dorthin, wo die wichtigen Debatten geführt werden müssen. Die Erörterung im Landtag macht Europa in Thüringen zudem sichtbarer und verschafft größere Öffentlichkeit. In der Diskussion und im engen Schulterschluss mit Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, wollen wir die Europapolitik des Landes weiterentwickeln und auf eine breite Basis stellen. Bei den Debatten muss uns bewusst sein, im komplexen europäischen Rechtsetzungsverfahren können wir unsere Interessen am wirksamsten vertreten, wenn wir sie möglichst frühzeitig definiert und eingebracht haben. Die Kommission bereitet ihre gesetzgeberischen Initiativen in der Regel durch ausführliche Konsultationen vor. Sie werden in Mitteilungen, Grünbüchern, Weißbüchern und Arbeitsprogrammen zusammengefasst und zur Diskussion gestellt. Bereits hier sollten sich die nationalen Parlamente, die Landesregierungen und Landtage, aber auch Interessenverbände einbringen. Es gilt, meine Damen und Herren, Positionen möglichst im Vorfeld von neuen Legislativakten vorzubereiten und auszutauschen. So können wir einen erheblichen Vorsprung gewinnen. Dabei ist die Vorlage eines konkreten Rechtsetzungsvorschlags schon bekannt und man erkennt sehr schnell, wo ein Problem bestehen könnte. Die Vereinbarung zwischen Landesregierung und Landtag soll dazu beitragen, diese frühzeitige Information und Meinungsbildung des Landtags zu ermöglichen. Dazu dient der erste Teil der Vereinbarung mit seinem differenzierten System von Informationspflichten der Landesregierung. Artikel 67 Abs. 4 der Thüringer Verfassung, der an die grundsätzliche Bedeutung für das Land anknüpft, bleibt dabei selbstverständlich der maßgebliche Ausgangspunkt. Er wird jedoch durch wesentliche niederschwelligere Regelungen im Punkt I Nummer 2 ergänzt, wonach der Landtag insbesondere über alle Vorhaben unterrichtet wird, die Gesetzgebungsbefugnisse, sonstige wesentliche Interessen des Landes oder das Recht der kommunalen Selbstverwaltung sowie der kommunalen Daseinsvorsorge betreffen. Abgerundet, meine Damen und Herren, wird dies durch die in Punkt I Nummer 8 festgeschriebene Pflicht der Landesregierung zur fortlaufenden Information über aktuelle europapolitische Entwicklungen.
Die übrige Regelung im I. Teil konkretisiert die Informationspflichten in Bezug auf konkrete Sachverhalte, etwa bei drohenden Kompetenzverlagerungen auf die EU. Außerdem wird die Landesregierung mindestens alle zwei Jahre zusammenfassend über die Schwerpunkte ihrer europapolitischen Aktivitäten berichten. Diese Informationspflichten der Landesregierung sind kein Neuland. Ich erinnere daran, auch bisher gab es im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten einen intensiven Austausch über bedeutsame EU-Themen, wie z.B. über die Zukunft der Strukturpolitik. Auch über die Ergebnisse der Europaministerkonferenzen und
der Plenartagungen des Ausschusses der Regionen hat die Landesregierung schon bisher regelmäßig berichtet. Mit diesem I. Teil des Vereinbarungsentwurfs werden die Rahmenbedingungen für die Debatte europapolitischer Themen im Landtag weiter verbessert. Ich glaube, das ist wichtig. Gerade die frühzeitige Diskussion schafft für Landtag und Landesregierung die Voraussetzung zur aktiven Meinungsbildung und konstruktiven Mitgestaltung an EU-Vorhaben. Denn Mitgestaltung, meine Damen und Herren, und nicht Verhinderung ist das Ziel Thüringer Europapolitik.
Der Vertrag von Lissabon gibt den Regionen mit dem Subsidiaritätsfrühwarnsystem ein wichtiges Instrument an die Hand, die eigenen Interessen zu wahren. Davon wollen wir in Thüringen Gebrauch machen, wenn es uns notwendig erscheint.
