Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

Aber ich denke, dass im Gegensatz insbesondere, ich will das Extrembeispiel Griechenland auch gern nehmen, Deutschland, aber auch Thüringen relativ verschont geblieben sind von den Auswirkungen der Krise auf den globalen Wirtschafts- und Finanzmarkt. Es liegt zuletzt nicht daran, dass Deutschland und insbesondere die deutsche Volkswirtschaft eine hervorragende Substanz hat und hier in Thüringen, das hat die Finanzministerin zu Recht ausgeführt, auch die richtigen Weichenstellungen in den vergangenen Jahren für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gelegt wurden, was wir nicht zuletzt unseren kleinen Handwerks- und Mittelstandsbetrieben in Thüringen zu verdanken haben, die ja, man muss es immer wieder sagen, 95 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts erarbeiten. Dass wir so robust durch die Krise durchkommen, liegt vor allen Dingen an diesen Menschen, die oft auch mit ihrem Privatvermögen ganz persönlich einstehen und dafür haften, dass sie Arbeitsplätze sichern und dass sie an der Produktivität in der Gesellschaft teilhaben.

Mit dem vorgelegten Haushalt hat die Regierung ihren Anspruch markiert, das Richtige zu tun, um einen weiteren Abschwung zu verhindern und auch das Richtige jetzt vorzulegen, um aus der Krise die Leh

ren zu ziehen und mit neuem Denken wieder aus dem Tal der schwierigen Situation herauszukommen. Ich bin fest davon überzeugt, wie meine gesamte Fraktion, dass die Auswirkungen der Krise uns die gesamte Legislaturperiode beschäftigen werden, nicht zuletzt deshalb, weil alle Wirtschaftsforscher in ihren Prognosen davon ausgehen, dass wir frühestens im Jahr 2012, vielleicht auch erst im Jahr 2013 das Vorkrisenniveau erreicht haben werden, insbesondere mit Blick auf die dann zu erwartenden Steuereinnahmen, aber auch mit Blick darauf, dass die Auswirkungen des Arbeitsmarkts erst dann tatsächlich wirklich verkraftet worden sind. Deshalb ist es für uns wichtig, dass wir mit unserem kleinen Haushalt in Thüringen, aber auch insgesamt in Deutschland darauf achten, dass wir nicht mit weiteren Belastungen der Menschen mit noch mehr Steuern, mit noch mehr Abgaben am Ende auch ein Stück den unstillbaren Hunger des Staates befriedigen, sondern wir auch so viel Freiheit ermöglichen und deswegen auch schauen, dass wir Gesetze so gestalten, dass die Leute sich nicht weiter in besonderer Weise belastet fühlen.

(Beifall CDU)

Diese Frage des Belastungsfühlens hängt auch ein Stück damit zusammen, inwieweit die Leute den Staat und auch unser Steuersystem als gerecht empfinden.

(Beifall CDU)

Ich glaube, man sollte sich darüber Gedanken machen, ob wir auch ein Stück nicht darüber sprechen sollten, ist der Sozialstaat in Deutschland viel mehr als alles andere auf Solidarität angewiesen, nämlich zu wissen, dass der Steuerzahler, der am Ende den Sozialstaat finanziert, einen Anspruch darauf hat. Was macht der Staat mit seinem Steuergeld? Setzt er es effizient ein? Setzt er es sorgsam ein? Setzt er es sparsam ein? Setzt er es so ein, es in Sozialkapital zu verwandeln? Setzt er es sachgerecht ein und setzt er es so ein, dass nachfolgende Generationen nicht belastet werden? Ich will Ihnen auch deshalb an dieser Stelle vielleicht ein kleines Beispiel sagen: Seit die Menschen über den Staat nachdenken, tun Sie es entweder, weil sie über den Vater Staat nachdenken oder über den Staat als Dieb. Die einen, die über den Vater Staat nachdenken, die hat man weithin als Idealisten bezeichnet, weil sie am Ende auch ein Stück davon ausgehen, dass der Vater Staat als respektierte Rechtsperson dazu beiträgt, identitätsstiftend zu sein und auch die Gesellschaft zusammenzuhalten. Diejenigen, die den Staat als Dieb bezeichnen, sind die, die man in der Vergangenheit als Anarchisten bezeichnet hat, die auch davon ausgehen, den Staat als Wegelagerer zu begreifen, als der, der die Freiheit einschränkt, als der, der den Menschen in seiner individuellen Freiheit sich nicht

