Meine Damen und Herren, er hat noch keinen Mitgliedsantrag bei uns ausgefüllt. Das wird er bestimmt auch nicht machen. Aber diesen kleinen Lapsus möge man mir verzeihen. Aber vielleicht ist es auch ein Ausdruck dafür, wie wir als europapoli
tische Sprecher im Ausschuss und bei europapolitischen Themen im Prinzip zusammenarbeiten und wie wir als europapolitische Sprecher auch miteinander umgehen und wie wir unsere Meinungen akzeptieren.
Der Kollege Bergemann hatte auch eingangs gesagt, die Unterzeichnung der Vereinbarung ist das eine, wichtig, meine Damen und Herren, ist jetzt natürlich, wie gehen wir mit dieser Vereinbarung um und wie erfüllen wir diese Vereinbarung mit Leben. Ich möchte hier auch hervorheben, Europapolitik zukünftig wird jetzt nicht mehr nur Angelegenheit der Europapolitischen Sprecher sein und darf das auch nicht mehr sein, sondern die Europapolitik muss jetzt Eingang finden in alle Fachausschüsse. Das darf dann nicht nur auf Initiative der Europapolitiker kommen, sondern das muss zur Selbstverständlichkeit werden.
Wir müssen Mechanismen finden, wie wir jetzt mit der Vereinbarung umgehen. Das heißt, wir müssen Mechanismen finden, wie wir die Papierflut beherrschen, und wir müssen Mechanismen finden, wie wir den Zeitplan einhalten. Ich glaube auch, die Anforderung steht an alle Landtagsfraktionen, auch die Landtagsfraktionen müssen europatauglicher werden.
Insgesamt möchte ich auch allen Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses empfehlen, dass wir heute einstimmig dieser Beschlussempfehlung das Votum geben und dann mit Leben erfüllen. Ich bedanke mich und, lieber Gustav Bergemann, wir bleiben, wo wir sind.
Vielen Dank, Herr Kollege Kubitzki. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Dorothea Marx von der SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Europa darf auch Spaß machen. Mit der vorliegenden Vereinbarung setzen wir bundesweit Maßstäbe, aber wir legen uns auch eine neue Verantwortungsmesslatte als Parlament auf. Kollege Bergemann hat es bereits gesagt, sechs Sitzungen des Ausschusses haben wir um diese Vereinbarung gerungen. Da sind nicht nur die AusschussSitzungen gewesen, da gab es natürlich auch noch Gespräche zwischen den einzelnen Parteien, Gespräche mit der Landtagsverwaltung, Gespräche mit der Landesregierung. Durch die Umsetzung der in Artikel 6 des Lissabonner Vertrages verankerten Kompetenzzuweisungen der Subsidiaritätskontrolle
auf die regionalen Parlamente wird unsere Landesregierung im Bundesrat qua Selbstverpflichtung ausnahmsweise zum Boten werden, und zwar zum Boten des Ergebnisses einer dem Parlament obliegenden Prüfung. Da, Herr Kubitzki, möchte ich doch mal eine Klarstellung vornehmen. Es geht hier nicht um eine besonders gut ausgestaltete Mitsprache des Parlaments bei der Willensbildung der Landesregierung, sondern es geht um ein originäres Recht von uns, das ist unsere Aufgabe, diese Entscheidung zu treffen.
Deswegen dieses Konstrukt, dass die Landesregierung zu unserem Boten wird, das erscheint ungewöhnlich. Bei genauerer Betrachtung ist es jedoch zwingend, denn die jeweils zu beantwortende Frage, ob eine beabsichtigte europäische Regelung Länderkompetenzen beschneidet, ist keine Frage der Exekutive, sondern immer eine der Legislative, der allein und ausschließlich die gesetzgebende Gewalt obliegt.
Durch EU-Regelungswerke, europäische Regelungen kann deshalb letztlich weniger ein Recht der Landesregierung, sondern eigentlich immer nur das eines Landesparlaments beschnitten werden. Aus diesem Grund - und nur aus diesem - haben wir besonders heftig darum gerungen - das ist dann selbstredend -, dass es auch nur eine eingeschränkte Vorentscheidung der Landesregierung darüber geben kann und wird, was denn jetzt für uns Parlamentarier prüfungsrelevant ist.
