Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Haushaltsentwurf für das Jahr 2010, den Ministerin Walsmann bei der ersten Vorstellung der Eckdaten und auch eben bereits als Übergangshaushalt bezeichnet hat, kommt nicht nur unentschuldbar zu spät, sondern er spiegelt leider auch verpasste Chancen der letzten Jahre sowohl von Bundespolitik als auch von Landespolitik wider.
Charakterisiert man aber diesen Haushalt nicht nur als Übergangshaushalt, sondern als einen Haushalt, der die Krise und die Folgen der Krise bewältigen soll, wäre die logische Konsequenz, dass er die Weichen dafür auch stellen muss. Dieser Haushalt lässt jedoch höchstens punktuell, aber nicht strategisch erkennen, wo die neue Landesregierung Thüringen in Zukunft hinsteuert. Das Land drückt inzwischen eine Schuldenlast in Höhe von insgesamt 16,7 Mrd. €, die jetzt auf nunmehr 17,5 Mrd. € ansteigen sollen. Die Zinsausgaben betragen 600 Mio. € jährlich. Die Steuerdeckungsquote sinkt von 54,56 Prozent auf 43,51 Prozent. Das heißt, nicht einmal die Hälfte des Landeshaushalts ist durch eigene Steuereinnahmen gedeckt.
In Deutschland und in Thüringen ist das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2009 um 6 Prozent gesunken und führt unseres Erachtens zur Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das hat es seit der Wirtschaftskrise in den 20er- und 30er-Jahren nicht mehr gegeben. Während mit staatlichen Rettungsmaßnahmen international und in Deutschland der totale Kollaps bisher verhindert werden konnte, zeichnet sich ab, dass strukturverändernde Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsystems noch nicht umgesetzt werden konnten, bzw. geschuldet dem halbherzigen Umgang mit den Verursachern der Finanzkrise hier offensichtlich nicht gewollt ist. So bestehen Risikofaktoren, die diese Krise verursacht haben, weiter.
Vielleicht glauben viele, die Kuh sei vom Eis. Nein, es wird Frühling, das Eis wird schmelzen und die Kuh wird ertrinken.
Es verdichten sich nämlich Anzeichen, dass uns im Jahr 2010 eine zweite Welle der Krise bevorsteht. Ende dieses Jahres werden die zusätzlich aufgebrachten Ausgaben der geschnürten Konjunkturpakte auslaufen. Hinzu kommen die zusätzlichen Steuersenkungen von Schwarz-Gelb, die die katastrophale Lage der öffentlichen Haushalte weiter verschärfen werden. Seit 1999 hat die CDU-Landesregierung allen Steuerrechtsänderungen zugestimmt. Inzwischen summieren sich die Steuermindereinnahmen auf rund 1 Mrd. € pro Jahr; das ist genau der Betrag, der jetzt im Haushaltsentwurf fehlt.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nur schwer erkennbar, dass auf makropolitische Gegebenheiten agierend eingegangen wird. Ein klares Nein zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz im Bundesrat wäre die richtige Antwort gewesen. Jetzt hat die schwarz-rote Regierung die Verantwortung für absolut widersinnige Steuergeschenke an Besserverdienende mitzutragen.
Für 2011 sind laut Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb weitere Steuersenkungen vereinbart, die sogar fast 20 Mrd. € jährliche Einnahmeausfälle zur Folge haben werden. Wir appellieren deshalb an die Landesregierung, mit Nachdruck im Bundesrat aktiv zu werden, denn die Steuergeschenke von heute sind Ausgabenkürzungen von morgen. Das kann wohl auch angesichts dieses Haushalts nicht mehr bestritten werden. Das sage ich ganz bewusst auch in die Richtung der Kolleginnen und Kollegen der FDP. Die neoliberalen Parteien höhlen die Einnahmebasis des Staates und damit seine Handlungsfähigkeit systematisch aus.
Öffentliche Verschuldung lässt sich nicht dadurch bekämpfen, dass die Verantwortung für aktive Gestaltung von Politik durch automatisch greifende Kürzungen wie die sogenannte Schuldenbremse ersetzt wird. Ziel einer sinnvollen Konsolidierungspolitik kann es nur sein, die Einnahmebasis der öffentlichen Haushalte zu stärken und so die Verschuldungsspirale zu durchbrechen, um den nachfolgenden Generationen tragfähige Finanzen zu hinterlassen.
Voraussetzung für nachhaltige Einnahmen sind neben einer gerechten Steuerpolitik Investitionen in den Ausbau der sozialen Infrastruktur und für mehr Beschäftigung. Existenzsichernde Arbeitsplätze bringen höhere Steuereinnahmen und senken die angehäuften Defizite in den Kassen.
Apropos Steuereinnahmen: Ich erlaube mir an dieser Stelle die Kollegen von der SPD und da besonders Herrn Dr. Pidde an ihren jahrelangen Kampf für mehr Steuerprüfer bei den Finanzämtern zu erinnern und das war völlig korrekt.
