Sabine Berninger
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Herr Fiedler, wer ein bisschen in der Legislaturperiode aufgepasst hat, hat bemerken können, dass wir ein paar Themen haben, bei denen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE auch jetzt schon gemeinsame Anträge stellen.
Ein Thema, das sich wiederholt, sind Anträge zu Abschiebestopps in die Balkanstaaten. Weswegen wir jetzt sagen, der Antrag in Tagesordnungspunkt 26 hat eine besondere Dringlichkeit, da geht es um einen vorübergehenden Abschiebestopp in die von der Flutkatastrophe betroffenen Länder. Wir hielten es für ein verheerendes Signal, wenn dieser Antrag der Diskontinuität anheim fallen würde, und wir möchten Sie dringend bitten, diesen Antrag heute auf jeden Fall zu beraten. Natürlich wollen wir auch bitten, ihn zu beschließen.
Wir glauben, dass der Antrag einigermaßen Aussicht auf Erfolg hat, eben weil es um eine besonders schlimme Situation der betroffenen Menschen geht und weil wir aus der SPD-Fraktion wissen, dass dort der Wunsch besteht - zumindest laut Pressemitteilungen und Briefen, die geschrieben wurden, beispielsweise von Frau Taubert oder Frau Kanis -, dass die Menschen vor einer Abschiebung in diese betroffenen Gebiete geschützt werden sollen. Wir bitten Sie sehr herzlich, diesen Antrag heute zu beraten. Danke.
Vielen Dank.
Anhörungsverfahren gemäß § 117 Thüringer Wassergesetz
Derzeit befindet sich der Entwurf für die Rechtsverordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes für die Trinkwassergewinnungsanlagen der Erfurter Wasserwerke im Anhörungsverfahren gemäß § 117 ThürWG.
Die vierwöchige Auslegungsfrist bis zum 1. Juli 2014 sowie der Hinweis, dass innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Wasserbehörde Bedenken gegen die Festsetzung des Schutzgebietes, die Feststellung des Überschwemmungsgebietes oder den Erlass einzelner Schutzanordnungen sowie Anregungen zu dem Entwurf vorgebracht werden können, waren ortsüblich unter anderem in den Amtsblättern des betroffenen Landkreises sowie der betroffenen Gemeinden bzw. Verwaltungsgemeinschaften bekannt gemacht worden.
In einem Zeitungsinterview, mündlich in verschiedenen Informationsveranstaltungen und inzwischen auch mittels einer Medieninformation und einer Bekanntmachung gaben die zuständigen Referatsleiter des Thüringer Landesverwaltungsamtes bekannt, dass die Frist für das Vorbringen von Bedenken und Anregungen bis zum 30. November 2014 verlängert werde. Jedoch kann eine „ortsübliche“ Bekanntmachung dieser Fristverlängerung erst nach dem 15. Juli 2014 erfolgen, da diese Entscheidung erst nach Redaktionsschluss der Amtsblätter bekannt wurde.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie beurteilt die Landesregierung die beschriebene Vorgehensweise, während eines laufenden Verfahrens nach § 117 ThürWG eben dieses Verfahren zu verändern?
2. Sofern es keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Fristverlängerung nach Ablauf der bekannt gemachten Frist gibt: Sind auch Bedenken und Anregungen, die zwischen der ursprünglichen Frist und der ortsüblichen Bekanntmachung der neuen Frist vorgebracht werden, zwingend in das Verfahren einzubeziehen im Sinne des § 117 Abs. 1 Satz 3 ThürWG?
3. Unter welchen Voraussetzungen und aufgrund welcher rechtlichen Grundlage kann das derzeit laufende Verfahren durch wen gestoppt werden?
4. Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?
Eine zunächst, Frau Vorsitzende. Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, auf den Termin der ortsüblichen Bekanntmachung kommt es bei der Fristverlängerung nicht an. Da möchte ich einmal fragen: Gibt es dazu einschlägige Rechtsprechung?
Ich habe zwei, wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin. Herr Rieder, mich würde interessieren, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das ja eine Regionalstelle in Hermsdorf hat, in Suhl auch eine Regionalstelle eröffnet, bzw. wie gesichert wird, dass das Asylverfahren zum Beispiel mit dem Interview ablaufen kann.
Meine zweite Frage: Sie hatten im Innenausschuss vorige Woche von zwei Sozialarbeiterinnenstellen gesprochen, die es dort gäbe. Unmittelbar nach der Sitzung habe ich gehört, dass die potenziellen Sozialarbeiterinnen, die sich dort bewerben sollen, erst angeschrieben würden durch das Arbeitsamt. Deswegen frage ich Sie: Wie ist die soziale Betreuung derzeit dort abgesichert?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, das Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetzes vom 12. März 2014 in der Drucksache 5/7454 wurde in der 149. Landtagssitzung am 21. März 2014 in erster Lesung beraten und an den Justiz- und Verfassungsausschuss überwiesen. Kernpunkte des Gesetzentwurfs sind die Neugestaltung der Amtszeiten, insbesondere die Begrenzung der Wiederwahlmöglichkeiten auf eine sowie die Anhebung der absoluten Altersgrenze für die Ausübung des Richteramtes auf 70 Jahre, die Lückenschließung bei der Dienstunfallabsicherung für die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter, die Anpassung der Möglichkeiten bei der Auswahl der Prozessvertreterinnen an europäische Vorgaben. So ist es nun möglich, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer aus anderen EU-Staaten zu benennen. Ein weiterer Punkt im Gesetzentwurf ist die Einführung einer Kammerentscheidung in kleinerer Besetzung und ein letzter die Anhebung der sogenannten Missbrauchsgebühr. In der 69. Sitzung des Justizund Verfassungsausschusses am 2. April 2014 wurden vom Ausschuss für den vorliegenden Gesetzentwurf die Durchführung einer schriftlichen Anhörung und die Veröffentlichung im Online-Diskussionsforum des Thüringer Landtags beschlossen. In der schriftlichen Anhörung nahmen als Sachverständige die Verfassungsgerichte bzw. Verfassungsgerichtshöfe der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie der Staatsgerichtshof Hessen sowie die Professoren Brenner, Jutzi und Morlok Stellung, ebenso der Thüringer Verfassungsgerichtshof in einem Schreiben. Ohne näher ins Detail gehen zu wollen, gab es in den Stellungnahmen zu den oben
genannten Kernpunkten des Gesetzentwurfs sowohl zustimmende als auch ablehnende Stellungnahmen, so zum Beispiel, inwiefern die demografische Entwicklung der Gesellschaft die Anhebung der absoluten Altersgrenze für die Amtsausübung rechtfertige bzw. welche Kriterien wie zu gewichten sind bei Festlegung der Länge der Amtszeit. Die Lückenschließung bei der Dienstunfallfürsorge und die Anpassung der Prozessvertretungsregelungen an EU-Vorgaben waren Dinge, die von allen Anzuhörenden als notwendig bzw. sinnvoll bezeichnet wurden.
Ein Änderungsantrag der FDP-Fraktion, die unter anderem Veränderungen der personellen Zusammensetzung bei der Kammerentscheidung beantragt hatte, fand im Ausschuss keine Mehrheit. Eine Mehrheit im Ausschuss fand aber der von der CDU, SPD, von den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen eingereichte Änderungsantrag, der unter anderem entgegen der erklärten Absicht des Justizministers die absolute Altersgrenze für die Übernahme des Verfassungsrichterinnenamtes von 70 Jahren wieder auf die derzeit schon geltenden 68 Jahre senkt und für die ordentlichen Mitglieder des Gerichts eine neue Gesamtamtsdauer nach einmaliger Wiederwahlmöglichkeit von 14 Jahren festlegt.
Dieses Abstimmungsergebnis liegt dem Landtagsplenum jetzt in der Beschlussempfehlung des Justiz- und Verfassungsausschusses in Drucksache 5/7975 zur Entscheidung vor. Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann nicht versprechen, mich kurz zu fassen, es geht um das Verfassungsgerichtshofsgesetz und wir haben schon gekürzte Redezeit.
Es gibt in dem Gesetzentwurf eine notwendige Änderung: die Anpassung an EU-Vorschriften hinsichtlich der Personen, die für die Übernahme der Prozessvertretung beim Verfassungsgerichtshof infrage kommen. Auch die Einführung einer Verzögerungsbeschwerde sieht DIE LINKE als notwendig und sinnvoll, weil auch bei diesem Gerichtszweig für Betroffene der Zeitfaktor über dem faktischen
Behalt oder Verlust einer Rechtsposition entscheiden kann und es daher auch hier den Schutz gegenüber langen Verfahren braucht, den auch andere Verfassungsgerichte als notwendig ansehen, wenn auch das Verfassungsgericht Brandenburg, Herr Scherer, mit wenig überzeugenden Argumenten, meine ich allerdings, hier anders argumentiert. Sicherlich unstreitig, nicht nur nach Auffassung der Anzuhörenden, auch nach unserer Auffassung, ist, dass der gesetzliche Lückenschluss bei der Dienstunfallversorgung der Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter sehr sinnvoll ist. Mehr noch, mit Blick auf die Fürsorgepflicht der öffentlichen Hand ist unseres Erachtens dieser Lückenschluss geboten. Mit Blick auf die aktiven Berufsrichterinnen und Berufsrichter, die zusätzlich ein Amt beim Verfassungsgerichtshof innehaben, ist dann in der Praxis bei solchen Vorkommnissen für eine klare Zuordnung zu der einen bzw. der anderen Tätigkeit zu sorgen. Die Zusammenstellung der Änderungspunkte wirkt auf uns bis auf die beiden schon genannten Punkte eher beliebig, da die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit nicht aller Änderungen, die vorgeschlagen wurden, sich zwingend erschließen. Die Fraktion hat sich daher im Ausschuss enthalten und wir werden das auch hier in der Schlussabstimmung tun. Inhaltlich klar abzulehnen als Einzeländerung ist die Anhebung der sogenannten Missbrauchsgebühr für angeblich offensichtlich unbegründete Klagen. Hier wird nach unserer Ansicht eine unnötige finanzielle Hürde auf dem Rechtsweg aufgestellt. Wir meinen, es ist in einem sozialen Rechtsstaat gutes Recht, wenn Menschen den vollständigen Rechtsweg zur Durchsetzung ihrer Rechte nutzen. Die Einführung von Missbrauchsgebühren verletzt nach unserer Ansicht diese Rechtsweggarantie. Für wirklich offensichtlich unbegründete Verfahren gibt es die Möglichkeit einer schnellen Bearbeitung, denn die Falllösung ist schnell ersichtlich, sonst könnte man nicht von „offensichtlich unbegründet“ sprechen. Dann braucht man aber für die Sicherung der Verfahrenseffektivität keine Missbrauchsgebühr. Verfahren, die zu ihrer Bewertung eine etwas intensivere Bearbeitung benötigen, können dann auch nicht „offensichtlich unbegründet“ sein. In einem solchen Fall darf eine solche Gebühr dann ohnehin nicht verhängt werden.
Bei der Ausgestaltung der Amtszeit der Richterinnen und Richter konnte schon der Eindruck entstehen, dass sich hinter dem Argument mancher Vertreterinnen der Koalition, man müsse mit der Ausgestaltung der Amtszeit auch die Kontinuität der Erfahrung und Rechtsprechung sichern, die leise Befürchtung verbirgt, dass andere Mehrheiten im Landtag irgendwann auch andere qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für den Verfassungsgerichtshof wählen könnten, als das die jetzigen Mehrheiten getan haben.
Dazu passt dann auch meines Erachtens, dass sich die Koalitionsmehrheit im Ausschuss mit ihrem Vorschlag auf eine siebenjährige Amtszeit - bisher waren es fünf Jahre - mit einer einmaligen Wiederwahlmöglichkeit durchsetzte, so dass nun die Länge der Amtszeit bei insgesamt 14 Jahren gedeckelt ist. Bisher war die Wiederwahl unbegrenzt zulässig. Es bleibt nach unserer Ansicht daher stark zu hoffen, dass diese Neuregelung die auch bei einem Verfassungsgericht notwendige Personalerneuerung weiter gewährleisten kann.
Zum Abschluss möchte ich noch anmerken: Die Fraktion DIE LINKE lehnt die Möglichkeit der Kammerentscheidung in einer kleineren Besetzung nicht ab, soweit sichergestellt ist, dass auch in der Kammer ordentliche Mitglieder aus der Gruppe der Berufsrichterinnen und Berufsrichter vertreten sind. Aber für uns stellt sich doch die Frage, ob angesichts der Überschaubarkeit der Thüringer Verhältnisse auch beim Verfassungsgerichtshof diese neue, verkleinerte Eilentscheidungsvariante tatsächlich gebraucht wird. Wir werden es mit der Erfahrung sehen. Sie werden Ihre Mehrheit nutzen, das Gesetz jetzt so abzustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Linke unterstützt mit Blick auf die fachliche Qualitätssicherung der gerichtlichen Arbeit in Wirtschaftsstrafsachen die Konzentration der Zuständigkeit für diese Verfahren am Landgericht Mühlhausen für ganz Thüringen. Allerdings müssen diese gesetzlichen Festlegungen
dann auch mit den entsprechenden personellen und logistischen Mitteln abgesichert werden, damit zum Beispiel nicht durch überlange Verfahren der Rechtsschutz leidet, meine Damen und Herren. Aus der Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts - stimmt etwas nicht mit dem Ton?
Genau. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Der Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts Mühlhausen in der schriftlichen Anhörung ist sehr deutlich zu entnehmen, dass für Wirtschaftsstrafsachen mehr als in anderen Verfahrensbereichen inhaltliche Fachkompetenzen gebraucht werden, die in einem normalen rechtswissenschaftlichen Studium nicht vermittelt werden. Deswegen sind nach unserer Ansicht drei Wege zu beschreiten:
1. Klassisch ausgebildete Juristinnen und Juristen sollten als Richterinnen oder Staatsanwältinnen die notwendigen Nachqualifizierungen bekommen können, eingeschlossen des dafür notwendigen Zeitkontingents. Die Personalausstattung und die Geschäftsverteilung müssen das dann in der Praxis berücksichtigen.
2. sind im Bereich Wirtschaftsstrafsachen auch Quereinsteigerinnen gefragt, also beispielsweise Steuerprüferinnen, Steuerfahnderinnen, Menschen mit betriebswirtschaftlichen, bilanztechnischen und IT-Kenntnissen. Der Freistaat muss daher auch für eine verstärkte Beschäftigung solcher Quereinsteigerinnen sorgen.
3. ist zu prüfen, inwieweit die Ausbildung der Juristinnen und Juristen an den Hochschulen und im Vorbereitungsdienst für eine bessere frühzeitige zusätzliche Spezialisierung bzw. Qualifizierung in Sachen Wirtschaftskriminalität und Wirtschaftsstrafsachen weiterentwickelt werden kann bzw. muss. Das gilt bundesweit, aber besonders auch mit Blick auf die rechtswissenschaftliche Ausbildung in Thüringen. Die Frage der Ausgestaltung der Kleiderordnung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vor Gericht den Rechtsanwaltskammern als Berufsvertretungen zu überlassen und diese Frage nicht mehr gesetzlich zu regeln, das begrüßen wir ebenfalls. Dabei, das habe ich auch schon in der ersten Lesung angedeutet, ist immer zu bedenken, dass
Kleider weder Leute machen, das heißt, Roben einfach Gerechtigkeit machen, bloß weil sie getragen werden. Ein tatsächlich wirksamer sozialer Rechtsstaat, der diesen Namen wirklich verdient, hängt nicht an der Robenfrage, sondern er hängt ab von fachlich-inhaltlichen Entscheidungen, die zu einer langfristig gerechten Lösung der Konflikte zwischen den Verfahrensparteien führen. Er hängt an zeitnaher wirksamer Rechtsdurchsetzung und an einer verständlichen und in ihren Interessenabwägungen sinnvollen, das heißt auch sozial ausgewogenen Rechtsordnung, also nicht am Recht des Stärkeren, sondern an der Stärke des Rechts, um soziale Nachteile vor allem mit Blick auf die ungleiche Verteilung gesellschaftlicher Macht auszugleichen.