entwickeln lässt. Darüber nachzudenken, diesen Gleichklang zu finden, das kann man nur, wenn man auch genügend Vertrauen in den Staat zulässt. Dieses Vertrauen auch zuzulassen, dass Gerechtigkeit auch wahrgenommen wird beim Bürger, das ist nicht ganz unentscheidend. Ich will es an zwei Zahlen verdeutlichen, warum die Frage an dieser Stelle auch gesellschaftspolitisch so relevant ist: 7 Mio. Menschen leben heute von Arbeitslosenhilfe und Sozialgeld in Deutschland, 15 Mio. Menschen sind von der Lohn- und Einkommensteuer befreit, obwohl sie tagtäglich 40 Stunden und vielleicht auch länger zur Arbeit gehen und damit auch schauen, ihr eigenes Familieneinkommen zu erwirtschaften. Dabei ist auch zu beachten, dass trotz dieser ganzen Entwicklung der Eingangssteuersatz im kleineren Einkommensbereich von 25,9 Prozent im Jahr 1996 auf 14 Prozent bei den kleineren Einkommen heute heruntergeschraubt wurde und gleichzeitig der Grundfreibetrag von 2.871 € im Jahr 1990 auf 8.004 € erhöht wurde. Das hat bei der Steuerlast im mittleren Einkommen gleichzeitig zu einer Mehrbelastung von 13 Prozent geführt. Daran sehen Sie auch so ein Stück das Ungleichgewicht. Wir haben 15 Mio. Menschen in Deutschland, die arbeiten und keine Steuern zahlen, weil sie so wenig verdienen, und damit auch die Sorge haben, dass es nicht ganz gerecht zugeht, obwohl sie jeden Tag auf Arbeit sind, es nicht reicht, dass sie ihre Familie ernähren können.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Deswegen brauchen wir den Mindestlohn.)

Gleichzeitig haben wir in der Summe 7 Mio. Menschen, die durchgängig abhängig sind von den Sozialtransfers. Wir haben versucht, bei den kleineren Einkommen Entlastungen herbeizuführen, und müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die Leistungsträger der Gesellschaft, quasi ein Viertel von denen, die mehr als 45.000 € im Jahr verdienen, quasi drei Viertel des gesamten Steueraufkommens erwirtschaften. Darüber nachzudenken, ein Steuersystem aufzustellen, das sowohl die kleineren Einkommen entlastet - das tut es ja, ich habe es gesagt, 15 Mio. zahlen gar keine Einkommen- und Lohnsteuer -, aber auch dazu beiträgt, dass die, die weiter oben abgeschöpft werden vom Staat, auch noch als Leistungsträger in der Gesellschaft willkommen sind und es nicht als ungerecht empfinden, zu belastet zu werden, ist ganz wichtig. Jetzt kommt die entscheidende Frage: Wie erreicht man das? Ich bin der Meinung, das will ich ausdrücklich sagen und auch daran anknüpfen, was die Landesregierung im Bundesrat gesagt hat: Das erreicht man nicht in erster Linie mit Steuersenkungen, sondern man erreicht es, wenn überhaupt, zunächst mit dem ersten Schritt, ein Steuerrecht aufzustellen, was transparent, einfach und nachvollziehbar ist. Die Umgestaltung des Steuerrechts auf einfache Prinzipien hat in erster Linie nichts mit Steuer

