Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch die Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen Frau Abgeordnete Hennig. Die Rednerliste führt Herr Abgeordneter Metz.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt Herr Minister Dr. Schöning und der Abgeordnete Recknagel.

Gestatten Sie mir folgende allgemeine Hinweise: Die Übersicht über die erteilten Dauerarbeitsgenehmigungen für Bild- und Tonaufnahmen für die 5. Wahlperiode durch den Ältestenrat gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung wurde erneut aktualisiert und den Parlamentarischen Geschäftsführern übergeben.

Ich lade Sie alle herzlich morgen, 13.00 Uhr, ins Foyer vor dem Landtagsrestaurant zur Eröffnung der Ausstellung „Landschaftspflegeverbände in Thüringen - Brückenbauer zwischen Mensch und Natur“ des Verbandes für Landschaftspflege, Projektbüro Thüringen, ein. Anlass ist das Inkrafttreten des neuen Bundesnaturschutzgesetzes, welches die Rolle der Landschaftspflegeverbände stärker in den Fokus stellt.

Gleichzeitig möchte ich Sie auf eine weitere Veranstaltung am morgigen Tag im Landtagsfoyer aufmerksam machen. Die UNICEF-Arbeitsgruppe Erfurt wird traditionell ihre Oster- und Glückwunschkarten zum Verkauf anbieten.

Darüber hinaus hat die Handwerkskammer Thüringen für morgen zu einem parlamentarischen Abend eingeladen, der nach der Plenarsitzung gegen 20.00 Uhr stattfinden soll.

Folgende allgemeine Hinweise zur Tagesordnung: Die Fraktionen sind im Ältestenrat übereingekommen, heute die Aktuellen Stunden und danach eine Fragestunde aufzurufen. Die Fragestunde wird morgen nach der Mittagspause fortgesetzt.

Darüber hinaus sind die Fraktionen im Ältestenrat übereingekommen, zu Tagesordnungspunkt 3, Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 5/625,

im Anschluss an die erste Beratung - sofern keine Ausschussüberweisung beschlossen wird - gleich die zweite Beratung durchzuführen. Ich gehe davon aus, es wird nicht widersprochen. Oder wird widersprochen? Das ist nicht der Fall, dann verfahren wir so, wie vom Ältestenrat vorgesehen.

Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu Tagesordnungspunkt 1 a hat die Drucksachennummer 5/652 und zu Tagesordnungspunkt 1 b die Drucksachennummer 5/653.

Zu Tagesordnungspunkt 20, Fragestunde, kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu: Drucksachen 5/640/641/642/643/650/651.

Die Landesregierung hat angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 8, 10, 11, 12 und 13 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Ich frage: Gibt es Ergänzungen zur Tagesordnung? Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Meine Fraktion beantragt, die Tagesordnungspunkte 8 und 17 zusammen zu behandeln.

Gibt es dazu Anmerkungen? Das sehe ich nicht, dann lasse ich darüber abstimmen. Wer damit einverstanden ist, dass wir die Tagesordnungspunkte 8 und 17 gemeinsam behandeln, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dann wird das gemeinsam auf Platz 8 behandelt.

Gibt es weitere Ergänzungen zur Tagesordnung? Das sehe ich nicht. Damit ist die Tagesordnung mit den von mir genannten Ergänzungen und dem Antrag jetzt so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21

Aktuelle Stunde

Die Fraktionen der FDP, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt. Die Zeit für die einzelnen Aktuellen Stunden beträgt 30 Minuten. Die Redezeit der Landesregierung bleibt unberücksichtigt. Jeder Redner hat die Zeit von 5 Minuten.

Wir kommen zum ersten Teil der Aktuellen Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Standpunkt der Landesregierung zum Erhalt der bestehenden effi- zienten, wirtschaftlichen und bür- gernahen Landkreisstrukturen in Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 5/593 -

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich die Fraktion der FDP, der Herr Uwe Barth.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das Thema Kreisgebietsreform ist seit dem Inkrafttreten der letzten Kreisgebietsreform am 1. Juli 1994 eines der umstrittensten und zugleich ein ewig junges Thema in der Landespolitik. Die Meinungen gingen und gehen weit auseinander, von drei bis vier Kreisen bis hin zur völligen Ablehnung reicht die Bandbreite der vertretenen Meinungen.

