Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

(Abg. Siegesmund)

um sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, wie gehen sie die Sache an.

Ich will Ihnen mal eine Kreativität nennen, die von allen hier im Raum auch akzeptiert wird. Wir haben zum Beispiel die Jüdische Gemeinde, der Zentralverband macht den „Perspektivwechsel“. Das ist ein innovativer Ansatz, den wir gemeint haben, und nichts anderes ist da hineinzuinterpretieren.

Zum Stichtag am 31. März 2013 waren insgesamt 15 Vorschläge und Bewerbungen für den Thüringer Demokratiepreis sehr unterschiedlicher Art eingegangen. In einer Sitzung am 14. Mai 2013 hat die Jury alle eingegangenen Vorschläge begutachtet und im Einvernehmen die Preisträger ausgewählt. Den verschiedenen Presseveröffentlichungen und aus Ihrer Diskussion heute auch entnehme ich, dass es nicht grundsätzlich um die Preisvergabe beispielsweise an das Eisenacher Bürgerbündnis oder die Weimarer Schülerinitiative für einen schulübergreifenden Projekttag geht, sondern offensichtlich ausschließlich um den Preis für Herrn König.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Um den Zeit- punkt.)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das hat man aber in der Rede nicht heraus- gehört.)

(Unruhe DIE LINKE, FDP)

Vielleicht darf ich weiterverfahren.

Das Wort hat jetzt Frau Ministerin Taubert.

Die Jury hat sich natürlich bei der Vergabe des Preises auch mit allen Umständen auseinandergesetzt und wir haben entschieden, dass wir die Lebensleistung - und das wurde auch zur Laudatio benannt - von Herrn König in den Vordergrund stellen.

Meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Hätte man vier Wochen früher machen sollen.)

angesichts dessen, dass wir alle in den letzten Monaten Ungeheuerliches im Zusammenhang mit der Mordserie der Rechtsextremisten, des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds, an Erkenntnissen gewonnen haben, angesichts dessen sollten wir alle Respekt vor dieser Lebensleistung haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe FDP)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Darum geht es überhaupt nicht.)

(Unruhe im Hause)

In einer Zeit - Sie dürfen das gern zu Protokoll geben, Herr Barth -, als kaum jemand - und vielleicht hören Sie mir doch noch mal zu

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das klappt nicht.)

etwas vom Erstarken der rechtsextremistischen Strukturen, insbesondere der neonazistischen Kameradschaftsszene in Thüringen, wissen wollte ich bitte schon, auf die Formulierung zu achten -,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Herr Rame- low hat es immer gewusst.)

hat er immer wieder gemahnt und gewarnt, dass die Gesellschaft das nicht so einfach hinnehmen darf.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Er musste erleben, dass junge Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passten, weil sie anders aussahen und anders dachten, verprügelt wurden und bestimmte Stadtteile Jenas nicht mehr gefahrlos betreten konnten.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das ist Herrn Barth nicht aufgefallen.)

(Unruhe DIE LINKE, FDP)

Er wurde selbst Ziel von Übergriffen und Anfeindungen. Er musste erleben, dass Rechtsextremismus bagatellisiert wurde, dass er angeblich ein Problem anderer Regionen - Hoyerswerda, Rostock oder Solingen - war, nicht aber ein Problem auch für unser Land. Unter diesen Bedingungen durchzuhalten, nicht aufzugeben, weiter für seine Überzeugungen einzutreten, erfordert sehr viel Mut und Kraft.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nach den gesamten Kriterien ist Herr König auf jeden Fall eine Person, die sich in einem besonders schwierigen Umfeld gegen Rechtsextremismus engagiert, und eine Person, die auf ein langjähriges, kontinuierliches Engagement verweisen kann. Seine Arbeit kann auch für Jena durchaus besondere Erfolge in der Arbeit für eine demokratische und offene Alltagskultur vorweisen. Natürlich waren wir uns bewusst, dass diese Entscheidung nicht nur Zustimmung ernten würde, denn Herr König ist ein unbequemer Streiter gegen Rechtsextremismus und für unsere Demokratie. Auch ich, Herr Barth auch ich -, bin nicht immer einer Meinung mit ihm. Aber ist es nicht das Merkmal einer lebendigen Demokratie,

(Ministerin Taubert)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Darum geht es überhaupt nicht.)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

dass sie auch die andere, die unangepasste Meinung zulässt und als notwendige Auseinandersetzung aufgreift? Und müssen wir nicht rückblickend feststellen, dass seine Mahnungen von der Realität weit übertroffen wurden?