Der Abbau aber von 110 Stellen in der Finanzverwaltung steht im Entwurf. Ich bin jetzt schon gespannt, wie wir das hier erklären wollen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte punktuell auf einige Schwerpunkte im vorliegenden Haushalt eingehen. Das das nicht vollständig möglich ist, ist sicher klar. Mit Blick auf die Frage, ob das KitaGesetz am Ende die Kommunen bezahlen, möchte ich einige Bemerkungen zur Finanzausstattung der Kommunen machen. Dass diese Landesregierung mit dem Zahlenwerk durchaus auch kreativ umgeht, haben wir bereits gehört und auch sicher schon selbst feststellen können in den grünen Büchern. Was sie aber mit den Gemeinden, Städten und Landkreisen in diesem Jahr vorhaben, ist verantwortungslos.
Ich will noch mal daran erinnern, dass es gerade der gegenwärtige Thüringer Innenminister gewesen ist, der 2005 erfolgreich im Auftrag der damaligen SPD-Oppositionsfraktion das durchaus wegweisende Urteil vor dem Thüringer Verfassungsgericht erstritten hat. Doch von diesem beachtlichen Erfolg können Sie heute nicht mehr zehren, wenn man sich mal anschaut, in welch düstere Zukunft viele Thüringer Kommunen geschickt werden. Zu dem Streit zwischen Herrn Matschie und Herrn Prof. Huber über die Zahlentricks hinsichtlich der Kitas will ich an dieser Stelle gar nicht viel sagen, weil dafür sicher auch noch Gelegenheit genug sein wird. Aber gerade von Ihnen, Herr Huber, hätte ich schon erwartet, dass Sie in Kenntnis des Urteils von 2005 die Fehler Ihrer Amtsvorgänger nicht wiederholen. Bereits die letzte Landesregierung hat die Kommunen fahrlässig reich und den Bedarf künstlich klein gerechnet.
Bereits für 2008 und 2009 wurden somit den Kommunen jedes Jahr rund 350 Mio. € an Landeszuweisungen vorenthalten. Weil Sie die Berechnungsmethode einfach fortschreiben, setzen Sie auch die
Finanzierungslücke von 350 Mio. € pro Jahr fort. Sie betreiben Schönrechnerei in vielen anderen Bereichen, so zum Beispiel bei der Finanzierung der Kosten für die Unterkunft bei Beziehung von Arbeitslosengeld II. Seit Jahren zieht sich der Bund aus der Verantwortung zurück, indem er einseitig Finanzierungsanteile kürzt. Von Jahr zu Jahr müssen die Kommunen nicht nur die Kostensteigerungen verkraften, sondern auch noch die Anteile mitfinanzieren, die der Bund nicht mehr bezahlen will. Insgesamt macht das weitere rund 40 Mio. €, die Sie einfach den Kommunen aufbürden. Ich möchte das einmal am Beispiel des Landkreises Nordhausen, aus dem ich komme, wo ich Kreistags- und auch Stadtratsmitglied bin, verdeutlichen. Der Haushalt 2010: die Auftragskostenpauschale minus 27.200 €, Schlüsselzuweisungen minus 1,022 Mio. €. Nach den neuesten Informationen des Thüringer Innenministeriums soll die Schlüsselmasse noch einmal um 20 Mio. € reduziert werden. Das heißt für Nordhausen eine Minderung, also ein Minus von 1,058 Mio. €. Senkung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft von 25,4 Prozent auf 23 Prozent, minus 400.000 €. Dies bedeutet Mindereinnahmen für den Landkreis Nordhausen von rund 2,5 Mio. € nur im Jahr 2010. Dabei ist die Kommunalisierung der Umweltverwaltung und der Versorgungsverwaltung noch nicht einmal mitgerechnet, obwohl dort der ungedeckte Finanzbedarf weiter ansteigt.
Sehr geehrte Damen und Herren, unser Ziel bleibt die Überwindung der frühzeitigen Selektion im Bildungssystem. Das ist für uns LINKE eine Grundvoraussetzung für eine an der Herstellung von Chancengerechtigkeit orientierte Gesellschaft. Deshalb wollen wir den Ausbau der frühkindlichen Bildung, das längere gemeinsame Lernen; deshalb wollen wir die umfassende Ausgestaltung unserer Schulen zu Ganztagsschulen.
Deshalb, Herr Matschie, reichen einzelne Modellprojekte nicht aus. Wir brauchen dringend eine Aufstockung der Stellen für Schulpsychologen, deutlich mehr Schulsozialarbeiter, und dies nicht nur an den künftigen Gemeinschaftsschulen, und wir brauchen Schritte hin zu einer umfassenden Versorgung unserer Kinder mit einem guten Essen in Schulen und Kindertagesstätten.