Meine Fraktion befürwortet auch die Beibehaltung der Bearbeitungszuständigkeit der Richterinnen und Richter bei der Erstbewilligung der Prozesskostenhilfe. Die Position des Rechtspflegerbundes Thüringen, sinngemäß heißt sie, wer letztlich entscheidet, soll den Fall auch prüfen, ist konsequent und fachlich nachvollziehbar. Dass die Berufsgruppe der Rechtspflegerinnen fachlich auch in der Lage wäre, diese PKH-Fälle zu bearbeiten, das wollen wir damit nicht infrage stellen, aber die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger müssten dann, wenn man es ihnen überließe, konsequenterweise auch die Entscheidungsbefugnis und nicht nur die Prüfungs- und Vorerarbeitungspflicht erhalten. Das hieße dann, darauf verweisen die Thüringer Rechtspflegerinnen in ihrer Stellungnahme zu Recht, auch mehr personeller und logistischer Bedarf und auch eine bessere Bezahlung meines Erachtens. Die Linksfraktion hat sich im Ausschuss letztlich beim Gesetzentwurf enthalten, und zwar aus dem Grund, dass von der Koalitionsmehrheit im Ausschuss in den Gesetzentwurf die Kostenerleichterungen für Notarinnen und Notare hineinformuliert wurden. Das können wir in dieser Form so nicht mittragen, da wir meinen, dass diese Berufsgruppe insoweit als finanziell leistungsfähig genug angesehen werden kann. Deshalb werden wir uns jetzt enthalten. An dieser Einstellung ändern auch die Hinweise der beiden berufsverbandlichen Strukturen, der Notarkammer und des Notarbundes Thüringen, auf die Ausgestaltung des Berufs in Thüringen als Nurnotar ohne weitere Aufgabenfelder nichts. Auch die Berufsfreiheit ist, entgegen der Einschätzung der beiden Organisationen, unseres Erachtens nicht unzulässig beeinträchtigt, würden die Kostenerleichterungen nicht in das Gesetz hineinformuliert. Denn auch die neuen Antrags- und Bearbeitungsgebühren stellen keine unüberwindlichen Hürden für die Berufsausübung dar, sondern vielmehr eine Regelung der bloßen Ausgestaltung der Berufsausübung. Dazu kommt, dass sich die meisten Notare aus einer vorausgehenden Berufstätigkeit weiter zum Notar qualifizieren, und auch das erleichtert die Zahlung dieser Gebühren für das Zulassungsverfahren. Sollte es atypische Fälle geben, in de
nen Antragstellerinnen doch nicht die Gebühr bezahlen können, so gibt es Ratenzahlung, Stundung und Erlass und wir meinen, das ist ausreichend. Wir werden uns also zu dem Gesetzentwurf enthalten. Wir hätten ohne diese Kostenerleichterung sogar zustimmen können. Vielen Dank.
Ich habe es mir ein bisschen spät überlegt. Können Sie die Zeitgründe bitte noch einmal erklären? Das hat jetzt bei mir auf völliges Unverständnis getroffen.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Trinkwasserschutz in Thüringen sichern Lasten gerecht verteilen“, worum geht es in dieser Aktuellen Stunde? Gemäß § 117 des Thüringer Wassergesetzes läuft derzeit beim Landesverwaltungsamt ein Anhörungsverfahren für die Rechtsverordnung zur Anpassung des bestehenden Wasserschutzgebiets für die Trinkwassergewinnungsanlagen der Erfurter Wasserwerke. Das soll für die Trinkwasserversorgung von etwa 235.000 Personen ein Schutzgebiet von insgesamt etwa 160 Quadratkilometern festlegen, in dem etwa 16.000 Personen leben. Für diese 16.000 vorwiegend im ländlichen Gebiet lebenden Menschen hält der Verordnungstextentwurf Unmengen von Verboten, Genehmigungstatbeständen und
Auflagen bereit, die zum großen Teil nicht schlüssig begründet wurden. Der Entwurf führt zu finanziellen Mehraufwendungen, unter anderem des Wasserund Abwasserzweckverbandes Arnstadt und Umgebung, die dadurch begründet sind, dass Fristen und Maßnahmen, die im Abwasserbeseitigungskonzept festgelegt und genehmigt sind, nicht berücksichtigt wurden. Dem WAZV entstehen dadurch Mehrkosten von insgesamt 20 Mio. €, die ebenfalls die etwa 16.000 Betroffenen tragen müssten - zusätzlich zu den Kosten, die die Straßenbaulastträger wahrscheinlich noch auf die Einwohnerinnen umlegen müssen, und zusätzlich zu den biologischen Kleinkläranlagen, die nur für einen kurzen Zeitraum bis zum Zwangsabschluss an das öffentliche Netz zu errichten sind, und zwar entgegen diesem Abwasserbeseitigungskonzept, auf das die Leute dachten sich verlassen zu können. Für viele der betroffenen Grundstückseigentümerinnen entstehen durch die geforderte Einrichtung dieser Kleinkläranlagen zusätzliche Kosten, und das, obwohl es andere Möglichkeiten der Trinkwasserversorgung dieser etwa 235.000 Verbraucherinnen in und um Erfurt gäbe, nämlich durch eine erhöhte Abnahmemenge an Fernwasser, die aber nicht erwogen wird, weil sonst die Erfurter Wasserwerke in die Leitungssysteme, die sehr marode sind, investieren müssten.
Warum wir das Ganze im Thüringer Landtag thematisieren, will ich kurz versuchen zu erklären. Es hat nämlich nicht nur Bedeutung für Erfurt oder den hauptsächlich betroffenen nördlichen Ilm-Kreis, weil es nach dem Inkrafttreten des Thüringer Wassergesetzes 1994 das dritte Verordnungsverfahren zur Festsetzung eines solchen Schutzgebiets ist, weil in der Gestaltung des Verfahrens nach unserer Auffassung große Fehler und Leichtsinnigkeiten gemacht worden sind, zum Beispiel wenn es um die Größe des festgesetzten Schutzgebiets geht, was nicht schlüssig begründet ist, was willkürlich erscheint, was einige der Gründe angeht, die für die überbordenden Auflagen und Verbote angeführt werden, die zum Teil ebenfalls nicht schlüssig begründet sind. Es hat deswegen Bedeutung für den Thüringer Landtag, weil es ein sehr bezeichnendes Licht auf die Landesverwaltung und damit die Landesregierung und die sie tragende Mehrheit im Landtag wirft, nämlich nicht allein wegen der Frage, welcher Zeitpunkt für die Auslegungs- und Einwendungsfrist gewählt wurde, nämlich - und das ist für die Landbevölkerung schon wichtig - der der Sommerzeit. Im Juni wurde der Verordnungsentwurf ausgelegt, im Sommer, wo die Landbevölkerung eigentlich anderes zu tun hat, nämlich in Haus, Hof und in der Ernte, als eine solche Verordnung zu lesen. Und weil die Auswirkungen so unverhältnismäßig sind, weil unseres Erachtens keine Abwägung zwischen der Belastung der 16.000 Betroffenen und den hohen Kosten, die die Betroffenen allein zu tragen haben, erfolgt ist, zum Beispiel wegen der
völlig überbordenden Auswirkungen auf regionale Landwirtschaftsproduktion. Dadurch, dass nämlich eine vernünftige wirtschaftliche Viehhaltung mit diesem Verordnungsentwurf verunmöglicht wird oder beispielsweise dadurch, dass die Festlegung im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, 5 Prozent ökologische Vorrangflächen beispielsweise für stickstoffbindende Pflanzen vorzuhalten, jetzt dadurch umgedreht wird, dass solche Pflanzen nicht mehr gezogen werden dürfen. Uns fehlen für diesen Verordnungsentwurf schlüssige Begründungen, beispielsweise was die großflächige Ausweisung der Versinkungsstellen an den Bächen ist, die eben auch für die privaten Grundstückseigentümer unmäßige Folgen zur Folge haben. Ich möchte einen Auftrag erfüllen, der in einer der Informationsveranstaltungen zu diesem Verordnungsentwurf gesagt wurde, nämlich Ihnen sagen, wenn der Verordnungsentwurf veröffentlich wird und wenn sich die Betroffenen mit ihren berechtigten Bedenken nicht wiederfinden - Zitat -, „dann sehen wir uns am Landtag wieder. Sagen Sie das auch den gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertretern.“ Ich habe das hiermit gemacht. Dieser Verordnungsentwurf gehört ausgesetzt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der ersten Lesung des vorliegenden Staatsvertrages hatte ich von gleicher Augenhöhe der Vertragspartnerinnen gesprochen und für die Fraktion DIE LINKE drei bisher nicht zufriedenstellende Baustellen deutlich gemacht. Zum Ersten: Die Transparenz und Kommunikation im Auswahl- und Entscheidungsverfahren inklusive der Frage, ob an allen Standorten die Bevölkerung ausreichend informiert und in den Entscheidungsprozess eingebunden gewesen ist und ob tatsächlich auch der geeignetste Standort gefunden wurde.
Als Zweites sprach ich das Problem der Altlastenbelastung dieses ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerkes bzw. des Kostenrisikos, das sich daraus ergibt, an, für das im Staatsvertrag keine Obergrenze für den Freistaat Thüringen festgelegt ist.
Zum Dritten thematisierte ich die Ermächtigung des Freistaats Sachsen, im Wege einer Verwaltungsvereinbarung die Nachteilsausgleiche für die nach Sachsen versetzten Thüringer Bediensteten, auch Ruhegehalt, fest zu regeln, zugegebenermaßen mit einem gewissen Misstrauen, was den Bestandsschutz für die Thüringer Bediensteten angeht.
Meine Fraktion hielt die Beratung dieser offenen Punkte im zuständigen Ausschuss für notwendig,
ehe wir uns eine abschließende Meinung zum vorliegenden Staatsvertragsgesetz bilden.
Nach der Ausschussberatung ist zu konstatieren, meine Damen und Herren, dass die Kritik bezüglich Transparenz, Information und Kommunikation bleibt. Bei ähnlichen Verfahren müssen zukünftig die Bevölkerung und auch die betroffenen Beschäftigten besser in den Vorbereitungsprozess eingebunden werden, besser über Auswahlkriterien informiert werden und die Entscheidungsgründe besser kommuniziert werden. Dieses jetzige Verfahren ist zumindest dafür gut, dass eine künftige Landesregierung, aber auch der nächste Landtag aus in diesem Verfahren gemachten Fehlern lernt.
Der zweite Punkt, der der Altlasten, bleibt für meine Fraktion ebenso problematisch und unbefriedigend, nämlich die Frage des Kostenrisikos beim Vertragsabschluss. Es gibt im Vertrag keine Deckelung der finanziellen Verpflichtungen Thüringens für den Fall, dass zum Beispiel durch noch unerkannte Altlasten höhere Kosten entstehen, als bisher prognostiziert. Das konnte auch die Landesregierung im Ausschuss nicht auflösen. Allerdings haben wir im Ausschuss die Ausführungen der Landesregierung so verstanden, dass es aus Sachsen eine Zusicherung gibt, dass die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse als Vertragsgrundlage angesehen werden, weil man nicht mit nennenswerten zusätzlichen Altlasten rechnet. Diese vorliegenden Untersuchungsergebnisse bilden für uns die Geschäftsgrundlage des Vertrags. Sollte es dennoch wider Erwarten und entgegen der Einschätzung der Vertragsparteien bzw. vor allem der sächsischen Vertragsseite zu Kostensteigerungen wegen Altlasten kommen, sprechen wir uns dafür aus - dies hätte ich jetzt gern von Ihnen, Herr Minister, durch Nicken bestätigt -, dass dann Thüringen eine Anpassung des Vertrages verlangt. Wir sehen, dass das nach Vertragsrecht bei Wegfall der Geschäftsgrundlage möglich ist, und hätten natürlich bei dieser Vertragsanpassung das vorrangige Ziel der Kostendeckelung.
Mit Blick auf einen solchen Risikoabwendungsmechanismus wäre es für uns vertretbar - Sie haben ja noch nicht genickt, Herr Minister -,
dem Staatsvertrag zuzustimmen. Aber Sie werden noch zu Wort kommen, vielleicht sagen Sie es dann.
Zum dritten Punkt, dem Schutz der nach Sachsen versetzten Thüringer Beschäftigten vor der Verschlechterung ihrer finanziellen und sozialen Situation, hat die Landesregierung im Ausschuss auf ein den Staatsvertrag ergänzendes Verwaltungsabkommen zu den beamten- und beschäftigungsrechtlichen Fragen verwiesen, das den Bestands
schutz absichern soll. Dieses muss, sehr geehrter Herr Minister, absolut wasserdicht sein und - das können Sie als Forderung meiner Fraktion auffassen - beim Abschluss dieser Vereinbarung rechtlich unantastbare Regelungen durchsetzen, die der sächsischen Seite keinerlei Hintertüren offenlassen - jetzt haben Sie genickt, das habe ich gesehen -, den Bestandsschutz aufzuweichen. Nach unserem Verständnis hatten Sie das auch bereits im Ausschuss zugesagt, aber ich wollte Sie doch gern hier noch öffentlich ansprechen - Nicken reicht mir, wie gesagt.
Doch, ich habe doch jetzt gesagt: Er hat genickt. Es wird nicht widersprochen, also steht es jetzt im Protokoll.
Um die Kontrolle und Mitsprache des Thüringer Landtags auch als Haushaltsgesetzgeber zu gewährleisten, halten wir es für unerlässlich, dass die Verwaltungsabkommen, die den Staatsvertrag an mehreren Stellen entscheidend konkretisieren sollen, dem Landtag zur Zustimmung vorgelegt werden. Das betrifft nicht nur das Verwaltungsabkommen zum Personal nach Artikel 7 Abs. 3 des Staatsvertrags, sondern zum Beispiel auch die Vereinbarungen, die in Artikel 6 Abs. 4 zur gemeinsamen Vollzugskommission und in Artikel 5 Abs. 5 hinsichtlich der Finanzierungsfragen für den laufenden Betrieb der JVA geregelt sind. Damit dies rechtlich verbindlich wird, ist nach unserer Ansicht in einem Punkt eine Ergänzung des Zustimmungsgesetzes zum Staatsvertrag notwendig. Wir wollen in einem neuen § 2 diese Zustimmungspflicht des Fachausschusses zu den Verwaltungsvereinbarungen geregelt wissen. Deswegen haben wir Ihnen einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt, den wir Sie bitten sachlich mit uns zu beraten und auch zu beschließen.
Bisher nicht angesprochen oder ausführlich beraten sind weitere Sachverhalte, die mit dem neuen Standort zu tun haben. Einen davon berührt der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, aber auch die Zuständigkeit und Kompetenzen der Strafvollzugskommission des Thüringer Landtags und die Zusammenarbeit mit sächsischen Gremien und Stellen bezüglich der in Zwickau dann inhaftierten Thüringer Gefangenen oder - wie die FDP jetzt mit ihrem Entschließungsantrag thematisieren will - das Thema tragfähiger Nachnutzungskonzepte für die zu schließenden Standorte Gera und Hohenleuben. Diese Debatten sollten unseres Erachtens aber nicht jetzt und eilig am Ende der Wahlperiode und im Rahmen der Beratung des Staatsvertrages für den JVA-Neubau stattfinden, sondern als eigenständige Beratungspunkte, denen auch genügend Zeit und Aufmerksamkeit eingeräumt wird. Daher haben wir auch den Anhörungsantrag der FDP
Fraktion im Ausschuss nicht unterstützt, obwohl wir eigentlich grundsätzlich den intensiven Gebrauch dieses parlamentarischen Instruments der Anhörung befürworten. Denn - und dazu stehen wir - der Staatsvertrag sollte nun unter Dach und Fach gebracht werden, um nicht noch weitere Zeitverzögerungen für dieses dringend notwendige Neubauprojekt zu produzieren.
Die Ausführungen des Justizministeriums in der Ausschussberatung in der vorigen Woche zu den angesprochenen drei kritischen Punkten haben ich habe es schon gesagt - nicht alle unsere Fragezeichen gelöscht, lassen uns aber dieses Thüringer Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung und den Betrieb einer gemeinsamen Justizvollzugsanstalt in Zwickau nicht mehr ablehnen. Wir wollen es nicht blockieren.
