Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit großer Betroffenheit haben wir vom Tod unseres ehemaligen Kollegen Benno Lemke erfahren. Nach schwerem Leiden, immer auf Genesung hoffend, hat er den Kampf gegen die Krankheit verloren. Ich spreche den Angehörigen, seiner Lebenspartnerin, die heute auch hier sind, seinen Freunden und allen, die ihn kannten, im Namen der Abgeordneten des Thüringer Landtags mein tief empfundenes Beileid aus. Benno Lemke gehörte dem Landtag für die Fraktion der PDS, später DIE LINKE, mit Unterbrechung fast 11 Jahre an. In seiner politischen wie ehrenamtlichen Arbeit beschäftigte er sich unter anderem als Mitglied des Ausschusses für Bau und Verkehr und als Vorsitzender der Landesverkehrswacht besonders mit dem Gebiet der Verkehrspolitik. Benno Lemke wird uns als engagierter, streitbarer und fleißiger Abgeordneter in Erinnerung bleiben. Wir werden ihm ein ehrendes Angedenken bewahren. Ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben und Benno Lemke zu gedenken.

Vielen herzlichen Dank.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Schriftführer hat neben mir Platz genommen der Abgeordnete Dr. Voigt. Die Rednerliste führt der Abgeordnete Dr. Hartung.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt die Ministerpräsidentin ab 16.00 Uhr, der Abgeordnete Recknagel und der Abgeordnete Schröter.

Folgende allgemeine Hinweise: Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen, allen Abgeordneten sowie den Mitarbeitern der Fraktionen und der Landtagsverwaltung für den Einsatz und ihr Engagement zum Tag der offenen Tür zu danken. Den diesjährigen Tag der offenen Tür haben wieder viele Thüringer genutzt, um einen Blick hinter die Kulissen eines Parlamentsbetriebs zu werfen. Wir waren „Parlament transparent“. Der Tag der offenen Tür war ein voller Erfolg. Das spiegelt auch die Resonanz in den Medien wider. Ich danke Ihnen nochmals insgesamt.

(Beifall im Hause)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landespressekonferenz hat für morgen zu ihrem traditionell stattfindenden Sommerfest eingeladen, das am Ende der Plenarsitzung gegen 19.30 Uhr beginnen soll.

Gestatten Sie mir folgende Hinweise zur Tagesordnung: Die Fraktionen sind im Ältestenrat übereingekommen, die Wahl in Tagesordnungspunkt 19 heute nach der Fragestunde, die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin am Freitag als ersten, den Tagesordnungspunkt 11 am Freitag als dritten und den Tagesordnungspunkt 13 am Freitag als zweiten Punkt aufzurufen.

Der Ältestenrat hat in Auswertung der Vorkommnisse bei der Wahl zu den Verfassungsrichtern des Freistaats Thüringen Veränderungen für den Ablauf von Wahlen beschlossen, welche ich Ihnen unmittelbar vor den heutigen Wahlen vorstellen werde.

Der Ältestenrat hat weiterhin einstimmig beschlossen, den Tagesordnungspunkt 2 und den Tagesordnungspunkt 3 gemäß § 29 Abs. 2 Geschäftsordnung in gekürzter Redezeit, also die Hälfte der Redezeit, zu behandeln. Die genauen Redezeiten der Fraktionen gebe ich Ihnen bei Tagesordnungspunkt 2 im Einzelnen bekannt.

Die angekündigte Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit zu TOP 2 hat die Drucksachennummer 5/1115. Dazu wurde ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/1117 verteilt. Weiterhin wird dazu ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/1131 verteilt.

Die angekündigte Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu Tagesordnungspunkt 3 hat die Drucksachennummer 5/1108. Als Berichterstatter wurde der Abgeordnete Hey benannt. Dazu wurde ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/1126 verteilt. Weiterhin wurde dazu ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/1130 verteilt.

Der gemeinsame Wahlvorschlag zu Tagesordnungspunkt 19 hat die Drucksachennummer 5/1118. Dazu wurde eine Neufassung verteilt.

Die Fraktion DIE LINKE hat zu Tagesordnungspunkt 20 keinen neuen Wahlvorschlag eingereicht; sie bittet gleichzeitig, diesen Tagesordnungspunkt von der Tagesordnung abzusetzen.

Zu Tagesordnungspunkt 21 - Fragestunde - kommen die Mündlichen Anfragen in den Drucksachen

5/1095, 5/1098, 5/1099, 5/1100 und 5/1103 bis 5/1107 hinzu. Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Schubert in Drucksache 5/1084 wird in Abstimmung mit der Landesregierung in der Plenarsitzung im August beantwortet.

Der Abgeordnete Kubitzki hat seine Mündliche Anfrage in Drucksache 5/1087 in eine Kleine Anfrage umgewandelt.

