Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Zuschauer auf der Zuschauertribüne, vor allen Dingen die jungen Damen vom Girls Day, die heute hier zu Gast sind, und ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen der Abgeordnete Recknagel, die Rednerliste führt die Frau Abgeordnete König.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt der Abgeordnete Fiedler, der Abgeordnete Günther, der Abgeordnete Dr. Hartung, Frau Abgeordnete Hitzing zeitweise, Herr Abgeordneter Huster, Frau Abgeordnete Wolf, Herr Abgeordneter Wucherpfennig und Herr Minister Machnig.

Gestatten Sie mir folgende Hinweise noch zur Tagesordnung: Der Landtag war bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 8 heute als ersten und den Tagesordnungspunkt 13 heute als letzten Punkt aufzurufen.

Zu TOP 12 wird eine Neufassung verteilt.

Zu TOP 15 wird ein Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/2572 verteilt.

Gibt es weitere Anmerkungen? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir nach der vereinbarten Tagesordnung.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8

Europa parlamentarisch stärken - den Landtag beteiligen hier: Absätze 1, 2 und 3, Nummern 3 bis 7 Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/672 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten - Drucksache 5/2545

Es hat das Wort der Abgeordnete Koppe aus dem Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zur Berichterstattung. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa parlamentarisch stärken, den

Landtag beteiligen, so der Titel des Antrags der Fraktionen CDU und SPD. Zum Ablauf der Beratung im zuständigen Ausschuss ist zu sagen, dass durch den damaligen Beschluss des Landtags vom 30.04. vorigen Jahres die Absätze 1, 2 und 3, Nummern 3 bis 7 des Antrags an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen worden ist. Der Ausschuss für Justiz, Bundesund Europaangelegenheiten hat die Absätze, die ich schon genannt habe, 1, 2 und 3, Nummern 3 bis 7 in seiner 10. Sitzung am 21. Mai 2010, in seiner 12. Sitzung am 13. August 2010, in seiner 17. Sitzung am 2. Dezember 2010, in seiner 18. Sitzung am 21. Januar 2011, in seiner 20. Sitzung am 18. Februar und in seiner 24. Sitzung am 8. April 2011 beraten. Sie sehen schon an der Fülle der Termine der Beratungen im Ausschuss, dass genau über dieses Ansinnen sehr intensiv und sehr ausführlich beraten worden ist.

Ich glaube, dass wir uns heute mit einem Ergebnis präsentieren können, dass den Ausdruck sehr bemerkenswert erhält. Ich bin auch ein bisschen Stolz, das verhehle ich nicht, dass ich Berichtererstatter dieses Beschlusses heute sein darf, weil ich glaube, das ist schon ein Signal für dieses Hohe Haus, dass man konstruktiv im Sinne des Ergebnisses arbeiten kann.

(Beifall im Hause)

Ein Kernthema dieses Beschlusses, über den wir heute sprechen, ist, dass der Landtag die Bedeutung betont, die frühzeitigen und substanziellen Informationen durch die Landesregierung auf der Grundlage der Unterrichtung des Artikels 67 Abs. 4 der Verfassung des Freistaats Thüringen zukommt. Sie bilden die Voraussetzung dafür, dass der Landtag seiner gewachsenen Verantwortung in EU-Angelegenheiten nachkommt. Der Thüringer Landtag hält deshalb den Abschluss einer Vereinbarung zwischen der Landesregierung und dem Landtag, wie sie sich aus Abschnitt B der Beschlussempfehlung ergibt, für das geeignete Instrument, um der gesamtstaatlichen Verantwortung des Landes in EU-Angelegenheiten gerecht zu werden.