senkungen zu tun. Darüber eine Debatte zu führen, für Gerechtigkeit im Steuerrecht zu sorgen, aber nicht gleichzeitig der Mär hinterherzureden, das führt immer gleich zu Entlastungen, ist ganz wichtig. Wenn man dafür einen Beitrag leisten kann, empfinden die Leute auch das Steuersystem als gerecht.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wenn wir einen Haushalt für 2010 aufstellen, lohnt es sich auch, darüber nachzudenken, was eigentlich in den letzten 20 Jahren geleistet worden ist. Ich will das an einem Beispiel sagen, weil sich dieses Jubiläum jetzt zum 20. Mal wiederholt hat. Am 20. Februar 1990 hat der damalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl in Erfurt in Thüringen auf den Domstufen gesagt - und Sie kennen das Zitat -: „Gemeinsam mit Ihnen werden wir in kurzer Zeit ein blühendes Land schaffen.“ Ich will Ihnen ehrlich sagen, über dieses Zitat ist so viel gestritten worden. Aber weil wir uns auch in diesem Jahr am 3. Oktober freuen können, den 20. Jahrestag der Deutschen Einheit zu feiern, will ich rückblickend sagen, es hat sich gelohnt, in diesen 20 Jahren für den Freistaat Thüringen zu arbeiten.

(Beifall FDP)

Dieses Land ist tatsächlich vorangekommen und mindestens hier im Freistaat Thüringen sehen wir, dass sich das erfüllt hat, was Helmut Kohl als damaliger Bundeskanzler versprochen hat. Dieses Land ist ein blühendes Land geworden und wir können darauf stolz sein.

(Beifall CDU, FDP)

Meine Damen und Herren, vor 20 Jahren standen wir in Thüringen vor einem wirtschafts- und umweltpolitischen Scherbenhaufen. Die heutigen Probleme sind dagegen winzig. Es lohnt sich also, mit Kraft und Zuversicht auch diese Probleme in Angriff zu nehmen. Uns muss davor nicht bange sein, aber wir müssen einige Herausforderungen mehr bewerkstelligen, als uns das in den 20 Jahren vielleicht vorstellbar war. Ich will eine Zahl sagen, warum sich auch die Situation verändert hat. Wir haben versucht zusammenzurechnen, was wir an Hilfeleistung in diesen 20 Jahren bekommen haben - aus dem Fonds Deutsche Einheit, aus dem Solidarpakt I und aus dem Solidarpakt II. Wir sind auf die sagenhafte Summe von 47 Mrd. € gekommen, die allein dieser Freistaat Thüringen in den letzten 20 Jahren an Hilfe bekommen hat.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Und was habt Ihr daraus gemacht?)

Für diese große Solidarität einmal Danke zu sagen, das kann sich lohnen und das muss man auch mal sagen zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit.

(Beifall CDU, FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben angepackt. Alle Regierungen haben seit 1990 versucht, ihren Beitrag zu leisten mit kritischer Begleitung aus der Opposition, mit großer Unterstützung unserer eigenen Bevölkerung, mit großer Unterstützung unseres Mittelstands, mit großer Unterstützung der Industriebetriebe, die sich gerade hier angesiedelt haben, weil sie meinen, hier die besten Bedingungen vorzufinden. Wir haben versucht, aus diesen 47 Mrd. € auch das zu machen, was man jetzt sieht, nämlich dass es im Land vorangegangen ist, dass das Land im Aufholprozess zwischen den Unterschieden und den Erblasten aus der alten DDR bis heute auch weit vorangekommen ist. Aber wir sind noch nicht am Ende. Deswegen bekommen wir auch immer noch Hilfeleistung - aus dem Solidarpakt II und dem Länderfinanzausgleich jedes Jahr immerhin noch rund 1 Mrd. €. Jetzt kommt aber die entscheidende Trendwende. Wir wissen, im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren, diese Beiträge schmelzen ab, jedes Jahr 100 Mio. €. Das geht in diesem Jahr los und wird uns Jahr für Jahr ereilen, bis diese Hilfe auf Null im Jahr 2019 zusammengeschmolzen ist. Das ist für uns genau der Punkt, zu schauen, uns so aufzustellen, dass wir im Jahr 2019 und den nachfolgenden Jahren auf eigenen Beinen stehen und uns das leisten können, was wir für Thüringen wichtig empfinden, und wo wir unsere eigenen Prioritäten setzen. Deshalb ist es ganz entscheidend, ausgehend von der Argumentation der Finanzministerin, die den Haushalt 2010 als Übergangshaushalt bezeichnet und auch die Perspektiven für die nächsten Jahre aufgezeigt hat, dass die Einlaufkurve, die wir jetzt mit dem Haushalt 2010 beschreiten, um dahin zu kommen, im Jahr 2019 auf eigenen Beinen stehen zu können, so ist, dass wir auch auf der Zielgeraden landen werden. Deshalb muss man darüber nachdenken, inwieweit können wir uns als Freistaat Thüringen unser hohes Ausgabenniveau leisten, was auch mit diesem Haushalt 2010 beschrieben ist und immerhin jetzt ein Volumen von 9,852 Mio. € umfasst. Ich will daran erinnern, dass wir schon Zeiten hatten, uns in diesem Niveau auch nach unten zu bewegen. Wir haben es zuletzt geschafft, im Jahr 1999 auf 9,140 Mio. € unser Ausgabenvolumen abzusenken. Wir haben das geschafft, Stück für Stück bei höchstem Steuereinnahmenniveau...

