Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen der Herr Abgeordnete Meyer, die Rednerliste führt die Frau Abgeordnete Kanis.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt die Ministerpräsidentin bis 15.00 Uhr, der Abgeordnete Recknagel, der Abgeordnete Schröter.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir waren im Ältestenrat übereingekommen, dass einige Kolleginnen und Kollegen heute Vormittag an der Verleihung des Point-Alpha-Preises an den Altbundeskanzler Helmuth Schmidt teilnehmen werden, das aber in Abstimmung mit ihren jeweiligen Parlamentarischen Geschäftsführern und der Parlamentarischen Geschäftsführerin untereinander. Mit dem Point-Alpha-Preis werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die einen wichtigen Beitrag für die deutsche Einheit und das Zusammenwachsen Europas geleistet haben. Der Preis wird seit 2005 jedes Jahr am 17. Juni verliehen. Das Gedenken an den Aufstand des 17. Juni ist auch ein Aufruf, für demokratische Werte einzustehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir noch folgende allgemeine Hinweise: Wir tagen heute ohne Mittagspause. Wir hatten gestern bei der Tagesordnung die Mittagspause auf morgen verschoben.

Ich möchte heute noch einmal recht herzlich einladen zur Landespressekonferenz, zum alljährlichen Sommerfest, das gegen 19.30 Uhr beginnt.

Folgende Hinweise zur Tagesordnung: Zu TOP 2 wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/1133 verteilt.

Zu TOP 4 wurde ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/1132 verteilt.

Gibt es weitere Änderungen für den heutigen Tag? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Tagesordnung. Wie wir uns gestern verständigt hatten, wird der Tagesordnungspunkt 1 heute nicht aufgerufen, sondern am morgigen Tag.

Ich rufe deshalb auf den Tagesordnungspunkt 2

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Nichtraucher- schutzgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/329 - dazu: Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Soziales, Familie und Gesundheit - Drucksache 5/1115 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/1117 - Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drucksache 5/1133 - dazu: Entschließungsantrag der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/1131 - ZWEITE BERATUNG

Folgender Hinweis: Der Ältestenrat hatte einstimmig beschlossen, diesen und den nächsten Tagesordnungspunkt in gekürzter Redezeit nach § 29 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu behandeln. Bevor die Abgeordnete Jung aus dem Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit das Wort zur Berichterstattung erhält, möchte ich, wie bei der Feststellung der Tagesordnung angekündigt, die Redezeiten der einzelnen Fraktionen bekannt geben.

Die gekürzte Redezeit für die Fraktion der CDU beträgt 25 Minuten, für die Fraktion DIE LINKE 23 Minuten und 30 Sekunden, für die Fraktion der SPD 19 Minuten, für die Fraktion der FDP 13 Minuten und 30 Sekunden und für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13 Minuten.

Meine Frage: Wünscht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort zur Begründung ihres Entschließungsantrags? Bitte schön, Frau Siegesmund.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben zuletzt im Januar dieses Jahres im Plenum über das Thüringer Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens oder das Nichtraucherschutzgesetz debattiert. Ich hatte damals meinen Redebeitrag geschlossen mit den Worten: „Ich freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen.“ Nur diese Debatte fand praktisch nicht statt. Im Ausschuss für Gesundheit und Soziales wurde weder über den Gesetzentwurf der Landesregierung noch über die eingereichten Expertenmeinungen wirklich breit, intensiv oder intensiv genug diskutiert. Ich finde es als ersten

Punkt wichtig zu sagen, die Debatte dazu war einfach nur dünn.