Ich möchte Ihnen noch einige wichtige Punkte nennen, die den Beschluss so wichtig und auch so zukunftsweisend machen aus meiner Sicht, und zwar ist das die Beteiligung des Landtags am Subsidiaritätsfrühwarnsystem. Zum einen ist zu nennen, die Landesregierung leitet dem Landtag frühestmöglich alle von der Kommission im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems an den Bundesrat übermittelten Dokumente in elektronischer Form zu. Die Landesregierung übermittelt zu bedeutsamen Vorhaben nach II Nr. 1 frühestmöglich schriftliche Informationen über den wesentlichen Inhalt und die Zielsetzung das Vorhabens sowie eine erste Bewertung hinsichtlich seiner landespolitischen Bedeutung und seiner Vereinbarkeit mit den Grundsätzen

der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit sowie gegebenenfalls weitere relevante Dokumente. Die Landesregierung berücksichtigt Stellungnahmen des Landtags bei ihrer Willensbildung. In allen Fällen, in denen durch eine Gesetzgebungsinitiative der Europäischen Union Gesetzgebungsbefugnisse des Landes berührt werden, wird die Landesregierung unbeschadet ihrer sich aus dem Bundes- und Landesverfassungsrecht ergebenden Rechtsstellung nicht entgegen - und das ist wichtig - dem Parlamentsvotum entscheiden. Hat der Landtag eine Stellungnahme abgegeben, informiert ihn die Landesregierung über ihr Stimmverhalten im Bundesrat.

Einen auch sehr wichtigen Punkt möchte ich Ihnen zum Schluss noch nennen, und zwar ist der in der Beschlussempfehlung unter III zu finden. Der Landtag wird hierzu - zu den genannten Punkten und auch in Erfüllung des Auftrags, den der Landtag erhalten hat - einen Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union bestellen, der Ansprechpartner der Landesregierung in allen unter I. und II. vereinbarten Regelungen sein soll. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im Hause)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Berichterstattung. Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Bergemann von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, ich denke, es ist ein guter Tag heute für uns im Thüringer Parlament und ein guter Tag für Europa in Thüringen, denn wann haben wir schon mal auf TOP 1 der Tagesordnung gestanden.

(Beifall im Hause)

Wenn man mal so die Jahre zurückgeht, ist das ein Novum für uns alle. Aber das zeigt auch gleichzeitig, dass wir doch übergreifend über alle Fraktionen heute einen Tagesordnungspunkt beraten, der für uns alle von großer Bedeutung ist und der zeigt, wie Parlamentarismus laufen kann. Man hat immer gesagt oder jeder weiß, viele Wege führen nach Rom. Wir sind jetzt auf dem richtigen Weg angekommen, um den Antrag, den wir damals als Koalitionsfraktionen zwischen SPD und CDU eingereicht haben, Europa parlamentarisch stärken - den Landtag beteiligen, um heute aus dieser Beschlussempfehlung, wie wir das umsetzen wollen, gemeinsamen Nutzen zu ziehen. Wir haben es gehört, wir haben in sechs oder sieben Ausschuss-Sitzungen ziemlich intensiv über dieses Thema und über die Vereinbarung beraten, die natürlich - Kollege Koppe hat das in der Berichterstattung schon gesagt

von allen getragen wird. Aber ich sage für meine Fraktion ganz klar, ich erkenne hier eindeutig schon die Handschrift der Christlich Demokratischen Union.

(Beifall CDU, SPD)

(Unruhe DIE LINKE)

darf man an der Stelle durchaus einmal sagen, wenn man daran sehr intensiv gearbeitet hat. Ich bin allen sehr dankbar - keine Frage. Das fängt an bei Herrn Minister Schöning, der an dieser Stelle die ersten Gedanken eingebracht hat, über Frau Ministerin Walsmann, die jetzt die ehrenvolle Aufgabe hat, das Ganze in Sack und Tüten zu bringen, auch Minister Poppenhäger im Justizbereich, der im AdR für uns dabei ist, ich sage auch der Verwaltung an der Stelle mal ausdrücklichen Dank, auch Dr. Poschmann für die Vorarbeit. Es war ja nicht einfach,

(Beifall im Hause)

