Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich begrüße Sie zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Als Schriftführerin hat neben mir Platz genommen Frau Abgeordnete Mühlbauer. Die Rednerliste führt Frau Abgeordnete König.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Günther, Herr Abgeordneter von der Krone, Herr Abgeordneter Lemb, Herr Abgeordneter Recknagel und Herr Minister Carius zeitweise.
Am heutigen Tag hat Frau Abgeordnete Hennig Geburtstag, der ich hiermit herzlich gratuliere und alles Gute wünsche.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, aufgrund der Eilbedürftigkeit habe ich für diese Plenarsitzung Herrn Frank Eckardt, Herrn Andreas Brise, Herrn Dominic Hebestreit von MDR aktuell aus Leipzig eine Sondergenehmigung für Bild- und Tonaufnahmen gemäß der Regelung für dringende Fälle gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung erteilt.
Folgender Hinweis zur Tagesordnung: Zu TOP 3 wurde ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in Drucksache 5/3406 verteilt. Gibt es weitere Hinweise zur Tagesordnung? Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ergebnisse des Thüringen-Monitors 2011 liegen vor. Vorgestern ist die Studie der Autoren von Prof. Karl Schmitt und Prof. Jürgen Wolff der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Das Medienecho ist schon seit Tagen enorm. Mit dieser Regierungserklärung möchte ich nun gegenüber dem Thüringer Landtag meinerseits Stellung beziehen zu den Schlussfolgerungen, die die Landesregierung aus dem Thüringen-Monitor 2011 zieht.
Zunächst aber danke ich der Forschungsgruppe Wahlen, die in diesem Jahr die repräsentative Umfrage durchgeführt hat. Mein Dank gilt ebenso den Gutachtern, die in bewährter Tradition bei Prof. Schmitt ist es bereits der 11. Thüringen-Monitor - auf der Basis der Umfrageergebnisse ihr Gutachten erstellt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, neben dem Gewinn für unsere politische Arbeit steckt in dieser ganzen Reihe von nunmehr 11 Monitoren seit dem Jahr 2000 auch ein hoher wissenschaftlicher Wert, den es so nirgendwo sonst gibt, in keinem anderen Bundesland und deswegen noch einmal herzlichen Dank, insbesondere Herrn Prof. Schmitt, der von Anfang an dabei gewesen ist. Wir haben dann wirklich ein großes Pfund im Freistaat Thüringen.
Der Thüringen-Monitor untersucht traditionell die Meinungen und Einstellungen der Thüringer Bürgerinnen und Bürger zur Demokratie, zu Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Er zeichnet ein zuverlässiges Bild der politischen Kultur in unserem Lande. Darüber hinaus nimmt der Thüringen-Monitor stets auch eine aktuelle gesellschaftspolitische Fragestellung auf. In diesem Jahr haben die Wissenschaftler untersucht, wie die Thüringerinnen und Thüringer das Verhältnis von Staatsaufgaben und Staatsausgaben beurteilen, und wie sie selbst zu den Aufgaben und Ausgaben des Staates stehen. Diese Frage ist von entscheidender Bedeutung, denn für die vor uns stehenden Herausforderungen benötigen wir ein hohes Maß an Zustimmung, zumindest an Verständnis der Bevölkerung für Reformen und die dafür notwendigen politischen Entscheidungen, damit unser Land auch in Zukunft attraktiv bleibt. Eine Reform ist letztlich nur dann erfolgreich, wenn auch die Bevölkerung bereit ist, die Reform mitzutragen. Mehr noch, es stärkt die politische Kultur im Lande, wenn die Meinung der Menschen ernst genommen wird und sie beteiligt werden. So viel vorweg.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, zu den Ergebnissen des ThüringenMonitors: Die diesjährige Untersuchung bestätigt einmal mehr, dass die Demokratie in Thüringen auf festem Grund steht. Mehr als 80 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass die Demokratie die beste Staatsform sei. Mehr als die Hälfte der Thüringer sind mit dem Funktionieren der Demokratie auch in der Praxis zufrieden, nämlich 52 Prozent. Das ist ein Wert, den der ThüringenMonitor in dieser Höhe noch nie zuvor gemessen hat.