Wollen Sie, dass wir zustimmen, meine Damen und Herren? Dann stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, der dem Thüringer Parlament und damit der Opposition, in die wir die Damen und Herren der CDU ab September schicken wollen, dem Parlament also die ihm zustehenden demokratischen Kontrollen und Mitspracherechte einräumen wird. Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, dann können wir auch dem Staatsvertrag zustimmen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Zwei Dinge sind es, die mich jetzt noch einmal nach vorne getrieben haben, einmal die Einschätzungen der Zulässigkeit oder Sinnhaftigkeit oder Sinnwidrigkeit unseres Änderungsantrags. Ich bin mir sehr sicher, dass nach dem 14. September Fraktionen, die möglicherweise neu in die Opposition rutschen, anders über Zustimmungserfordernisse des Parlaments denken, als sie das heute noch tun, Herr Scherer. Ich bin Herrn Meyer sehr dankbar, dass er den Unterschied deutlich gemacht hat zwischen Verwaltungsvorschrift und Verwaltungsvereinbarung. Das finde ich einen sehr wichtigen Aspekt, das hätte mir auch schon vorher einfallen können. Aber - danke, Herr Meyer.
Ich will noch einmal den Vergleich herstellen zwischen einer Rechtsverordnung und einer Verwaltungsvereinbarung. Das ist meines Erachtens rein rechtlich auf eine Ebene zu stellen. Da will ich Herrn Scherer einmal an ein Gesetz erinnern, was die Koalitionsfraktionen sehr einhellig verabschiedet haben, wo eine Rechtsverordnung mit Zustimmungserfordernis ins Gesetz geschrieben wurde. Es geht um das Thüringer Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren. Hier steht in § 3 Abs. 4 - ich zitiere: „Das für Ordnungsrecht zuständige Ministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für Tierschutz und Tiergesundheit zuständigen Ministerium und mit Zustimmung des Innenausschusses des Landtags durch Rechtsverordnung Hunde weiterer Rassen […] zu bestimmen.“
Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich der Landtag - auch als Haushaltsgesetzgeber - in Gesetze solche Zustimmungserfordernisse reinschreibt. Das ist nicht verfassungswidrig und auch nicht sinnlos. Wenn Sie ab September in der Oppo
sition sind, werden Sie das selbst merken. Herr Minister hat dazu gerade gesagt: Alles, was wesentlich ist, sei im Gesetz zum Staatsvertrag enthalten. Vorsichtig kann man sagen: Ja, das stimmt. Aber man muss konkretisieren und sagen, es ist nicht alles, was wesentlich ist, im Gesetzentwurf oder im Staatsvertrag abschließend bestimmt. Das ist es, was uns dazu getrieben hat, den Änderungsantrag zu verfassen.
Die zweite Sache, da geht es um Vertragsrecht: Mir wurde Blauäugigkeit vorgeworfen, ich habe blaue Augen, blau-graue, um es genau zu nehmen. Aber ich will noch einmal auf Vertragsrecht und die Geschäftsgrundlage verweisen, die ich in meinem Redebeitrag angeführt habe. In Artikel 3 Abs. 3 dieses Staatsvertrags steht: „Die Vertragspartner erstellen einvernehmlich eine quantitative und qualitative Bedarfsanforderung.“ Das ist die Geschäftsgrundlage dieses Vertrages. Worauf soll die beruhen, wenn nicht auf den bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen? Wenn diese Geschäftsgrundlage nicht mehr gegeben ist, weil sich die Altlasten anders darstellen als bisher angenommen, dann verändert sich die Geschäftsgrundlage und der Vertrag ist unseres Erachtens neu zu behandeln. Wenn mir das jetzt jemand rechtlich widerlegen kann, dann bitte sehr. Ich bin auch einsichtig, wenn ich nicht recht habe. Aber rein rechtlich habe ich nichts Falsches gesagt und wir verlangen nichts Falsches.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Weitere Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Thüringen
Nach einer zweiten Aufnahmeanordnung für syrische Flüchtlinge im Dezember 2013 konnte von 5.000 aufzunehmenden syrischen Flüchtlingen ein Großteil durch die Bundesländer vorgeschlagen werden. In Thüringen wurden allein 1.639 Anträge für das auf Thüringen entfallende Aufnahmekontingent von 97 Personen gestellt. Der Flüchtlingsrat Thüringen e.V. kritisierte in einem offenen Brief die Zufälligkeit der Bewilligungen nach Posteingang als auch die fehlende Information der Antragstellerinnen und Antragsteller über den Verfahrensstand sowie über bewilligte oder abgelehnte Anträge.
Im Juni 2014 beschloss die Innenministerkonferenz die Aufnahme weiterer 10.000 Flüchtlinge aus Syrien. Flüchtlingsorganisationen kritisierten diese Entscheidung und verwiesen auf die bundesweit allein zum Familiennachzug gestellten 76.000 Anträge. Insgesamt haben in Syrien über 9 Mio. Menschen auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg ihren Herkunftsort verlassen müssen, 2,8 Mio. Menschen suchen außerhalb Syriens eine sichere Zuflucht.
Ich frage die Landesregierung:
1. Nach welchen Kriterien wurde über die 1.639 gestellten Anträge zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der Anordnung vom 23. Dezember 2013 entschieden und 97 der Anträge bewilligt?
2. Wie und in welchem Zeitraum erfolgte die Information der Antragstellerinnen und Antragsteller über Bewilligung bzw. Ablehnung der gestellten Anträge?
3. Welche Position vertrat die Landesregierung im Rahmen der Verhandlungen der Innenministerkonferenz angesichts der Situation in Syrien und vor dem Hintergrund der Anzahl der bereits bislang gestellten Anträge hinsichtlich der Anzahl der weiteren Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien sowie der zugrunde liegenden Kriterien, beispielsweise Verwandtschaftsverhältnis, Lebensunterhaltssicherung usw.?
4. Nach welchen Kriterien wird über die Anträge zur Gewährung eines Aufenthaltsrechts für die durch Thüringen aufgrund des Beschlusses der Innenministerkonferenz aufzunehmenden syrischen Flüchtlinge entschieden?
Zunächst eine Nachfrage. Herr Rieder, aus welchen Landkreisen wurden wie viele von wie viel innerhalb der Frist gestellten Anträgen bewilligt?
Im Prinzip würde ich die erste gern noch einmal stellen und ich würde die Präsidenten bitten, die Landesregierung anzuhalten, die Frage auch zu beantworten.
Ich fragte: Aus welchen Landkreisen wurden wie viele von wie viel innerhalb der Frist gestellten Anträgen bewilligt? Herr Rieder, bitten antworten Sie auf meine Frage.
Nein, ich sehe ein, wie vergeblich das ist, und stelle fest, dass die Frage nicht beantwortet wurde.
Meine zweite Nachfrage ist: Wie und durch wen wurde entschieden, welche Anträge aus den Landkreisen in Nürnberg beim Bundesamt landen und dort zur Bewilligungsentscheidung anstehen?
Herzlichen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat laut der eben verlesenen Unterrichtung der Präsidentin in Drucksache 5/7903 mit Schreiben vom 18. Juni 2014 eine Berichterstattung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags verlangt. In § 77 Abs. 4 Satz 1 heißt es: „Antragsteller aus der Mitte des Landtags können sechs Monate nach Überweisung des von ihnen eingebrachten Antrags verlangen, dass der Ausschuss durch den Vorsitzenden oder Berichterstatter dem Landtag einen Bericht über den Stand
der Beratungen erstattet.“ Es handelt sich bei dem Gegenstand unserer Berichterstattung um zwei Gesetzentwürfe der Fraktion DIE LINKE, nämlich einerseits das Fünfte Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zur Stär- kung der Unabhängigkeit der Justiz) in Drucksache 5/3234 und zum Zweiten um das Gesetz zur Änderung des Thüringer Richtergesetzes (Gesetz zur Stärkung der Stellung des Richterwahlaus- schusses) in Drucksache 5/3235. Beide Gesetzentwürfe waren durch Beschluss des Landtags in seiner 65. Sitzung am 16. September 2011, also vor mehr als sechs Monaten, an den Justiz- und Verfassungsausschuss überwiesen worden.
Mit der Verfassungsänderung in der Drucksache 5/3234 soll nach dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE Artikel 89 Abs. 2 der Thüringer Verfassung dahin gehend geändert werden, dass der Richterwahlausschuss für alle Personalentscheidungen, die die Einstellung, Anstellung, Beförderung und Versetzung von Richterinnen und Richtern betreffen, das alleinige Letztentscheidungsrecht hat. Die Kompetenzen des Gremiums in der Personalpolitik im Justizbereich sollen damit deutlich erweitert und der Einfluss des Justizministers, also der Exekutive, wahrnehmbar eingeschränkt werden. Um bei einfachgesetzlichen Veränderungen der Zusammensetzung des Richterwahlausschusses, das heißt bei Stärkung bzw. Neuaufnahme von juristischen Berufsgruppen, noch das notwendige demokratische Legitimationsniveau bei der Übertragung öffentlicher Ämter zu gewährleisten, soll nach diesem Gesetzentwurf bestimmt werden, dass die Abgeordnetenvertreterinnen und -vertreter im Ausschuss immer in der Mehrheit sein müssen. Im dazugehörigen Gesetzentwurf in der Drucksache 5/3235 zur Änderung des Thüringer Richtergesetzes überführt die Fraktion DIE LINKE die Vorgaben der von ihr beantragten Verfassungsänderung auf die einfachgesetzliche Ebene. Dazu gehört die in der Verfassungsänderung vorgeformte Aufgabenerweiterung ebenso wie die Veränderung der Zusammensetzung des Gremiums bis hin dazu, dass zukünftig nach den Gesetzentwürfen auch Vertreterinnen und Vertreter der Anwaltschaft, und zwar diese zunächst mit beratender Stimme, dem Richterwahlausschuss angehören sollen.
Ein weiterer Bestandteil des Gesetzentwurfs ist die Abschaffung des sogenannten Stichentscheids, das heißt des Letztentscheidungsrechts der Justizministerin oder des Justizministers bei bis zuletzt zwischen den Gremien umstrittenen Stellenbesetzungen. Dazu soll nach dem Willen der beantragenden Fraktion der entscheidende § 49 des Thüringer Richtergesetzes aufgehoben werden.
Obwohl es in der ersten Lesung der Gesetzentwürfe am 16. September 2011 nicht nur von der Landesregierung bzw. dem Justizminister, sondern auch aus den Landtagsfraktionen von CDU und
SPD Skepsis bzw. auch Ablehnung der inhaltlichen Vorschläge gab, verweigerte sich die Landtagsmehrheit einer Überweisung der beiden Gesetzentwürfe nicht. In der darauf folgenden sehr kurzen Beratung der Gesetzentwürfe im Justiz- und Verfassungsausschuss in seiner 31. Sitzung am 5. Oktober 2011 kamen die Ausschussmitglieder aber überein, dass die beiden Gesetzentwürfe der Linksfraktion nicht weiterberaten werden sollen, bis die vom Justizminister in der ersten Lesung der Gesetzentwürfe angekündigten eigenen Gesetzentwürfe der CDU-SPD-Koalition im Landtag vorliegen würden.
Angesichts des herannahenden Endes der Wahlperiode entschloss ich mich als Ausschussvorsitzende des Justiz- und Verfassungsausschusses, die beiden Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung der Ausschuss-Sitzung am 11. Juni 2014 zu nehmen, mit dem Ziel, dass wir im Ausschuss eine Klärung über den Umgang mit den Gesetzentwürfen herbeiführen und sie nicht einfach zum Ende der Legislaturperiode der Diskontinuität anheimfallen lassen.
In der Ausschuss-Sitzung am 11. Juni beantragte die Koalitionsmehrheit im Ausschuss die Durchführung einer schriftlichen Anhörung. Zur Bestimmung der weiteren Details dieser Anhörung - der Anzuhörenden und der Frist - fand am 25. Juni eine außerplanmäßige Sitzung des Justiz- und Verfassungsausschusses statt. In der nächsten planmäßigen Sitzung des Justiz- und Verfassungsausschusses, also bereits am 9. Juli, beabsichtigt der Ausschuss, die dann vorliegenden Stellungnahmen aus der Anhörung auszuwerten und die Gesetzentwürfe im Ausschuss abschließend zu beraten, damit sie dann im Juli-Plenum des Thüringer Landtags auch hier abschließend beraten werden können. Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE sollte man Beratungsgegenstände des Landtags nicht einfach so am Ende der Wahlperiode unerledigt in die Diskontinuität verschwinden lassen. Diskontinuität bedeutet, alle bisherigen Beratungsschritte werden hinfällig. Wenn die Sache in der kommenden Wahlperiode erneut aufgerufen wird, muss man bei null beginnen. Das heißt, wir tun dann in der nächsten Legislaturperiode so, als hätte es diese Debatte hier gar nicht gegeben, zumindest offiziell fangen wir bei null an. Das gilt nach Ansicht der Linken grundsätzlich für alle Themen unabhängig davon, wer die Einreicherinnen sind. Ich hätte also als Justizausschussvorsitzende auch Gesetzentwürfe der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder der FDP oder aus der Regierungskoalition auf die Tagesordnung der letzten Justizausschuss-Sitzung gesetzt, um eben dieses sangund klanglose Anheimfallen der Diskontinuität zu verhindern.
Wie ich in der Berichterstattung ausgeführt habe, ist die konkrete Situation bei den zwei Gesetzentwürfen der Linken, die jetzt zur Disposition stehen, dadurch entstanden, dass wir aus sachdienlichen Erwägungen bis jetzt die Weiterberatung im Ausschuss zurückgestellt hatten, eben weil angekündigt war, dass bereits im November 2011 ein Durchlauf im Kabinett erfolgen solle und dann die Landesregierung ihren eigenen Gesetzentwurf einbringt. Das macht aus unserer Sicht im Sinne einer offenen und an der Sache orientierten demokratischen Entscheidungsfindung Sinn, wenn unterschiedliche Initiativen zum selben Themenfeld gleichzeitig, also gemeinsam beraten werden, damit man unterschiedliche Positionen auch ganz klar in der Diskussion gegeneinanderstellen und abwägen kann. Angesichts der ursprünglich im Ausschuss getroffenen Vereinbarung zwischen den Fraktionen war es für die Fraktion DIE LINKE dann schon sehr überraschend, dass nun die Koalitionsmehrheit im Ausschuss, die dafür geworben hat, doch die vorliegenden Gesetzentwürfe mit dem Regierungsvorhaben zusammen zu beraten, nur zu dem Einzelanliegen der Linken noch eine Anhörung beantragt, obwohl der erwartete und angekündigte Gesetzentwurf der Landesregierung bis heute nicht vorliegt.
Eine grundsätzliche Bemerkung möchte ich noch voranstellen und damit auch Herrn Dr. Hartung den Wind aus den Segeln nehmen: Die vorliegenden Gesetzentwürfe der Fraktion DIE LINKE umfassen nicht alle Punkte, die wir als Fraktion DIE LINKE veränderbar für nötig halten für den Ausbau der Unabhängigkeit der Justiz. Wir greifen exemplarisch die Frage der Ausgestaltung der Entscheidungsverfahren in Personalfragen im richterlichen Bereich heraus, eingeschlossen der Zusammensetzung des Richterwahlausschusses. Dazu thematisieren wir die Abschaffung des Stichentscheids, das heißt das Letztentscheidungsrecht des Justizministers bei strittigen Stellenbesetzungen. Das ist ein nach unserer Sicht mit Blick auf die wirkliche Gewaltenteilung, und wir sind mit dieser Ansicht nicht allein, Herr Scherer, ein notwendiger erster Schritt - nur ein erster, das gestehe ich zu. Andere Punkte, die wir ihm Rahmen des Grundsatzantrags, den wir noch im Mai 2010 zur Stärkung von Selbstständigkeit und von Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Justiz gestellt hatten, bleiben bei diesen beiden Gesetzentwürfen, eben weil wir uns konzentrieren wollten, außen vor. Unberücksichtigt bleiben zum Beispiel die basisdemokratische Stärkung der Richterräte gegen die Präsidialräte, die Schaffung eines Landesjustizrates als Selbstverwaltungs- und Koordinierungsgremium oder auch die Budgetierung der Gerichte.
