Protokoll der Sitzung vom 19.12.2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Für die heutige Plenarsitzung hat als Schriftführerin Frau Abgeordnete Berninger neben mir Platz genommen, die Rednerliste führt Frau Abgeordnete Kanis.

Es haben sich Herr Abgeordneter Günther, Herr Abgeordneter Metz, Herr Minister Gnauck, Herr Minister Dr. Poppenhäger zeitweise, Herr Minister Reinholz zeitweise und Herr Minister Matschie zeitweise entschuldigt.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit habe ich eine Sondergenehmigung für Bild- und Tonaufnahmen gemäß der Regelung für dringende Fälle nach § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung für die heutige Plenarsitzung Herrn Matthias Weidner von Centauri GmbH Filmproduktion aus Gera erteilt.

Folgende Hinweise noch zur Tagesordnung: Da der Innenausschuss erst gestern abschließend zu TOP 6, Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2013 in der Drucksache 5/6299, beraten hat, wurde die Beschlussempfehlung in der Drucksache 5/7070 heute Morgen verteilt. Wir hatten uns darauf verständigt, wenn die zweite Beratung in der heutigen Sitzung stattfinden soll, soll über die Verkürzung der dem § 58 Abs. 1 Geschäftsordnung zu entnehmenden Frist von zwei Werktagen zwischen Verteilung der Beschlussempfehlung und der Beratung abgestimmt werden. Dies ist mit einfacher Mehrheit möglich.

Wir sind gestern bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, über die dazu gestellten Anträge der Fraktionen DIE LINKE und CDU erst heute abzustimmen, nachdem die Beschlussempfehlung des Innenausschusses vorliegt.

Die Fraktion DIE LINKE hatte beantragt, TOP 6 von der Tagesordnung abzusetzen, die Fraktion der CDU hatte beantragt, TOP 6 unter Kürzung der Frist gemäß § 66 Abs. 1 Geschäftsordnung heute nach der Fragestunde aufzurufen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer ist für die Absetzung des Tagesordnungspunkts 6? Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? Es enthält sich niemand. Damit ist die Absetzung abgelehnt.

Wer ist dafür, das ist jetzt der CDU-Antrag, dass TOP 6 unter Kürzung der Frist gemäß § 66 Abs. 1 Geschäftsordnung heute nach der Fragestunde aufgerufen wird, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU und der SPD. Wer ist dagegen? Dagegen ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich? Es enthält sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit haben wir die Fristverkürzung beschlossen und rufen den Tagesordnungspunkt heute nach der Fragestunde auf.

Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2

Regierungserklärung zum Thüringen-Monitor 2013 Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 5/7040

Ich bitte die Ministerpräsidentin, Frau Lieberknecht, um die Regierungserklärung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, „Wie leben wir?“, „Wie wollen wir leben?“ - mit diesen Fragen hat sich der Thüringen-Monitor in diesem Jahr - neben der alljährlichen Untersuchung der politischen Kultur im Lande - intensiv beschäftigt. Die Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena unter der Leitung von Prof. Best haben die Zufriedenheit, die Werte und die gesellschaftlichen Orientierungen der Bevölkerung unter die Lupe genommen. Auch nach den Zukunftserwartungen, Lebenszielen und Lebensbedingungen haben die Forscher gefragt. Die Ergebnisse der Studie haben sie bereits vor wenigen Tagen dem Kabinett und der Öffentlichkeit vorgestellt. Prof. Best und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - namentlich Daniel Dwars, Verena Eichler, Thomas Ritter, Dr. Axel Salheiser und Katja Salomo - möchte ich an dieser Stelle herzlich für Ihre umfangreiche und intensive Arbeit danken!

(Beifall CDU, SPD)

Warum sind uns diese Fragen wichtig? Warum setzen wir uns mit der Frage auseinander, wie die Menschen leben wollen?