Mit Blick auf die vielen kommunalen Initiativen der letzten zwei Jahre zur Subventionierung des Schulessens wäre es endlich an der Zeit, dass auch das Land Thüringen einen Beitrag leistet. Wir werden dazu einen Änderungsantrag einreichen. Positiv ist,
dass im Bereich Kultur in vielen Haushaltsstellen die Ansätze erhöht wurden. Damit sehen wir uns in vielen Anträgen der letzten Jahre bestätigt, sei es bei den Projektmanagern, bei dem Denkmalschutz und bei der Stiftung Weimarer Klassik. Allerdings bleiben grundlegende Reformen in diesem Bereich offen. Erinnert sei an die künftige Finanzierung der Theater und Orchester. Erinnert sei an die Forderung, Thüringer Museen von Schülerinnen und Schülern kostenlos nutzen zu können. DIE LINKE hält es in diesem Zusammenhang für notwendig, dass auch vor Ort die Kulturfinanzierung auf eine breitere Grundlage gestellt und das Umland mit einbezogen wird. So müssten die Landkreise, deren Bürger die Kultureinrichtungen in den Städten nutzen, stärker beteiligt werden, natürlich mit Unterstützung des Landes.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte etwas ausführlicher zur Finanzierung der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege und des Landessportbundes sprechen. Die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege und der Landessportbund erhalten aus Einnahmen der Lotterieverwaltung Finanzmittel. Da beide prozentual an den Spieleinsätzen beteiligt sind, hat das Spielverhalten der Thüringer Spielerinnen und Spieler Einfluss auf die Höhe der Mittelzuweisungen. Eigentlich gehört dieses System abgeschafft, da der Landessportbund und die LIGA als wichtige Partner der Landespolitik verlässliche Einnahmen brauchen.
So wie es jetzt läuft, müsste man die Spielsucht noch befördern, wenn man sich für mehr Geld beim Sport und für die Wohlfahrtspflege engagieren will. Aber das Thema ist natürlich zu ernst, um es der Lächerlichkeit preiszugeben.
Weil nun die Einnahmen bei Lotto und Toto nach der Verabschiedung des neuen Glücksspielstaatsvertrags sehr stark eingebrochen sind, wurde Ende 2007 im Thüringer Glücksspielgesetz eine Untergrenze eingebaut. Dem Landessportbund wurden auf diese Weise 8,81 Mio. € und der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege 4,92 Mio. € als Mindesteinnahmen garantiert. Das galt aber nur für die Jahre 2008 und 2009.
Das, was meine Fraktion damals schon kritisiert hat, ist heute eingetreten. Die Lottoeinnahmen laufen weiter schlecht, aber die Absicherung durch die Mindestgrenzen ist ausgelaufen. Jetzt haben wir folgendes Ergebnis: Dem Landessportbund fehlen 1,3 Mio.
€ im Vergleich zum Vorjahr, und der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege fehlen 700.000 €. Das ist eine Kürzung um 2 Mio. € bei den beiden Destinatären. Da hilft auch der Antrag der Regierungsfraktion im Tagesordnungspunkt 16 nicht, bei dem die Landesregierung aufgefordert wird, im Bereich Sport eine ähnliche Regelung wie in den Vorjahren zu schaffen.
Ob Sie für die LIGA eine ähnliche Willensbekundung übrig haben, wissen wir noch nicht. Aber dass die finanzielle Ausstattung mindestens auf dem Niveau des letzten Jahres gehalten werden muss, müsste eigentlich klar sein, wenn Sie es mit dem Sport und der Wohlfahrtspflege ernst meinen.
Sehr geehrte Damen und Herren, bei der Jugendpauschale habe ich die Beteuerungen von Frau Ministerin Taubert noch im Ohr. 15 Mio. € waren versprochen, 5 Mio. € mehr als bisher. Und dann ist doch nur eine kleine Steigerung rausgekommen. So ist sicher nachvollziehbar, dass man dann natürlich misstrauisch werden kann, wenn man auf einen neuen begrüßenswerten Haushaltstitel stößt, der da heißt „Maßnahmen der Schulsozialarbeit“, aber mit einer Summe von Null untersetzt ist. Wenn Sie aus diesem Titel Geld ausgeben wollen, müssen Sie es an einer anderen Stelle im Sozialhaushalt wegnehmen. Wo Sie einsparen wollen, werden wir also erst später merken - das geht so nicht.
Ebenso ungelöst ist die Frage zum Blindengeld, wir haben das heute demonstriert bekommen. Sorgenfalten graben sich tief ein, wenn man sich die finanzielle Untersetzung des neuen Landesprogramms Kinderschutz ansieht. Da gibt es auch eine neue Titelgruppe, aus der die Maßnahmen für den Kinderschutz finanziert werden sollen - eine sehr wichtige Aufgabe, die von meiner Fraktion ausdrücklich begrüßt wird. Aber in diesem Haushalt ist der Kinderschutz eine Null-Nummer, meine Damen und Herren, da gibt es drei neue Haushaltstitel, und allesamt sind mit Null dotiert.
Auch hier gilt, wenn Sie es ernst meinen und überplanmäßig aus einem Null-Titel Geld ausgeben, dann müssen Sie es woanders wegnehmen. Und Sie sa
gen uns mit diesem Haushalt nicht, wo Sie das Geld dann hernehmen wollen. Da erwarten wir in den nächsten Wochen klare Aussagen.