Warum wir uns nun gerade diese beiden Punkte exemplarisch für die konkreten Aktivitäten im Themenfeld herausgesucht haben, das will ich versu
chen zu erklären. Nämlich erstens, weil Fachleute und Verbände, aber auch internationale Gremien, Herr Scherer, gerade hier beim Zurückdrängen des Einflusses der Exekutive auf die Justiz Aktivitäten verlangen, gerade auch von der Bundesrepublik Deutschland und damit besonders von den Bundesländern, denn die Bundesländer haben bei den Personalfragen die Zuständigkeit, mit Ausnahme der obersten Bundesgerichte. Wir haben diese Themen ausgesucht, weil das Problem der Einflussnahme in der Vergangenheit vor allem unter der CDU-Alleinregierung gerade mit Bezug auf wichtige Leitungsposten durchaus wahrnehmbar wurde, leider auch öffentlich wahrnehmbar. Das hat die Akzeptanz und Vertrauen der Einwohnerinnen und Einwohner Thüringens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz unseres Erachtens gefährdet. Wir haben diese zwei Punkte thematisiert. Drittens, weil der Punkt Personalpolitik durchaus Auswirkungen auf die Qualität der Arbeit der Justiz hat, die vor allem in der Rechtsprechung in einer sehr zivilisierten Form der Klärung gesellschaftlicher Konfliktsituationen in einer hochspezialisierten Dienstleistung für Einwohnerinnen und Einwohner in Thüringen und in manchen Fällen auch darüber hinaus besteht. Die Thematik weist also deutlich über die Binnenstruktur hinaus.
Einer Antwort in der Plenarsitzung am 23. Februar 2012 auf eine Mündliche Anfrage in der Drucksache 5/3984 ist zu entnehmen, dass seit Anfang 1999 bis Ende 2011 insgesamt 219 richterliche Ämter der Besoldungsgruppen R2 und aufwärts zur Besetzung ausgeschrieben waren. In acht Fällen kam es nach Angaben des Thüringer Justizministeriums zum Stichentscheid. Das klingt sehr wenig, 3,6 Prozent waren das, wie das Justizministerium 2011 anführte. Es klingt sehr wenig, aber bei genauerem Hinsehen zeigt sich, es waren alles Leitungsstellen, entweder die Leitung als solche oder deren Stellvertretung, darunter eine Direktorenstelle bei einem Amtsgericht, die Stellvertretung bei der Leitung des Sozialgerichts Gotha, der Präsident des Thüringer Oberlandesgerichts und der Vizepräsident des Thüringer Oberverwaltungsgerichts.
Wir meinen, aus Gründen der direkteren demokratischen Legitimierung - und dieses Argument führen wir nicht allein ins Feld -, aus Gründen der direkteren demokratischen Legitimierung der Stellenentscheidung und für eine verbesserte Gewaltenteilung sollte der Richterwahlausschuss in solchen Personalfragen das letzte Wort haben. Deswegen wollen wir den Stichentscheid, das heißt, den § 49 des Thüringer Richtergesetzes aufheben.
Nach einem OTZ-Artikel vom 30. Oktober 2012 sorgte der Stichentscheid und eine offensichtlich im Regierungsentwurf geplante Verlagerung der Beurteilungskompetenz auf das Justizministerium für Kritik aus den Richtergremien und Berufsverbänden. Ich meine mich zu erinnern, dass ich eine
Pressemitteilung gelesen habe, zitiert mit dem justizpolitischen Sprecher, Herrn Scherer, aus der CDU-Fraktion, dass selbst die CDU - die seit Jahren alle Forderungen seitens der Oppositionsfraktionen auf Abschaffung des Stichentscheides, diesen Regierungsentwurf, nämlich die Verlagerung der Beurteilungskompetenz auf das Justizministerium, abgelehnt hatte -, Sie haben sozusagen plötzlich, weil es nicht mehr Ihr Ministerium war, eine Kehrtwende vollzogen und jetzt stellen Sie sich hier hin und werfen mir vor, wir hätten keine Argumente für die Abschaffung des Stichentscheides. Mit welchem Argument, stellen Sie hier theatralisch die Frage, wollen wir diese Abschaffung fordern? Ich hätte die Koalitionsvereinbarung auf Seite 58 zitiert, wie das Herr Abgeordneter Dr. Hartung gerade gemacht hat. Ich kann mich an so unheimlich viele parlamentarische Initiativen erinnern, wo Abgeordnete der Koalitionsfraktionen sich hierhergestellt haben und so getan haben, als würde sich in jedem Fall sklavisch an die Koalitionsvereinbarung gehalten und nichts gegeneinander entschieden oder abgestimmt, was in der Koalitionsvereinbarung nicht geregelt wird. Hier machen Sie es ganz offensichtlich ähnlich, wie das in der Flüchtlingspolitik gewesen ist, Papier ist geduldig. Solche Formulierungen lassen sich auch bequem, genau wie Versprechungen in Regierungsprogrammen, in Schubladen versenken. Und was die Unabhängigkeit der Justiz angeht, ist das genau das Gleiche.
Dass die Fraktion DIE LINKE mit der hier jetzt und in der nächsten Plenumssitzung stattfindenden Debatte, anders als einige vielleicht meinen, gerade keinen Ladenhüter ins Plenum holt, der angeblich derzeit niemanden interessieren würde und der auch verfassungsrechtlich nicht in Ordnung wäre, zeigt ein kurzer abschließender Blick über den Thüringer Tellerrand nach Schleswig-Holstein nämlich. Dort wurde bzw. wird gerade aktuell das Thema Selbstverwaltung der Justiz als Themenpunkt in einem Sonderausschuss des Landtags zur Reform der Landesverfassung diskutiert. Das dortige Justizministerium muss sich derzeit einige Kritik von Abgeordneten, Justizgremien und Verbänden anhören, weil es den Ausbau der Selbstverwaltung der Justiz ausbremst. Noch in diesem Monat laut des Arbeitsplans soll es den Abschlussbericht des Sonderausschusses geben. Ich hoffe, wir können den dann in der Auswertung der Anhörung noch mit verwenden.
Aber um zu demonstrieren, dass die Fraktion DIE LINKE hier nicht spinnert allein irgendwelche verfassungsrechtlich nicht gedeckten Forderungen aufstellt, möchte ich ein paar Zitate aus der Stellungnahme einer richterlichen und staatsanwaltlichen Arbeitsgruppe, die sich „Autonomie der Justiz“ nennt, vom Januar 2014 zitieren, die ein Eckpunktepapier für eine Strukturreform der Justiz des Landes Schleswig-Holstein in die Beratung des Land
Meine Damen und Herren, dies nur als Beleg dafür, dass wir hier nicht spinnerte, sozialistische, linke Ideen, die mit unserer verfassungsrechtlichen Wirklichkeit nichts zu tun haben, einbringen, sondern dass es uns tatsächlich um die Modernisierung der Justiz geht und um eine wirkliche demokratische Legitimierung und Unabhängigkeit.
Wir sehen unsere beiden Gesetzentwürfe zur Reform des Richterwahlausschusses und zur Änderung der Entscheidungskompetenzen bei Personalund Stellenbesetzungsfragen als ersten Schritt, als Diskussionsangebot für eine sinnvolle und notwendige umfassende Reform hin zu mehr Unabhängigkeit und Selbstverwaltung in der Justiz in Thüringen, aber auch bundesweit. Leider wurde dieses Angebot bisher nicht wirklich angenommen, so scheint es. Zumindest kam eine wirkliche Reformdiskussion nicht in Gang. Wenn ich Herrn Scherer richtig verstanden habe, dann lehnt die CDU auch weiterhin ab. Sie hat eigentlich nur dem Koalitionspartner einen Gefallen getan oder uns gönnerhaft gestattet, unsere Gesetzentwürfe an den Ausschuss zu überweisen, und deswegen wird diese Situation auch nicht durch diesen Antrag auf eine Anhörung geheilt. Auch, Frau Meißner, wenn im Ausschuss einstimmig für die Anhörung gestimmt wurde, heilt das nicht, dass für die Anhörung im Prinzip nur elf Tage Zeit sind. Wir haben am 25. die Anzuhörenden beschlossen, am 26. ist das Schrei
ben raus. Wenn die Post schnell war, haben die Anzuhörenden am 26. nachmittags, wenn nicht, dann erst am heutigen Tage das Schreiben bekommen, dass wir sie um Stellungnahme bitten. Sie sollen ihre Stellungnahme schon am 7. Juli wieder hier im Postfach platziert haben, damit wir noch zwei Tage zur Auswertung haben. Eine intensive Beratung der Anhörung sieht eigentlich anders aus. Ich halte das Ganze für eine, na ja, Bloß-damitman-hier-davon-reden-kann-Veranstaltung. Ich setze aber meine Hoffnung auf die Anzuhörenden, denn die Richterverbände, alle, die wir als Experten angefragt haben, die Gewerkschaften, die sind da im Moment viel weiter als die Regierungsfraktionen hier in Thüringen. Das ergibt sich aus Gesprächen, die ich geführt habe. Der DGB Hessen-Thüringen hat eine Tagung zum Thema durchgeführt. Ich glaube, die Anzuhörenden werden in dieser kurzen Zeit eine Stellungnahme aufs Papier bringen, die sind meines Erachtens klar in ihren Aussagen. Nichtsdestotrotz kann ich voraussagen, wie es kommen wird. Mit Hinweis auf den Koalitionsfrieden wird in der nächsten Plenarsitzung zwar das Thema aufgerufen, diskutiert werden, aber Sie werden es ablehnen, und das finde ich dem Anliegen und den Betroffenen gegenüber unangemessen.
Ich will mich nicht aufspielen, aber gestehen Sie mir zu, dass dort steht, die Länder „können“ bestimmen und nicht, die Länder „müssen“ bestimmen?
Die brauche ich nicht. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Die Letztverantwortung, ja, da haben Sie recht, die hat er mit der Ernennung. Die Entscheidung kann durchaus einem Gremium überlassen werden und nicht dem Minister.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, dass zu einem inhaltlich
modernen Strafvollzug auch die angemessene Ausgestaltung der Unterbringungsbedingungen gehört und dass die Justizvollzugsanstalten Gera und Hohenleuben den aktuell geltenden Maßstäben für einen modernen Justizvollzug nicht mehr entsprechen, das wird wohl niemand hier in diesem Haus ernsthaft bestreiten. Deswegen hat die Fraktion DIE LINKE schon sehr frühzeitig - lange, bevor ich das Thema Justizpolitik übernommen habe - moderne Haftplätze als Ersatz für Hohenleuben und Gera gefordert, wenn wir auch noch nicht an eine länderübergreifende Lösung gedacht hatten. Da Thüringen aber mit anderen Formen der Zusammenarbeit ganz gute Erfahrungen gemacht hat, ist es für die Fraktion DIE LINKE auch denkbar, in diesem Fall eine Länderzusammenarbeit anzustreben. Wir sind demgegenüber grundsätzlich aufgeschlossen.
Die Länderzusammenarbeit muss aber immer so ablaufen, dass sich die beteiligten Länder auf gleicher Augenhöhe bewegen. Ganz so einfach und leicht, wie Sie das jetzt dargestellt haben, Herr Minister, ist es nicht. Es gibt immer noch einige Bedenken, die man nicht einfach so von der Hand weisen oder vom Tisch wischen kann. Deswegen ist es für die Fraktion DIE LINKE auch nicht so einfach bzw. nicht denkbar, dass wir diesen Gesetzentwurf zum Staatsvertrag hier in erster und zweiter Beratung hintereinanderweg durchwinken, weil in Sachen Transparenz und Kommunikation im Auswahl- und Entscheidungsverfahren - ich nehme an, Herr Bergner wird da auch noch einiges zu sagen haben - gibt es oder gab es immer noch so manches Fragezeichen hinsichtlich beispielsweise der Auswahlkriterien. Dazu gehörte für uns immer auch die Frage, ob an allen Standorten die Bevölkerung ausreichend in den Entscheidungsfindungsprozess eingebunden war. Es geht uns dabei nicht darum, populistisch laut gewordenen Befürchtungen zu den angeblichen Risiken eines solchen Standortes das Wort zu reden. Man muss schon, wenn man weiß und wir wissen alle, dass es solche Befürchtungen in der Bevölkerung gibt, zumal an Standorten, wo die Bevölkerung noch keine Erfahrungen mit derartigen Einrichtungen hat -, dass es solche Befürchtungen gibt, dann ist die Verantwortung der öffentlichen Stellen für Transparenz und Kommunikation, für ausreichende Information besonders hoch. Ich glaube, da hat es noch Defizite gegeben.
Nach unserer Ansicht wäre es auch weiter kein Problem, wenn das Entscheidungsverfahren schlussendlich dazu führt, dass auch wirklich der geeignetste Standort in dem Auswahlpool landet und am Ende als Bauplatz auserkoren wird. Aber auch dann bleiben hier immer noch gewisse Fragezeichen. Ursprünglich war das Ergebnis herausgekommen, dass der besagte beste Standort Zwickau-Pöhlau sei. Da war es aber dann, das wissen wir alle, zu einer Panne gekommen, nämlich der Panne mit dem Grundstückserwerb. Es wurde
plötzlich bekannt, dass es zahlreiche Eigentümer des Geländes gibt und zahlreiche Nutzer mit Rechten, die noch nicht verkauft, abgegeben, ausgelaufen gewesen sind. Dann ist das Auswahlverfahren noch einmal fortgeführt worden und es ist der nächste beste Standort herausgekommen, nämlich der jetzt vorgesehene Standort Zwickau-Marienthal. Wir meinen, hier hätte das Auswahlverfahren noch um eine Runde erweitert werden müssen, damit noch einmal die vorher in der engeren Auswahl gewesenen Standorte unter die Lupe genommen werden können. Was für uns ein bisschen ein Geschmäckle hat, ist, dass man im Internet der Stadt Zwickau eine Beschlussvorlage an den Stadtrat für die Bewerbung um den JVA-Standort findet, in der die Stadtverwaltung Zwickau als Vorzugsstandort für die Errichtung der JVA das Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks im Stadtteil Marienthal benennt. Das Geschmäckle kommt daher, dass die Beschlussvorlage vom 16. August 2011 datiert, also lange, bevor wir überhaupt etwas von Marienthal wussten.
Zwickau-Marienthal ist bei näherem Hinsehen auch nicht wirklich unproblematisch. Natürlich müssen solche Gelände wie ein Reichsbahnausbesserungswerk einer Nachnutzung unterzogen werden, man kann die nicht brachliegen lassen. Aber es gibt bei solchen Standorten den Pferdefuß der Altlastenbelastung. Gerade bei diesem Grundstück ist es so, dass aus unserer Sicht noch nicht ganz klar ist, was denn da für Altlasten auf Sachsen und Thüringen zukommen. Dieses finanzielle Risiko räumt man nicht aus, wenn man sagt, die Anteile liegen zu 450 bei Sachsen, zu 370 bei Thüringen. Klar ist es dann eine gerechte Aufteilung der Risiken, aber wir wissen noch nicht, was da auf uns zukommt. Wir haben keine Verordnung, keinen Verwaltungserlass, wo drinsteht, wo die Obergrenze für solche finanziellen Risiken ist. Wir wissen nicht, wie lange es dauern wird, bis diese Altlasten beseitigt sind und ob das dann Auswirkungen auf den Zeitablauf und damit noch einmal finanzielle Auswirkungen haben wird.
Ein weiteres Fragezeichen, das wir haben und weswegen wir den Gesetzentwurf nicht einfach so durchwinken können, ist die Frage, wie mit den Bediensteten umgegangen wird. Das ist in § 4, glaube ich, geregelt, die Bediensteten werden versetzt, die fallen dann unter den Dienstherrn Freistaat Sachsen. Eventuelle Nachteile, was die Besoldung angeht, werden durch Ausgleichszahlungen geregelt. Der Freistaat Sachsen wird ermächtigt, im Wege einer Verwaltungsvereinbarung diese Ausgleiche festzulegen und auch dafür zu sorgen, dass das ruhegehaltsfeste Ausgleiche sind. Aber uns reicht so eine Ermächtigung nicht. Uns stellt sich die Frage, was ist, wenn der Freistaat Sachsen in einem Dreivierteljahr nach Beginn, nach Inbetriebnahme der Anstalt entscheidet, wir machen das jetzt anders?