Der II. Teil der Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung widmet sich daher konkret der Beteiligung des Landtags an diesem Subsidiaritätsfrühwarnsystem. Der Vertrag von Lissabon brachte weitreichende Fortschritte für Europa und seine Regionen. Vor allem festigt er die demokratischen Strukturen, gibt den Bürgern eine Stimme in Europa und stärkt die regionale und lokale Selbstverwaltung.
Der Vertrag räumt dabei den nationalen Parlamenten erstmals eigene Mitspracherechte in der Europäischen Union ein und stärkt dadurch auch die parlamentarische Verantwortlichkeit. Besonders für die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips wird den nationalen Parlamenten mit dem Frühwarnsystem eine hohe Verantwortung übertragen. So haben die nationalen Parlamente im Deutschen Bundestag und Bundesrat unabhängig voneinander das Recht zur Subsidiaritätsrüge binnen einer Frist von acht Wochen. Im Subsidiaritätsprotokoll zum Vertrag von Lissabon heißt es außerdem, dass die jeweiligen nationalen Parlamente gegebenenfalls die regionalen Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen konsultieren können. Diese Beteiligung des Landtags wird im zweiten Abschnitt der Vereinbarung geregelt. Entsprechend der schon jetzt praktizierten Verfahrensweise ist vorgesehen, dass die Landesregierung - das unterstreiche ich - alle im Frühwarnsystem eingegangenen Dokumente an den Landtag weiterleitet. Bei bedeutsamen Vorhaben wird die Landesregierung dem Landtag zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen. Dabei geht es um den wesentlichen Inhalt und die Zielsetzung von Vorhaben sowie natürlich auch eine ernste Bewertung unter Subsidiaritätsgesichtspunkten. Die Beurteilung des Vorhabens auf seine Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip wird schon unter zeitlichen Gesichtspunkten eine wahre Herausforderung für den Landtag darstellen. Denn nicht nur die 8-Wochen-Frist der EU, sondern auch
der Sitzungsrhythmus des Bundesrats müssen beachtet werden. Ich bin jedoch sicher, meine Damen und Herren, dass wir auch in diesen engen Fristen zu einem intensiven Meinungsaustausch zwischen Landesregierung und Landtag kommen werden. Die Landesregierung hat sich in der Vereinbarung verpflichtet, Stellungnahmen des Landtags zu Subsidiaritätsverstößen im Bundesratsverfahren zu berücksichtigen. Außerdem erklärt die Landesregierung unbeschadet ihrer sich aus Bundes- und Landesverfassungsrecht ergebenden Rechtsstellung nicht entgegen dem Parlamentsvotum zu entscheiden, wenn Gesetzgebungsbefugnisse des Landes berührt sind.
Es bestehen weiter unterschiedliche Rechtsauffassungen, ob ein Landtag die Landesregierung bei ihrem Abstimmverhalten im Bundesrat binden kann. Vor diesem Hintergrund stellt die in der Vereinbarung gewählte Formulierung - das möchte ich besonders betonen - die freiwillige Selbstverpflichtung der Landesregierung heraus. Es ist selbstverständlich, dass die Landesregierung schon im eigenen Interesse nicht über Landtagsbeschlüsse sich hinwegsetzen wird.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, ich fasse zusammen: Ich möchte noch einmal betonen, weil es mir wirklich sehr am Herzen liegt, die Vereinbarung ist eine gute Grundlage für die Beteiligung des Landtags in Europaangelegenheiten. Es ist ein gemeinsam gutes Werk entstanden. Es kommt nun darauf an, ihr auch Leben einzuhauchen. Dabei darf nicht die formale Behandlung von EU-Vorhaben im Vordergrund stehen. Wichtig ist eine offene und intensive Diskussion über die für Thüringen relevanten Themen. Da müssen wir Prioritäten setzen. Die Vereinbarung mit Leben zu erfüllen. Das bedeutet auch mehr Arbeit und mehr Verantwortung für die Landesregierung, die noch schneller und intensiver EU-Vorhaben bewerten muss, aber auch für Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten in den Ausschüssen. Es ist eine wichtige Arbeit, die sich zum Wohle des Freistaats und seiner Bürgerinnen und Bürger lohnt. Deshalb ist heute ein guter Tag für Thüringen. Danke schön.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Somit kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen ab über die Neufassung des Antrags, die in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten enthalten ist. Wer für diese Beschlussempfehlung ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Wer ist gegen diese Beschlussempfehlung? Wer enthält sich? Ich sehe weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Damit ist
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, gestatten Sie mir einige Bemerkungen als Präsidentin zu dieser Vereinbarung.