über alle Landesparlamente hinweg mal zu schauen - die Synopse, die erstellt worden ist -, wie haben sich andere Landesparlamente damit auseinandergesetzt. Das kann man hier gleich einfügen: Die Bayern haben eine Lösung bisher, die BadenWürttemberger haben eine Lösung gefunden und die Hamburger. Da gibt es unterschiedliche Bewertungen, denn nicht alle sind so progressiv wie wir, das darf man an der Stelle mal sagen. Hamburg hat das völlig anders im Ergebnis geregelt, denn da gibt es die vorhin schon zitierte Bindung der Landesregierung an unsere Parlamentsbeschlüsse nicht, eindeutig nicht. Ich halte das für falsch, aber für uns geht es ja darum, wie können wir tatsächlich künftig wirksam an der Willensbildung in Europa und vor allem auch, was mir wichtig ist, am Subsidiaritätsfrühwarnsystem beteiligt werden. Das ist die entscheidende Frage, denn es war ja ein weiter Weg. Wie sind wir eigentlich dahin gekommen? Ich will es nur in zwei Sätzen noch einmal sagen. Für die Europapolitiker ist das selbstverständlich, aber für alle, die heute hier dabeisitzen, und auch für die Gäste auf der Tribüne, Ausgangspunkt war der Vertrag von Maastricht 1997, dann kam der Vertrag von Amsterdam 1998, Nizza kam 2001, dann kam es zum Verfassungskonvent. Auch da haben wir hier im Parlament gute Debatten geführt zu diesem Konvent, der ja eigentlich das Ziel hatte, eine Verfassung für Europa in Arbeit zu nehmen und die am Ende dort auch durchzusetzen. Das ist nicht gelungen. Wir wissen ja, was die Franzosen und die Niederländer dort mit ihrem Votum am Ende bewirkt haben; daraus entstand der Vertrag von Lissabon. Auch das will ich an der Stelle sagen, da gab es nicht nur Einigkeit. Wir erinnern uns an die Herren Gauweiler oder Lafontaine, die gegen diesen Vertrag von Lissabon Klagen eingereicht haben, aber

(Abg. Koppe)

das Bundesverfassungsgericht hat Ja dazu gesagt. Ich finde, das ist für uns wichtig auf nationaler Ebene, weil es die parlamentarische Integrationsverantwortung deutlich stärkt. Das Bundesverfassungsgericht hat keine Föderalismusdefizite festgestellt damals, sondern hat ganz klar Demokratiedefizite festgestellt. Das ist für mich auch wichtig, für uns als Landesparlament, denn wenn es um Gesetzgebungskompetenzen des Landes geht, dann sind wir der Gesetzgeber. Das Parlament, wir alle, die wir hier sitzen, sind der Gesetzgeber. Das heißt, wir müssen da auch zustimmen, wenn Kompetenzen von welcher Ebene auf welche auch immer verlagert werden. Ich darf an der Stelle auch noch einmal sagen, auch die Präsidentinnen und Präsidenten haben sich viele Jahre damit auseinandergesetzt und die Stuttgarter Erklärung, die ja nicht nur die Beteiligung auf Bundesebene gefordert hat, sondern auch ganz klar gesagt hat, Landesparlamente sind wichtig, Träger der Landesgesetzgebung müssen an den Entscheidungsabläufen, in denen es um unsere Gesetzgebungskompetenzen und Zuständigkeiten geht, beteiligt werden. Ich will nur als Stichwort Bildungspolitik oder innere Sicherheit nennen.

Liebe Kollegen, welche Forderungen hat das Vertragswerk für uns? Ich glaube schon, dass wir in Zukunft aufpassen und schauen müssen, dass die deutschen Volksvertretungen, egal auf welcher Ebene, in die Abläufe eingebunden werden, bevor weitere gesetzliche Regelungswut erfolgt, denn wir müssen sie am Ende vertreten. Wir müssen sie draußen bei den Bürgerinnen und Bürgern vertreten und da ist es gut, dass wir rechtzeitig beteiligt sind, dass Länder und Kommunen nicht nur der Motor sind. Da glaube ich schon, wir haben auch die Wächterfunktion, die ganz wichtig ist - und an der Stelle auch über den Ausschuss der Regionen, aber auch über den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas. Das darf ich an der Stelle auch noch einmal erwähnen, das ist die einzige Institution in Europa, in der alle 47 europäischen Staaten beteiligt sind. Ich denke, es geht um nicht weniger als die Wahrung dieser demokratischen Gestaltungsfähigkeit für uns auf der Landesebene im Zuge der weiteren Integration.