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Bis 2009 - du hast dich versprochen.)

Okay, danke, für das Protokoll ist das richtig. Aber es bleibt entscheidend, dass wir es geschafft ha

ben, in diesen Jahren unser Ausgabenvolumen in der Summe bei höchstem Steuereinnahmenniveau um 700 Mio. € abzusenken. Da waren wir Vorreiter vor allen Dingen in den jungen Ländern, weil die Senkung des Ausgabenniveaus am Ende die Voraussetzung dafür ist, bei weniger Einnahmen auch sich alle Ausgaben leisten zu können. Wir müssen noch in dieser Wahlperiode wieder an diese Zielmarken anknüpfen, das ist unsere Hausaufgabe, die wir uns stellen müssen.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ich will das an einem Beispiel verdeutlichen im Vergleich zu den anderen Ländern. Ich habe mir ein paar Zahlen herausgegriffen bei der Frage: Was bedeutet es, wenn ein Freistaat wie Thüringen plötzlich mehr Geld ausgibt als im vorangegangenen Jahr? Zu welchen Effekten führt das bei Haushaltsvergleichszahlen? Die Steuerdeckungsquote ist da eine nicht ganz uninteressante Zahl. Natürlich sind auch die anderen jungen Bundesländer, aber auch die anderen insgesamt deutschen Länder nicht frei von der Steuereinnahmenentwicklung, wie wir sie alle spüren. Thüringen ist da keine Insel der Glückseligen. Aber im Verhältnis dazu, wenn ich gleichzeitig mein Ausgabenvolumen steigere, dann führt das prozentual - das ist ganz simple Mathematik - auch zu einer Veränderung der Steuerdeckungsquote. Bei uns passiert folgender Effekt in Thüringen mit dem vorgelegten Haushalt, dass unsere Steuerdeckungsquote von 53 Prozent - und wir haben zehn Jahre lang daran gearbeitet, dass sie daraufhin gestiegen ist - jetzt auf 43 Prozent zurückfällt, nicht, weil die Steuereinnahmen in Thüringen in besonderer Weise zurückgehen, sondern weil das Ausgabenvolumen steigt. Ein Vergleich zu den anderen Ländern - und wir müssen diesen Vergleich auch wagen, weil insbesondere die neuen fünf Länder die gleichen Ausgangsvoraussetzungen hatten seit 1990 - zeigt, dass wir derzeit nach gegenwärtigem Haushaltsstand - das kann sich immer verändern, wenn es Nachtragshaushalte gibt, wenn andere ihre eigenen Haushalte aufstellen - das Bundesland sind mit der niedrigsten Steuerdeckungsquote. Das muss uns beschäftigen, weil das zeigt, dass wir aus eigener Kraft derzeit nicht in der Lage sind, ohne fremde Hilfe unsere Ausgaben zu finanzieren, die wir hier gemeinsam in diesem Landtag beschreiben. Der neue Haushalt für 2010 beschreibt hier eine Menge auch neue Aufgaben dafür, aber er löst noch nicht - das hat die Finanzministerin beschrieben, es bleibt unsere gemeinsame Aufgabe -, dass wir diese Aufgaben, die wir beschrieben haben, auch tatsächlich durchfinanzieren können. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, da wir mehrmals darüber gesprochen haben, dass andere Bundesländer im Vergleich natür