Die Landesregierung hatte bereits angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 9 und 12 von der Möglichkeit eines Sofortberichts Gebrauch zu machen. Außerdem wird sie zu den Tagesordnungspunkten 13, 15 und 16 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 Geschäftsordnung Gebrauch machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktionen CDU, SPD und FDP sind übereingekommen, anders als üblich, die Mittagspause nicht am Donnerstag, sondern am Freitag durchzuführen.

Die Fragestunde soll heute nur eine Stunde betragen. Sollten nicht alle Fragen abgearbeitet werden, sollen die restlichen Fragen am Freitag nach der Mittagspause aufgerufen werden. Ich frage zu diesem Punkt: Gibt es Widerspruch? Das sehe ich nicht.

Dann frage ich insgesamt: Gibt es Ergänzungen, Widerspruch zur Tagesordnung? Das sehe ich ebenfalls nicht. Damit ist die Tagesordnung so beschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen zu Tagesordnungspunkt 22

Aktuelle Stunde

Die Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die SPD und die CDU haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt. Die Zeit für die einzelnen Themen beträgt jeweils 30 Minuten. Die Redezeit der Landesregierung bleibt unberücksichtigt. Die Redezeit für einen Beitrag eines Abgeordneten beträgt maximal 5 Minuten.

Ich rufe auf den ersten Teil

a) auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Schlussfolgerungen aus der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Bürgermeisterwahlen am 6. Juni 2010“ Unterrichtung durch die Präsiden- tin des Landtags - Drucksache 5/1116 -

Als Erster hat sich der Abgeordnete Kuschel von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, am 6. Juni 2010 haben in rund 690 Thüringer Gemeinden Bürgermeisterwahlen stattgefunden. In 5 Gemeinden wurden hauptamtliche Bürgermeister gewählt, ansonsten ehrenamtliche Bürgermeister. Die Zahlen, die wir dabei vom Landeswahlleiter zur Kenntnis nehmen mussten, sollten uns alle zum Nachdenken bewegen. In 28 Gemeinden haben sich keine Kandidaten gefunden, um für dieses Amt zu kandidieren. In fast 500 Gemeinden gab es nur einen Kandidaten, der sich dem Votum der Wähler gestellt hat. Insgesamt gab es nur rund 900 Kandidatinnen und Kandidaten; denen ist zunächst von dieser Stelle zu danken. Aber diese Zahlen sind natürlich kein Beleg für eine lebhafte Demokratie auf kommunaler Ebene.

Wir müssen uns intensiv damit beschäftigen, warum immer weniger Menschen bereit sind, für ein solches Amt zu kandidieren. Eine Ursache ist aus unserer Sicht die gegenwärtige Situation in den Kommunen, insbesondere die sehr eingeschränkten finanziellen Handlungsmöglichkeiten. Wenn natürlich nicht mehr viel zu entscheiden ist in einer Gemeinde, sondern nur noch letztlich der Mangel zu verwalten ist, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn immer weniger Bürgerinnen und Bürger bereit sind, sich dieser Herausforderung zu stellen. Deshalb sind wir in der besonderen Verantwortung, das Ermessen der Gemeinden sowohl rechtlich als auch finanziell so wieder auszugestalten, dass Kommunalpolitik zum Schluss auch etwas Spaß macht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich meine, es gibt auch Menschen - dazu zähle ich mich -, die auch mit Mangel zurechtkommen und sich da immer noch sehr intensiv streiten können. Aber ich habe auch hohes Verständnis, wenn bestimmte Menschen sich dann verweigern und sagen, bei diesem Spiel machen wir nicht mehr mit. Deshalb unsere hohe Verantwortung und Sie wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, über den Kommunalen Finanzausgleich müssen wir als Landesgesetzgeber letztlich dafür Sorge tragen, dass die Gemeinden tatsächlich noch Entscheidungsspielräume zur Verfügung haben. Gerade bei kleinen Gemeinden wird das Ermessen im Grunde genommen auf null reduziert. Dort, wo ehrenamtliche Bürgermeister tätig sind, gehören die Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft an oder werden erfüllt und die Höhe der Kreisumlagen, die zu entrichten sind, und der Verwaltungsgemeinschaftsumlagen übersteigen in den meisten Fällen das eigene Steueraufkom

men, so dass schon Landeszuweisungen verwendet werden müssen, um dort entsprechend überhaupt die Umlagen bezahlen zu können. Das heißt, für die Wahrnehmung der eigenen Aufgaben und vor allem der sogenannten freiwilligen Aufgaben, davon lebt letztlich Kommunalpolitik, steht überhaupt kein Geld mehr zur Verfügung.

