toren und Kaimane zum Beispiel - während des Fressens absondern und das als Heuchelei interpretiert wurde. Wikipedia sagt: „Krokodilstränen vergießen“ ist eine Redensart, die eine geheuchelte Zurschaustellung von Trauer, Betroffenheit und Mitgefühl zum Ausdruck bringen will.
Ich glaube, was die Situation der Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien betrifft, werden im Moment ganz viele Krokodilstränen vergossen, ohne dass auf die zur Schau gestellte Betroffenheit und das Mitgefühl tatsächlich Hilfe erfolgt.
Der Thüringer Innenminister beispielsweise hat in seiner Medieninformation am 30. August gesagt Zitat -: „Die Bilder und Nachrichten aus Syrien machen uns alle tief betroffen. Wir müssen hier dringend handeln.“ Das Handeln ist dann dergestalt passiert, dass eine Aufnahmeanordnung erlassen wurde, in der die besagte Verpflichtungserklärung steht. Ich will mal zitieren, was die Verpflichtungserklärung besagt, die steht in § 68 des Aufenthaltsgesetzes und da steht: „Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch (...) beruhen.“ Das heißt, wenn diese Aufnahmeanordnung umgesetzt wird - und die ist Anfang September den Landkreisen und kreisfreien Städten zugeleitet worden -, wird das bedeuten, dass kaum Syrerinnen und Syrer, die schon hier leben, ihre Verwandten hierher nachholen können, weil es sich nämlich in der Mehrzahl der Fälle nicht um wohlhabende Familien handelt, die hier leben, sondern um Menschen, die selber geflüchtet sind und die selber kaum ihren Lebensunterhalt allein bestreiten können.
Wie sollen - Frau Rothe-Beinlich hat es schon gesagt, das könnte nicht mal ein Durchschnittsverdiener hier in der Bundesrepublik leisten - diese Familien es leisten, alle für den Lebensunterhalt, auch im Krankheitsfall und im Pflegefall aufgewendeten Kosten für die nachgeholten Verwandten zu bestreiten? Ich weiß gar nicht, ob das ein Landtagsabgeordneter oder eine Landtagsabgeordnete leisten kann, wenn beispielsweise die Angehörigen traumatisierte Flüchtlinge sind, die aus einem Kriegsgebiet kommen und tatsächlich mit den Nachwehen ihres Erlebten zu kämpfen haben. Ich weiß nicht, wie schnell sich da die Krankheits- oder Behandlungskosten auf Tausende und noch viel höher belaufen.
Frau Holbe hat am Anfang ihrer Rede davon gesprochen, dass Hilfe und Unterstützung der Betroffenen geboten sei, sie ist sie aber nicht bereit zu leisten. Sie hat wahrscheinlich die Rede zum letzten Plenum vorgelesen, die ihr zum September-Plenum aufgeschrieben worden ist, denn sie hat überhaupt nicht gemerkt, dass wir eine Neufassung vorgelegt haben. Diese Rede hätten Sie aber im September vorlesen sollen.
Da haben Sie es aber abgelehnt, die Situation der Flüchtlinge aus Syrien als dringend einzuordnen und den Antrag direkt im September-Plenum zu behandeln. Sie begründen die Verpflichtungserklärung mit der sich verschärfenden Unterbringungssituation der Flüchtlinge in Thüringen und sagen damit ganz direkt und im Klartext, dass die CDU gar keine syrischen Flüchtlinge aufnehmen will. So muss ich das interpretieren.
Sie begründen das damit, dass Sie nicht Menschen mit dem Geld anderer versorgen wollen. Da möchte ich Sie einmal an die humanitäre Verantwortung erinnern, die die Bundesrepublik Deutschland hat, nämlich auch dadurch, dass sie an dem Elend der Menschen verdient, beispielsweise indem sie am Waffenhandel verdient, der unter anderem auch mit solchen Staaten wie Syrien gemacht wird.
- Sie sind sehr gespannt, nicht, Herr Koppe? Sie alle haben in den vergangenen Wochen mitbekommen, wie endlich einmal die Tragödie, die sich tagtäglich seit Jahren vor Lampedusa beispielsweise abspielt, den Weg in die Medien gefunden hat. Seit Jahren sterben dort Menschen auf dem Weg ins sichere Europa, Menschen, die vor Not, Elend, vor Kriegen flüchten müssen und dafür keinen anderen Weg sehen als in wackligen, kaputten, beengten Booten übers Mittelmeer zu fahren. Auch hier werden viele Krokodilstränen vergossen. Alle in ganz Europa sind tief betroffen von dieser schlimmen Tragödie, aber nur die wenigsten sind bereit, tatsächlich zu helfen, nur die wenigsten sind bereit, die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union zu ändern - Krokodilstränen, meine Damen und Herren.
Ich möchte nicht, dass Thüringen Krokodilstränen vergießt und dann nicht hilft. Deswegen müssen wir, sagen wir, und wir hoffen, Sie überzeugen zu können, diese Aufnahmeanordnung verändern und diese unsägliche Verpflichtungserklärung, die ver
hindern wird, dass Menschen hierher, dass Syrerinnen und Syrer ihre Verwandten hierher holen. Da müssen wir diese Verpflichtungserklärung rausstreichen aus dieser Aufnahmeanordnung.
