Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich darf Sie herzlich begrüßen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Für die heutige Plenarsitzung hat als Schriftführer neben mir Platz genommen der Abgeordnete Dr. Voigt. Die Rednerliste führt der Abgeordnete Recknagel.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete König, Herr Abgeordneter von der Krone, Herr Abgeordneter Dr. Pidde, Herr Abgeordneter Schröter, Herr Abgeordneter Untermann, Herr Minister Machnig zeitweise, Herr Minister Matschie und Frau Ministerin Taubert.
Wir sind in der gestrigen Sitzung übereingekommen, bei der Feststellung der Tagesordnung über die Aufnahme des Antrags der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/3041 „Bildung und Stärkung der Fachausschüsse“ in die Tagesordnung und über die Beratung nach Punkt 2 zu entscheiden. Wir müssten also heute darüber abstimmen und entscheiden, ob wir diesen Punkt auf die Tagesordnung nehmen und wo wir ihn platzieren. Er ist also nicht in der Frist verteilt worden, es ist Fristverkürzung beantragt. Gibt es dazu Widerspruch? Ich sehe Widerspruch. Damit brauchen wir die Zweidrittelmehrheit hier im Hause. Ich lasse also darüber abstimmen, ob wir der Fristverkürzung zustimmen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das findet Zustimmung bei den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU. Wer ist gegen die Fristverkürzung? Das ist die Fraktion der FDP. Wer enthält sich der Stimme? Es enthält sich niemand. Damit ist die Zweidrittelmehrheit erreicht und wir haben diesen Punkt auf der Tagesordnung. Vorgeschlagen ist, den Antrag nach Tagesordnungspunkt 2, also als Tagesordnungspunkt 2 d einzuordnen. Gibt es einen anderen Vorschlag? Das sehe ich nicht. Wir brauchen auch hier wieder die Zweidrittelmehrheit. Wer dieser Platzierung seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Zustimmung bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE. Wer ist gegen diese Platzierung? Gegenstimmen bei der FDP. Wer enthält sich? Es enthält sich niemand. Damit ist die Platzierung nach Punkt 2 a, b, c als Punkt 2 d festgelegt.
Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Das sehe ich nicht. Dann rufe ich auf Tagesordnungspunkt 1
Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zur Stär- kung demokratischer Rechte) Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/2672 DRITTE BERATUNG
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn DIE LINKE heute zum dritten Mal den Versuch startet, Sie davon zu überzeugen, dass Thüringen dieses Gesetz zur Änderung der Verfassung braucht, dann rufen wir nicht gleich zur Revolution auf, wie es uns manche hier sogar zutrauen, sondern wir wollen einfach nur mehr Demokratie auf kommunaler Ebene.
Wir wollen, dass die Gemeinderäte und die Kreisräte verfassungsrechtlich auch als Volksvertreter anerkannt werden, ja, mehr wollen wir vorerst nicht. Es war ein Fehler, diesen Gesetzentwurf nicht gemeinsam mit dem Petitionsgesetz zu beraten, denn wirklich zu verstehen ist dieser Vorschlag heute nur im Zusammenhang mit der Änderung des Petitionswesens. Nicht nur deshalb wäre es angezeigt gewesen, den Entwurf zusammen mit der Änderung des Petitionsgesetzes im Ausschuss tiefgründiger zu diskutieren. Es ist nämlich Tatsache, dass kommunale Anliegen auch ein Schwerpunkt in der Arbeit unseres Petitionsausschusses sind. Auch vor dem Hintergrund der Debatte aus der vergangenen Legislatur sowie der Ausführungen des Gutachtens wäre eine sachliche Befassung im Ausschuss angezeigt gewesen. Ich verurteile die Verweigerungshaltung der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD auch angesichts der Tatsache, dass wir künftig Redezeiten hier in diesem Parlament verkürzen wollen, dass Sie öffentliche Ausschuss-Sitzungen nicht haben wollen und sogar Ausschuss-Sitzungen und Ausschussberatungen verweigert werden. Das verurteile ich auf das Schärfste.