Die Wissenschaftler attestieren daher das „Bild einer weiteren Konsolidierung positiver Grundeinstel
lungen zur Demokratie in Thüringen“. Hier zeigt sich ein stabiler erfreulicher Trend und, ich meine, mit Sicherheit ist er auch Spiegel der erfreulichen positiven Entwicklung Thüringens insgesamt. Gleichwohl muss etwas Wasser in den Wein gegossen werden. So genießen die sogenannten Entscheidungsinstitutionen - gemeint sind der Landtag und die Landesregierung - nach wie vor deutlich weniger Vertrauen in der Bevölkerung als etwa Justiz oder Polizei. Der politische Streit um unterschiedliche Überzeugungen und Positionen, um die beste Lösung und um vernünftige Kompromisse wird oft nicht als notwendig erkannt. Das ist im Übrigen ein Befund, den wir auch in früheren Jahren schon hatten. In einem Staatswesen, in dem die politische Auseinandersetzung ein konstitutives Element ist, muss ein solcher Vertrauensmangel Sorgen bereiten. Die Wissenschaftler sehen darin eine „Schwächung der Legitimationsbasis parteienstaatlicher Demokratie“. Darüber hinaus stellen die Wissenschaftler auch fest, dass rechtsextreme Einstellungen in der Thüringer Bevölkerung wieder zugenommen haben. Der Thüringen-Monitor gibt keinen Aufschluss über die genauen Gründe. Herkömmliche Erklärungsmuster allerdings, wie die wirtschaftliche Situation oder hohe Arbeitslosigkeit, scheinen hier in Anbetracht der positiven Entwicklung, die wir in diesen Bereichen haben, nicht zu greifen. Fest steht, der Anstieg 2011 beendet den seit Längerem rückläufigen Trend und das stimmt nachdenklich.
Rechtsextreme Einstellungen werden im Thüringen-Monitor anhand von sechs Merkmalen ermittelt. Darunter fallen Ausländerfeindlichkeit, Nationalismus, Antisemitismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus. Alle genannten Merkmale sind in unterschiedlichem Maße angestiegen. Weitere Indikatoren - sozialdarwinistische Auffassungen und die Zustimmung für eine „Diktatur im nationalen Interesse“ - finden dagegen weniger Zustimmung als vor einem Jahr. Es ist die Pflicht und Verantwortung der Politik, sich gegen rechtsextremistische Tendenzen, gegen jede Form des Extremismus zu engagieren.
Papst Benedikt der XVI. hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag vor wenigen Tagen - ich möchte daran erinnern - betont, „dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren, ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers“. Ich kann darum sagen, braunes Gedankengut hat in unserem Land keinen Platz, Nazis haben bei uns nichts zu suchen, nicht in diesem Parlament und auch an keinem anderen Ort in Thüringen.
und den Fraktionen dafür, dass sie auch während des vergangenen Plenums symbolträchtig mit Schaufel und Besen zur Tat geschritten sind gegen den braunen Spuk.
Darüber hinaus haben Sie, sehr verehrte Frau Präsidentin, dieses Hohe Haus für zwei beeindruckende, aufklärende Ausstellungen geöffnet. Ich finde, Sie haben damit die richtige Antwort auf die Provokation der Rechtsextremen gegeben.
Es ist richtig, dass der Thüringer Landtag einziges ostdeutsches Parlament ist, in dem bisher keine rechtsextremen Parteien vertreten waren.
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die NPD bei der Kommunalwahl 2009 in verschiedene Kommunalparlamente eingezogen ist und auch der Einzug in den Thüringer Landtag wurde nur knapp verhindert. Deswegen ist Ihre Anmerkung, Herr Kollege Fiedler, richtig, es soll auch so bleiben, dass wir frei von NPD und anderen rechtsextremen Parteien im Thüringer Landtag bleiben.
Dieses knappe Ergebnis 2009 muss uns aber auch Mahnung sein. Es gibt also keinen Grund zum Zurücklehnen.
Eine wehrhafte Demokratie muss zuallererst wachsam sein. Deshalb ist es auch sinnvoll, einen Blick auf die Altersgruppen zu werfen, in denen rechtsextreme Einstellungen wieder populärer geworden sind. Es spricht für die langfristig wirkende Präventionspolitik der Landesregierung gemeinsam mit einer Fülle von Vereinen, Verbänden und Institutionen, dass die Zustimmung zu rechtsextremem Gedankengut bei den jüngeren Befragten abgenommen hat. Auffallend ist dagegen, dass der Anstieg in der älteren Gruppe der Befragten am stärksten ausgefallen ist. Ein Phänomen, das nicht neu ist, auch darüber haben wir in vergangenen Jahren, ja auch in der vergangenen Legislaturperiode schon gesprochen. Auch Frau Ministerin Taubert hat in Ihrer Regierungserklärung am Beginn dieses Jahres im Januar darauf hingewiesen. Die Landesregierung setzt auf eine Handlungsstrategie, die das Problem Rechtsextremismus in seiner Komplexität erfasst. Diese Strategie baut auf den drei Säulen Prävention, Intervention und Repression auf.
Prävention steht für die Aufklärung, Intervention für das bürgerschaftliche Engagement gegen rechtsextreme Provokationen und Repression steht für die Sanktionierung von politisch motivierten Straftaten. Die Thüringer Landesregierung unterstützt die kommunale Ebene intensiv mit Handreichungen und In
formationsveranstaltungen bei ihrem Engagement gegen rechtsextremistische Bestrebungen. Es gibt vielfältige Ansätze in der Jugendarbeit, im Sport, bei den freiwilligen Feuerwehren, die einen eigenen Jugendreferenten vom Land bezahlt hat. Das gibt es auch nirgendwo sonst, in Thüringen haben wir uns dazu bekannt.