Im Koalitionsvertrag heißt es zum Thema: „Die Landesregierung lässt prüfen, ob, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum eine Funktional- und Gebietsreform zu Einsparungen und zu Effizienzgewinnen auf kommunaler Ebene und im Landeshaushalt führt.“ Auf eine Kleine Anfrage nach dem Stand der Bearbeitung antwortete der zuständige Minister Ende Januar dieses Jahres: „Die Landesregierung bereitet derzeit die Umsetzung des Prüfauftrags vor. In Auswertung der Ergebnisse des Prüfauftrags wird die Landesregierung eine Entscheidung über weitergehende Maßnahmen treffen.“

Etwas mehr als einen Monat nach dieser Antwort, liebe Kolleginnen und Kollegen, ging derselbe Innenminister an die Öffentlichkeit und verkündete, man vermittle in Eisenach mit dem Ziel der Einkreisung der Stadt Eisenach. Das führte zu Schlagzeilen, zu erfreuten Reaktionen. Beim Koalitionspartner war die Frage der Gebietsreform ja in Wahrheit einer der wenigen Punkte, bei denen sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen konnte. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirft Fragen auf. Nachdem noch nicht einmal sechs Wochen zuvor überhaupt ein Prüfauftrag vorlag, weiß man es nun plötzlich ganz genau, liegt schon ein Teilergebnis zumindest vor und ist offenkundig auch schon eine Teilauswertung der Ergebnisse erfolgt, zumindest soweit es Eisenach und Suhl betrifft.

Das, sehr verehrter Herr Minister, wirft die Frage auf, ob Sie sechs Wochen vorher das Parlament, ich will

sagen, bewusst ungenau informiert haben oder ob Sie seither Hellseher oder vielleicht besser in Ihrem Fall Schwarzmaler im Ministerium beschäftigen, die zum plötzlichen Erkenntnisgewinn verhelfen?

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Dazu muss man kein Hellseher sein.)

(Beifall FDP)

Oder sind es vielleicht nur Mutmaßungen nach dem Motto, wir lassen mal einen Ballon steigen, wir schaffen Betroffenheiten und warten ab, wer, wie darauf reagiert. Um Antworten auf diese Frage zu erhalten, hat die FDP-Fraktion diese Aktuelle Stunde beantragt. Der Titel, liebe Kolleginnen und Kollegen ist kein Zufall, sondern er ist dem Wahlprogramm der CDU Thüringen zur Landtagswahl 2009 entnommen. Dort heißt es nämlich: „Bürgerinnen und Bürger, Vereine und die Wirtschaft identifizieren sich aus regionaler Verbundenheit mit ihren Landkreisen. Die Landkreise arbeiten effizient, wirtschaftlich und bürgernah. Wir treten daher für den Erhalt der bestehenden Strukturen ein.“

Dieses Programm, sehr verehrter Herr Minister, müssen Sie natürlich nicht kennen, Sie haben keinen Wahlkampf gemacht. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. Aber die Innenpolitiker in Ihrer Fraktion - auch ehemalige Innenminister demnächst wieder -, auf deren Ticket Sie ja im Kabinett sitzen, sind genau mit dieser Forderung, genau mit diesem Versprechen im Wahlkampf aufgetreten. Deshalb wollen diese Innenpolitiker sicher, aber vor allem wollen wir hier und jetzt wissen, was nun gilt und wer in dieser Koalition denn nun recht hat, die, die die Strukturen erhalten wollen, oder die, die Ihre Äußerungen, sehr verehrter Herr Minister, als Abkehr vom Versprochenen, als Einknicken oder gar als Einsicht in die Notwendigkeit zu einer Gebietsreform interpretieren.

Deswegen wollen wir von Ihnen wissen: Wollen Sie Änderungen in den Kreisgebietsstrukturen von oben verordnen? Glauben Sie, dass größere Strukturen, dass größere Kreise automatisch effizienter und billiger sind? Die FDP glaubt dies nicht, sehr verehrter Herr Kollege, und lehnt solche Änderungen von oben deshalb ab.