Deshalb will ich hier noch einmal im Klartext reden. Wir wollen den Artikel 14 der Verfassung des Freistaates wie folgt ändern: „Jeder hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich oder mündlich mit Bitten oder Beschwerden an die
zuständigen Stellen des Landes sowie der Gemeinden und Landkreise und an die nach den Wahlrechtsgrundsätzen hervorgegangenen Volksvertreter zu wenden. Es besteht Anspruch auf begründeten Bescheid in angemessener Frist.“
Genau diese Klarstellung wollen wir, dass Gemeinderäte und Kreisräte nicht nur zuständige Stelle sind, sondern auch als Volksvertretungen im Sinne des Artikels 17 Grundgesetz sowie des Artikels 14 der Thüringer Verfassung anzusehen sind. Sie meinen natürlich, auf kommunaler Ebene ist alles in bester Ordnung. Die Bürger wenden sich direkt an den Bürgermeister, der alle Angelegenheiten klärt. Dies wiederum begründen Sie damit, dass, wenn sich jemand an den Bürgermeister, also die Verwaltung, wendet, ohnehin die Antwort bekäme, die schon Inhalt der vergangenen und hinterfragten Entscheidung war. Also ich finde das nicht in Ordnung. Das Beschwerderecht ist zwar jetzt, wie Sie sagen, intensiv auf vielfältige Art und Weise gelebt, aber es ist eben nicht lebendig im Sinne einer Wirkung, wie Sie ebenfalls richtigerweise feststellen.
Anliegen unseres Gesetzentwurfs ist, dies zu ändern, ein berechtigtes Ziel - das muss man eingestehen -, das wollen wir. Das kommunale Petitionsrecht in dem Umfang, wie wir es befürworten, findet auf einer anderen Ebene, nämlich zwischen Gemeinderat, den gewählten Vertretern und der Verwaltung sowie den Bürgern statt. Das schafft Bürgernähe, die die Menschen brauchen und sie wollen ernst genommen werden. Denn der Gemeinderat hat sehr wohl ein Ermessen, auf die Verwaltung Einfluss zu nehmen; er mag Teil der Verwaltung sein, aber die Gemeinderäte haben auch das Recht als Kontrollorgan.
Die Kollegin Marx aus der SPD sagte richtigerweise, dass das Beschwerderecht ein demokratisch stumpfes Schwert ist. Das darf aber nicht zur Richtigstellung dieses Arguments dienen, das bisherige Recht zu verteidigen, sondern es ist Anlass, das Recht zu ändern. Das beabsichtigt meine Fraktion mit dem vorliegenden Gesetzentwurf.
Abschließend hinzufügen möchte ich noch, dass entgegen Ihrer Ansicht eben nicht egal ist, ob sich die Bürger über den Zustand einer Gemeindestraße oder über den geplanten Ausstieg aus der Atomenergie beschweren. Mit Blick auf unseren Gesetzentwurf, in dem eindeutig steht, wir möchten, dass sie allzuständig sind für alles, was Gemeindeangelegenheiten betrifft.
Liebe Abgeordnete, die Demokratie ist in der Krise. Die Bürger kämpfen für die Einführung eines Wahlrechts mit 16 in Bayern zum Beispiel, Wahlrecht für nicht deutsche EU-Bürger begehren die Bürger, wir haben laufende Volksbegehren in Thüringen, das sind doch alles Bestrebungen, die Menschen wieder mitzunehmen. Hier setzt unser kommunales Wahlrecht an. Wir haben den Vorschlag unterbrei
tet und sind der Meinung, dass wir mit der jetzigen Gesetzesänderung, mit der Änderung der Verfassung, die Voraussetzungen dazu schaffen. Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Michael Heym.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute zum dritten Mal den Gesetzentwurf der LINKEN auf der Tagesordnung. Sehr geehrte Kollegin Frau Sedlacik, ich kann Ihnen versichern, wir werden - und gerade nach Ihrer eben noch mal gehaltenen Rede - Ihre Erwartungen erfüllen.
Sie erwarten von uns, dass wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen und das werden wir natürlich tun. Denn es ist schon nach aller Sachlichkeit, die wir zweimal hier an dem Pult zu dieser Angelegenheit geführt haben nach der Debatte, schon ein bisschen vermessen, wie Sie hier noch einmal ein Bild skizzieren, wie in unseren Kommunen mit den Anliegen von Bürgern umgegangen wird. Da ist es längst nicht nur der Bürgermeister, zu dem die Leute gehen, da ist jeder Gemeinderat Ansprechpartner und jeder hat alle Möglichkeiten,
sich mit seinen Problemen in der Gemeinde an seine gewählten Vertreter zu wenden. Und längst nicht alles, was in der Gemeinde Probleme aufwirft, ist auch ein gemeindliches Problem. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, es gibt eigene Wirkungskreise, es gibt übertragene Wirkungskreise und da brauche ich einem Bürger, der im normalen Leben mit diesen Sachverhalten, mit diesen rechtlichen Trennungen nichts zu tun hat, nicht erst zu erklären, warum er sich mit dem einen oder anderen Problem nicht an den Bürgermeister und an seinen Gemeinderat wenden kann, sondern vielleicht zum Landrat muss oder noch woandershin. Ich will Ihnen sagen, dieses Mittel, was Sie hier als Entwurf aufgeschrieben haben, ist ungeeignet und es bleibt dabei. Ein Satz war entlarvend, Sie hätten zunächst ja nur vor, den Bürgern mehr demokratische Rechte einzuräumen. Ich sage es Ihnen noch einmal, Sie wollen Ihren politischen Werkzeugkasten erweitern und das ist längst durchschaut und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Deshalb bleibt die CDU-Fraktion bei ihrer Position, wir werden Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin fast geneigt zu sagen, ich schließe mich den Worten meines Vorredners an. Aber zwei Punkte möchte ich schon noch sagen. Die Rede, die wir gerade noch mal gehört haben, sagt eigentlich alles aus und mich hat es schon ein bisschen bestürzt, als Sie sagten, wir wollen zunächst - auch das habe ich mir gut gemerkt - erst einmal das machen. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was als Nächstes kommt.
