 53 Prozent. Mehr als jeder zweite Jugendliche unter 24 Jahren hat in Spanien keine Arbeit. Die Probleme verstärken sich so immer weiter, hohe Schulden führen zu Arbeitslosigkeit, als Ausweg senkt man die Zinsen, um die Wirtschaft mit billigem Geld anzukurbeln, das funktioniert zunächst auch, aber eben nur scheinbar. Die Hemmungen, neue Kredite aufzunehmen, sinken privat wie auch öffentlich, damit steigt aber eben auch die Geldmenge. Irgendwann, wenn dieses Strohfeuer dann erlischt, kommt die Wirtschaftskrise zurück gepaart mit hoher Inflation. Diesen Zusammenhang zwischen Geldmengenvermehrung und Inflation haben wir in Deutschland - zum Glück keiner von uns persönlich, aber so lange ist es nicht her - vor 90 Jahren exemplarisch beobachten können. Dass das unsoziale Verhältnisse waren, wird kein vernünftiger Mensch bestreiten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Aktuell entsteht die Inflationsgefahr auch als Folge der Rettungspolitik der EZB. Deren Präsident Mario Draghi hat verkündet, alles tun zu wollen, um den Euro zu retten. Dazu hält die EZB erstens die Zinsen extrem niedrig, meine Damen und Herren, da

mit die Zinsbelastung der Schuldenländer in Europa möglichst niedrig ist. Die Folge ist, dass sich die Banken mehr Geld bei der EZB leihen, welches aber die EZB in Wahrheit gar nicht hat, sie druckt es einfach neu nach. Das Zweite ist, dass die EZB Staatsanleihen der Krisenländer aufkauft. Das klingt zunächst sehr toll, aber auch diesen Kauf tätigt die EZB nicht etwa mit Geld, das vorhanden ist, sondern auch dazu wirft sie die Notenpresse an, sie druckt das Geld einfach neu. Deshalb führen auch diese beiden Dinge - niedrige Zinsen und Staatsanleihenaufkauf durch die Notenbank - dazu, dass die Geldmenge steigt und damit die Gefahr der Inflation. Inflation aber, also Geldwertstabilität, ist eine der zentralen sozialen Fragen, so bin ich ganz fest überzeugt.

(Beifall FDP)

Was ist das Geld, das ich heute als Lohn, als Rente, als soziale Leistung bekomme, morgen noch wert? Was kann ich für meine Rente, für die ich ein Leben lang eingezahlt habe, noch bekommen? Was kann ich mir morgen, was kann ich mir in einem Jahr, was kann ich mir in zehn Jahren wirklich noch leisten? Steigt die Inflation, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann sinkt der Wert des Geldes und deshalb sind die Beitragszahler und die kleinen Sparer bei dieser Politik die Dummen, als Steuerzahler sind sie es dann gleich noch mal, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Beifall FDP)

und das ist der Grund, weshalb diese Haushaltspolitik der Verschuldung auch unsozial ist.

Meine Damen und Herren, es heißt immer, der Haushalt ist die in Zahlen gegossene Politik der Regierung, so sagt es auch diese Koalition. Wenn das so ist, dann ist die Haushaltsbilanz am Ende, denn wir reden ja über den letzten regulären Haushalt, auch so etwas wie das politische Vermächtnis einer Regierung. Dieses Vermächtnis heißt, 2013/2014 sind zwei verlorene Jahre in einer haushaltspolitisch verlorenen Legislatur.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

500 Mio. € zusätzliche Schulden, das bilanzielle Defizit ist noch höher, das sind 600 Mio. €. Sie haben nämlich im ersten Jahr auch noch eine 100Mio.-Euro-Rücklage verfrühstückt. Das wird gern vergessen, aber man darf es nicht vergessen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben das verfrühstückt, daran führt kein Weg vorbei. Sie haben auch versäumt, aus der wirtschaftlich positiven Situation auch nur ansatzweise Geld für eine Haushaltskonsolidierung und strukturelle Änderungen im Haushalt zu nutzen. Das ist die Bilanz dieser Regierung, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am Anfang klang es ganz gut. Ich habe das noch im Ohr, die berühmte, ich würde inzwischen fast sagen berüchtigte Rede der Ministerpräsidentin in Jena vor den Studenten. Ich habe mir da noch mal ein Zitat rausgeschrieben. „Wir werden sparen, hart sparen, damit Thüringen im Jahr 2020 einen soliden Haushalt aufweisen kann. Wir werden drastische Einsparungen vornehmen, um den ersten großen Schritt aus dem Schuldenstaat heraus zu machen.“ So sprach die Ministerpräsidentin im Jahr 2010.

(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden- tin: Einsparung - 1 : 1.)

Die drastischen Einsparungen führten dann schon im Haushalt desselben Jahres - im Jahr 2010 - zu 260 Mio. € Mehrausgaben im Bildungsministerium, fast 100 Mio. € Mehrausgaben im Wirtschaftsministerium, jeweils etwa 60 Mio. € Mehrausgaben im Sozial- und im Innenministerium. 550 Mio. € hat das Land allein 2010 mehr ausgegeben. Das ist die Übersetzung von „hart sparen“.

(Beifall FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Stichworte wie Erziehungsgeld, Landesarbeitsmarktprogramm, GreenTech-Agentur, 1.000-Dächer-Programm - selbst die Kollegen von den GRÜNEN wollen das inzwischen streichen - und, und, und, diese Dinge verbergen sich hinter diesen Zahlen. Alles Lieblingsprojekte, ein ausgeglichener Haushalt ist kein Wert an sich. Das ist die Zeche, die wir alle für diese Grundeinstellung bezahlen müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

500 Mio. € zusätzliche Schulden am Ende einer Legislatur mit Rekordsteuereinnahmen.

(Zwischenruf Dr. Voß, Finanzminister: Die Legislatur ist doch gar nicht zu Ende.)

Allein 2012 - aber haushaltstechnisch machen Sie sie mit diesem Haushalt zu, Herr Minister.

(Zwischenruf Dr. Voß, Finanzminister: Wir haben doch noch den Haushaltsvollzug.)