(Beifall FDP)

Wir sehen in den existierenden Strukturen einen Lebensnerv für unseren ländlich geprägten Raum. Dass die Landwirtschaft zu den Kleinigkeiten im Leben gehört, haben wir in den letzten Tagen im Interview des Vorsitzenden der Linksfraktion gelernt. Das glaubt die FDP insbesondere im ländlich geprägten Thüringen eben nicht. Es ist für uns keine

schöne Vorstellung, dass ehrenamtliche Kreistagsabgeordnete, Kommunalpolitiker statt bisher vielleicht 40, künftig 100 oder mehr Kilometer fahren müssen, um zu ihren Kreistagssitzungen, zu den Ausschusssitzungen und wieder nach Hause zu kommen.

(Beifall FDP)

Das tut sich auf Dauer kein Mensch an. Von Berufspolitikern und von hauptamtlichen Angestellten in den Kreisverwaltungen geprägte Kreistage, das ist nicht das Bild, das ist nicht die Idee unseres Landes in der Zukunft, die wir als FDP teilen und haben.

(Beifall FDP)

Groß, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrter Herr Minister, ist nicht gleich billig. Arm und arm ist nicht automatisch reich. Das alles haben die bestehenden und bisher durch …

(Beifall CDU, FDP)

Herr Abgeordneter, die fünf Minuten sind vorbei.

(Heiterkeit und Beifall CDU, DIE LINKE, FDP)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, als Nächster zu Wort gemeldet hat sich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Herr Abgeordnete Dirk Adams.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass ich nicht auf einmal sprachlos sein werde.

Zunächst einmal Herr Barth, ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt, der dabei in der Rhetorik immer außen vor bleibt, ist der demographische Wandel. Den können wir mit sehr langfristigen Maßnahmen möglicherweise wieder revidieren über einige Generationen, aber zunächst einmal ist er ein Faktum, dem sich auch die FDP stellen muss. Wenn wir weiterhin den Staatsapparat so im Freistaat Thüringen bereithalten wie bisher, dann sind wir irgendwann bei einer Eins-zu-Eins-Betreuung. Das kann wirklich, glaube ich, nicht im Zielgebiet der FDP liegen, die eigentlich immer den schlanken Staat will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Enquetekommission zur Gebietsreform, Gutachtergruppen, jetzt noch einmal neu, dabei ist die Sachlage uns

allen doch vollkommen klar. Der eben schon von mir erwähnte demographische Wandel ist leider - und wir können uns da auch auf den Kopf stellen - nun mal ein Faktum, dem wir uns stellen müssen, und das weitere Augenschließen davor hilft uns nicht, einen klaren Blick zu gewinnen. Weniger Menschen in Thüringen müssen auch weniger Beamte und weniger Staatsstrukturen nach sich ziehen. Das ist doch ganz klar.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben neue Kommunikationsmedien. Wir sind nicht mehr im Jahre 1901, wo die Menschen zu ihrem Landrat hätten laufen müssen. Wir sind darüber hinaus gegangen, dass wir Mobilität organisiert haben, so dass man weiter in eine Kreisstadt kommen kann. Wir sind jetzt im modernen Thüringen angekommen, wo wir moderne Kommunikationsmittel zur Verfügung haben, die von einer breiten Masse der Bevölkerung auch bedient werden kann. Diese neuen Medien sollten wir nutzen, um den Staat den Bürgern nahezubringen. Das ist nicht mehr zunächst eine örtliche Frage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese beiden Punkte zusammengenommen haben wir den wesentlichen Ausgang formuliert, um jetzt eine Strategie und nicht weitere Gutachten in Auftrag zu geben. Wir brauchen eine Strategie, wie wir damit umgehen wollen, dass Thüringen schmaler besiedelt sein wird und dass wir in den letzten fünf Jahren die Bevölkerung eines ganzen Landkreises verloren haben, weniger geworden sind. Das können wir nicht unbeachtet lassen.