Erstens: Das Ziel von Politik ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Menschen ihr Leben in eigener Verantwortung gestalten können. Wir wollen den Menschen nicht größere Belastungen aufbürden, sondern größere Chancen einräumen, damit sie ihr Leben so führen können, wie sie es möchten, nicht Politik weiß es besser, sondern die Menschen wissen selbst, wie sie am besten leben

möchten. Der Thüringen-Monitor 2013 gibt der Politik wichtige Hinweise, wie die Thüringer ihr Leben sehen, was sie erwarten und welche Sorgen sie haben. Er trifft wie in den vergangenen Jahren Aussagen über die politische Kultur im Lande und in diesem Jahr auch über die Bindekräfte unserer Gesellschaft, über die Anziehungskraft Thüringens und darüber, wie wir beides stärken können. Er gibt uns wichtige Hinweise, welche Rahmenbedingungen wir setzen müssen, damit die Thüringer ihre Zukunft im Freistaat, also bei uns in Thüringen, sehen. Und das muss auch unsere Aufgabe sein, darum geht es.

Zweitens: Im kommenden Jahr begehen wir den 25. Jahrestag der friedlichen Revolution. 2014 wird der Fall der Mauer schon ein Vierteljahrhundert zurückliegen. Es ist deshalb wichtig, die Thüringer danach zu fragen, wie sie ihre persönliche Lage und die Lage des Landes nach 25 Jahren Wiederaufbau sehen, danach zu fragen, wie zufrieden sie mit dem sind, was wir zupackend und gemeinschaftlich im Land erreicht haben und was zentrale Zukunftsaufgaben bleiben. Auch diesem Anliegen sind wir mit dem Thüringen-Monitor 2013 nachgegangen. Greift man den zweiten Punkt als Erstes heraus, ist die Botschaft des Thüringen-Monitors 2013 eindeutig: Die Thüringer sind stolz auf das gemeinsam Erreichte, sie sind zufrieden und sie blicken mit großer Zuversicht und Optimismus in die Zukunft. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, kann uns in der Tat freuen.

(Beifall CDU)

25 Jahre nach der friedlichen Revolution stellen die Thüringer ihrer Heimat ein gutes Zeugnis aus. Ich meine, das ist eine wirklich erfreuliche Botschaft und ist für uns Auftrag, weiterhin tatkräftig, zuversichtlich und entschlossen die Zukunft unseres Landes zu gestalten und an einem modernen und gerechten Thüringen 2020 zu arbeiten. Dieses positive Bild ist keine Schönmalerei. Nein, wir kennen die Herausforderungen der Zukunft und gehen sie an. Aber die Zahlen des Thüringen-Monitors belegen eindeutig, dass die Verfassung des Landes - im doppelten Wortsinn - in den Augen der Menschen gut ist: 70 Prozent der Thüringer bewerten ihre eigene finanzielle Lage eher gut oder sehr gut und 71 Prozent schätzen die wirtschaftliche Lage Thüringens eher bis sehr gut ein; 65 Prozent der Befragten stimmen teilweise, weitgehend oder vollständig der Aussage zu, dass die wirtschaftliche Lage im Freistaat besser ist als in den anderen neuen Ländern; 93 Prozent sind mit ihrem Leben insgesamt zufrieden. Besonders erfreulich: Fast drei Viertel der Thüringer sagen, dass ihre Zukunft eher gut aussieht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Thüringer sind also mit großer Mehrheit mit sich und dem Land im Reinen. Thüringen hat

sich in den vergangenen Jahren tatsächlich wirtschaftlich gut entwickelt. Wir sind heute noch nicht am Ziel, aber auf gutem Weg, in die Spitzengruppe aller deutschen Länder aufzusteigen. Mein Ziel ist es, dass Thüringen 2020 in den wichtigsten Kernbereichen - und dazu gehört die Wirtschaft - zu den Top 5 aller deutschen Länder gehört.