Ebenso müssen wir ändern, dass nur syrische Staatsangehörige hierher geholt werden dürfen. Es gibt beispielsweise auch die wirklich große Gruppe der in Syrien auch diskriminierten Kurden. Auch das sind Menschen, die vom Bürgerkrieg dort betroffen sind und die unserer humanitären Hilfe bedürfen. Und wir müssen auch ändern, dass es sich nur um Menschen handeln darf, die entweder noch in Syrien oder in einem Anrainerstaat sind. Wir meinen, alle Menschen, die aus Syrien flüchten, sollten das Recht haben, zu ihren Verwandten hierher nach Thüringen oder in die Bundesrepublik zu kommen.
Meine Wut über Frau Holbes Rede hat sich ein bisschen gelegt. Trotzdem muss ich eins noch loswerden. Ich habe gestern Frau Holbe gebeten, nicht zur Brandstifterin zu werden, und zwar bezogen auf ihre doch ins Rassistische anmutende Äußerung, wenn nach Beichlingen Flüchtlinge kämen, würde die Hohe Schrecke darunter leiden. Ich will heute nicht wieder warnen, als Brandstifterin aufzutreten, Frau Holbe, ich glaube, Sie sind eine.
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Sie können mir gern einen Ordnungsruf geben, aber was ich mir sparen kann, entscheide ich selbst.)
Wir setzen die Beratung fort und ich rufe auf die Frau Abgeordnete Regine Kanis von der SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon nicht ganz einfach, nach so einer Rede wieder zu dem sachlichen Anliegen des Antrags zurückzukommen.
Die Bilder, Reportagen, Berichte aus Syrien haben sicher alle hier Anwesenden vor Augen, ohne dass wir Krokodilstränen vergießen wollen, aber man kann sich der traurigen Wahrheit über einen Bürgerkrieg mit ungewissem Ausgang, ungewisser Länge und unvorstellbarem Leid und Zerstörung nicht entziehen. Das Blutvergießen und die Zerstörungen tragen mindestens ebenso wie die ungewisse Zukunft und die gerechtfertigte Angst vor einer erneuten Verschärfung der Eskalation, wie zum Beispiel dem Giftgasangriff, dazu bei, dass Millionen von Menschen auf der Flucht sind. Sie haben meist Zuflucht in den Nachbarländern gefunden und Bilder von den Flüchtlingslagern und den Verhältnissen dort sind ebenso erschreckend wie besorgniserregend. Deshalb ist jeder Betroffene froh, wenn er eine sichere Zuflucht für sich findet und natürlich auch seine Familienangehörigen in Sicherheit weiß. Angesichts des millionenfachen Leids ist das deutsche Aufnahmekontingent von 5.000 Menschen nur ein ganz kleiner Tropfen und es mildert die Not in der Region kaum. Dessen bin ich mir selbst bewusst. Andererseits ist das deutsche Kontingent zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung, obwohl ich mir bewusst bin, dass das den antragstellenden Fraktionen wie immer viel zu wenig ist.
Im Rahmen des Aufnahmekontingents haben sich Bund und Länder auf die zusätzliche Aufnahme von Familienangehörigen syrischer Herkunft geeinigt. Die Bundesländer können diesbezüglich eine eigene Aufnahmeanordnung erlassen, benötigen aber, und das scheinen die Antragsteller nicht zu berücksichtigen, für deren Inkrafttreten das Einvernehmen des Bundesinnenministeriums.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Entschuldigung, Nordrhein-Westfalen hat es hinbekommen.)
Dazu komme ich noch. Wie die allermeisten Bundesländer ist Thüringen diesen Weg inzwischen gegangen. Wir haben eine eigene, mit dem Bundesinnenministerium abgestimmte Aufnahmeanordnung und diese unterscheidet sich nur graduell von denjenigen der anderen Bundesländer. Das ist die derzeitige Rechtssituation
Der Opposition genügt das aber offenbar nicht. Bündnisgrüne und Linke haben zunächst beantragt, dass Thüringen überhaupt eine Aufnahmeanordnung für Familienangehörige erlässt.
Nachdem dies geschehen ist, also die Aufnahmeanordnung vorliegt, wird die Höhe von der Opposition sofort ein gutes Stück höher gelegt.
Laut Punkt I des Antrags soll die Aufnahmeanordnung nämlich nicht mehr bloß für Familienangehörige mit syrischer Staatsangehörigkeit gelten, sondern für sämtliche aus Syrien geflohene oder sich dort noch aufhaltende Menschen, sofern sie nur Verwandte in Thüringen haben, und damit völlig unabhängig von ihrer jeweiligen Staatsangehörigkeit.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was haben denn Kurden für eine Staatsbürgerschaft?)
Meine Damen und Herren, aber wir können nicht von hier aus das syrische Staatsbürgerrecht ändern, so ungerecht es auch uns allen hier erscheinen mag.