Aus meiner Sicht sprechen auch zwei Dinge für die Vereinbarung, die heute auf dem Tisch liegt zur Beschlussfassung. Wir haben ja gemerkt, wie dynamisch dieser Integrationsprozess bei der Wirtschafts- und Finanzkrise sein kann, das hat es ja unlängst erst gezeigt. Zweitens müssen wir auch durch den Zuspruch der Rechte aus dem LissabonVertrag für unsere originären Kompetenzen als Landesgesetzgeber ein entscheidendes Wort mitreden können. In welcher Form, das habe ich auch bei der letzten Debatte beim Antrag gesagt, das war mir eigentlich persönlich relativ egal, ob man das gesetzlich regelt, ob wir sagen, wir suchen eine

Form der Vereinbarung, wie sie heute auch in der Beschlussfassung hier vorliegt. Es geht um die Bewertung der Inhalte, wie können wir als Abgeordnete im Binnenverhältnis zur Landesregierung an den erweiterten Rechten auch partizipieren. Ich glaube, das war auch der Ursprung des Antrags der Koalitionsfraktionen. Europa braucht eine Legitimation. Die braucht es nicht nur von Brüssel, die braucht es nicht nur von Berlin, sondern die brauchen wir auch von Erfurt aus. Diese Legitimation muss immer wieder erkämpft und errungen werden. In der Debatte zwischen der Aufgabenverteilung der EU, den Mitgliedstaaten, den Regionen und Kommunen wurde im Lissabon-Vertrag das Frühwarn- und Kontrollsystem eingeführt. Es steht auch so in unserer Begründung zur Beschlussfassung, dass dieses Kontrollinstrument dem förmlichen Gesetzgebungsverfahren vorgeschaltet ist. Das bedeutet - ich habe es gesagt -, auch der Ausschuss der Regionen hat, so wie er entsprechend der regionalen und kommunalen Zuständigkeiten dort wichtig ist, ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof. Das gab es bisher nicht. Da wir als Thüringer Landesparlament die Rechte aus dem Lissabonvertrag nicht allein unserer Landesregierung überlassen wollen, haben wir unsere Informations- und Mitentscheidungsrechte in dieser Vereinbarung geltend gemacht. Sie ist in vier Teile gegliedert, sie liegt jedem vor. Im ersten Teil - ich will es in einem Satz zusammenfassen wird die Unterrichtungspflicht nach Artikel 67 Abs. 4, die wir bisher schon hatten, die auch in der Praxis immer gut funktioniert hat, konkretisiert und ausgeweitet. Im zweiten Teil gilt die Einbindung unseres Landtags in das Subsidiaritätsfrühwarnsystem nach dem Lissabon-Vertrag und im dritten Teil, das hat Kollege Koppe schon richtigerweise in seiner Begründung gesagt, suchen wir eine praktische Lösung, wie wir aus TOP 1 und TOP 2 der vereinbarten Regelung etwas vorschlagen können. Aber das ist unsere Sache, da ist die Exekutive nicht beteiligt, da müssen wir als Parlamentarier, als Legislative entscheiden. Im vierten Teil haben wir die Evaluierungsklausel über die Erfahrung nach zwei Jahren - hat sich die abgeschlossene Vereinbarung bewährt oder hat sie sich nicht bewährt. Wir haben uns Optionen offengehalten. Der Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten hat sich einstimmig hinter diese Vereinbarung gestellt, alle Fraktionen haben es in dieser letzten Ausschussbefassung begrüßt. Natürlich richtet sich das besondere Augenmerk auch in die Bereiche unserer klassischen Landeszuständigkeit, ich habe es vorhin kurz erwähnt, Bildung und innere Sicherheit, aber von Wissenschaft, Kultur, Medien und Polizei untersetzt, die gehören dazu, sind betroffen. Wir haben festgeschrieben, dass der Landtag über Vorhaben unterrichtet und mit entsprechenden Informationen bzw. auch Dokumentationen versorgt wird, welche die Rechte der kommunalen Selbstverwaltung betreffen, der Gemeinden, der Gemeindeverbände