Ein zweiter Komplex, auf den ich eingehen möchte und der uns genauso zum Nachdenken bewegen sollte, ist die Wahlbeteiligung. Nur noch 53 Prozent der Bürgerinnen und Bürger haben von ihrem Wahlrecht bei der Bürgermeisterwahl Gebrauch gemacht. Dort geht es ja nicht um irgendetwas, dort geht es um die Entscheidung, wer die Gemeinde in den nächsten sechs Jahren zu führen hat. Nur noch 53 Prozent, das ist die geringste Wahlbeteiligung seit 1990. Da hilft auch nicht, dass Herr Fiedler als innenpolitischer Sprecher es auf das schöne Wetter schiebt und sagt, gemessen an dem Sonnenschein an dem Tag war die Wahlbeteiligung noch vertretbar. Wenn das eine Begründung ist, dann fällt mir nichts mehr ein, sondern ich sage, nein, es gibt Ursachen dafür, weshalb die Menschen sich letztlich verweigern.

(Beifall DIE LINKE)

Eine Ursache ist natürlich, dass in 28 Gemeinden überhaupt kein Kandidat da war und in weiteren rund 500 Gemeinden nur ein Kandidat. Wenn man die Wahlergebnisse sich mal etwas näher betrachtet, wird man feststellen, dort, wo die Bürger eine Auswahl haben zwischen verschiedenen Kandidaten und zwischen verschiedenen Konzepten, da steigt auch die Wahlbeteiligung, zumindest tendenziell. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass sich wieder mehr Menschen finden, für die Kommunalwahl zu kandidieren. Eine weitere Ursache ist nach unserer und auch nach meiner Überzeugung der kapitale Fehler - den hat die CDU zu verantworten -, dass wir die Termine der Wahl für die Gemeinderäte, Stadträte und die ehrenamtlichen Bürgermeister entkoppelt haben, dass die Bürgermeister also separat gewählt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Die Begründungen, die dort angeführt werden, sind nicht mehr stichhaltig. Deshalb plädieren wir wieder für die Zusammenlegung der Wahltermine.

(Beifall DIE LINKE)

Das löst nicht alle Probleme, aber kann zumindest ein Beitrag dazu sein.

Eine letzte Anmerkung möchte ich machen: Das Wahlergebnis sollte uns auch noch einmal die Sicht darauf eröffnen, dass wir nun den Einstieg in die

Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform brauchen, weil wir nur dann leistungsfähige Gemeinden bekommen, wo wir auch Bürger finden, die sich der Herausforderung eines Bürgermeisteramts stellen können, weil sie ein Ermessen haben, weil sie eine eigene Verwaltung haben und dergleichen, und da ist die Verwaltungsgemeinschaft nicht mehr das Zukunftsmodell. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Danke schön. Als Nächster hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Bergner von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, liebe Gäste! Wer sich daran erinnert, wie sehnsüchtig die Menschen 1989 freie Wahlen friedlich erkämpft haben, muss heute natürlich dafür glühen, dass das Wahlrecht in seiner Wertigkeit nicht verkommt. Das gilt für alle Ebenen, meine Damen und Herren, und nicht nur für Kommunalwahlen.

(Beifall FDP)

Zugleich gilt aber auch, dass das Recht auf freie Wahlen das Recht beinhaltet, auf die Ausübung des Wahlrechts zu verzichten. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ausdrücklich froh, dass heute keine Lautsprecherwagen mehr vor die Häuser von denen fahren, die nicht wählen gegangen sind, und sie dazu nötigen.

(Beifall FDP)

Eine realistische Sichtweise des Themas muss aber auch ein differenziertes Bild zeichnen. Gegenüber 2004 haben wir in der Tat eine Verringerung der Wahlbeteiligung um rund 10 Prozent mit landesweit 53,2 Prozent gegenüber 63,2 Prozent 2004, während aber im Vergleich 2006, da fanden ja auch Bürgermeisterwahlen statt, mit 48,4 Prozent eine um etwa 5 Prozent niedrigere Wahlbeteiligung zu konstatieren ist. Das heißt im Klartext, dass der Tiefpunkt nicht in diesem Jahr erreicht worden ist. Dabei zeigt sich, meine Damen und Herren, eine weite Streuung landesweit, so dass ich schon denke, es kann sich kein einheitliches Bild ableiten lassen. Von etwa knapp 20 Prozent in Ziegelheim streut sich das bis rund 94 Prozent in Ködderitzsch im Weimarer Land. Es zeichnet sich aus meiner Sicht das Bild ab, dass vor allem bei kleinen Gemeinden die Wahlbeteiligung tendenziell höher ist, als es etwa in größeren Gemeinden ist, das heißt, die Wahlbeteiligung ist vor

allem dort größer, wo die Menschen für sich selbst die Chance ausmachen zu partizipieren an dem Geschehen ihrer Gemeinde.

(Beifall CDU, FDP)