Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

(Beifall CDU, SPD)

Es gibt dazu nahezu in jedem Bereich dringliche Vorhaben, die wir anpacken müssen, und so leisten wir mit dem Haushaltsentwurf einen wichtigen Beitrag zur bedarfsgerechten Ausstattung der Sozialgerichte im richterlichen Dienst. Der anhaltenden Klageflut, vor allem durch die Verfahren rund

um die Sozialgesetzbücher, müssen wir begegnen. Das ist unsere rechtsstaatliche Pflicht. Der Neubau der Jugendstrafanstalt Arnstadt-Rudisleben ist auch nicht zu verschieben; wenn man die alte Jugendstrafanstalt in Ichtershausen kennt, da weiß man sehr genau, wovon man spricht. Darüber hinaus wollen wir alle Programme der EU, insbesondere in der Landwirtschaft und im Bereich Naturschutz, sowie die Projekte der Gemeinschaftsaufgaben vollständig kofinanzieren. Wir werden die EU-Strukturförderung voll ausnutzen, um Investoren zu gewinnen und möglichst viele Arbeitsplätze zu schaffen. Gerade im vergangenen Jahr war das Interesse an diesen Mitteln verhalten, weil Investitionsentscheidungen in unsicheren Zeiten schwieriger sind. Wir wollen aber deutlich machen, dass wir als Land bereit sind, mitzuhelfen, dass das Vertrauen gerade in unseren Standort weiter wächst.

Mit der Novellierung des Kindertagesstättengesetzes haben wir uns auf einen Zuwachs an neuen Erzieherinnen verständigt, die wir finanzieren wollen, damit unsere Kinder bestmögliche Startbedingungen haben.

Meine Damen und Herren, das sind nur einige Beispiele, die stellvertretend stehen für das breite Aufgabenspektrum, mit dem sich die Thüringer Landesregierung im Jahr 2010 den schwierigen Herausforderungen stellt. Ich kann auch diejenigen verstehen, die enttäuscht darüber sind, dass nicht alle verabredeten Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag gleich begonnen werden können. Zugleich müssen wir aber die Entwicklung des Haushalts im Auge behalten. Auch das haben wir im Übrigen im Koalitionsvertrag verabredet.

(Beifall CDU)

Es wird in der nächsten Zeit darum gehen, den Koalitionsvertrag mit Leben zu erfüllen, aber gleichzeitig konsequent an der Konsolidierung des Haushalts zu arbeiten. Die Aufstellung des Haushalts hat uns bereits Grenzen aufgezeigt, die bei allen Wünschen auch ein Verständnis für Machbares und Mögliches verlangt. Nicht alles wird sich gleich umsetzen lassen, aber ich bin der Meinung, bei einer Legislaturperiode von fünf Jahren muss das auch nicht so sein. Wir müssen einen Schritt nach dem anderen gehen, nur so werden wir es schaffen, die neuen Prioritätensetzungen mit dem notwendigen Fundament einer nachhaltigen Finanzpolitik in Einklang zu bringen. Deshalb sage ich es noch einmal: Der Haushalt 2010 ist der erste Schritt; er ist ein Übergangshaushalt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den kommenden Jahren werden sich einige Rahmenbedingungen für uns ändern. Die Mittel aus dem Soli

darpakt II entwickeln sich nun spürbar degressiv. In jedem nun folgenden Jahr erhalten wir gut 100 Mio. € weniger als im Jahr zuvor. Die Förderperiode der EU, in der wir derzeit die höchste Unterstützung erhalten, endet im Jahr 2013, also in knapp drei Jahren. Darüber hinaus stehen wir zehn Jahre vor dem Inkrafttreten der grundgesetzlichen Schuldenbremse, die ab dem Jahr 2020 die Aufnahme von neuen Schulden verbietet. Das alles bedeutet, dass wir schon jetzt sehr genau prüfen müssen, wie wir uns für die Zukunft aufstellen wollen.

Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir in absehbarer Zeit mit weniger Zuschüssen und Zuweisungen unsere Aufgaben zu erfüllen haben. Dies aufgreifend habe ich in der Haushaltsklausur der Landesregierung Ende Januar die Einrichtung einer Strukturkommission vorgeschlagen. Aufgabe dieser Kommission soll es sein, sehr kurzfristig den Landeshaushalt zu analysieren und daraus sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden für strukturelle Veränderungen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite. Ziel ist eine stärkere Wachstumsorientierung des Landeshaushalts bei gleichzeitiger Konsolidierung im Hinblick auf die verfassungsmäßige Verschuldensgrenze. Hierbei sind insbesondere die demographische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Ausgaben des Landes in den Blick zu nehmen. Ich erwarte die ersten Vorschläge der Kommission bereits für die Aufstellung des Haushalts 2011.