und der kommunalen Daseinsvorsorge. Das ist auch neu; ich halte das für wichtig vor allem in der Frage der Beteiligung der Parlamente bis hinein in die Gemeinden. Neben ausformulierten Informations- und Konsultationspflichten werden in der Vereinbarung Regeln definiert, wie die Landesregierung mit dem Votum umgeht. Das war immer der springende Punkt an der ganzen Sache. Da muss man abwarten, was die Zeit bringt, ob die Verfassungsrechtler das alles so bewerten werden, wie es im Landesparlament an Ende gehändelt wird, denn ein Blick nach Baden-Württemberg verrät ja, dass dort ein Gesetz gemacht worden ist. Ich bin sehr froh darüber, dass die Landeregierung hier Bereitschaft signalisiert hat. Das ist der entscheidende Punkt - im Rahmen der Selbstbindung, aber nicht gegen unseren Parlamentsbeschluss zu entscheiden. Ich finde, das war ein Erfolg, der die ganze Vereinbarung auch zum Tragen gebracht hat, der Durchbruch, wenn man das so sagen will, wenn die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder berührt sind. Ich habe es eingangs gesagt, wir sind der Gesetzgeber, deshalb können wir die Gesetzgebungskompetenzen nicht auf die Landesregierung delegieren.

Um die Möglichkeiten der Beteiligung effizient zu nutzen, werden wir im Rahmen der Vereinbarung in absehbarer Zeit entsprechende Diskussionen führen; wir werden die Geschäftsordnungsdebatte ja noch bekommen. Ich weiß ja, wie wir uns bei der letzten Debatte in dieser Frage schon etwas heiß gelaufen haben, die Gemüter haben sich schon etwas erhitzt. Ich denke, das kann man vernünftig regeln. Ich sage noch einmal für meine Fraktion, weil das auch in den Medien immer wieder angesprochen worden ist: Hier geht es nicht um die Abschaffung eines Ausschusses, in keiner Frage, sondern man muss vernünftig damit umgehen. Wichtig ist allerdings, das sage ich auch, die Beteiligung der Fachausschüsse. Das ist für mich ein wesentlicher Punkt. Ich wünsche mir, dass sich nach dem Lissabon-Vertrag die Herangehensweise an europäische Politik ein bisschen ändert. Das ist noch nicht in allen Bereichen bis in den letzten Winkel durchgedrungen. Wenn man viele Jahre europapolitisch tätig ist, merkt man das selbst. Heute haben wir ein volles Haus, oft ist es relativ leer, wenn wir über Europa debattieren, aber die Bedeutung wird wachsen. Da können wir uns drehen und wenden, wie wir wollen, wir sind nicht auf einer Insel der Glückseligkeit hier, sondern wir sind eingebunden in dieses Europa. Das heißt für uns als Parlamentarier auch in den einzelnen Ausschüssen, wie werden wir in Zukunft mit den uns zugesprochenen Rechten umgehen können. Deshalb werden wir in dem Ausschuss, auch JBE, eine gute Diskussion führen. Ein Ergebnis wird kommen, denn wir haben es in der Hand. Es nützt nichts, die Rechte einzufordern und am Ende haben wir keine Möglichkeiten, darauf zu reagieren, denn der entsprechende Ausschuss muss aus meiner Sicht jedenfalls so eine