Im zweiten Schritt muss eine eventuell von uns erhobene Rüge im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung dann natürlich auch transportiert werden. Für diesen richtigen Weg warb auch schon frühzeitig die Stuttgarter Erklärung der Parlamentspräsidenten der Landesparlamente. Die möchte ich jetzt diesmal auch in das Lob hier ausdrücklich einschließen, die auch hier die Vorarbeit geleistet haben, dass die Parlamente sich über ihr Selbstverantwortungsrecht, Selbstbestimmungsrecht Gedanken machen. Wäre es nicht so, dass die Landesregierung unsere Entscheidung als Parlament transportieren würde, müssten wir uns zwangsläufig eine Art Europabundesrat, besetzt mit Parlamentsvertretern, neu erschaffen. Diese Möglichkeit gäbe es dann nur. In anderen Ländern ist man nicht so weit, da geistert nach wie vor die von uns, ich sage mal, im fairen Wettkampf niedergerungene Formulierung herum, dass die Landesregierungen ihr Parlament nur über ihre Aktivitäten im Bundesrat informieren. Bei uns findet sich diese Einschränkung nicht mehr, weil diese Einengung den Sinn eines Kontrollrechts regionaler Parlamente ad absurdum führen würde. Eine Vorkontrolle der Landesregierung ist durchaus dort übrig geblieben, da, wo sie uns nur über Vorhaben von grundsätzlicher Bedeutung informieren soll. Dieser Vorbehalt ist vielleicht demokratietheo
retisch noch nicht völlig korrekt. Normalerweise müssten wir selbst darüber befinden, was uns prüfungsrelevant erscheint. Die verbliebene Vorauswahl hier ist aber wohl weniger entmündigend gemeint als der praktischen Erwägung geschuldet, dass keine Papierberge über uns ausgeschüttet werden sollen. Die im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems an den Bundesrat übermittelten Vorlagen durch die Europäische Kommission werden wir aber komplett erhalten als Landtag.
Wichtig ist dabei auch, das wurde, glaube ich, noch nicht erwähnt, dass wir einen besonderen Mitarbeiter bei der Landtagsverwaltung und damit einen im Landtag angesiedelten Mitarbeiter bekommen haben, der die erforderliche Schnittstelle zwischen der Staatskanzlei und dem Parlament kompetent überwachen und ausfüllen soll. Der Weg, den wir uns hier gemeinsam vorgenommen haben, ist aufgrund strenger Zeitvorgaben nicht einfach, aber ungeheuer spannend. Wir werden gezwungen sein, aber ich will das hier gar nicht als so unangenehm beschreiben, sondern vielleicht schöner sagen, wir nehmen uns unser Recht, über den Thüringer Tellerrand hinausschauen zu dürfen und auch zu müssen.
Wie schon im letzten Jahr an dieser Stelle ausgeführt, als wir diesen gemeinsamen Antrag der Koalition hier eingebracht haben, Europapolitik ist kein Politikerreisebüro für rüstige Rentner, sondern mittlerweile ein internationales Meinungsaustauschunternehmen. Wir haben eine Evaluierung vereinbart. Wir sehen in der Vereinbarung vor, nach zwei Jahren zu schauen, was haben wir erreicht und diese Evaluierung wird dann mit Sicherheit auch zum Schwerpunkt haben, wie und ob wir uns im europäischen Meinungskonzert artikulieren konnten und ob und wie wir überhaupt wahrnehmbar geworden sein werden.
Das von mir bei der Verabschiedung des Arbeitsauftrags im letzten Jahr genannte Internetportal www.ipex.eu wird leider nach wie vor nur von den nationalen und nicht den regionalen Parlamenten zum Austausch über EU-Vorlagen genutzt. Auch das ist wichtig, wir kommunizieren ja nicht nur mit der Landesregierung, sondern wir könnten damit anfangen - ich fände das reizvoll -, mit anderen regionalen Parlamenten den Austausch zu suchen. Aufgrund der engen Zeitschiene, die uns für eine Subsidiaritätsrüge letztendlich nur zur Verfügung steht, das sind nur diese acht Wochen, wäre es zu wünschen, dass die Regionalparlamente hier oder in einer ähnlichen, vielleicht noch zu schaffenden Seite, eingebunden werden können. Bisher werden dort Stellungnahmen von nationalen Parlamenten zu EU-Vorlagen eingestellt, ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Subsidiaritätskontrolle. Es ist immer spannend, mal zu lesen, was sich andere Länder überlegt haben.