Wir haben gerade einstimmig dieser Vereinbarung als Thüringer Landtag zugestimmt. Es war ein großer Prozess, ein konstruktiver Prozess der Beratung im Ausschuss und der Beratung mit der Landesregierung. Wir werden im kommenden Monat mit der Landesregierung diese Vereinbarung unterzeichnen im Rahmen des nächsten Plenums. Wir knüpfen damit an an die Bestimmung des Artikels 67 Abs. 4 unserer Verfassung. Die Bedeutung der europäischen Gesetzgebung hat in der Vergangenheit stetig zugenommen. Inzwischen haben rund zwei Drittel der deutschen Gesetzgebung ihren Ursprung in EU-rechtlichen Bestimmungen. Europarechtliche Regelungen durchdringen alle Lebens- und Politikbereiche. Umso wichtiger ist es deshalb, dass die Länder die ihnen zukommende Verantwortung wahrnehmen und sich in den fortschreitenden Prozess der Integration in Europa einbringen. Die Länder sind Hüter der regionalen Indentität, der regionalen Tradition und der regionalen Interessen.
Mit dem am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon werden erstmals auch regionale Parlamente mit der Gesetzgebungsbefugnis berücksichtigt. Außerdem wird ein System der Subsidiaritätskontrolle geschaffen, in das die regionalen Parlamente einbezogen werden. Der Bundesverfassungsgerichtshof hat, als es grünes Licht für den Lissabon-Vertrag gegeben hat, gleichzeitig noch einmal darauf aufmerksam gemacht, die Integrationsverantwortung der Parlamente zu stärken. Unmittelbar nach der Verkündung des Urteils von Karlsruhe haben die 16 Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente deutlich gemacht im Frühjahr 2010, dass diese nicht nur für die nationale Ebene, die Bundesebene, gilt, sondern auch die Integrationsverantwortung der Landesparlamente zu steigern ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die sogenannte Stuttgarter Erklärung, auf die schon einige Abgeordnete eingegangen sind, bekräftigt und betont, dass es den Ländern obliegt, jeweils die notwendigen Mitwirkungsmöglichkeiten des Landesparlaments gegenüber der Landesregierung zur Wahrung der Integrationsverantwortung zu sichern. Mit unserer Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union hat das Thüringer Parlament diese Möglichkeit in die eigenen Hände genommen. Wir werden uns aktiv - und ich glaube, hier im Namen aller Abgeordneten zu sprechen - in
diesen Prozess und dieses System einklinken und beteiligen. In den Fällen, in denen durch die Gesetzgebungsinitiative der Europäischen Union Gesetzgebungsbefugnisse des Landes berührt werden, wird die Landesregierung unbeschadet ihrer rechtlichen Stellung nicht entgegen des Parlamentsvotums entscheiden. Die Integrationsverantwortung des Landtags wird damit erheblich gestärkt.
Die Stellungnahme des Landtags ist von der Landesregierung nicht nur zu berücksichtigen, wie dies in vergleichbaren Regelungen anderer Länder meist der Fall ist, sondern sie entfaltet Bindungswirkung im Rahmen der Eigenbindung. Dafür, dass diese weitgehende Regelung in Thüringen möglich war, danke ich allen Vertretern der Landesregierung, ich bedanke mich bei den Fraktionen, namentlich ihren Fraktionsvorsitzenden, und den europapolitischen Sprechern aller Fraktionen. Die Behandlung europäischer Themen wird im parlamentarischen Ablauf künftig deutlich an Bedeutung gewinnen, der Beratungsaufwand wird größer. Ich erwähne, seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon sind bereits über 100 sogenannte Frühwarndokumente beim Thüringer Landtag eingegangen. Um dem dadurch entstehenden gewachsenen Beratungs- und Verwaltungsaufwand Rechnung zu tragen, habe ich ein Referat „Integrationsverantwortung in EU-Angelegenheiten“ eingerichtet. Die Mitarbeiter dort sollen, müssen, dürfen die Parlamentarier in ihrer Arbeit unterstützen. Es ist uns nun an die Hand gegeben, diese Vereinbarung mit Leben zu erfüllen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Möge sie dazu beitragen, dass die Interessen der Thüringerinnen und Thüringer in Europa noch mehr Gewicht haben. Ich danke Ihnen und ich lade Sie heute schon ein für den 19. Mai zur feierlichen Unterzeichnung mit der Ministerpräsidentin für diese Vereinbarung.