lich dazu viel höhere Steuerdeckungsquoten haben. Ich will als Beispiel nur mal Rheinland-Pfalz nennen mit 65,86 Prozent oder auch Schleswig-Holstein - es gibt ja einige Schleswig-Holsteiner hier im Saal - mit 59,27 Prozent. Auch die sind insgesamt ein Stück besser aufgestellt, obwohl sie selbst auch in einer eigenen schwierigen Finanzlage auf Dauer sind, aber selbst die haben am Ende fast 18 Prozent, 17 Prozent mehr eigene Steuerdeckungskraft und sind trotzdem immer noch - wir können das jeden Tag nachvollziehen und nachlesen - auf die Hilfe des Bundes angewiesen, um ihre eigenen Landesaufgaben zu bestreiten. Deshalb gibt es natürlich ausweislich davon ausgehend einen Konsolidierungsbedarf für den Freistaat Thüringen.

Ausgehend von dem Übergangshaushalt 2010 will ich das für 2011 mal in besonderer Weise beschreiben. Wir machen in diesem Jahr 880 Mio. € neue Schulden und sind damit centgenau an der Grenze, die uns die Verfassung erlaubt, Schulden aufzunehmen, wenn wir die eigenfinanzierten Investitionen dagegenstellen. Gelungen ist uns das aus folgendem Grund, weil wir insgesamt dankenswerterweise auch der Steuerentwicklung der vergangenen Jahre, aber ich mache auch keinen Hehl daraus, auch weil wir ein Stück Beitrag mit geleistet haben, mit 223 Mio. € durch die Auflösung von Rücklagen und Überschüssen. Tatsächlich beträgt das strukturelle Defizit des Haushalts über 1 Mrd. €. Ich gebe hier nur Zahlen wieder, die kann jeder nachlesen, ich will das hier gar nicht weiter bewerten, aber ich will es nur beschreiben. Aber entscheidend ist aus der Auflösung der Überschüsse und Rücklagen der vorangegangenen Jahre in Höhe von 223 Mio. € nämlich eines, die stehen uns 2011 und später nicht mehr zur Verfügung, weil diese Konten leer sind. Das heißt also, wenn ich jetzt einmal davon ausgehe, welche Schulden kann der Freistaat Thüringen im nächsten Jahr aufnehmen in derselben Höhe, und reißt die Verfassungsgrenze centgenau erneut und hält sie an dieser Stelle auch, was muss ich dann an Einsparungen vornehmen, um mindestens auf gleichem Niveau Haushalt fortzubeschreiben. Da gehört diese wichtige Zahl von 223 Mio. € dazu und eine weitere folgt, nämlich die erneute Degression im Solidarpakt II von 100 Mio. €. Es folgt eine weitere Zahl, die ergibt sich demographiebedingt aus dem Länderfinanzausgleich, weil wir dort die Hilfe im Ausgleich der Bundesländer bekommen entsprechend der Einwohnerzahl, weil es um Pro-Kopf-Zuweisungen geht. Das macht bei uns in Thüringen jährlich ein Minus von 40 Mio. € aus. Die 880 Mio. € Schulden in diesem Jahr zwingen uns bei gleichbleibendem Zinsniveau im nächsten Jahr mindestens erneut zur zusätzlichen Zinsausgabe von dann jährlich weiteren 40 Mio. €.

Eine Ausgabe will ich in besonderer Weise beschreiben, weil ich mich dazu auch noch mal äu

ßern werde zum Kita-Gesetz, was wir novellieren: Wenn das Kita-Gesetz ausfinanziert wird, ergibt sich vom 01.01. bis 31.12. mindestens ein weiterer Mehrbedarf von 50 Mio. €, um die volle Finanzierung für das ganze Jahr aufrechtzuerhalten. Wer da mitgerechnet hat, der weiß, dass dieser Betrag schon fast 450 Mio. € ausmacht.