Was hat das für Auswirkungen? Was kann das unter Umständen für Auswirkungen auf die Bediensteten haben? Das sind Fragen, die wir sehr gerne noch einmal genauer beantwortet haben möchten. Deswegen bitten wir darum, den Gesetzentwurf noch einmal an den Justiz- und Verfassungsausschuss zu überweisen, damit wir tatsächlich Antworten bekommen können, die uns guten Gewissens dem Gesetzentwurf zustimmen lassen. Vielen Dank.
Ich habe den Eindruck, bei der Justiz geht es immer alphabetisch zu. Ich bin immer die Erste.
Mein sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren - bitte?
Herr Bergner, Entschuldigung, das stimmt natürlich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Herr Minister hat den Gesetzentwurf gerade als reines Arbeitsgesetz bezeichnet, überwiegend. Es ist in der Tat so, dass man den vorliegenden Gesetzentwurf auf den ersten Blick als eine reine Formsache, als reines technisches Regelungswerk durchwinken und abhaken könnte. Auf den zweiten Blick allerdings ergeben sich doch hinter den technischen Änderungen einige Organisations- und strukturelle Fragen, die auch inhaltlich nicht nur Formsache sind. Zum Beispiel, was die Konzentration der Zuständigkeit beim Landgericht Mühlhausen bezüglich der Wirtschaftsstrafsachen angeht.
Bei Durchsicht der Rechtsprechung, das ist auch schon angesprochen worden zum Punkt Zuständig
keit für die Wirtschaftsstrafsachen, fällt auf, dass das derzeit für rechtswidrig erklärte Regelungswerk eigentlich zulässig war, nämlich so lange, bis es der Bundesgesetzgeber mit der Änderungsverordnung unzulässig gemacht hat. Dass so etwas bei einem großen Apparat in einem Ministerium mal durchrutschen kann, kann passieren. Dass es aber seit der sich darauf beziehenden Rechtsprechung - es gab die zwei Entscheidungen des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena, die eine vom 8. Dezember 2012, direkt nach der Änderungsverordnung, die nächste dann am 7. Mai 2012 dann noch zwei Jahre dauert, bis dem Landtag dieser Gesetzentwurf jetzt vorliegt, das ist ein bisschen unverständlich, meine Damen und Herren und Herr Minister. Da muss einfach zukünftig darauf geachtet werden, dass schneller auf solche Dinge reagiert und rechtmäßige Zustände wiederhergestellt werden.
Zur Sache: Die weitere Konzentration der Zuständigkeit für Wirtschaftsstrafsachen in Mühlhausen kann man unter dem Gesichtspunkt der dort gemachten Erfahrungen und der gesammelten Fachkompetenz für diesen inhaltlich und arbeitstechnisch sehr anspruchsvollen Rechtsbereich nur begrüßen. Auch im Sinne einer Qualitätssicherung bei der Entscheidungsfindung halten wir das für sinnvoll. Aber der durch die Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes angestrebte Nutzen kann nur erreicht werden, wenn im Rahmen der praktischen Umsetzung auch die logistischen Rahmenbedingungen dafür angepasst werden, das heißt, wenn dem Landgericht Mühlhausen auch qualifiziertes Personal im notwendigen Umfang zur Verfügung gestellt wird. Es gab in der Vergangenheit auf diesem Gebiet Personalengpässe gerade bei den Wirtschaftsstrafsachen. Die Behebung wurde angegangen, das will ich nicht verhehlen. Aber es muss unseres Erachtens in der Fachausschussberatung, in der Diskussion mit Vertreterinnen aus der Praxis geklärt werden, ob und welche zusätzlichen personellen Anforderungen diese Änderung des Ausführungsgesetzes nach sich zieht und ob es derzeit noch andere Gesichtspunkte gibt, zum Beispiel bei der Sachausstattung mit Technik oder Räumen, bei denen noch nachgebessert werden müsste.
Ein weiterer Punkt, der diesen Gesetzentwurf ein wenig heikel macht, ist, dass sich mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot eine heikle Situation ergibt, das sagt, der Gesetzgeber muss alle wesentlichen inhaltlichen Entscheidungen treffen, und zwar bei der Neuregelung der Robenpflicht. Das klingt eigentlich banal, aber hier soll eine berufsständische Organisation mit der eigentlichen inhaltlichen Ausfüllung der Bestimmung betraut werden, die dann Definitionsmacht über die eigentliche Gestaltung der Regelung hat. Das kann unter Umständen ein wenig heikel sein. Was dieser Sache das Heikle nimmt,
ist, dass man bei der Robenpflicht darauf verweisen kann, dass hier eine andere Situation ist als zum Beispiel beim Krankenkassenrecht, wo es um sozialrechtlich existenzielle Leistungsansprüche geht, dass nämlich die Adressaten und die Adressatinnen der Regelung Anwältinnen und Anwälte sind, die faktisch alle - soweit ich das weiß - den Rechtsanwaltskammern angeschlossen sind und dass diese Regelung den Binnenstrukturen der Kammern bis hin zur Bundesrechtsanwaltskammer anvertraut werden soll. Was aber die grundsätzliche Frage der passenden oder unpassenden Kleidung bei Gericht angeht, da fände ich eine Diskussion schon spannend. Es gab 2006 ein sehr erhellendes praktisches Beispiel, da hatte nämlich das Landgericht München eine Entscheidung getroffen, einen Strafverteidiger in der Verhandlung nicht zuzulassen, ihm die Teilnahme an der Verhandlung zu untersagen, und zwar aus dem Grund, dass unter seiner teilweise offenen Robe anstelle von Hemd und Krawatte ein T-Shirt zu sehen war. Aus der Sachverhaltsdarstellung dieser Entscheidung geht hervor, dass die „problematische“ Verhandlung am 10. Juli, also mitten im Sommer, stattgefunden hat. Und das macht meines Erachtens so ein bisschen eine mögliche Absurdität solcher Regelungen klar, wenn ich auch zugestehen will, dass nicht jede Stillosigkeit in Kleidungsfragen bei Gericht geduldet werden soll. Aber, ich will es noch einmal deutlich sagen, Autorität und Akzeptanz hängen nicht von der Art der Kleidung ab, meine Damen und Herren.
Eine dritte Sache, die ich noch erwähnen möchte: die unter dem Stichwort der Öffnungsklausel vorgesehenen Änderungen der Artikel 6 bis 8 des Gesetzentwurfs. Hier geht es darum, dass für die Sozialgerichtsbarkeit die Verwaltungsgerichtsbarkeit…
In den Artikeln 6 bis 8 des Gesetzentwurfs geht es darum, dass für die Sozialgerichtsbarkeit, für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und für die Finanzgerichtsbarkeit geregelt werden soll, dass es beim derzeitigen Ablauf und der Zuständigkeitsverteilung im Prozesskostenhilfeverfahren bleibt, dass also die Urkundsbeamten der Geschäftsstellen, sprich die Rechtspflegerinnen vom zuständigen Richter nicht mit weiteren PKH-Aufgaben betraut werden sollen. Hier sollte nach unserer Ansicht ebenfalls ein Austausch mit Verbänden und mit Vertreterinnen aus der Praxis nochmals die Vor- und Nachteile bei der Nutzung der Öffnungsklausel erörtern. Es ist so, dass die Verbände nicht grundsätzlich die Qualifikation der Rechtspflegerinnen infrage stellen,
dass zum Beispiel auch im Deutschen Richterbund vielmehr diskutiert wird, mit welchen organisatorischen Vorgaben ein möglichst transparentes und zeitlich reibungsfreies Prozesskostenhilfeverfahren zugunsten der Betroffenen sichergestellt werden kann. Das ist auch eine Sache, die wir zu bedenken geben wollen, dass nämlich die Rechtspflegerinnen mit ihren Qualifikationen sehr wohl in der Lage wären, diese Aufgabe zu übernehmen, dass es dann aber wiederum an logistischen Punkten scheitert, zum Beispiel an der Frage, ob genügend Personal vorhanden ist. Das sind Dinge, die nach Ansicht unserer Fraktion noch mal eine Diskussion im Ausschuss wert sind.
Wo wir nichts auszusetzen haben oder keinen Diskussionsbedarf sehen, sind die von Ihnen erwähnten Bearbeitungsgebühren für die Notarinnen. Wir glauben auch, dass das unproblematisch ist. Wir bitten also um die Überweisung an den Ausschuss für Justiz und Verfassung.
Aber nicht zur Aussprache, mit Verlaub, Frau Präsidentin. Ich möchte gern unseren Änderungsantrag einbringen. Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, guten Morgen. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf, der am 19. Dezember 2013 eingebracht wurde, ist schon am 19. Dezember in der Kritik zumindest von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken gewesen, weil er umsetzt, was das Bundesgesetz auch vorschreibt, bloß eben nicht auf bundesrechtlicher, sondern landesrechtlicher Ebene. Ich selbst habe im Dezember kritisch angemerkt, dass die Bilanz des Bundesgesetzes, an die sich dieser Gesetzentwurf anlehnt, um es freundlich auszudrücken, mager ist, meine Damen und Herren.
Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich hatte sich im Dezember in der Debatte kurzgefasst, weil Herr Abgeordneter Grob angedeutet hatte, man wolle sehr gern - ich will das einmal zitieren: „wollen wir gern ausführlich im Ausschuss (...) diskutieren“. Was jetzt aber der Berichterstatter, Herr Dr. Hartung, vorgetragen hat, dass nämlich dieser Gesetzentwurf zweimal im Ausschuss beraten worden sei, das stimmt so nicht ganz. Er ist zweimal aufgerufen worden als Tagesordnungspunkt, das stimmt. Beim
ersten Mal ist eine Anhörung beschlossen worden und beim zweiten Mal wurde die Beschlussempfehlung beschlossen, nicht aber die Stellungnahmen der Anzuhörenden kritisch ausgewertet bzw. ausführlich diskutiert. Das finden wir sehr schade und deswegen haben wir bereits in der Ausschussberatung einen Änderungsantrag eingebracht, in dem wir einige Bemerkungen, einige Vorschläge und Kritiken der Anzuhörenden aufgreifen. Wir wollen beispielsweise in Artikel 1 den § 1 Satz 1 des Gesetzentwurfs ändern, nämlich den Zweck. Wir wollen, dass nicht der Nützlichkeitsgedanke für die thüringische Wirtschaft im Vordergrund steht, sondern die Anerkennung der Berufsqualifikationen
als Vorraussetzung für soziale Teilhabe der Menschen am gesellschaftlichen Leben als Zweck in das Gesetz hineingeschrieben wird, wie es beispielsweise der thüringische Flüchtlingsrat angemerkt hatte. Wir wollen in § 1 a einen Beratungsanspruch formulieren, wie ihn beispielsweise die Anzuhörenden von Arbeit und Leben vorgeschlagen haben und wie er auch in Hamburg zum Beispiel im Gesetz steht. Wir haben in § 17 den Vorschlag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft aufgenommen, keine Gebühren festzuschreiben, sondern im Gegenteil die Gebührenfreiheit für das Anerkennungsverfahren festzuschreiben. Wir haben beispielsweise in § 15 den Vorschlag des DGB Bildungswerks Thüringen aufgenommen, den Amtsermittlungsgrundsatz hineinzuschreiben und nicht, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, diesen Amtsermittlungsgrundsatz, der im Verwaltungsverfahrensgesetz ein Verfahrensgrundsatz ist, umzudrehen, dass die Antragstellenden, die eine Berufsqualifikation anerkannt haben wollen, ermitteln und vorlegen müssen, sondern in zumutbarer Weise die zuständige Stelle ermitteln soll. Wir haben zum Beispiel in unseren Änderungsantrag hineingeschrieben, dass auch berufspraktische Erfahrungen anerkannt werden sollen, außerdem, wie es der Verband der Wirtschaft Thüringens e.V. in der Stellungnahme gefordert hat, die Feststellung, welche Maßnahmen die wesentlichen Unterschiede zu vergleichbaren Berufsabschlüssen hier in Deutschland ausmachen und welche Maßnahmen diese Unterschiede ausgleichen können. Das sind einige der Anzuhörendenvorschläge, die wir in unseren Änderungsantrag aufgenommen haben. Wir bitten, dass, wenn schon nicht im Ausschuss geschehen, so doch heute hier, diese Vorschläge, diese Änderungsvorschläge ausführlich diskutiert werden, Herr Grob, das wäre sehr schön, damit wir im Plenum zu einer guten Beschlussfassung zu diesem Gesetzentwurf kommen. Ich freue mich sehr auf die Debatte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das dem Landesgesetz als wortwörtliche Blaupause zugrunde liegende Bundesgesetz hat erhebliche Mängel,
nicht, weil das der Flüchtlingsrat sagt oder Grüne oder Linke, sondern es hat ganz relevante Schwächen, die in einer Evaluation des Bundesgesetzes deutlich wurden. Und, Frau Kanis, der Flüchtlingsrat hat nicht das Bundesgesetz nicht honoriert, wie Sie es ausdrücken, sondern ausdrücklich die Ablehnung oder den Novellierungsbedarf des Landesgesetzes damit begründet,
dass das Bundesgesetz solche deutlichen Schwächen und Mängel hat. Leider hat das Anhörungsverfahren nicht dazu geführt, den Gesetzentwurf entsprechend zu qualifizieren. Die Koalitionsfraktionen beschränken sich darauf, einen dringend novellierungsbedürftigen Gesetzestext, das ist ja heute Ihre Absicht, in Thüringen in Kraft treten zu lassen.
In der Beschlussempfehlung sind zwei verwaltungsverfahrensrechtliche Änderungen aufgenommen, die in einem Fall, meine Damen und Herren, nämlich dem Verzicht auf die Notwendigkeit eines schriftlichen und damit nicht zwingend begründeten Bescheides, sogar eine Verschlechterung für die Antragstellerinnen mit sich bringen, die ja Empfängerinnen der postulierten Willkommenskultur sein sollen. Die Einwendungen der Anzuhörenden, die sich positiv auf die Stärkung der Potenziale von Migrantinnen und Migranten zur ihrer eigenen Selbstverwirklichung und zur selbstständigen Sicherung ihres Lebensunterhalts bezogen haben, haben Sie völlig unbeachtet gelassen, und das finde ich schon ein starkes Stück, meine Damen und Herren.
Das ist genau der Gegenstand der grundsätzlichen Kritik am Gesetzentwurf. Der Gesetzentwurf stellt nicht Migrantinnen oder Migranten mit ihren individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten, die bislang in der Bundesrepublik an der Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten gehindert wurden, in den Mittelpunkt, sondern rein inländische ökonomische Interessen. Das heißt, dem Gesetzentwurf - na ja, genau, dass Herr Barth das so sagt, das verstehe ich, das ist schließlich die FDP, für die der Herr
Barth hier sitzt -, geht es ausschließlich darum und Ihnen, Herr Barth, Menschen und ihre Potenziale ökonomisch besser verwertbar zu machen. In § 1 heißt es: „Dieses Gesetz dient der besseren Nutzung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen für den deutschen Arbeitsmarkt, um eine qualifikationsnahe Beschäftigung zu ermöglichen.
Aber selbst darin ist dieser Gesetzentwurf nicht einmal gut, sondern stellt zusätzliche Hürden für die Antragstellerinnen auf. Der Wunsch des Kultusministers in seiner Einbringungsrede, dass „dieses Anerkennungsgesetz (...) ein Signal an Menschen überall auf der Welt sein“ soll, bleibt eine leere Floskel, Herr Matschie. Unsere Änderung, Frau Hitzing, dass die materiell in § 1 keine Auswirkungen hat, das ist klar, aber das Signal, was wir mit diesem Gesetz senden, wenn es sich rein ökonomisch begründet, das ist fatal und das wird außerhalb dieses Landtags sehr beachtet werden. Anders als vielfach behauptet, schafft dieses Gesetz keinen Rechtsanspruch auf die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen, sondern lediglich einen Anspruch auf eine individuelle Überprüfung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen, und das ist ein gehöriger Unterschied, meine Damen und Herren. Und dieser Anspruch auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens ist auch noch auf eine Vielzahl zuständiger Stellen verteilt. Ich kann nicht nachvollziehen, warum es falsch sein soll, eine Beratungsstelle einzurichten und einen individuellen Beratungsanspruch, bloß, weil nur ein Stadtstaat, ein Bundesland das so umgesetzt hat. Damit beweisen Sie gar nichts, Frau Hitzing, das hätte ich gern von Ihnen inhaltlich begründet gehabt und nicht quantitativ. Im Gehorsam vermeintlicher Bundeseinheitlichkeit hat es damit auch Thüringen versäumt, zumindest einen Beratungsanspruch nach dem Vorbild von Hamburg in Thüringen gesetzlich zu verankern und diese von uns geforderte Beratungsstelle in Thüringen einzurichten, wie das nicht nur vom Flüchtlingsrat im parlamentarischen Anhörungsverfahren gefordert wurde. Eine einheitlich die Anträge entgegennehmende und unter Einbeziehung der fachlich zuständigen Stellen einzurichtende Stelle wäre eine tatsächliche Verbesserung zum gegenwärtig vorzufindenden Anerkennungsdschungel, der aber nach Ihrem Willen, dem Willen von FDP, CDU und SPD, weiterhin Bestand haben soll.