Mitwirkungsfunktion durchführen. Es kann und es wird passieren, dass man Eilfälle bearbeiten muss. Wir kennen die Acht-Wochen-Frist. Wir wissen auch, wann der Bundesrat tagt. Also in dieser Frist müssen wir schnell und flexibel sein, müssen das Fachwissen der Fachausschüsse dabei haben. Aber der wichtigste Schritt ist heute getan. Wenn wir nach zwei Jahren die Vereinbarung evaluieren wollen, dann ist das auch unser gutes Recht. Da werden wir schauen, hat es sich bewährt, wie es bisher war, oder nicht. Da bleibt uns der Weg des Gesetzes immer noch. Denn das, glaube ich, ist auch ganz wichtig, das zu wissen. Das sind unsere Kompetenzen, die wir haben, die wir ausschöpfen sollten als Parlament. Europäische Vielfalt gilt auf allen Ebenen, das habe ich erwähnt. Das gilt für das Parlament genauso, denn wir wollen auch im Rahmen der Vereinbarung eine aktive Rolle spielen, nicht nur dass sie auf dem Papier steht, sondern dass wir sie auch tatsächlich in praktisches Leben umsetzen. Landtag und Landesregierung werden mit dieser Vereinbarung ein Zeichen setzen. Mir ist es wichtig, dass dabei die Interessen der Thüringer Bürgerinnen und Bürger auch vertreten werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb bitte ich um breite Zustimmung für die Beschlussfassung und danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Jörg Kubitzki.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist schon heute etwas Besonderes, nicht nur dass Europa, wie der Kollege Bergemann schon gesagt hat, Tagesordnungspunkt 1 am heutigen Tag ist, sondern es ist etwas Besonderes, weil wir es fraktionsübergreifend geschafft haben, eine Beschlussempfehlung zustande zu bringen, die regelt, wie die Landesregierung mit dem Landtag umgeht und welche Einflussmöglichkeiten der Landtag auf Entscheidungen der Landesregierung hat. Wir haben hier in diesem Hohen Haus, meine Damen und Herren, schon sehr oft über Europathemen gesprochen und gestritten. Wir haben über die Arbeitnehmerfreizügigkeit erst vor Kurzem schon mehrmals debattiert. Wir haben über die Dienstleistungsrichtlinien in der letzten Legislaturperiode sehr gestritten. Wir haben auch über den Lissabon-Vertrag gestritten in diesem Haus. Ich muss zu diesem LissabonVertrag sagen, jawohl, wir als LINKE haben diesen Lissabon-Vertrag abgelehnt. Aber wir haben auch von diesem Vertrag gerade die demokratischen Elemente, die dieser Vertrag enthält - die Erhöhung der Mitwirkungspflichten des Europäischen Parla

(Abg. Bergemann)

ments und natürlich auch das Frühwarnsystem und die Möglichkeit, dass Mitgliedstaaten und Parlamente von Mitgliedstaaten bei europäischen Entscheidungen mit einbezogen werden -, immer hervorgehoben und gewürdigt. Abgelehnt haben wir den Lissabon-Vertrag wegen seiner neoliberalen Wirtschaftsinhalte und wir haben ihn abgelehnt, weil er nicht friedensstiftend ist.

Ich sage aber auch an dieser Stelle, der LissabonVertrag hat mit dazu beigetragen, dass wir zu dieser Beschlussempfehlung gekommen sind, weil er das Frühwarnsystem beinhaltet und den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeiten gibt, dass die Parlamente Entscheidungsbefugnis bekommen.

Ich muss an dieser Stelle natürlich auch sagen, wir als LINKE haben uns immer dafür eingesetzt, dass das Parlament mehr Mitwirkungsrechte bekommt bei der Willensbildung der Landesregierung und dass das Parlament mit einbezogen wird, bevor die Landesregierung ein Votum im Bundesrat zu bestimmten Sachverhalten abgibt. Auf europapolitischem Gebiet ist uns das mit der jetzigen Beschlussempfehlung gelungen.

Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle, dass sich die Landesregierung in der Vereinbarung, wenn sie unterzeichnet wird, verpflichtet, die Stellungnahme des Landtags bei der Willensbildung zu beachten. In Fällen, bei denen durch eine Gesetzesinitiative der Europäischen Union Gesetzgebungsbefugnisse des Landes berührt werden, will sich die Landesregierung nicht gegen das Parlamentsvotum stellen.