Haushalte zu sanieren, überkommene Strukturen zu hinterfragen, das Land und seine Verwaltung zu modernisieren heißt natürlich auch, die Personalausgaben den veränderten Gegebenheiten anzupassen. In einem Land, in dem immer weniger Menschen leider leben, muss auch die Dimension des öffentlichen Dienstes überdacht werden. 7.400 Stellen sind bereits mit dem aktuellen Stellenabbaukonzept identifiziert. Eine weitere Reduktion um 8.000 Stellen wird aber kaum möglich sein, ohne auch in die großen Personalkörper wie Lehrer und Polizei einzugreifen. Wir müssen uns selbstkritisch die Frage stellen: Wo wollen wir in den nächsten Jahren Schwerpunkte setzen,

(Beifall CDU)

wo gibt es Notwendigkeiten und wie soll unser Land künftig aussehen? Es ist die Frage: Wo wollen wir hin? Da darf es keine Tabus geben und auch nicht die reflexartige Reaktion, dass bei jeder Veränderung gleich die Existenz des Landes gefährdet ist.

(Beifall CDU)

Auch bei dieser Diskussion kann ich Sie nur einladen, den ersten Schritt vor dem zweiten zu gehen. Das heißt, zuerst müssen wir darüber reden, welche Schwerpunkte wir setzen wollen und welche Struk

turen dafür notwendig sind. Andere, wie Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, sind diesen Schritt bereits gegangen und sind uns damit ein Stück voraus. Gerade im Vergleich mit anderen Ländern müssen wir uns fragen, warum bestimmte Länder die gleichen Aufgaben mit relativ weniger Personal leisten können als wir.

(Beifall CDU)

Die notwendige Reduzierung des Personals ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen steht, dass wir die Verwaltung in unserem Land kontinuierlich modernisieren müssen. Das heißt, wir müssen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterqualifizieren und müssen uns noch stärker innovativem Verwaltungshandeln zuwenden. Wege verkürzen, Bürokratie abbauen, Prozesse verbessern - auch das bleibt eine wichtige Aufgabe.

Zur Gestaltung des Bremsweges in Richtung Schuldenbremse fordert der Thüringer Steuerzahlerbund die Aufnahme eines Schuldenverbots in die Thüringer Verfassung.

(Beifall CDU)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist doch kein neues Thema in diesem Hohen Haus. Wir haben dafür keine notwendige Mehrheit in der letzten Legislaturperiode im Thüringer Landtag gefunden, aber ich gebe dem Steuerzahlerbund recht. Ein in der Verfassung verankertes Schuldenverbot wäre ein starkes Bekenntnis für eine nachhaltige Finanzpolitik.

(Beifall CDU)

Ab dem Jahr 2020, das sei an dieser Stelle nur mal angemerkt, müssen wir sowieso in diesem Punkt unsere Verfassung dem Grundgesetz anpassen. Unsere Überlegungen und Entscheidungen müssen künftig viel stärker vom Ergebnis her gesteuert werden. Wir müssen uns in Zukunft zunächst fragen, was wir erreichen wollen und finanzieren können, und dann in einem zweiten Schritt die Wege und Strukturen festlegen, wie wir das Ziel erreichen können. Wir müssen uns sehr genau überlegen, wo wir unsere Schwerpunkte setzen. Dabei geht es nicht um Zusätzliches, sondern um andere Prioritäten. Thüringen steht im Wettbewerb mit vielen anderen Regionen und Ländern. Ich meine damit nicht nur den Wettbewerb um Ansiedlungen von Unternehmen oder den Ausbau von Arbeitsplätzen. Wir müssen zu einem ergebnisorientierten Denken und Handeln kommen. Dies erfordert Kreativität und einen neuen Geist. Wie in jedem Unternehmen, das mit sinkenden Auftragszahlen zu kämpfen hat, müssen wir versuchen, unsere Ausgaben zu reduzieren, unsere Stärken noch

besser herauszustellen und gleichzeitig mit innovativen Ideen neue Wege gehen. Das ist kein Widerspruch. Ich denke, wenn uns dieser Bewusstseinswandel gelingt, sind wir in der Lage, neue Schwerpunkte und Ideen mit den finanziellen neuen Gegebenheiten erfolgreich zu verbinden. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Strukturen, auf die wir in den vergangenen Jahren immer wieder aufgesattelt haben, hinterfragen müssen. Wir werden nicht umhinkommen, auch einige große Räder zu drehen, um künftig wieder auf einem soliden Finanzfundament zu stehen.