Meine Damen und Herren, ich kann nicht sagen, ob Sie in Ihren Fraktionen den Gesetzentwurf so intensiv diskutiert haben, wie es der Gesundheitsschutz eigentlich verdienen würde. Wir haben das jedenfalls getan. Wir haben das getan, weil das Bundesverfassungsgericht es uns auch möglich gemacht hat. Das Bundesverfassungsgericht ist an dieser Stelle unser enger Verbündeter. Allein Sie haben das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle nicht als Verbündeten begriffen - wir schon, jedenfalls diejenigen, die den Gesetzentwurf geschrieben haben, nicht, über den wir heute hier abstimmen wollen. Darin steht, dass zum Schutz vor den Gefahren des Rauchens das überragend wichtige Gemeinwohlziel die Gesundheit ist. Nichts anderes steht drin. Was wir heute hier machen, wenn wir das Gesetz der Landesregierung verabschieden, ist, genau dem nicht gerecht zu werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kam deshalb sehr schnell zu dem Schluss, dass mit dem Gesetzentwurf das Ziel nicht erreicht wird. Deswegen haben wir auch einen Änderungsantrag eingebracht. Das ist kein Nichtraucherschutzgesetz, das ist ein Raucherschutzgesetz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zahlreichen Ausnahmen in den §§ 4 und 5 machen einen effektiven Gesundheitsschutz für Passivraucher und auch für Raucher unmöglich. Diese Meinung teilen sicher auch einige aus den Regierungsfraktionen. Ich darf daran erinnern, insbesondere mit Blick in die Reihen der CDU, dass es aus ihren Reihen vor zwei oder drei Jahren, als es hier zum ersten Mal darum ging, ein Nichtraucherschutzgesetz zu verabschieden, einen Änderungsantrag gab, der genau in die Richtung geht: Gesundheit vor den Gefahren. Ich möchte noch einmal heute an Sie appellieren, diese Geschichte auch als Gewissensentscheidung zu betrachten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Änderungsantrag und der dazugehörige Entschließungsantrag von uns stärkt die Nichtraucher und schadet natürlich den Rauchern. Es gibt drei wesentliche Punkte, warum wir ihn hier einbringen. Wir wollen mehr Klarheit im Gesetz, weil ich nicht erkennen kann, dass Ihr Gesetz tatsächlich Rechtssicherheit schafft. Im Gegenteil, es gibt ganz viele Fragen, die nach wie vor nicht geklärt sind. Rechtssicherheit schafft das, was Sie hier einbringen, nicht. Gleichzei

tig führen wir damit auch einen Punkt ein, der zu Bürokratieabbau führt. Wer will sich denn hinstellen und ausmessen, was jetzt 74, 75 oder 76 Quadratmeter große Gaststätten, Diskotheken oder Spielhallen sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage Sie also, wie vernünftig ist diese Regelung. Wir sehen sehr wohl, dass nicht wenige Betreiber von Gaststätten in den vergangenen Jahren auf Basis des bislang geltenden Gesetzes Investitionen vornehmen mussten. Deswegen haben wir auch in unserem Änderungsantrag eine Übergangsregelung vorgeschlagen.

Prof. Dr. Schipanski, die Ihnen allen noch gut bekannt sein dürfte, hat vor drei Jahren bei der Debatte zum Nichtraucherschutzgesetz gesagt: „Die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, hat für uns oberste Priorität.“ Sie sagte damals auch, dass Gesundheit nicht unterschiedlich bewertet werden könne. Es kann also nicht sein, dass uns in Thüringen die Gesundheit nur so wenig wert ist. Schauen Sie bitte nach Schottland, Frankreich, Italien oder Skandinavien, schauen Sie bitte in das Saarland, wo wir mit Schwarz-Gelb-Grün ein richtiges, ein echtes Nichtraucherschutzgesetz im Augenblick bekommen. Ich verstehe nicht, warum die Landesregierung bzw. die beiden Koalitionsfraktionen sich hier hinstellen und die Standards für Thüringen so niedrig fassen. Ich will es einfach nicht verstehen, deswegen auch unser Änderungsantrag.

Ich bitte Sie mit Nachdruck, noch einmal darüber zu entscheiden, auch persönlich jeden Abgeordneten zu entscheiden, was für ihn oder sie Priorität hat. An der Stelle ist es vor allen Dingen eine Gewissensentscheidung. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Ich eröffne die Aussprache und als Erster zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Eckardt von der SPD-Fraktion.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Frau Präsidentin, kriegen wir den Ausschussbericht noch?)

Frau Jung, genau, alles klar, Entschuldigung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit geben. Durch den Beschluss

des Landtags vom 28.01.2010 wurde der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit - federführend - und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen.

Der federführende Ausschuss hat in seiner 3. Sitzung am 18. Februar, seiner 4. Sitzung am 18. März und in seiner 6. Sitzung am 20. Mai beraten. Er hat zu dem Gesetzentwurf ein schriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt. Der Ausschuss war nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2008 angehalten, die zwei alternativen Konzepte - einmal das absolute Rauchverbot ohne Ausnahmeregelung oder das eingeschränkte Rauchverbot mit Ausnahmeregelung - zu diskutieren. Aus der schriftlichen Anhörung heraus ergaben sich drei Aspekte, die im Ausschuss andiskutiert wurden. Einmal der Aspekt aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe einschließlich Spielhallen und Diskotheken, also die wirtschaftliche Betrachtung des Rauchverbots. Es wurden andiskutiert die freiheitlichen Aspekte von Raucherinnen und Rauchern und natürlich im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit die Aspekte des Gesundheitsschutzes. Der Sozialausschuss hat mehrheitlich den Gesetzentwurf angenommen, ebenso wie der Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Danke schön.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Jung für den Bericht aus dem Ausschuss. Ich eröffne jetzt die Aussprache und bitte den Abgeordneten Eckardt von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen wunderschönen Guten Morgen auch für die Besucher auf der Zuschauertribüne. Wir beraten heute in zweiter Lesung das Gesetz zur Änderung des Thüringer Nichtraucherschutzgesetzes und man kann sich eigentlich kurzfassen. Ich gehe mal davon aus, in einer guten Zigarettenlänge werde ich es schaffen, weil es seit der ersten Lesung nicht allzu viele Neuigkeiten gegeben hat, was auch die Beratung im Ausschuss und die Ergebnisse der Anhörung betroffen hat. Denn es gab, wie zu vermuten war, bei den Anzuhörenden Meinungen, die den Weltfrieden gefährdet sahen, wenn man den Nichtraucherschutz noch weiter auflockert. Es gab Meinungen, die den Weltfrieden gefährdet sahen, wenn man nicht komplett das Nichtraucherverbot ausspricht und es gab die Gruppe von Anzuhörenden, denen ich mich auch anschließe, die sagen, das vorgelegte Gesetz entspricht dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, ist in der vorliegenden Form so akzeptabel, dürfte in der vorliegenden Form wohl auch Rechtssicherheit