Es wurde schon mehrfach angesprochen, eine weiterhin bestehende Hürde für die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen sind die nach diesem Gesetz in Aussicht stehenden Verwaltungsgebühren. Da nützt es gar nichts, wenn Frau Kanis gönnerinnenhaft sagt, die können erlassen werden. Frau Rothe-Beinlich hat es, denke ich, sehr gut begründet, warum Verwaltungsgebühren in diesem Fall eine völlig falsche, deplazierte Hürde
sind. Es ist nicht außer Acht zu lassen, dass das Anerkennungsverfahren erst die Voraussetzungen dafür schaffen soll, dass die Menschen ein eigenes Einkommen erzielen können. Das von der Zahlung von Gebühren und Auslagen abhängig zu machen, die im Einzelfall bis zu 1.000 € betragen können, wenn man Dolmetscherinnenkosten beispielsweise in die Rechnung mit einbezieht, ist alles andere als eine Einladung an Migrantinnen und bereits hier lebende Nichtdeutsche, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Auch potenziellen Antragstellerinnen aufzuerlegen, dass sie gegenüber den Behörden nachweisen müssen, dass sie gewillt sind, in Thüringen eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, halten wir für verfehlt. Zu einer weltoffenen Kultur gehört es nicht, Menschen daran zu messen, ob sie hier arbeiten wollen, sondern ihre Lebensleistung, und dazu gehören die erworbenen Berufsqualifikationen, als Ausdruck individueller Fähigkeiten und Kompetenzen anzuerkennen, auch wenn sie nicht sagen, dass sie in Thüringen arbeiten wollen. Aber wenn nicht der Mensch, sondern die ökonomische Verwertbarkeit im Mittelpunkt steht, dann kommt man zu solchen Regelungen.
Nun ist es sicher nachvollziehbar, dass für die reglementierten Berufe die Anerkennung lediglich berufspraktisch erworbener Qualifikationen nicht ausreichend ist. Man könnte auch nachvollziehen, dass im Bereich der reglementierten Berufe Nachqualifikationen zu im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen notwendig sein können. Aber nicht der Lebensrealität entsprechend ist es, meine Damen und Herren, im Bereich der nicht reglementierten Berufe berufspraktisch erworbene Qualifikationen als Grundlage für die Anerkennung von vornherein auszuschließen und die Möglichkeit der Nachqualifizierung im Gesetz selbst nicht zu eröffnen. Das ist umso unverständlicher, weil in der Folge Menschen, die die fachliche Kompetenz nachweisen können, in der Regel die Arbeit entsprechend ihrer Qualifikation ausüben, aber nicht entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden. Weltoffen zu sein, erfordert neben der individuellen Anerkennung von Lebensleistungen auch, anzuerkennen, dass Erwerbsbiografien in Ländern außerhalb der europäischen Union anders strukturiert und organisiert sind. Ein wirklich einladendes Anerkennungsgesetz würde dem Rechnung tragen, das vorliegende macht dies nicht.
Der durch die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE gemeinsam, sowohl im Ausschuss als auch jetzt hier im Plenum vorgelegte Änderungsantrag erkennt die Konsequenzen aus dem seit April 2012 geltenden Bundesgesetz und greift zudem einige Ergebnisse der Anhörung auf, was
letztlich der Zweck einer Anhörung sein sollte. Ich muss ganz ehrlich sagen, es gibt Anzuhörende, die haben auch in ihren Texten, in ihren Stellungnahmen deutlich gemacht, dass sie sich durch dieses Verfahren der Anhörung veralbert fühlen. Ich weiß es vom Flüchtlingsrat Thüringen selbst, ich habe es gelesen in der Stellungnahme des Katholischen Büros, wo sehr höflich formuliert war, dass man hofft, dass die Anmerkungen Berücksichtigung finden und beim DGB, glaube ich, stand darin, dass darum gebeten wird, informiert zu werden, ob die Anmerkungen berücksichtigt wurden. Das sind sehr höfliche Umschreibungen dafür, dass die Anzuhörenden Sorge haben, dass mit ihren Stellungnahmen nicht umgegangen wird, wie das in diesem Fall der Fall gewesen ist, zumindest in der Ausschussdebatte haben die Anhörungsergebnisse keine Rolle gespielt. Mit unseren Änderungen - davon sind wir überzeugt - würde die soziale und gesellschaftliche Teilhabe für bereits hier lebende und für künftig noch einreisende Migrantinnen ermöglicht werden. Ich will kurz darauf hinweisen, dass es nicht nur um Menschen mit anderen Herkunftsstaaten als Deutschland geht. Es geht auch um durch Deutsche im Ausland erworbene Berufsqualifikationen. Das vergessen wir immer, aber um diese Menschen geht es auch.
Im Kern ist unsere Ansicht: Das Ziel des Anerkennungsgesetzes muss sein, Menschen anzuerkennen und das, was sie gelernt und sich angeeignet haben. Der vorliegende Gesetzentwurf scheitert aber bereits an diesem Ziel und deshalb bleibt er unverändert. Nehmen Sie also unseren Änderungsantrag nicht an, ist dieser Gesetzentwurf abzulehnen. Vielen Dank.
Katharina König hat mir gerade eine Frage mit auf den Weg gegeben: Was hat denn Würde mit Geld zu tun?
Das ist eine sehr legitime Frage, wie ich finde.
Ja, ökonomische Interessen sind legitim. Etwas anderes habe ich nicht behauptet. Aber bei der Anerkennung von Menschen ökonomische Interessen als Zweck aufzuschreiben und nicht die Anerkennung dieser Menschen und die soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, das ist nicht legitim. Wenn Sie in unserem Änderungsantrag gelesen
haben, dass wir verbieten, dass es ökonomische Interessen gibt und dass es ökonomische Auswirkungen auf Thüringen hat, wenn wir Berufe anerkennen, dann zeigen Sie mir die Stelle, dann streichen wir die. Aber wir haben kein Verbot ausgesprochen. Wir sehen nur Menschen mit anderen Augen als jene, die ausschließlich durch die ökonomische Brille gucken.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, ich möchte den Gesetzentwurf zur Demokratisierung der Kommunalpolitik, wie ich ihn ausschließlich nenne, gern begründen.
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE sieht im Kommunalrecht in Thüringen eine ganze Reihe von Regelungslücken, die zu Demokratiedefiziten insbesondere bei der tatsächlichen Beteiligung von Einwohnerinnen und Einwohnern führen. Wir möchten mit unserem Gesetzentwurf den Weg zur direkten Teilhabe an kommunalen Entscheidungsprozessen frei machen bzw. ein wenig mehr ebnen.
Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf ebenfalls die Arbeit der Kommunalvertretungen stärken. Dafür haben wir eine ganze Reihe Änderungen an gesetzlichen Bestimmungen aufgeschrieben, die wir gern mit Ihnen diskutieren möchten. Das sind Änderungen, die sich auf die Thüringer Kommunalordnung und das Thüringer Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit beziehen. Wir meinen, dass ein modernes Gemeinwesen ein transparentes kommunales Handeln bedingt und eine stärkere Ausprägung demokratischer Kontrolle und Steuerung. Dazu müssen die Rechte der Öffentlichkeit in der Thüringer Kommunalordnung ausgebaut werden, und wir wollen die Möglichkeiten direkter Demokratie aufgrund der Erfahrungen aus der kommunalen Praxis fortentwickeln. Außerdem möchten wir das Verhältnis zwischen den beiden kommunalen Organen ausgewogener gestalten. Kernpunkte unseres Gesetzentwurfs sind einmal die Stärkung der Kommunen gegenüber dem Land, zum Zweiten die Stärkung der Rolle der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte und - last but not least - nicht zuletzt die Stärkung der Rechte der Einwohnerinnen und Einwohner. Das sind eine ganze Reihe diskussionswürdiger Vorschläge, wie wir finden. Wir haben schon eine sehr ausführliche Diskussion in unserer Partei, in unseren Gremien, mit unseren kommunalen Vertreterinnen, Gemeinderätinnen, Oberbürgermeisterinnen etc. hinter uns. Wir sind sehr gespannt auf die Debatte und bitten Sie, unseren Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen.
Herzlichen Dank, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung macht viele unterschiedliche Reformpunkte auf. Ich möchte nicht auf alle eingehen, die Herr Dr. Poppenhäger bei der Einbringung des Gesetzentwurfs genannt hat. Aber nach Ansicht meiner Fraktion ist für diesen Gesetzentwurf eine sehr intensive inhaltliche Prüfung der Vorschläge notwendig. Unseres Erachtens muss es dazu auch eine umfassende, und zwar eine öffentliche Anhörung mit Fachleuten nicht nur aus der Rechtspraxis, sondern auch aus der Wissenschaft geben.
In der Anhörung sollten zum Beispiel hinsichtlich der Frage der Verlängerung der Amtszeit auf sieben Jahre und der Begrenzung der Wiederwahlmöglichkeiten, die sich in der Änderung des § 3 widerspiegeln, auch Modelle aus anderen Bundesländern oder vom Bundesverfassungsgericht als Vergleichsmodelle nicht zum Maßstab genommen werden, sondern in der Diskussion Berücksichtigung finden und auf ihre Tauglichkeit geprüft werden. Denn bloß weil es andere Bundesländer so und so machen, muss das nicht die beste Variante sein.
Ich will mal einige Beispiele nennen. So ist beim Bundesverfassungsgericht eine ausschließlich einmalige Amtszeit von 12 Jahren vorgesehen bei einer absoluten Altersgrenze von 68 Jahren. Im Saarland beträgt die Dauer der Amtszeit der Verfassungsrichterinnen und -richter nur sechs Jahre, in Berlin ist nur eine einmalige Amtszeit von sieben Jahren möglich. Im Nachbarland von Berlin, in Brandenburg, ist es auch nur eine Amtszeit, aber mit der Dauer von zehn Jahren. In Schleswig-Holstein sind es sechs Jahre mit einer einmaligen Wiederwahlmöglichkeit. Das wirkt - wenn man den ersten Blick nimmt - etwas beliebig, aber die Länder werden sich schon etwas dabei gedacht haben, als sie diese Amtszeiten und unterschiedlichen Wiederwahlmöglichkeiten eingeführt haben. Es kommt ganz besonders darauf an, bei der Gestaltung der Amtsdauer von Verfassungsrichterinnen auch die Amtsumstände in besonderer Weise zu berücksichtigen, und zwar die, die ihre Unabhängigkeit unterstützen. Denn die Richterinnen und Richter am Landesverfassungsgerichtshof fällen wichtige
Grundsatzentscheidungen, und das als Gericht in erster und letzter Instanz. Sie fällen ihre Entscheidungen also, ohne dass ihnen eine weitere Prüfoder Korrekturinstanz folgen würde, wie das bei Fachgerichten üblich ist, und das bedeutet eine besondere Verantwortung in der Sache, meine Damen und Herren. Zum anderen bewegt sich ein Verfassungsgericht viel mehr als andere Gerichte an der Schnittstelle von Gesetzgebung und Rechtsetzung, zum Beispiel bei der Prüfung und gegebenenfalls sogar Nichtigerklärung - das haben wir ja in Thüringen auch schon erlebt - zwar demokratisch beschlossener, aber verfassungswidriger Gesetze. Das bedeutet andererseits, dass ein Verfassungsgericht durch die Wahl der Richterinnen und Richter im Parlament eine besonders starke demokratische Legitimation haben soll. Es gibt zwar Argumente für eine Verlängerung der Amtszeit der Richterinnen und Richter, doch der Gesichtspunkt möglichst direkter und kontinuierlicher demokratischer bzw. parlamentarischer Legitimation der Richterinnenund Richterberufung wiederum spricht für die Beibehaltung einer fünfjährigen Amtszeit der Richterinnen und Richter, sozusagen als synchronisierte Amtszeit passend zur Länge der Wahlperiode des Landtags.
Für die vorgeschlagene Beschränkung der Wiederwahlmöglichkeiten könnten Demokratiegesichtspunkte und der Aspekt der Unabhängigkeit in der Amtsführung sowie die Chance auf in kürzeren Zeitspannen neue Personen im Gericht, die neue wichtige Impulse geben können, dafür sprechen, die Wiederwahlmöglichkeiten zu beschränken. Sollte sich eine Kandidatin oder ein Kandidat wider Erwarten nach der Wahl in der Amtsführung nicht bewähren, wären kürzere Amtslaufzeiten die Möglichkeit, früher gegenzusteuern. Das Argument, warum die Entwicklung einer kontinuierlichen Rechtsprechungspraxis an die Länge der persönlichen Amtszeiten der jeweiligen Richterinnen und Richter gebunden sein soll, überzeugt nicht, Herr Minister, zumal das Verfassungsgericht als Kollegialgremium in demokratischer Abstimmung über Form und Inhalt des Urteils entscheidet. Denn die Frage, ob eine ursprünglich inhaltlich getroffene Positionierung des Gerichts auch in Zukunft aufrechterhalten werden sollte, sollte sich nicht aus persönlichen Erwägungen der Richterinnen und Richter, sondern aus den anzuwendenden gesetzlichen Regelungen und den der Entscheidung zugrunde liegenden gesellschaftlichen Sachverhalten entscheiden. Und wenn sich die politischen und gesellschaftlichen oder auch die gesetzgeberischen Verhältnisse ändern, steht eben auch für ein Verfassungsgericht jeweils die Frage im Raum, wie es mit Blick auf seine Rechtsprechung mit diesen Veränderungen umgeht, und das kann dann auch in Änderungen der ursprünglichen Rechtsprechung münden.
Um hier mal ein Thema der Verfassungsrechtsprechung in Thüringen als Beispiel zu nennen: die Urteile des Thüringer Verfassungsgerichtshofs zur direkten Demokratie. Im Jahr 2001 war zum bzw. gegen das Volksbegehren „Mehr Demokratie in Thüringen“ ein sehr wertkonservatives Urteil gesprochen worden, das sogar die sogenannte Ewigkeitsgarantie bemüht hatte. Damit hatte das Urteil bzw. das Gericht, der Gerichtshof, faktisch versucht, den zur Zeit des Urteils bestehenden konkreten Wortlaut der Verfassung unter eine Veränderungssperre zu stellen. Das war ein Urteil, das wegen seiner Strenge und seiner gewagten juristischen Konstruktion auch in der Fachwelt nicht wenig Kritik geerntet hat. Letztlich ist es ja nicht in dieser Strenge praktisch wirksam geworden, weil der Landtag als Parlamentsgesetzgeber das Anliegen des Volksbegehrens weitgehend aufgegriffen hat.
Dem Urteil von 2002 stehen mittlerweile andere Urteile von Verfassungsgerichten anderer Bundesländer wie zum Beispiel in Sachsen und Berlin entgegen, die viel offener zugunsten der direkten Demokratie und ihrer praktischen Ausübung entschieden haben. Denn die gesellschaftspolitische und auch die gesetzgeberische Entwicklung öffnet sich zunehmend direkt-demokratischen Instrumenten. In absehbarer Zeit wird sich daher gegebenenfalls der Thüringer Verfassungsgerichtshof die Frage stellen, wie er mit diesen anderen Positionen anderer Verfassungsgerichte und mit den gesellschaftspolitischen Veränderungen mit Blick auf seine bisherige Rechtsprechung in Sachen direkter Demokratie umgeht, meine Damen und Herren.