Jetzt kommen auch noch folgende Unabwägbarkeiten hinzu: Wir wissen nicht, wie sich die Tarifentwicklungen in diesem Jahr darstellen. Wir hören ja gerade, welche Forderungen die Gewerkschaft im öffentlichen Dienst aufgemacht hat, wie die Arbeitgeber versuchen dagegenzuhalten. Es gab schon Streiks, Sie können das alles nachvollziehen. Auswirkungen hat das insbesondere auf Länderhaushalte, weniger auf den Bundeshaushalt, denn der Bund verhandelt immer für die Länder mit, und Dritte verhandeln für uns und wir müssen dann die Tarifergebnisse nachvollziehen. Auch das wird uns Geld kosten. Wir wissen noch nicht, welche Folgen sich aus dem Hartz-IV-Urteil am Ende auch für die Länder ergeben oder durchgereicht bei uns in unserer Thüringer Systematik dann im Kommunalen Finanzausgleich, aber die Belastung bleibt beim Landeshaushalt stehen. Natürlich bleibt die Frage offen, wenn die Investitionen in den nächsten Jahren automatisch zurückgehen werden, weil das Konjunkturpaket II nicht fortgesetzt wird, ob sich dadurch auch ein Konsolidierungsbedarf an der einen Stelle ergibt. Völlig ungewiss ist, wie sich die Steuereinnahmensituation entwickelt.

Dann kommt noch eine letzte Zahl hinzu, die von besonderer Bedeutung ist, nämlich die Einhaltung der Verfassungsgrenze oder die von uns in der Landeshaushaltsordnung geregelte Schuldenbremse ab dem 01.01.2011, die auch zu beachten ist. Wenn ich also mindestens die Verfassungsgrenze in Thüringen weiter einhalten will, führt das natürlich durch den Rückgang der Investitionen im Konjunkturpaket II auch zu einer Verringerung der verfassungsmäßigen Grenze, um neue Schulden aufzunehmen. Geht die Investitionsquote zurück, geht auch die Grenze für neue Schulden zurück. Das heißt also, je nachdem, wie man das rechnet, ergibt sich ein weiterer Konsolidierungsbedarf, weil die einfache Fortschreibung, 880 Mio. € Schulden im nächsten Jahr aufzunehmen, mathematisch nicht aufgeht. Wenn ich die Verfassungsgrenze halten will, muss ich einen zusätzlichen Konsolidierungsbedarf erbringen, um die Neuverschuldung an der Verfassungsgrenze zu halten. Nach Auffassung der CDU ist der Konsolidierungsbedarf sogar noch größer, weil ab dem 01.01.2011 aufgrund der Regelung der Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung eigentlich nur eine Neuverschuldung von 327 Mio. € möglich ist. Diese ergibt sich aus dem Durchschnitt der Ist-Steuereinnahmen der letzten drei Jahre im Vergleich zum aktu

ellen Steuerniveau und dieser Betrag beträgt dann tatsächlich im Jahr 2011 nach dem jährlichen Stand 327 Mio. €. Je nachdem, ob man die Grenze der Verfassung rechnet oder ob man die Grenze der LHO oder Ist-Steuereinnahmen rechnet, ergibt sich ein Konsolidierungsbedarf bei gleichbleibender hoher neuer Nettoneuverschuldung von 600 Mio. € bis 1 Mrd. €.

Ich bin im Namen meiner Fraktion ausdrücklich dankbar dafür, dass die Ministerpräsidentin die Parlamentarier ermutigt hat, von ihrem Budgetrecht Gebrauch zu machen. Wenn wir im Parlament nicht von unserem Budgetrecht Gebrauch machen und nicht dafür Sorge tragen, dass die Neuverschuldung am Ende der Haushaltsberatungen nicht 880 Mio. € beträgt, dann habe ich große Sorge, wie uns ein Haushalt im Jahr 2011 oder 2012 oder 2013 oder auch 2014 gelingen soll. Es muss unsere Aufgabe sein, für diese Konsolidierung einen wichtigen Beitrag zu leisten.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Statistische Bundesamt hat in dieser Woche die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung vorgelegt. Es lohnt sich, da hineinzuschauen, die Finanzministerin hat es zu Recht angesprochen, weil die Statistiker unter der Überschrift „Bevölkerung im Osten Deutschlands wird besonders schnell zurückgehen und altern“ einen wichtigen Befund geliefert haben, der insbesondere auch auf Thüringen zutrifft. Die Einwohnerzahl wird danach in den nächsten zehn Jahren zwischen 2.028.000 und 2.038.000 Einwohnern pendeln. 2030 rechnen die Statistiker nur noch mit Einwohnerzahlen in Thüringen zwischen 1,843 und 1,873 Mio. Einwohnern. Für 2050 rechnen die Demographen gar nur noch mit einer Bevölkerungszahl zwischen 1,492 und 1,566 Mio. Einwohnern. Wenn wir davon ausgehen, dass man diese Daten als seriös bezeichnen kann, dann bleibt eine Feststellung zu machen, dass, weil die Kinder in den letzten 20 Jahren nicht geboren wurden, für diese zukünftige Aufgabe die Eltern fehlen, um diese Zahlen am Ende zu ändern.