schaffen sowohl bei den Gastronomen als auch bei den Gästen und diesen vorliegenden Gesetzentwurf befürworten. Nun ist Aufgabe der Politik, unterschiedliche Meinungen zusammenzuführen. Das haben wir in dem vorliegenden Gesetzentwurf getan, denn sowohl die Interessen der Nichtraucher werden weiterhin geschützt als auch die Interessen der Raucher werden natürlich in diesem Gesetzentwurf ausreichend berücksichtigt, so dass wir dem heute vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung geben sollten.

Ich bleibe dabei - und das habe ich auch schon in der ersten Lesung gesagt -, die Bürger sind mündig genug, wenn sie an einer Gaststätte ein großes Schild sehen, dass in dieser Gaststätte geraucht wird, an dieser vorbeizugehen und sich eine Nichtrauchergaststätte auszusuchen.

Wir haben auch noch Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vorliegen. Zu Ihrem Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der totale Nichtraucherschutz - sicherlich, man kann darüber reden, aber ich würde ihn doch schon ein wenig als Diskriminierung der Raucher auffassen. Daher bitte ich darum, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall CDU)

Der Änderungsantrag der FDP, ein wenig Nichtraucherschutz sollte schon noch gewährleistet sein. Das Ansinnen, das Sie uns vortragen, geht selbst aus meiner Sicht - es dürfte inzwischen dem Haus bekannt sein, dass ich der rauchenden Schicht zugehöre - etwas zu weit. Was den Entschließungsantrag anbetrifft, da sind sicherlich viele gute Ideen aufgeführt und angebracht und angesprochen. Es sind aber alles Ideen, die in der Praxis und auch gerade im Thüringer Sozialministerium großteils schon gelebt und gehandelt werden. Daher sehen wir auch keine Notwendigkeit, dem Entschließungsantrag eine Zustimmung zu erteilen. Ich darf Sie also bitten, dem vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung Ihre Zustimmung zu geben. Rechtssicherheit zu schaffen sowohl für die Gastronomen …

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das schaffen wir!)

Was Ihre Übergangsregelung anbetrifft bis 2012, das muss leider noch gesagt werden, würde ich als Gastwirt, der im fünfstelligen Eurobereich investiert hat, als Hohn empfinden, wenn eine Übergangsregelung bis 2012 ausgesprochen wird, weil da noch Amortisation der Investition hereinzubringen, sehe ich als sehr vage an und empfinde das als Verhohnepipelung und daher werden wir auch diesen Antrag ab

lehnen. Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter, als Nächster spricht für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Dr. Thomas Hartung.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich werde es nicht in einer Zigarettenlänge schaffen.

(Beifall DIE LINKE)

Tabak rauchen schädigt die Gesundheit. Das bezweifelt heute niemand mehr ernsthaft. Wer passiv raucht oder rauchen muss, trägt somit - so wäre logisch zu schlussfolgern - ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Ebenso logisch erscheint es, dass ein Rauchverbot in häufig frequentierten Räumen, zum Beispiel Gaststätten, einen entsprechend positiven Effekt auf die Gesundheit der so geschützten nichtrauchenden Gäste und Mitarbeiter hätte. Obwohl keine andere Gesetzgebung weltweit ähnlich intensiv durch medizinische Studien untersucht und begleitet worden ist wie die zur Einschränkung des Rauchens, bestätigt keine Studie diese logische Kette im Bereich der Gaststätten. Der Mensch ist eben mehr als die Summe seiner Teile und der Körper hält sich nicht immer an logische Überlegungen. Für die Nichtraucher ergibt sich dennoch ein angenehmeres Umfeld in den Gaststätten, wo das Rauchen verbannt ist. Ich möchte das auch gar nicht kleinreden.

(Beifall DIE LINKE)