Ein weiterer Reformpunkt im Gesetzentwurf ist die Anhebung der Altersgrenze auf 70 Jahre. Man könnte argumentieren, eine Anhebung der absoluten Altersgrenze für die Amtsausübung als Verfassungsrichter oder -richterin sei angesichts der inzwischen angehobenen Rentenaltersgrenze auf 67 Jahre vertretbar. Wenn man allerdings die Anhebung der Altersgrenze in der Rentenversicherung ablehnt, wie das die Linke tut, kann es auch bei einer Altersgrenze von 68 Jahren für die Verfassungsrichterinnentätigkeit durchaus bleiben. Ich will das nicht missverstanden wissen, ich will nicht für die Linke Menschen mit 70 Jahren irgendeine Fähigkeit oder ein Vermögen, gute und verantwortungsbewusste Urteile sprechen zu können, absprechen. Das ist damit nicht gemeint.
Die Regelungen zu den Versorgungsansprüchen wegen Dienstunfällen sind unseres Erachtens unproblematisch. Aber weiter gehende Versorgungsansprüche sollte es in Zukunft auch nicht geben, denn es muss mit Blick darauf, dass die Tätigkeit als Verfassungsrichterin in Thüringen im Nebenamt bzw. ehrenamtlich gegen Aufwandsentschädigung erfolgt, nach unserer Ansicht das Prinzip gelten, dass daraus keine zusätzlichen, möglicherweise ei
nem Hauptamt vergleichbaren Versorgungsansprüche abgeleitet werden können.
Eine weitere Frage will ich ansprechen: Das Gesetz soll laut Entwurf am Tag nach seiner Verkündung schon in Kraft treten. Das würde unsres Erachtens aber bedeuten, dass die Verlängerung der Amtszeiten und die anderen Regelungen auf die derzeit schon gewählten Richterinnen und Richter bzw. die vor dem Inkrafttreten noch zu wählenden Richterinnen oder Richter noch keine Anwendung findet. Die Frage ergibt sich aus der Absicht, eigentlich eine Neuwahl zur Besetzung der Präsidentenstelle gerade jetzt noch - eigentlich sollte das schon im März stattfinden - vorzunehmen. Die Frage ist, wenn sich diese Wahl bis nach dem Inkrafttreten der Regelung verschiebt, würde sich dann die Amtszeit dieser Richterin oder dieses Richters schon nach den neuen Regelungen richten oder nicht. Das müsste meines Erachtens - das müssen Sie nicht heute beantworten - im Ausschuss, in der Ausschussdebatte geklärt werden. Für mich ist es noch unklar.
Weitere vorgeschlagene Änderungen sind aus unserer Sicht zu begrüßen, zum Beispiel, dass in Zukunft sogenannte Äußerungsberechtigte das könnte zukünftig in bestimmten Verfahrenskonstellationen zum Beispiel Bürgerinitiativen betreffen auch Kostenübernahme durch die Staatskasse beantragen können, wenn sie zum Beispiel bei komplexen Prozesssachverhalten eine Anwältin oder einen Anwalt für eine Stellungnahme zu Hilfe nehmen wollen oder müssen. Die Frage ist, ob das auch für die öffentliche Verwaltung, den Landtag oder die Landesregierung gelten soll. Aber auch das, denke ich, kann in der Debatte geklärt werden. Auch die Erweiterung der Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der vertretungsberechtigten Person für die Gerichtsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sehen wir positiv. Wir meinen, damit ist auch eine Stärkung für die Verfahrensmöglichkeiten der Rechtsuchenden gegeben.
Aber es sind einige Fragen zu klären. Minister Dr. Poppenhäger hat hier bei einigen der Reformvorschläge Effektivitäts- und Kostengründe angeführt. Ich denke, darüber sollte dringend im Ausschuss noch mal geredet werden. Das sind für uns nicht die ausschlaggebenden Gründe für Veränderungen im Verfassungsgerichtshofgesetz.
Ich beantrage daher die Überweisung an den Justiz- und Verfassungsausschuss und möchte jetzt schon ankündigen, dass wir eine Anhörung zum Gesetz beantragen möchten. Ich möchte die Damen und Herren Kollegen aus den anderen Fraktionen bitten, dies in öffentlicher Anhörung durchführen zu können. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, ich beginne mit einem Zitat, und zwar: „Die Landesregierung sorgt für eine gelingende Integration aller, die dauerhaft hier leben wollen.“ Es kommt Ihnen sicherlich allen bekannt vor. Ich habe das hier schon öfter zitiert. Ich bin wahrscheinlich die Einzige, eine der wenigen hier im Haus, die das tatsächlich einmal ernst genommen hat. Das steht im Koalitionsvertrag der Parteien SPD und CDU in Thüringen. Dass das aber nicht ernst gemeint war und ich es sogar als eine Lüge bezeichnen möchte, also dass es gelogen ist, merkt man an der alltäglichen Politik, die in Thüringen in Bezug auf Integration oder Inklusion geleistet wird und auch anhand der Reden, die hier manchmal am Pult geredet werden. Zum Beispiel, wenn Herr Heym sich hier herstellt und den Titel des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ändert in „Thüringen braucht Zuwanderung an Fachkräften“. Das explizit steht im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht
als Titel, sondern hier steht: „Thüringen braucht Zuwanderung - Vielfalt als Chance begreifen und Diskriminierung bekämpfen“. Den Sinn von Vielfalt als Chance begreifen, den haben oder wollen Sie nicht kapieren, Herr Heym.
Und Ihre Kolleginnen und Kollegen genauso nicht.
Sie haben gesagt, die besondere Förderung ausländischer Menschen würde andere diskriminieren. Da kann ich Ihnen einfach nur einmal einen Gesprächstermin bei Ihrem Parteikollegen Panse empfehlen. Die positive Benachteiligung ist nämlich explizit im Antidiskriminierungsgesetz, im Gesetz über die allgemeine Gleichbehandlung, festgeschrieben, wenn sie dazu dient, Nachteile auszugleichen, Herr Heym. Mehr möchte ich mich aber zu dem von Herrn Heym Gesagten nicht äußern, sondern jetzt zu den Ausführungen des Ministers kommen.
Herr Minister Höhn, man kann sich die Welt auch schönreden. Ich glaube, das haben Sie hier gerade gemacht. Sie haben die Fragen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgegeben, zu beantworten, aber Sie haben nicht eine der Fragen tatsächlich beantwortet. Sie haben auf die Frage 1 mit einer ganzen Reihe von Institutionen, die Sie genannt haben, reagiert, nämlich Welcome Center, das aber nicht genauer erklärt. Da habe ich gedacht, das wird er in Antwort auf Frage 4 genauer erklären. Sie haben den Integrationsbeirat erwähnt, die Initiative Willkommenskultur aber auch nur benannt. Da habe ich gedacht, das wird dann vielleicht in Antwort auf die Frage 3 erklärt. Fehlanzeige! Sie haben die Vernetzung erwähnt. Sie haben die Ausgestaltung von Rahmenbedingungen im Anerkennungsgesetz erwähnt. Da muss man sagen, dass noch keine Änderungen an dem eingebrachten Gesetzentwurf erkennbar sind. Und der eingebrachte Gesetzentwurf gleicht dem Anerkennungsgesetz, das es auf Bundesebene gibt, dessen Bilanz - das muss man nach der Untersuchung, nach der Analyse feststellen - desaströs ist, wie es vom Flüchtlingsrat Thüringen in der Stellungnahme zum Gesetz bescheinigt worden ist. Sie haben eine ganze Reihe hübsch klingender Schlagworte genannt, aber nicht eines der konkret gefragten Dinge. Sie haben nicht ein konkretes Ergebnis genannt. Keine konkreten Maßnahmen. Was Sie gesagt haben, sind Dinge, die Sie noch vorhaben.
Ich war nicht draußen. Sie haben als einzige konkrete Sache eine breitenwirksame Veranstaltung im Sommer 2014 genannt, die Sie als „Willkommenstag“ bezeichnen, und eine geplante, datenbankbasierte interaktive Landkarte genannt. Konkrete Zahlen haben Sie genannt, indem Sie die Anzahl der 128 Spanierinnen und Spanier benannt haben, bei
denen es gründlich schiefgegangen ist. Da haben Sie dann Konsequenzen daraus gezogen, haben von der Erklärung, die Sie gemeinsam mit dem spanischen Botschafter …
Das habe ich nicht gesagt, dass es wegen Ihnen schiefgegangen ist, Herr Höhn. Unterstellen Sie mir hier nicht irgendwas, was ich Ihnen in die Schuhe schieben wollte. Sie können das gerne so missinterpretieren, wenn Sie das wollen,
aber das liegt dann nicht daran, was ich gesagt habe, sondern wie Sie Ihre Arbeit machen.
Sie haben gesagt, Sie haben Qualitätsstandards festgelegt, die Sie mit dem spanischen Botschafter gemeinsam unterschrieben haben. Sie haben von einem Leitfaden gesprochen und von einem anderen Papier, was Sie in Kürze unterzeichnen werden.
Ich kann mir vorstellen, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich schon vorstellen konnte, dass die Antworten nicht sonderlich konkret sein werden und die Landesregierung wurde deshalb im zweiten Teil dieses Antrags in einer Reihe von Punkten zu konkreten Dingen aufgefordert. Dazu haben Sie sich fast gar nicht geäußert, weder dazu, dass sich die Landesregierung dazu bekennen soll, dass für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer …
Es ist doch wohl geübte Praxis, dass die Landesregierung auch ihre Meinung zu eingebrachten Gesetzentwürfen sagt, wenn sie sie beschlossen haben will oder den Landtag bittet, sie nicht zu beschließen, Herr Höhn, das können Sie doch nicht abstreiten. Da hätte ich schon ein Wort von Ihnen zu diesen konkreten Punkten erwartet, aber Fehlanzeige. Sie haben die berühmte Willkommenskultur beschworen, aber, Herr Minister, Normalität wird die eben nicht durch schöne Worte, sondern nur durch konkrete Taten.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Linksfraktion fordert seit Langem einen konsequenten Ausbau der Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Justiz, auch hier in Thüringen. Ich erinnere nur beispielhaft an unseren sehr umfassenden Antrag zur Thematik im März 2010 und an die sich daran anschließende lebhafte Debatte hier im Plenum. Seit September 2011 wartet ein Gesetzentwurf meiner Fraktion zur Stärkung der Rechte des Richterwahlausschusses vor allem bei Personalentscheidungen in der Justiz auf seine Beratung im Ausschuss. Nach Vorstellung unserer Fraktion soll in Zukunft auch bei Beförderungen und der Besetzung von Leitungsfunktionen bei Gerichten und in den Staatsanwaltschaften der mit vor allem Abgeordneten besetzte Richterwahlausschuss das letzte Wort haben. Nach unserer Ansicht gehört zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz weit mehr als nur die Eindämmung bzw. Abschaffung des Weisungsrechts des Justizministers an die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Anzufügen wären außerdem die Punkte Reform des Personalvertretungsrechts für mehr Beschäftigtenmitbestimmung, die Schaffung einer größeren organisatorischen Eigenständigkeit der Gerichte unter dem Stichwort „eigene Budgets“. Doch der vorliegende Antrag der FDP beschränkt sich auf den Punkt „Ministerielles Weisungsrecht“. In der Begründung des Antrags wird ein allgemein sachlicher Anknüpfungspunkt gewählt, nämlich die Forderung und das konzeptionelle Herangehen der europäischen Ebene an diese Frage. Doch die Diskrepanz zu den internationalen Anforderungen an die Unabhängigkeit der Justiz, von Gerichten und Staatsanwaltschaften ist nicht wirklich neu, Herr Bergner. Vor einigen Jahren hat schon beispielsweise der Thüringer Richterbund in einer Presseerklärung erläutert, dass mit Blick auf die nicht ausreichend vorhandene Unabhängigkeit der Justiz Deutschland Probleme hätte, in die EU zu kommen, wenn es heute einen formalen Aufnahmeantrag stellen müsste. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Nummer 543 der Resolution 1685 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 30.09.2009 zu verweisen, die die Aufforderung an die Bundesrepublik Deutschland festschreibt, das Weisungsrecht der Justizministerinnen und Justiz
minister die Behandlung von Einzelfällen betreffend abzuschaffen.
Bei Inhalt und Zeitpunkt Ihres Antrags, sehr geehrter Herr Bergner, und mit Blick auf vorausgehende Initiativen Ihrer Fraktion wird man aber den Verdacht nicht los, dass hier das Sachthema ein Stück weit instrumentalisiert werden soll, um in einer bestimmten Sache ein Sprungbrett für eine Polemik gegen einen bestimmten Minister zu haben.
Das ist nach meiner, nach unserer Ansicht ein sehr unguter Missbrauch einer Sachdiskussion zu einem wirklich wichtigen rechtsstaatlichen und justiziellen Problem.
Doch zurück zur Sachdiskussion: Meine Fraktion lehnt ab, dass Justizminister oder Justizministerinnen und weitere Vorgesetzte in der Weisungskette einfach so per Einzelweisungsrecht Einfluss auf die Ermittlungstätigkeit der zuständigen Staatsanwaltschaften und Staatsanwältinnen in konkreten Einzelfällen nehmen können. Oder wie es der Herr OLG-Richter Dr. Winfried Maier in einem Aufsatz in der Zeitschrift für Rechtspolitik schon 2003 formuliert hat - ich zitiere -: „In so grundrechtsintensiven Verfahren, wie sie ein Staatsanwalt führt, ist kein Platz für Geheimnistuerei, für nichttransparente Einflussnahmen, die vor dem Bürger qua Gesetz geheim gehalten werden dürfen.“ Weiter schreibt er: „Die Transparenz des Handelns führt den Inquisitionsprozess nicht wieder ein, sondern gewährleistet eine rechtsstaatliche Prüfung der gesamten Ermittlungstätigkeit. Sie steht der parlamentarischen Kontrolle nicht entgegen, sondern ermöglicht sie.“ Der Autor wünscht sich - das macht er in seinem Beitrag auch deutlich -, eigentlich eine weisungsunabhängige Staatsanwaltschaft, wie sie in anderen europäischen Staaten schon besteht, aber er ist leider skeptisch, dass diese weitgehende Unabhängigkeit sich in Deutschland politisch durchsetzen lassen würde. Daher plädiert Maier dafür, dass, wenn der Widerstand gegen die Abschaffung der Weisungsrechte zu groß ist, das Weisungsrecht zumindest durch umfassende Transparenz des Verfahrens sozusagen gezähmt werden soll. Die Linksfraktion ist aber optimistischer. Wir gehen davon aus, dass auch wegen der Vorgaben von europäischer Ebene letztlich die Abschaffung kommen wird. Als Schritt in die richtige Richtung und Vorstufe zur Abschaffung ist ein solches umfassendes Transparenzverfahren, wie von Herrn Maier skizziert, unseres Erachtens zu befürworten. Meine Fraktion könnte sich mit Blick auf umfassende Transparenz im Ermittlungsverfahren noch eine andere und im Vergleich zu Herrn Maier weitergehende Lösung vorstellen, nämlich, sollten ein Justizminister, eine Justizministerin oder ein anderer, eine andere Vorgesetzte der Ermittlerinnen feststellen, dass bei einem konkreten Ermittlungsfall rechts
staatlich etwas schiefläuft, sollte nach Ansicht unserer Fraktion in Zukunft anstelle des Weisungsrechts und als transparente Alternative ein Überprüfungsverfahren bei Gericht stattfinden, in dem die Justizministerin oder der Justizminister bzw. Vorgesetzte dann die jeweiligen Antragstellerinnen wären. Es wäre aber, das ist dann eine Frage der Ausgestaltung des Bundesrechts, vor allem des Gerichtsverfassungsgesetzes, angezeigt, ein solch entsprechendes Verfahrensinstrument zu schaffen, mit dem die oben genannte Antragstellerin oder der Antragsteller in einem solchen Gerichtsverfahren von ihm oder ihr etwaig festgestellte oder angenommene Verstöße, Pflichtverletzungen von Staatsanwältinnen - mit großem I - öffentlich transparent und entsprechend der Gewaltenteilung klären lassen kann. Natürlich müssten die Richterinnen und Richter in einem solchen speziellen Überprüfungsverfahren dann solche sein, die nach Geschäftsverteilung des Gerichts später nicht mit der gerichtlichen Aufarbeitung des eigentlichen Ermittlungsverfahrens befasst sein dürfen. Andernfalls würden möglicherweise heikle Probleme unzulässiger Befangenheit entstehen. Bisher lautet § 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes, ich zitiere: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“ Ein solches Überprüfungsverfahren wie von mir beschrieben könnte daher zur Modernisierung des § 146 beitragen, der bisher eine weitgehende Weisungsgebundenheit der Staatsanwältinnen in der Justizhierarchie zur Folge hat. Klar ist in dem Zusammenhang daher auch, dass es bei der Stärkung der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der jeweiligen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeiten nicht nur um die Abschaffung des Weisungsrechts des Justizministers oder der -ministerin gehen darf, sondern auch um die Eindämmung bzw. Beseitigung des Vorgesetzteneinflusses und der Hierarchie in der Justiz selbst. Eine intensive Problem- und Reformdiskussion wäre dafür notwendig. Beim Punkt Vorgesetztenweisungsrecht in der Justizhierarchie ist zum Beispiel das besonders umstrittene Weisungsrecht von Vorgesetzten mit Blick auf das Agieren der eigentlich Verantwortlichen und die konkrete Sache bearbeitenden Staatsanwältinnen zu nennen. Die Auskunft von Praktikerinnen, dass dieses spezielle Weisungsrecht im Arbeitsalltag der Staatsanwaltschaften keine so große Bedeutung habe, ändert meines Erachtens am Grundproblem nichts. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass das Justizministerium beziehungsweise der Minister nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE auch nach Lösung des Weisungsrechtsproblems ein Informationsrecht bzw. eine Informationspflicht zu Vorgängen in seinem politischen Zuständigkeitsbereich behalten muss. Für den Bereich der Gerichte wird dies bei bestehender richterlicher, wenn auch unseres Erachtens dringend nachbesserungsbe
dürftiger, Unabhängigkeit schon praktiziert. Es ist also möglich, für den notwendigen und sinnvollen Informationsfluss zwischen Justiz und politischer Ebene zu sorgen und die Unabhängigkeit der inhaltlichen Arbeit in der Justiz dennoch zu gewährleisten. Denn es kann und darf auch nicht Ziel sein, die politische Ebene, damit sind zum Beispiel auch die Parlamente gemeint, völlig ohne Einblick und Wissen darüber zu lassen, was im Bereich der Justiz gerade geschieht. Frau Marx hat gerade kurz skizziert, was das im negativen Fall zur Folge hätte.