Für die Altersstruktur, und das ist das Entscheidende, weil sich damit auch politische Herausforderungen ergeben, ergibt sich Folgendes: Gegenwärtig leben in Thüringen 317.000 Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 20 Jahren und im Jahr 2050 werden das nur noch 223.000 sein. Die Zahl der über 65Jährigen liegt heute bei 515.000 Thüringern und wird bis zum Jahr 2030 auf 653.000 ansteigen und dann aber auch wieder sinken. Aber jetzt kommt das Entscheidende: Was passiert, wenn man einen Blick wirft auf die aktiv beruflich tätige Bevölkerung, am Ende die, die den Wohlstand des Landes erarbeitet und die Steuereinnahmen auch erwirtschaftet, die dann

der Staat entsprechend seiner Prioritätensetzung ausgeben kann? Danach ergibt sich, dass die Altersgruppe der 20- bis 65-Jährigen von heute 1,39 Mio. Einwohnern auf sage und schreibe 762.000 Beschäftigte im Jahr 2050 sinken wird. Der stärkste Einbruch der mittleren Generation steht schon in den nächsten zwei Jahrzehnten bevor, also auch in der Phase, in der wir vielleicht - der eine mehr und der andere weniger - auch noch politisch aktiv sind. Deswegen ergibt sich auch jetzt das Handlungserfordernis und nicht erst im Jahr 2050, wenn ich damit rechne, dass dann weniger Aktive zur Verfügung stehen. Entscheidend bleibt, im Jahr 2030 werden nur noch 959.000 Thüringer im erwerbsfähigen Alter sein, das sind nur noch 69 Prozent der heute verfügbaren Arbeitskräfte.

Jetzt kann doch jeder in seinen eigenen politischen Schwerpunkt hineingehen und schauen, was bedeutet das, wenn nur noch 69 Prozent der aktiven Erwerbsfähigen in den verschiedenen Berufsgruppen, in den notwendigen Fachkräftebereichen, die wir brauchen, zur Verfügung stehen. Dann ergibt sich automatisch ein Handlungsauftrag für den Staat, auch zu prüfen, welche Aufgaben kann der Staat noch leisten, damit sich daraus auch folgend eine Ausgabenbegrenzung ergibt.

Ich bin der Finanzministerin ausdrücklich dankbar, dass sie vorhin in ihrer Rede angekündigt hat, dass eine Haushaltsstrukturkommission schon in diesen Tagen eingesetzt werden soll, die noch in diesem Jahr sich genau mit diesen wichtigen Fragen beschäftigt, weil das Haushaltsjahr 2010 tatsächlich das Jahr der Haushälter ist, weil wir das besondere Jahr haben, dass wir zwei Haushalte machen müssen, den für das Jahr 2010 im Übergang, aber auch schon das Jahr 2011 in den Blick nehmen müssen, und dieselben Verantwortlichen, die über den Haushalt 2010 abstimmen, müssen mit den Folgewirkungen auch den Haushalt 2011 abstimmen. Deshalb ergeben sich zentrale politische Herausforderungen.

Ich will eines deshalb deutlich sagen: Diese Zahlen aus der Bevölkerungsstatistik machen unmissverständlich deutlich, dass die Schuldenlast, die wir jetzt auftürmen, von immer weniger Schultern getragen werden muss und diese immer weniger Schultern können sich das auf die Dauer nicht leisten.