Vielen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Gesetz zur Stärkung der Informationsfreiheit Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/2395 ZWEITE BERATUNG
Ich eröffne die Aussprache. Als Erste hat sich Frau Abgeordnete Martina Renner von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen und die, die im Live-Stream zuschauen, natürlich auch. In der ersten Lesung unseres Gesetzentwurfs zur Stärkung der Informationsfreiheit hat uns die SPD vorgeworfen, Koalitionsvorhaben aufzugreifen und dann der Koalition Beine zu machen. Ich finde, das ist kein Vorwurf, das ist ein Lob an uns.
Wir machen der Koalition Beine, wir erledigen unsere Aufgaben, das unterscheidet uns in dem Punkt von Ihnen. Wenn es um Mitbestimmung, Transparenz und Demokratisierung geht, so blieb es bisher in der rot-schwarzen Koalition bei Ankündigungen. Einige Beispiele: Wir warten seit Monaten auf die Vorlage eines angekündigten Personalvertretungsgesetzes, ebenso wie auf die Novelle des Datenschutzgesetzes oder auf das angekündigte und bis heute nicht eingereichte Korruptionsregister. Ich bin mir ziemlich sicher, würde die Opposition nicht aktiv werden, dann würden diese Vorhaben ganz hinten eingereiht und am Ende würden wir hier Halbgares serviert bekommen.
Daher ist es wichtig und richtig, wenn wir mit eigenen Gesetzesvorschlägen hier Druck machen. Wir haben in der ersten Lesung das geltende Informationsfreiheitsrecht in Thüringen als ein mit starken Restriktionen versehenes und wirkungsloses Gesetz charakterisiert. Sie, Frau Marx, haben uns daraufhin gesagt, das sei eine mutige Auslegung. Als der CDU-Entwurf zum heute geltenden Informationsfreiheitsgesetz beraten wurde, sagte Herr Höhn, Zitat: „Bevor wir ein solches Gesetz, wie von Ihnen, meine Damen und Herren der CDU, hier vorgelegt, verabschieden, sollten wir lieber davon absehen.“ Unsere heutige Wertung zum Thüringer Informationsfreiheitsgesetz ist also nicht mutig, sondern folgerichtig. Nur die SPD hat leider nicht mehr den Mut, das heute zu sagen.
Meine Damen und Herren, in der ersten Lesung wurden eine Reihe grundlegender wie marginaler Kritiken und Fragen formuliert. Für diese Auseinandersetzung hätte es einen richtigen Ort gegeben. Das wäre der Innenausschuss gewesen. Sie haben der Ausschussüberweisung in der ersten Lesung nicht zugestimmt. Die Verhinderung der Ausschussüberweisung hatte ein klares politisches Ziel: Sie wollten vermeiden, dass Ihnen mit unserem In
formationsfreiheitsgesetz dasselbe passiert wie mit unserem Personalvertretungsgesetz. Erst wird ein Entwurf der Opposition im Ausschuss über Monate geparkt, eine Anhörung schließlich als Minderheitenrecht durchgesetzt und es offenbart sich in der Anhörung, dass dringende politische Handlungsnotwendigkeit besteht. In einer Anhörung zum Informationsfreiheitsgesetz, so sind wir sicher, würden wir feststellen, dass unsere vorgeschlagenen Regelungen Zustimmung, aber auch Ablehnung erfahren. Wir hätten die Möglichkeit, den Gesetzentwurf im Ausschuss durch Änderungsanträge zu qualifizieren. Am Ende einer solchen Beratung im Ausschuss könnte ein Gesetz stehen, das den Titel Informationsfreiheitsgesetz wirklich verdient. Sie wollen sich von den Handlungsnotwendigkeiten nicht treiben lassen. Man will sich lieber im Koalitionsausschuss so lange zu den offenen Fragen verständigen, ich nenne hier das POG, die Rassehundeliste, die Personalvertretung, bis sich die eine oder andere Seite durchsetzt oder die eine oder andere Seite einknickt. Das Parlament wird dann leider nur noch zur Bühne des Koalitionsfriedens oder anders gesagt, der Koalitionsdisziplin. Ich finde, damit tun wir uns als Abgeordnete keinen Gefallen.