Wir sagen daher, Informationsrecht der politischen Ebene: Ja, im Sinne der Kontrolle, der parlamentarischen Kontrolle von Exekutive und Justiz, sogar nicht nur das Recht auf Information, sondern sogar die Verpflichtung, informiert zu werden. Hineinregieren aber, also die Beeinflussung von Ermittlungen und Verfahren durch das verpflichtende Weisungsrecht: da sagen wir Nein. Dabei muss berücksichtigt werden, die Informationsrechte müssen so ausgestaltet sein, dass sie der politischen Ebene bzw. informationsberechtigten Personen keine Möglichkeiten geben, schon durch die bloße, gegebenenfalls auch illegale Weitergabe von Informationen zu Ermittlungsverfahren auf diese Ermittlungen Einfluss nehmen zu können. Zu nennen wäre hier als Beispiel die Warnung an Betroffene vor bevorstehenden Ermittlungsmaßnahmen, was ein ganz aktuelles Beispiel wäre. Mit Blick auf wirksame Arbeitsabläufe und Arbeitsbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Bereichen staatlichen Handelns ist beim Thema „Weisungsrecht“ dann auch die Anwendung und Ausgestaltung des Weisungsrechts bezogen auf die Überarbeitung von Fallgruppen zu diskutieren. Als durchaus brisantes Stichwort und auch mit Blick auf die Praxis in der Vergangenheit in Thüringen möchte ich hier die Frage einheitlicher Leitlinien für Staatsanwaltschaften bei Ermittlungstätigkeiten in Bezug auf Straftaten mit rechtsextremem, antisemitischem oder ausländerfeindlichem Hintergrund nennen.
Unseres Erachtens sollte sich die Konferenz der Justizministerinnen und -minister dringend mit dem Problemfeld „Weisungsrecht in der Justiz“ und mit den Fragen des Ausbaus der Unabhängigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften, auch entsprechend europäischer bzw. internationaler Vorgaben, beschäftigten. Aber auch hier im Landtag sowie im Justiz- und Verfassungsausschuss sollte das Thema „Weisungsrecht“ in der Justiz, aber eben auch das von mir angesprochene weite Themenfeld der Unabhängigkeit der Justiz intensiver und auf konkrete notwendige Veränderungsschritte hin diskutiert werden. Dabei sollte, so ist unsere Meinung, mit Verbänden und im Bereich der Rechtspflege tätigen Menschen zu diesen Themen auch eine kritische Situationsanalyse bezogen auf Thüringen stattfinden. Wir würden uns deshalb einer Debatte im zuständigen Ausschuss nicht verweigern. Wenn
aber heute abgestimmt würde, dann können wir dem Antrag nicht zustimmen, weil er einerseits nur diesen einen Punkt „Weisungsrecht“ behandelt, wir das Thema aber weiter gefasst sehen, und weil wir andererseits auch nicht wollen, dass so ein wichtiges Thema instrumentalisiert wird. Ich danke Ihnen.
„Mit der deutlichen Mehrheit seiner Mitglieder“ - das beginnt schon lustig. Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin! Nach und nach nutzen immer mehr Länder die mit der Föderalismusreform 2006 zugeordnete Gesetzgebungszuständigkeit für den Justizvollzug und verabschieden sich vom Strafvollzugsgesetz des Bundes durch eigene Gesetzgebungsverfahren. Die Linke hatte diesen Zuständigkeitswechsel immer kritisiert, insbesondere hinsichtlich der damit in Kauf genommenen Zersplitterung der Regelungslandschaft und der Gefahr eines durch den Kostendruck entstehenden Dumpingwettbewerbs bei den Vollzugsstandards.
Zur Kenntnis nehmen müssen wir allerdings, dass auch das Bundesgesetz durch neue Entwicklungen, wie zum Beispiel in der Suizidpräventionsforschung, ergänzungsbedürftig ist. Daher machte es trotz der oben genannten Grundsatzkritik Sinn, dass Thüringen eine eigene Gesetzgebung in Gang bringt. Sinn machte es auch, sich am Musterentwurf der zehn Länder zu orientieren und damit einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen.
Jedoch hätten unseres Erachtens mehr Neuerungen im Sinne des konsequenten Resozialisierungsvollzugs in den Gesetzentwurf eingebaut werden müssen und auch können, selbst in einer solchen Koalition wie der Ihren, meine Damen und Herren.
Eine deutlich sichtbare, auf den ersten Blick eher formale Veränderung ist die Zusammenführung des Erwachsenenstrafvollzugs, des Jugendstrafvollzugs und der Untersuchungshaft in einem Gesetzbuch. Diese wird aber, weil eben der erste Blick oder das Formale nicht entscheidend ist, vom Bund der Strafvollzugsbediensteten insbesondere mit Blick auf das Trennungsgebot, aber auch hinsichtlich der praktischen Handhabbarkeit vehement kritisiert. Die Landesregierung hat sich hier gegen eine Unterteilung oder Strukturierung wenigstens in gesonderte Bücher innerhalb dieses Justizvollzugsgesetzbuchs entschieden, wie sie zum Beispiel in Baden-Württemberg vorgenommen wurde. Meine Fraktion hat
große Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der Trennungsgebote zwischen den drei Haftarten in der Praxis, vor allem mit Blick auf die Untersuchungshaft und die Geltung der Unschuldsvermutung während des Ermittlungsverfahrens. Das, meine Damen und Herren, ist einer der Gründe für unseren Entschließungsantrag, mit dem wir die kritische Begleitung der Umsetzung des Gesetzes in der Praxis, vor allem durch ein fortlaufendes Evaluierungsverfahren, beschließen wollen. Welche weitergehenden Änderungen im Sinne eines konsequenten Resozialisierungsvollzugs nach Ansicht meiner Fraktion notwendig sind, wird an unserem umfangreichen Änderungsantrag deutlich, der Ihnen zur Beratung und Abstimmung vorliegt. Durch die Änderung im § 2 Abs. 1, Ziel und Aufgabe des Vollzugs, formulieren wir ganz klar, dass Ziel des Vollzugs die dauerhafte und umfassende Resozialisierung ist. Wir formulieren ausdrücklich, dass der Schutz der Allgemeinheit nicht durch den Vollzug als solchen gewährleistet ist, sondern durch eine erfolgreiche und dauerhafte Resozialisierung, auf die der Vollzug in seiner konkreten Gestaltung aktiv hinwirken muss. Wirksame und zielgerichtet auf den Einzelfall abgestimmte Resozialisierungsmaßnahmen sind unseres Erachtens die wichtigste Voraussetzung für ein Leben ohne Rückfall nach der Haft. Deshalb formulieren wir in § 6 mit dem Titel „Recht auf Wiedereingliederung“ anstelle einer nebulösen Mitwirkungspflicht des Gefangenen einen Rechtsanspruch auf Resozialisierungsmaßnahmen. Entsprechend dieser Vorgaben verlangt die Linke auch eine Erhöhung der Standards bei der Vollzugsplanung, auch angesichts der Tatsache, dass viele Gefangene schon jetzt zu lange auf ihren Vollzugsplan warten und er dann oft in seinen Inhalten zu wenig auf den Einzelfall zugeschnitten ist, meine Damen und Herren. Eine Verlängerung der Erstellungsfrist, wie der Änderungsantrag von CDU-SPDKoalition „mit einer deutlichen Mehrheit“ im Ausschuss in der Beschlussempfehlung verlangt, ist daher unseres Erachtens auf jeden Fall abzulehnen. Bei der Vollzugsplanung bzw. ihrer Umsetzung sollte stärker auf die Anwendung des offenen Vollzugs und die Anwendung von Lockerungen gesetzt werden. Das ist wichtig für die Vorbereitung des Lebens in Freiheit. Daher sieht unser Antrag den Vorrang des offenen Vollzugs und die Anwendung alternativer Vollzugsformen vor dem geschlossenen Vollzug (in § 22) vor. Auch die Anwendung der Lockerungen wird in den Änderungen zu den §§ 46 bis 49 ausgebaut. Unseres Erachtens reicht es nicht, wenn die soziale Unterstützungsarbeit unter Einbeziehung externer Stellen und Organisationen, zum Beispiel der Arbeitsagentur oder des Jugendamts, erst gegen Ende der Haft einsetzt. Diese Begleitung muss vom ersten Hafttag an erfolgen und vor allem auch den möglichst reibungslosen Übergang von der Haft in den Alltag nach der Haft si
cherstellen. Deshalb schlagen wir eine umfassende Regelung der sozialen Hilfen vor.
Nicht zuletzt, und davon können die Mitglieder der Strafvollzugskommission ein Lied singen, weil viele Gefangene in den Thüringer Justizvollzugsanstalten sowohl in Petitionen - Herr Wetzel, wenn ich Sie störe, können Sie hinausgehen
als auch in Vorort-Gesprächen immer wieder ihre aus schlechter Erfahrung gewonnene Sorge ausdrücken, bei der Entlassung ohne vorbereitetes soziales Netz vor die Tür gesetzt zu werden.
Um den Bruch zwischen Haftalltag und dem Leben draußen zu verringern, versuchen wir, mit unseren Änderungsanträgen die Haftumstände in der JVA so weit als möglich dem Alltagsleben anzugleichen. So sieht unser Änderungsvorschlag zu § 62 vor, dass Gefangene in der JVA ihre eigene Kleidung tragen und sich dann auch um deren Pflege kümmern sollen. Das ist ein Punkt, an dem deutlich wird, dass DIE LINKE bemüht ist, die Standards für alle Gefangenengruppen möglichst den Standards anzugleichen, die die bestmöglichen bzw. bestgebotenen für eine der Gefangenengruppen sind.
Hinsichtlich der Kleidung ist das der Standard, der eigentlich für Untersuchungsgefangene gilt. Dieses Modell des möglichst positiven Gesamtstandards ist deshalb notwendig, weil durch die Zusammenfassung aller Haftarten in einem Gesetzbuch in der Praxis ein Aufweichen und Unterlaufen der Standards droht, ein Standard-Dumping sozusagen, zulasten der Personengruppen im Vollzug, die eigentlich aus verfassungsrechtlichen Gründen Anspruch auf höhere Standards hätten.
Ein weiteres Beispiel für dieses Modell der positiven Gesamtstandards sind die Änderungsvorschläge zu Bestimmungen im sechsten Abschnitt des Gesetzentwurfs, dem Abschnitt, in dem es um Kommunikation nach außerhalb des Vollzuges geht, zum Beispiel in unserem Antrag die Erhöhung des Mindestumfangs für monatliche Besuche auf vier Stunden im § 34. An dieser Stelle orientieren sich unsere Standards vor allem an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für den Jugendstrafvollzug. Mit Blick auf dieses Regelungsfeld greifen wir auch Änderungsvorschläge Anzuhörender, zum Beispiel des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins e.V., auf, was die Kontrollfreiheit von Anwaltskontakten angeht. Hier sollten andere Anwältinnen, die von den Gefangenen im Verfahren mandatiert sind, nicht schlechter gestellt
werden als die Verteidigerinnen in Strafsachen der Gefangenen.
Auch mit unserer Forderung nach Kleinwohngruppenvollzug in § 20, für die die Fraktion schon im Rahmen der Debatte um ein neues Jugendstrafvollzugsgesetz vor einigen Jahren viel Unterstützung vieler Expertinnen bekommen hat, werden die Kommunikationsmöglichkeiten und die Arbeit am Erwerb von Sozialkompetenzen verstärkt. Hinsichtlich der Stärkung der Sozialkompetenzen wird in unseren Änderungsvorschlägen auch die Methode der konsensualen Streitschlichtung festgeschrieben, ebenso wie die Funktion der unabhängigen Vertrauensperson. Auch das im Übrigen ein Vorschlag aus unserem Gesetzentwurf von 2007 zum Jugendstrafvollzugsgesetz, der Unterstützung der Fachleute bekommen hatte. Allerdings sagen Fachleute auch, dass selbstverständlich auch für andere Personengruppen im Vollzug eine Ausdehnung der Kommunikationsmöglichkeiten und der sozialen Kontakte mit Blick auf die Resozialisierung sinnvoll ist. Daher macht also der Gesamtstandard auch in diesem Bereich Sinn.
Meine Damen und Herren, berufliche Qualifizierung ist ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Resozialisierung. Deshalb schlägt die Linke auch für diesen Bereich Verbesserungen vor, zum Beispiel eine Änderung des § 28. In einem neuen Absatz 5 soll der Vorrang von Ausbildungsund Qualifizierungsmaßnahmen vor bloßen anderen Arbeitsgelegenheiten in der Justizvollzugsanstalt festgeschrieben werden. Auch das ist eine Konkretisierung des Rechts auf Resozialisierung, vor allem auch mit Blick darauf, dass viele Gefangene angesichts schwieriger persönlicher Verhältnisse in diesem Bereich hohen persönlichen Nachholbedarf haben.
In diesem Zusammenhang sei auch noch auf einen Änderungsvorschlag für den § 66 verwiesen. Hier wollen wir die Vergütung der Gefangenen für Arbeitsleistungen Gefangene erledigen in den JVAen oft Aufträge für den ganz normalen Markt moderat anheben.
Das ist nach Ansicht der Linken mindestens notwendig - es reicht uns eigentlich bei Weitem noch nicht -, da nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die derzeitige Vergütungsstruktur verfassungsrechtlich höchst problematisch ist.
Auch eine Verbesserung der medizinischen und therapeutischen Leistungen sieht unser Änderungsantrag vor, vor allem in § 74. Auch Gefangene haben ein Recht auf Behandlung entsprechend den Standards der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch.
Das gebietet schon das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot. Dazu gehört dann eben auch das Recht auf eine freie Arztwahl, das zum Beispiel für solche Gefangenen wichtig ist, die mit Vorerkrankungen in den Vollzug kommen und sich von den bisher behandelnden Ärzten auch weiter betreuen lassen wollen oder auch müssen,