Es gibt diese Ansätze - ja, das war auch eine parlamentarische Initiative, das stimmt - in der Beratungstätigkeit und in vielen, vielen anderen Bereichen. Seit Beginn des Jahres ist das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in Kraft gesetzt. Die Landesregierung ist damit einem Aufruf des Thüringer Landtags, und zwar aller Fraktionen, gefolgt, die Demokratie in Thüringen zu stärken und extremistische Tendenzen zu bekämpfen. Dieses Programm setzt insbesondere auf die Säulen Prävention und Intervention.
Trotz der knappen Haushaltsmittel ist das Landesprogramm finanziell gut ausgestattet. Im Jahr 2011 stehen insgesamt 1.135.000 € zur Verfügung, im Jahr 2012 trotz Konsolidierung und Sparhaushalt sind es sogar 1.528.000 €.
Eine wehrhafte Demokratie engagiert sich nicht allein in Vorbeugung und Aufklärung. Auch die dritte Säule, repressive Maßnahmen auf Grundlage des geltenden Rechts, ist für uns Gebot zum Handeln. So leisten etwa die Sonderdezernate für Rechtsextremismus bei den vier Thüringer Staatsanwaltschaften in diesem Bereich eine wichtige Arbeit. Mein Dank gilt deshalb an dieser Stelle den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesen Dienststellen, aber ebenso bei der Polizei, dem Landesamt für Verfassungsschutz und allen anderen Behörden, die mit der Bekämpfung extremistischer Straftaten befasst sind. Ihre Arbeit ist unentbehrlich und wir achten sie und zollen ihnen ausdrücklich Dank und Anerkennung.
Auch wenn die Beobachtungen des Verfassungsschutzes nicht alle Befunde des Thüringen-Monitors zu bestätigen scheinen, ich interpretiere die vorliegenden Daten zum Rechtsextremismus als eine Warnung. Wir müssen künftig noch wachsamer sein, vor allem dürfen wir den rechtsextremen Antidemokraten nicht das Spielfeld überlassen, weder in den Städten noch in den ländlichen Räumen. Dabei sollten wir auch im Blick behalten, dass nicht allein vom rechten Rand her Gefahr für die Demokratie droht.
Einmal mehr bestätigt hat der Thüringen-Monitor 2011 die Affinität von DDR-Nostalgie und der Zustimmung zu autoritären Staatsformen. „Wer“ so wörtlich - „der DDR in der Rückschau mehr gute als schlechte Seiten abgewinnt und wer da zum Sozialismus zurückkehren möchte, neigt ein Vielfaches häufiger zum Rechtsextremismus als diejenigen, denen diese Nostalgie fremd ist.“ - schrieben die Autoren. Auch das schrieben sie nicht zum ersten Mal, auch das ist ein Befund, den wir über die Jahre hinweg haben. Ich betone, die Frage zielt nicht auf die individuellen Biographien und Lebensleistungen der Befragten in der DDR, sondern auf ihre Einstellung zum damaligen politischen System. Interessant an dieser Stelle ist auch die Feststellung, dass Rechtsextreme in etwa die gleiche Bereitschaft wie Nicht-Rechtsextreme bekunden, sich an einer Blockade von Bahngleisen beispielsweise zur Verhinderung von Atommülltransporten zu beteiligen. Das zeigt, die Übergänge zwischen Gruppen unterschiedlicher Couleur sind fließend.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich, weil mich das wirklich umtreibt, aus aktuellem Anlass Bezug nehmen auf eine Meldung, die mich gerade gestern wieder erreicht - nicht nur mich, sondern uns alle in dieser Republik -, wenn es da heißt mit Tickermeldung von gestern: „Bei den Bahnpassagieren in Berlin und Brandenburg fährt seit Kurzem die Angst mit. Auf die Attacken, mit der seit Wochenbeginn gezielt die Infrastruktur der Bahn in der Bundeshauptstadt und im Umfeld lahmgelegt wird, reagieren viele auch mit Wut und Unverständnis. Zwei Brandsätze gingen hoch und richteten Sachschäden an. Ein Dutzend konnte noch rechtzeitig entschärft werden.“ Zu den Taten bekannte sich eine bislang unbekannte linksextremistische Gruppe. Das berührt mich in diesem Zusammenhang auch sehr.
Deswegen sage ich, auch das ist ein Alarmsignal, die zunehmende Gewaltbereitschaft junger, desorientierter und auch oft autonomer linksextremistischer Menschen. Das muss uns auch in Thüringen mit Sorge erfüllen und wir sollten es ernst nehmen, wenn ein Vertreter der Polizeigewerkschaft von einer Art neuem RAF-Terrorismus warnt.