Schon heute haben wir eine moderne Infrastruktur, ein ausgezeichnetes Bildungssystem und attraktive Forschungsstandorte. Die Verleihung des Deutschen Zukunftspreises an einen Jenaer Wissenschaftler vor wenigen Tagen steht dafür beispielhaft.

Der Anteil der Selbstständigen an der erwerbstätigen Bevölkerung erreicht längst westdeutsches Niveau. Es hat sich ein innovativer, wettbewerbsfähiger Mittelstand herausgebildet, der Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze schafft. Das ist eine Aufbauleistung, auf die wir stolz sein können. Die „Osterländer Volkszeitung“ hat es vor wenigen Wochen, am 1. November 2013, auf den Punkt gebracht, indem sie schreibt: „Thüringen ist der Musterknabe Ost“.

(Beifall CDU)

Ja, das war ein Zeitungszitat. Ich kann auch einen Kreisverband des Bauernverbandes aus Ostthüringen nehmen, Bauernverband Ostthüringen, der sagt: „Thüringen - das Allgäu des Ostens“.

(Unruhe CDU)

Nur mit dem Unterschied, dass auch unsere Milchkühe Spitze sind, mit einer Leistung mit über 2.000 Kilogramm mehr im Jahr als bei den Kühen im Allgäu, also überall Spitze, gut.

(Heiterkeit und Beifall CDU)

Jeden Tag eine gute Nachricht in unseren Zeitungen. Ich sage, wir sind in vielen Bereichen nicht nur im Osten, sondern schon längst in der gesamtdeutschen Spitzengruppe, aber auch so harte Themen wie Schuldentilgung oder das absolute Zukunftsthema Bildungssystem stehen hier für diese Leistungen.

Die Arbeitslosenquote liegt auf einem historischen Tiefstand. Noch nie seit 1990 waren im November so wenige Menschen ohne Arbeit.

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Und noch nie so viele, die von ihrer Arbeit nicht leben können.)

Das zeigt, unsere wirtschaftliche Lage ist stabil und robust.

(Beifall DIE LINKE)

Wir ziehen auch hier an ersten westdeutschen Ländern vorbei.

(Ministerpräsidentin Lieberknecht)

Ich sage eindeutig: Es ist möglich, bis 2020 Vollbeschäftigung zu erreichen. Ich möchte das gemeinsam mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern erreichen.

Der Thüringen-Monitor ist ein Beleg, dass die gute wirtschaftliche Entwicklung auch von den Menschen wahrgenommen wird. Die Anstrengungen und auch die Entbehrungen zahlen sich langfristig aus. Insgesamt konstatiert die Studie „ein hohes Maß an Zufriedenheit mit den Lebensbedingungen in Thüringen und mit der eigenen Lebensqualität sowohl in privaten als auch in beruflichen und gesellschaftlichen Kontexten“. Das heißt, der Pfeil zeigt klar nach oben.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, bereits im vergangenen Jahr hat der Thüringen-Monitor die Weltoffenheit und Internationalisierung in unserem Freistaat untersucht. Die Wissenschaftler kamen damals zu dem Ergebnis, dass Zitat: „sich die Thüringer Bevölkerung mit großer Mehrheit (…) zur Offenheit gegenüber anderen Kulturen, zur Aufnahmebereitschaft gegenüber Zuwanderern und (…) (zu den) Chancen internationaler wirtschaftlicher Verflechtung bekennt.“ Dennoch müssen wir feststellen, dass Ängste und Ressentiments gegenüber Ausländern - ebenso wie gegenüber anderen Gruppen - noch immer weit verbreitet sind.

Der Aussage, „die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Ausmaß überfremdet“, stimmten im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2010 noch rund 53 Prozent der Befragten zu. Seitdem registriert der Thüringen-Monitor einen positiven Trend: 2012 bejahten noch 49 Prozent und in diesem Jahr 2013 42 Prozent diese Frage. Das ist der Tiefstwert. Allerdings einer, der immer noch zu hoch ist und deswegen unser aller Anstrengungen erfordert.