Wenn jemand Angst vor irgendetwas hat, dann bin es mit Sicherheit nicht ich und es sind mit Sicherheit auch nicht wir.
Aber Menschen vorzuschreiben, mit welcher Sache sie wohin gehen, Sie müssen froh sein - und das kennen Sie vielleicht aus eigener Erfahrung -, wenn die Menschen mit Problemen zu Ihnen kommen und überhaupt das Gespräch suchen. Was wollen Sie denn jetzt machen? Wollen Sie fünf verschiedene Türen machen, an denen steht, mit welchen Problemen sie zu wem gehen sollen? Wollen Sie das machen?
Lassen Sie doch einfach mal den Kommunen und auch den Menschen die Entscheidung, wohin sie sich wenden. Das ist doch klar geregelt.
Es gibt einen Petitionsausschuss im Landtag und da ist es klar geregelt, womit ich mich an wen wenden kann. Ich glaube, das funktioniert gut, man sieht es auch an der Anzahl der Petitionen, die im Landtag eingehen und ansonsten - zumindest ist es bei uns so - ist jedes Stadtratsmitglied und auch jedes Kreistagsmitglied mit Sicherheit in so vielen Gesprächen mit den Menschen, da braucht es keine neuen Verordnungen, auch keine neuen Verfügungen. Machen Sie einfach Ihre Arbeit, wir machen es auch. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte und liebe Kolleginnen und Kollegen, auch Frau Sedlacik und die Fraktion DIE LINKE, es bleibt dabei, dass die von Ihnen beantragte Verfassungsänderung weder gebraucht wird noch sinnvoll ist.
Heute wieder und auch in der zweiten Lesung am Schluss, Frau Sedlacik, haben Sie in Abrede gestellt, dass mit der beantragten Verfassungsänderung eine Allzuständigkeit jedes Regionalparlaments für Beschwerden aller Art eingeführt werden soll und da haben Sie darauf verwiesen, dass in Ihrem parallel eingebrachten Gesetzentwurf, zu dem wir auch eine Anhörung durchführen werden, doch wieder nur eine Adressierung von Beschwerden im Rahmen bestehender regionaler Zuständigkeit vorgesehen sei. Das ist ja richtig. In der Begründung zu der von Ihrer Fraktion angestrebten Verfassungsänderung wird aber demgegenüber die Allzuständigkeit als Mittel zur Belebung des politischen Geschäfts und der Beteiligungsrechte der Bürger betont, denn dort heißt es, dass das von Ihnen gewünschte kommunale Petitionsrecht nicht nur im Teilbereich der von der Thüringer Kommunalordnung geregelten sachlichen Zuständigkeit umfassende Wirkung entfalten soll. Es sei vielmehr Sinn und Zweck, die Anliegen der Einwohnerinnen und Einwohner zum Ausgangspunkt der gemeindlichen und kreislichen Tätigkeit zu machen.
Ja. Wenn Sie aber eine Allzuständigkeit nach Ihren eigenen mündlichen Ausführungen nun selbst gar nicht einführen wollen, dann brauchen Sie auch diese Verfassungsänderung nicht, denn wenn Sie sich den Text in Ihrem eigenen Gesetzentwurf noch einmal ansehen, dann sieht der von Ihnen beantragte Text bei den Parlamenten als Beschwerdestellen ausdrücklich keinerlei Begrenzung auf regionale Zuständigkeiten vor, denn dort heißt es, dass die Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, sich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die nach den Wahlrechtsgrundsätzen hervorgegangenen Volksvertretungen zu wenden. Damit erfasst die Zuständigkeitseinschränkung die regionalen Volksvertretungen nicht und an die Volksvertretungen können nach Ihrem Verfassungsänderungstext Bitten und Beschwerden jedweder Art und jedweden Inhalts gerichtet werden, also für Gemeindestraßen wie für Ausstieg aus der Kernkraft. Deswegen ist der Einwand richtig, den