(Beifall CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, kann unser Versuch, unser politischer Handlungsauftrag nur darin liegen, den demographischen Sturzflug in einen Sinkflug zu verwandeln. Wenn das gelingt, besteht vielleicht auch die Chance, wieder durchzustarten. Dieses Durchstarten gelingt aber nicht mit leerem Tank, da will ich als leeren Tank am Ende das Geld in der Kasse bezeichnen. Deshalb ist es wichtig, jetzt die

richtigen Weichenstellungen vorzunehmen, aber auch so viel Geld im Tank zu lassen, dass wir auch durchstarten können. Es muss unsere Aufgabe sein, nicht nur wahlperiodengerecht zu denken, sondern auch weit darüber hinaus. Nur das ist demographiegerecht, nur das ist generationengerecht. Deswegen will ich auch nicht verhehlen, sehr geehrte Abgeordnete Keller, dass wir zu Recht aus der Mitte des Hauses und nicht die Landesregierung gesagt haben, wir wollen einen Beauftragten für das Zusammenleben der Generationen einrichten, die Landesregierung unterstützt diesen Auftrag aus der Mitte des Hauses, weil es wichtig ist, dass einer mit besonderem Auftrag aus diesem Haus auch dafür einsteht und schaut: Wie kann der Zusammenhalt der Generationen geleistet werden, wie kann generationengerechte Politik gestaltet werden? Da gehört auch der Blick auf die Haushalte immer wieder dazu. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich den Haushaltsansatz, dass ein solcher Generationenbeauftragter eingesetzt wird.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, bei aller Notwendigkeit, Ausgaben zu begrenzen, ist es wichtig, zusätzlich in Arbeitsplätze und Bildung zu investieren. Deshalb sind wir dankbar, dass die Investitionsausgaben eine deutliche Steigerung immerhin um 374 Mio. € auf knapp 1,9 Mrd. € insgesamt erfahren. Damit werden heimische Arbeitsplätze gesichert, neue geschaffen und wir wissen auch, dass das Konjunkturpaket des Bundes in besonderer Weise hilft, weil die Investitionssteigerung auch zum großen Teil darauf beruht, dass mit 233 Mio. € wir eine wichtige Unterstützung bekommen.

Aber einen entscheidenden weiteren Punkt sichert dieser Haushalt ab, nämlich die volle Kofinanzierung von Bundes- und EU-Programmen und das in der Summe sichert uns eine einmalig hohe Investitionsquote von 19 Prozent. Ich glaube, das ist die Leistungskraft, die dieser Haushalt versprüht, um die richtige Antwort auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise zu geben.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben uns da eine Menge vorgenommen mit diesem Haushalt, um die Realisierung von neuem Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und innovationspolitischem Potenzial umzusetzen und offensiv und aktiv eine Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für eine verlässliche Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Innovationspolitik zu geben. Ich will einzelne Punkte aufzählen. Wir haben uns vorgenommen, den Ausbau der Kleinkreditprogramme zur Verbesserung der Liquidität Thüringer Unternehmen und des Mittelstands voranzutreiben. Wir haben uns vorgenommen, die Verbreiterung der

Wirtschaftsbasis Thüringens durch die Entwicklung attraktiver Standortbedingungen für die Gewinnung von Neuansiedlungen und Neugründungen von Unternehmen sowie die intensive Bestandspflege zu unterstützen. Wir haben uns vorgenommen, die kompetente Aus- und Weiterbildung sowie die demographiebedingte Sicherung und Gewinnung des Fachkräftenachwuchses zu fördern. Wir nehmen uns vor, mit dem Haushalt Anreize für eine tariforientierte und branchenübliche Entlohnung bei der Wirtschaftsförderung zu setzen und die Intensivierung der Investitions- und Technologieförderung in den traditionellen Bereichen und Zukunftstechnologien zu betreiben. Und wir wollen mit diesem Haushalt die Förderung von Kooperation von Unternehmen untereinander und mit Hochschulen mit Forschungs- und Technologieeinrichtungen forcieren. Wir nehmen uns vor, die intensive Zusammenarbeit mittelständischer Unternehmen in Clustern und Netzwerken als Chance für die Verwirklichung von Innovationsvorhaben, die Vermarktung von Produkten sowie die Ausbildung und Gewinnung von Fachkräften aufzubauen und letztlich die fortschreitende intensive FuE-Förderung zur Unterstützung kleiner und wirtschaftsnaher Forschungsinstitute zu begleiten. Das ist ein Riesenpaket, um dieser Krise Herr zu werden. Das ist die Aufgabe, die eine Landesregierung leisten kann und auch leisten muss und wir unterstützen das.