(Unruhe DIE LINKE, FDP)

Ich möchte auch noch mal auf die Vorwürfe eingehen. Jeder kann ja dazu eine Meinung haben, aber was wir nicht erkennen konnten und was ich auch heute noch mal bekräftigen möchte, wir haben nicht in die Unabhängigkeit der Justiz eingegriffen. Der Gedanke ist uns überhaupt nicht gekommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das kann ich für alle Jurymitglieder sagen. Ebenso wenig wie die öffentlichen Vorverurteilungen hat die Preisvergabe irgendeinen Einfluss auf das strafrechtliche Verfahren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar persönliche Worte sagen. Herr Bergner hat ja in seiner Pressemitteilung, bzw. ist er so zitiert worden, beim MDR gesagt: Er wisse jetzt, welch Geistes Kind ich bin. Wäre schön, Herr Bergner, wenn wir kommunizieren könnten auch über Blickkontakt. Sie können es nicht wissen, Sie kennen meine Vergangenheit nicht und Sie kennen auch nicht meine Familie. Ich kann Ihnen sagen, wes Geistes Kind ich bin, ich bin das Kind zweier Eltern, die Krieg erlebt haben, die Menschen verloren haben im Krieg und die mir sehr eingeschärft haben, nie wieder Krieg, und die sehr genau beschrieben haben, wie dieser Krieg auch zustande gekommen ist. Und deshalb mögen wir unterschiedliche Meinungen haben, ich kann Ihnen sagen, wes Geistes Kind ich bin, und das möchte ich auch hier tun. Und ich finde

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auch eine persönliche Bemerkung -, wenn Sie oft zu solchen Demonstrationen gehen, ob in Dresden, ich war im Übrigen da gewesen, nicht ganz vorn, gar nicht mein Thema,

(Unruhe FDP)

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: War es ja noch nie.)

aber doch mit vielen zusammen, zum Beispiel mit Herrn Thierse, Frau Göring-Eckardt war damals dabei gewesen, wir sind herumgelaufen, haben uns die vielen engagierten Menschen angeschaut, dann

ist es natürlich auch schwierig abzugrenzen: Wer ist denn jetzt einer, der in die Richtung Ihrer Beschreibung von Lothar König geht, und wer ist es denn nicht? Und Sie wissen auch, Herr Bergner, gerade weil wir zwei schon in den vergangenen Jahren auch sehr schwer kämpfen mussten, dass wir in Greiz und Umgebung die Neonazis in den Schranken halten, und da habe ich Sie als guten Partner erlebt, dass das hier nicht in die falsche Kehle kommt. Ja, Herr Barth, ich bin ja ehrlich, ich muss ja nicht jetzt hier politischen Gewinn daraus ziehen.

(Beifall DIE LINKE)

Da haben wir doch gemerkt, wir müssen als Demokraten zusammenhalten an der Stelle, so unterschiedlich die Meinungen sind. Wir haben in dem Bürgerbündnis ständig mit Supervisionen arbeiten müssen, weil wir gegenseitig unsere Meinungen so unterschiedlich vorgebracht haben und weil wir uns als Menschen am Ende selber stigmatisiert haben, und das ist das, was mich so daran ärgert, auch an dieser Diskussion heute. Wenn wir nicht zusammenhalten, wenn wir nicht zusammen auf die Straße gehen und wenn wir nicht dort zeigen, und zwar den Neonazis zeigen, dass wir zusammenhalten, wenn wir so eine Diskussion machen, dann haben wir doch schon verloren und das, finde ich, ist sehr bedauerlich. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe jetzt diesen Teil der Aktuellen Stunde und die Aktuelle Stunde als Ganzes. Die Tagesordnungspunkte 1 a und b werden wir morgen aufrufen.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 2 in seinen Teilen

a) Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Thüringen (Wahlalter- 16-Gesetz) Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/6121 ZWEITE und DRITTE BERATUNG