Die Voraussetzungen zu einer aktiven Beteiligung an der europäischen Gesetzgebung und einer aktiven Selbstbestimmung, ich lege noch mal Wert darauf, haben wir uns jetzt geschaffen. Die Möglichkeiten zu nutzen, liegt allerdings jetzt an uns allen. Auch ich möchte nicht versäumen, mich am Ende bei allen Mitarbeitern und Kollegen, auch der Staatskanzlei mit den beiden beteiligten Ministern Dr. Schöning und jetzt Frau Walsmann, dem Justizminister und der Landtagsverwaltung für die ganz intensive Vorarbeit zu dieser Vereinbarung zu bedanken. Ich freue mich schon sehr auf die damit verbundene neue und interessante Herausforderung.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Marx. Als Nächster spricht der Abgeordnete Carsten Meyer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man heute über Europa spricht, stellt man fest, überzeugte Europäer überzeugen derzeit nicht oder nicht mehr. Europa ist in meinen Augen, so wie ich das wahrnehme, als notwendiges Übel in der Öffentlichkeit präsent, aber nicht als positive Vision und schon gar nicht als Beispiel. Ein kurzer Blick über den Tellerrand sogar der Europäischen Union hinaus - was wäre das für eine Riesenchance beispielsweise für den Demokratisierungsprozess in Nordafrika, wenn man dort heute sagen würde, die Europäische Union könnte für uns ein Beispiel sein, wie wir uns hier organisieren, überstaatlich. Das ist noch ein weiter Weg, bis man dahin kommen kann, Europa wieder als Modell für die Welt zu zeigen. Aber, das haben heute alle meine Vorrednerinnen und Vorredner hier schon gesagt, das, was wir heute hier tun, ist wenigstens ein kleines Bausteinchen auf dem Weg dahin, Europa zu einer Vision zu machen.
Bei den Europaparlamentariern in Brüssel, die wir letztes Jahr besucht haben, war geradezu Euphorie darüber zu spüren, dass sie endlich das ganz dicke Brett durchgebohrt hatten und nach dem Vertrag von Lissabon jetzt etwas zu tun bekamen, was auch mit Verantwortung zu tun hatte und nicht nur mit Reden. Dieses alte Vorurteil, dass das EU-Parlament in Brüssel nichts weiter sei als eine Schwatzbude, hat ja nun Gott sei Dank keinen Nährboden mehr. In Brüssel werden jetzt wirklich Entscheidungen getroffen und das ist ja auch der eigentliche Grund dafür, warum wir uns heute hier
darüber unterhalten dürfen, dass wir im Zuge des Subsidiaritätsprinzips auch dort mitbestimmen. Das ist meiner Ansicht nach eine sehr positive Entwicklung.
Unser kleiner Freistaat kann also mitmachen und ich möchte als einer der letzten Redner hier eine Tugend versuchen, nicht allzu lang zu werden, weil das bei Europa auch so ein Nachteil ist, Europa redet immer sehr lange und sehr viel. Aber ich will Ihnen vor allen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, aus den Fachausschüssen, aus dem Beschluss, der heute zur Abstimmung steht, drei Passagen noch einmal zitieren, wenn Sie so möchten, ins Stammbuch schreiben, weil das - das hat Frau Kollegin Marx auch schon gerade gesagt - eigentlich das zentrale Thema ist, die Frage der Beteiligung des Landtags am Subsidiaritätsfrühwarnsystem. Wir werden uns heute hier mit dieser Vorlage u.a. folgende Verpflichtung geben und ich zitiere jetzt aus dem Beschluss 2.1: „Die Landesregierung leitet dem Landtag frühestmöglich alle von der Kommission im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems an den Bundesrat übermittelten Dokumente in elektronischer Form zu. … Zudem stellt die Landesregierung alle zu einem Vorhaben gehörenden Dokumente und Informationen bereit.“ Das sollten wir einfordern, und zwar in den Fachausschüssen, nicht nur im Europaausschuss.