Ich glaube, mit diesem Sachverhalt und wenn diese Vereinbarung unterzeichnet wird, haben wir einen der modernsten und vor allem weitreichenden Mechanismus gefunden, was die Mitsprache des Landtags in Europaangelegenheiten betrifft. Wir können uns damit auch bundesweit sehen lassen, weil andere Bundesländer dort noch nicht so weit sind. Ich möchte an dieser Stellen auch sagen, wir wären natürlich auch erfreut, wenn das jetzt nur der erste Schritt ist, was die Zusammenarbeit Landesregierung und Landtag betrifft. Wir würden es auch gern sehen, wenn solche Vereinbarungen dann weitergehend unterzeichnet werden, erarbeitet werden, dass wir grundsätzlich vor Unterzeichnung von Staatsverträgen usw. in die Willensbildung mit einbezogen werden. Das, was wir jetzt erreicht haben, ist eine tolle Sache. Viele haben daran mitgewirkt und ich bin dankbar dafür, dass auch Ideen von uns mit in diese Vereinbarung eingeflossen sind. Wir hatten schon mehrmals in der letzten Legislatur Anträge gestellt, entsprechend auch der Erklärung der Landtagspräsidenten. Wir haben damals noch keine Mehrheit gefunden. Deshalb freue ich mich, dass wir jetzt fraktionsübergreifend diese Mehrheit haben. Das trägt, glaube ich, auch dazu bei, dass wir einen Beitrag dafür leisten, dass die Akzeptanz

von Europa bei den Bürgern damit gestärkt wird, indem wir sagen können, jawohl, auch wir als Landesparlament und damit letztendlich sie, weil wir sie in den Diskussionsprozess einbinden müssen, haben bei europäischen Entscheidungen jetzt stärkeres Mitspracherecht, weil, wir mussten das im Ausschuss feststellen und wir haben es schon mehrmals hier festgestellt, die Akzeptanz der Bürger für Europa ist in der letzten Zeit nicht gestiegen. Nach wie vor verstehen viele Bürger europäische Entscheidungen nicht und das, was in der letzten Zeit an Nachrichten von Europa herüberkam, wie Neuregelung der Mineralölsteuer, Erhöhung der Dieselpreise, darüber kann man inhaltlich debattieren, aber wie die Nachricht herüberkommt, das trägt natürlich nicht zur Akzeptanz für Europa bei. Auch die Einführung einer Europasteuer für alle Bürger Europas auf der Basis, dass jeder Bürger Europas den gleichen Steuerbetrag bezahlt, egal, was für ein Einkommen er hat, wird nicht dazu beitragen, dass die Akzeptanz der Menschen in Thüringen für Europa wachsen wird. Diese wird nur wachsen, indem wir ihnen sagen, welche Mitsprachemöglichkeiten es gibt. Der Lissabon-Vertrag lässt dort Möglichkeiten zu, z.B. Bürgerbegehren lässt er zu und auch bei der Willensbildung, wenn wir jetzt als Landtag mit einbezogen werden und die Landesregierung auch unser Votum akzeptiert, wird das mit dazu beitragen, dass die Akzeptanz für Europa steigen wird. Wir werden demnächst viele Entscheidungen treffen müssen hier in diesem Haus. Ich erinnere nur an die neue Förderperiode, die debattiert wird, wo es doch auch Einschneidungen für Thüringen geben wird. Wir müssen damit umgehen. Wir werden auch hier im Haus debattieren die weitere Gestaltung des europäischen Haushalts, auch das wird eine Rolle spielen und ich hoffe, dass dort die Mitgliedstaaten auch Mitspracherecht bekommen. Viel wird dabei auf uns noch zukommen. Ich möchte dem Genossen Bergemann recht geben

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Genos- se?)

Herrn Bergemann, Entschuldigung.

(Heiterkeit im Hause)