Die Zustimmung zu dieser Aussage nimmt dabei allerdings mit wachsender Nähe zum eigenen Erfahrungsbereich rapide ab: Denn nur 25 Prozent halten Thüringen für überfremdet und lediglich 7 Prozent ihre eigene Wohnumgebung. Bei einem Ausländeranteil im Freistaat Thüringen von tatsächlich 2,3 Prozent ist allerdings selbst dieser Wert nur schwer erklärbar.

Ich sage deutlich: Wir wollen ein offenes, der Welt zugewandtes Thüringen. Im Zeitalter der Globalisierung führte jeder andere Weg in eine Sackgasse. Wir stehen für eine Willkommenskultur in unserem Land.

Wenn junge, motivierte und gut qualifizierte Menschen aus vielen Ländern nach Thüringen kommen, um zu arbeiten, ist das auch für uns eine Chance. Ich bedaure an dieser Stelle sehr, dass etwa die Gruppe von Spaniern, die bei uns eine Ar

beitsstelle finden wollten, zunächst Schwierigkeiten hatten, unterzukommen. In den Medien wurde darüber breit berichtet. Wir sollten sie offen aufnehmen und ihnen helfen, das ist dank des großen Engagements insbesondere auch des Wirtschaftsministeriums, auch der Landesentwicklungsgesellschaft und anderer helfender Hände geschehen. Wir sollten ihnen helfen, hier Arbeit und eine berufliche Perspektive für sich zu finden. Nicht zuletzt ist es angesichts des demografischen Wandels auch im Interesse der Thüringer Wirtschaft, dass Fachkräfte aus dem Ausland ihre Heimat in Thüringen finden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Thüringen-Monitor untersucht traditionell auch die politische Kultur im Lande. Im Jahr der Verfassung 2013 ist die Studie eine gute Gelegenheit zu fragen: Wie hat sich die politische Kultur im Freistaat entwickelt? Und: Wie stehen die Thüringer heute zur Demokratie?

Vor fast acht Wochen haben wir in einem Festakt auf der Wartburg daran erinnert: Am 25. Oktober 1993 hat der Thüringer Landtag unsere Verfassung beschlossen. Sie wurde ein knappes Jahr später, am 16. Oktober 1994, durch Volksentscheid mit überwältigender Mehrheit bestätigt. Sie ist Ausdruck des einfachen, aber großen Satzes: „Wir sind das Volk“. Der damalige große Wurf, das lässt sich sicherlich mit einiger Berechtigung heute resümieren, und es war auch ein Ergebnis der festlichen Veranstaltung, Frau Präsidentin, die wir auf der Wartburg gemeinsam hatten, der damalige große Wurf, er ist gelungen für unser Land. Der Freistaat Thüringen ist als „freier Staat“, als demokratischer „Staat freier Bürger“ in den Bund der deutschen Länder zurückgekehrt.

Die Verfassung als Regelwerk für unser Gemeinwesen hat sich bewährt. Sie hat den Rahmen vorgegeben und die Freiheit geschaffen, dass nach zwei Weltkriegen und zwei Diktaturen in Thüringen die Demokratie feste Wurzeln geschlagen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Thüringen-Monitor 2013 bestätigt: Die Demokratie wird getragen von einer breiten Unterstützung der Bevölkerung. Seit der ersten Erhebung im Jahr 2000 stimmen stets etwa 80 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Demokratie die beste aller Staatsformen sei. Die Gutachter kommen daher in diesem Jahr zu dem Schluss - Zitat: „Ein hohes Maß an Demokratieunterstützung [...] kann [...] als eine Konstante der politischen Kultur in Thüringen angesehen werden.“ Wenn wir also heute fragen: Wie wollen die Menschen in Thüringen leben? Dann ist eine Antwort darauf ganz eindeutig: Sie wollen in der Demokratie leben, in einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

(Beifall CDU)