Zum Zweiten im Absatz 3: „Die Landesregierung berücksichtigt Stellungnahmen des Landtags bei ihrer Willensbildung. In Fällen, in denen durch eine Gesetzgebungsinitiative der Europäischen Union Gesetzgebungsbefugnisse des Landes berührt werden, wird die Landesregierung nicht entgegen dem Parlamentsvotum entscheiden.“ Das ist das zentrale Thema dieses Antrags. Ich kann nur meinen Vorrednerinnen und Vorrednern zustimmen, das ist auch sehr gut so. Da können wir in Thüringen heute ein Beispiel geben für ganz Deutschland. Das ist ein sehr positives Zeichen für Europa.
Last, but not least, ich zitiere den Absatz 4 zum Teil: „Hat der Landtag eine Stellungnahme abgegeben, informiert ihn die Landesregierung über ihr Stimmverhalten im Bundesrat. Sie informiert den Landtag nach Möglichkeit bereits im Vorfeld der Bundesratssitzung über ein beabsichtigtes abweichendes Stimmverhalten.“ Mehr kann man zurzeit, glaube ich, mit dem Gesetzesrahmen nicht erreichen.
Zum Abschluss: Auch ich möchte mich bei der Landtagsverwaltung für die Vorbereitung dieser Beschlussempfehlung bedanken, bei der Regierung für die Übernahme dieses Entwurfs und diesen weitreichenden Informations- und Berichtspflichten.
Ich möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss bedanken für die Bereitschaft zur Mehrarbeit, denn das ist das, was wir heute tun. Und ich möchte mich bei Herrn Bergemann dafür bedanken, dass er die Haltung in der CDU-Fraktion so positiv beeinflusst hat, wie er es gerade geschildert hat. Das meine ich ganz im Ernst.
Ich habe die Hoffnung, dass dieses Beispiel überfraktioneller Arbeit aus dem Europäischen Parlament heraus häufiger nach Thüringen ausstrahlt. Übrigens gerade auch das macht Brüssel zu einem Beispiel für uns, dass dort nicht mehr nach politischen Prioritäten abgestimmt wird, sondern häufiger aus ganz anderen Kriterien heraus und nicht immer zum Schlechteren. Auch der Zwang dort zum Kompromiss ist möglicherweise etwas, was wir uns dort abschauen können. Jedenfalls, last, but not least, freue ich mich auf die erste Subsidiaritätsinitiative aus dem Thüringer Landtag nach Brüssel, die hoffentlich auch Erfolg hat. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. Gibt es seitens der Abgeordneten noch Wortmeldungen? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Für die Landesregierung hat sich zu Wort gemeldet die Frau Ministerin Walsmann. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ein guter Tag für Thüringen. Im Jahr 2007, 50 Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge, wurde unter deutscher Ratspräsidentschaft eine Einigung über den heute als „Vertrag von Lissabon“ bekannten Reformvertrag erzielt. Damals hatten alle Beteiligten die begründete Hoffnung, dass Europa nun in ruhigeres Fahrwasser steuern würde, denn der zurückliegende Integrationsprozess war rasant verlaufen. In den vergangenen 20 Jahren seit der Wiedervereinigung des Freistaats Thüringen haben wir erlebt, dass die Grenzkontrollen in Europa fielen, dass 12 neue Staaten vor allem aus Mittel- und Osteuropa Mitglied der Europäischen Union wurden und dass die D-Mark durch den Euro abgelöst wurde. Maastricht, Amsterdam, Nizza waren Synonyme für die ständige Fortentwicklung des EU-Vertrags. Die Europäische Union hat allerdings auch nach Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon große Herausforderungen zu bewältigen. Die Wirtschafts- und Fi
nanzkrise und die daraus folgende Schuldenkrise ich spreche bewusst nicht von einer Krise des Euro - machen deutlich, dass wir den Integrationsprozess weiterhin aktiv gestalten müssen, sonst droht Europa global ins Hintertreffen zu geraten. Zwar sehen manche in der derzeitigen Schuldenkrise schon ein Scheitern der gemeinsamen Währung, ja der gesamten europäischen Integration.
Meine Damen und Herren, ich bin keine Prophetin, aber ich glaube doch, das Gegenteil ist der Fall. Die gegenwärtige Krise wird einen weiteren Integrationsschub auslösen. Die letzten Monate haben das deutlich gezeigt. Die Europäische Union wird sich strengere, verbindlichere Regelungen für die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, für die Schuldenbegrenzung und den Schuldenabbau geben. Im Euro-Plus-Pakt werden die Mitgliedstaaten jährliche Ziele zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit festlegen, die Stabilität der nationalen Haushalte und der Sozialsysteme, aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten werden damit immer stärker zu europäischen Themen. Deutschland hat in den vergangenen Jahren seine Hausaufgaben gemacht. Es waren schwierige und oft unpopuläre Entscheidungen. Aber richtig ist auch, dadurch stehen wir heute besser da als die meisten anderen Partner in der Europäischen Union.