Zu den in der ersten Lesung vorgetragenen Kritikpunkten möchte ich natürlich hier einiges sagen. Interessant finde ich, ich bleibe bei Frau Marx, dass sie kritisiert hat, der Innenminister hat das, glaube ich, auch gesagt, ein Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Rechtsgütern durch die Behörden sei vollkommen auszuschließen. Sie sagten, Frau Marx, glaube ich, höherrangig heißt höherrangig und dann Schluss. Ich hätte mir eine solche Meinungsäußerung zum Beispiel von der SPD beim Zensus gewünscht.
Aber da haben Sie, wenn ich mich recht erinnere, abgewogen zulasten des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Ein instrumentelles Verhältnis zur Rechtsgüterabwägung muss man an dieser Stelle schon festhalten.
Lassen Sie mich noch etwas zum Spannungsfeld Informationsanspruch einerseits und notwendigem Schutz der persönlichen Belange eines betroffenen Dritten sagen - eine Fragestellung, die ja auch von der FDP aufgeworfen wurde, denn dieses Spannungsfeld ist nicht wegzudiskutieren. In der Tat sollte es einen Ausgleich im Gesetzgebungsverfahren hierzu geben.
Frau Marx, Sie legen in Ihren Reden oft Wert darauf zu sagen, Sie seien seit 20 Jahren Rechtsanwältin. Das befreit Sie, glaube ich, nicht per se vom juristischen Irrtum.
Es geht eben nicht, einen einzelnen Satz aus einem Gesetzentwurf herauszugreifen, diesen vollkommen losgelöst vom gesetzlichen Rahmen zu interpretieren und darauf aufbauend ein Urteil abzugeben.
Das haben Sie aber mit unserem Gesetzentwurf gemacht. Es ist vollkommener Unsinn, auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfs zu behaupten, es könne jeder in die Sozialleistungsanträge einschließlich der dazugehörigen persönlichen Daten Einsicht nehmen. Ich verweise einmal auf unseren Gesetzentwurf. Wer ihn genau gelesen hat, wird feststellen, dass wir in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 1 und Abs. 3 ein Prüfungsschema vorsehen, was im Grunde diese Frage regelt und dieser, ich finde, abenteuerlichen Interpretation von Frau Marx überhaupt keinen Raum gibt.
Zum Spannungsfeld zwischen Informationsanspruch einerseits und Schutz persönlicher Belange andererseits gehört natürlich auch die Frage der Ansiedlung eines Beauftragten für Informationsfreiheit. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die einen sagen, es wäre gut, diesen beim Datenschutzbeauftragten anzusiedeln. Die von uns favorisierte Variante sieht vor, dies beim Bürgerbeauftragten zu tun. Problematisch an dem Vorschlag der Konzentration der Aufgaben beim Datenschutzbeauftragten sehen wir, dass der Datenschutzbeauftragte sowohl Prüfbehörde gegenüber der Behörde in datenschutzrechtlichen Fragen ist als auch möglicherweise Ansprechpartner für Drittbetroffene auf der Grundlage des § 11 des Thüringer Datenschutzgesetzes oder - um es einmal salopp zu sagen - ein Datenschutzbeauftragter und ein Beauftragter für Informationsfreiheit nähern sich einer rechtskonformen Abwägung zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz aus unterschiedlichen Richtungen und mit unterschiedlichen Motivationen.