Meine Damen und Herren, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist nicht in weiter Ferne, sondern der Countdown läuft bereits. Mit der Gründung des Stabilitätsrats im Dezember des vergangenen Jahres hat ein Gremium seine Arbeit aufgenommen, das die Länder auf ihrem Konsolidierungskurs begleiten wird. Der Stabilitätsrat wird uns also über die Schulter schauen und auch anhand von Verfahrensweisen in anderen Ländern Vergleichbarkeit herstellen. Doch zu solchen Situationen müssen wir es nicht kommen lassen, wenn es unser eigener Anspruch wird, selbst für eine nachhaltige Finanzpolitik zu sorgen. Die Befürchtungen, dass die Bürgerinnen und Bürger die notwendigen Änderungen nicht verstehen werden, teile ich nicht ganz, denn die hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte ist den Menschen inzwischen zu einer echten Sorge geworden.

(Beifall CDU)

62 Prozent der Befragten einer vor Kurzem veröffentlichen Umfrage des Instituts Forsa befürchten, dass die Schuldenberge eines Tages nicht mehr bezahlbar sein werden. Wenn man den Zahlen glaubt, haben die Menschen sogar mehr Angst vor einem handlungsunfähigen und überschuldeten Staat als vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder sonstigen Zukunftsängsten. Die Menschen haben verstanden, sie wissen, dass wir die Schulden der Gegenwart unseren Kindern und Enkeln aufbürden. Im Privaten würde man das nie tun.

(Beifall CDU, FDP)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung legt Ihnen heute den Entwurf des Landeshaushalts 2010 vor. Es ist ein ehrlicher Haushalt ohne Schlupflöcher und Notausgänge, auch ohne sogenannte Globale Minderausgabe.

(Beifall CDU)

Es ist ein Haushalt, der unsere Verantwortung für die Handlungsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft widerspiegelt. Es ist ein Haushalt, der dazu beiträgt,

nachhaltig das Vertrauen der Thüringer Bürgerinnen und Bürger in den Staat zu stärken.

Meine Damen und Herren, Verantwortung und Augenmaß waren der Maßstab, dem wir uns bei der Haushaltsaufstellung verpflichtet sahen. Ich denke, dass wir dieses Ziel erreicht haben. Das Jahr 2010 ist das Jahr der Haushaltspolitiker in Thüringen. Wir werden in den kommenden Monaten mit Verantwortung und Augenmaß weitreichende Entscheidungen zu treffen haben. Jetzt ist es an Ihnen, sehr geehrte Abgeordnete, diesen Entwurf zu prüfen und zu beschließen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

(Unruhe auf der Tribüne)

Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Zuschauertribüne,

(Glocke der Präsidentin)

ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Beifalls- und Missbilligungsbekundungen auf der Zuschauertribüne nicht erlaubt sind und eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Ich bitte Sie, diese Aktion zu unterlassen und zu schweigen.

(Glocke der Präsidentin)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fordere Sie nochmals auf und weise Sie darauf hin. Ich unterbreche kurz die Sitzung.

(Unruhe auf der Tribüne)

Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Zuschauertribüne, ich bitte Sie, den Sitzungsfortgang zu gewährleisten und sich ruhig zu verhalten.

(Glocke der Präsidentin)

Ich unterbreche kurz die Sitzung, meine sehr verehrten Damen und Herren, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.

(Unruhe auf der Tribüne)

Ich bitte Sie und mache Sie darauf aufmerksam, dass sowohl Ordnungswidrigkeit als auch Straftatbestand vorliegt.

(Unruhe auf der Tribüne)

Ich bitte die Ordner, Ruhe auf der Zuschauertribüne herbeizuführen, damit die gewählten Parlamen

tarier in Ruhe ihre Sitzung fortführen können. Sie können gern an der Sitzung teilnehmen, die Sitzung verfolgen, so wie es die Hausordnung hier vorsieht. Die Hausordnung ist Beschluss dieses Hohen Hauses.

Ich denke, es ist wieder Ruhe eingekehrt, so dass wir die Sitzung des Parlaments fortsetzen können.

Als Erste spricht für die Fraktion DIE LINKE Abgeordnete Birgit Keller.