Meine Damen und Herren, unverkennbar ist allerdings die Tendenz, dass wichtige Entscheidungen zunehmend auf europäischer Ebene getroffen werden, Entscheidungen, die sich unmittelbar und mittelbar auch auf die Länder und Regionen auswirken. Deshalb ist es nicht nur berechtigt, sondern notwendig, dass sich auch die Landtage verstärkt in die Ausgestaltung der europäischen Integration einbringen. Die heute auf der Tagesordnung stehende Vereinbarung von Landtag und Landesregierung wird dafür in Thüringen eine gute Grundlage schaffen. Ich freue mich deshalb, dass die Beratungen nun heute einen herausragenden Abschluss finden. Die Thüringer Landesregierung hat der Vereinbarung bereits am 15. März zugestimmt. Nach dem Beschluss des Landtags heute wird einer Unterzeichnung nichts mehr im Wege stehen. Leitgedanke der Landesregierung war es, durch parlamentsfreundliche Regelungen die Grundlage für einen qualifizierten Meinungsaustausch zwischen Parlament und Regierung in Angelegenheiten der Europäischen Union zu schaffen. Die Vereinbarung konkretisiert die verfassungsrechtliche Unterrichtungspflicht der Landesregierung nach Artikel 67 Abs. 4 der Thüringer Verfassung und weitet sie deutlich aus. Davon werden alle Beteiligten profitieren. Mit der Vereinbarung holen wir die Europapolitik ins Parlament,
dorthin, wo die wichtigen Debatten geführt werden müssen. Die Erörterung im Landtag macht Europa in Thüringen zudem sichtbarer und verschafft größere Öffentlichkeit. In der Diskussion und im engen Schulterschluss mit Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, wollen wir die Europapolitik des Landes weiterentwickeln und auf eine breite Basis stellen. Bei den Debatten muss uns bewusst sein, im komplexen europäischen Rechtsetzungsverfahren können wir unsere Interessen am wirksamsten vertreten, wenn wir sie möglichst frühzeitig definiert und eingebracht haben. Die Kommission bereitet ihre gesetzgeberischen Initiativen in der Regel durch ausführliche Konsultationen vor. Sie werden in Mitteilungen, Grünbüchern, Weißbüchern und Arbeitsprogrammen zusammengefasst und zur Diskussion gestellt. Bereits hier sollten sich die nationalen Parlamente, die Landesregierungen und Landtage, aber auch Interessenverbände einbringen. Es gilt, meine Damen und Herren, Positionen möglichst im Vorfeld von neuen Legislativakten vorzubereiten und auszutauschen. So können wir einen erheblichen Vorsprung gewinnen. Dabei ist die Vorlage eines konkreten Rechtsetzungsvorschlags schon bekannt und man erkennt sehr schnell, wo ein Problem bestehen könnte. Die Vereinbarung zwischen Landesregierung und Landtag soll dazu beitragen, diese frühzeitige Information und Meinungsbildung des Landtags zu ermöglichen. Dazu dient der erste Teil der Vereinbarung mit seinem differenzierten System von Informationspflichten der Landesregierung. Artikel 67 Abs. 4 der Thüringer Verfassung, der an die grundsätzliche Bedeutung für das Land anknüpft, bleibt dabei selbstverständlich der maßgebliche Ausgangspunkt. Er wird jedoch durch wesentliche niederschwelligere Regelungen im Punkt I Nummer 2 ergänzt, wonach der Landtag insbesondere über alle Vorhaben unterrichtet wird, die Gesetzgebungsbefugnisse, sonstige wesentliche Interessen des Landes oder das Recht der kommunalen Selbstverwaltung sowie der kommunalen Daseinsvorsorge betreffen. Abgerundet, meine Damen und Herren, wird dies durch die in Punkt I Nummer 8 festgeschriebene Pflicht der Landesregierung zur fortlaufenden Information über aktuelle europapolitische Entwicklungen.