Protokoll der Sitzung vom 28.02.2014

(Abg. Koppe)

ten deutlich positiv eingestellt. Klar, eine knappe Mehrheit ist immer noch ein bisschen unzufrieden. Das hängt auch mit vielen Faktoren zusammen, die genannt worden sind aus dem täglichen Alltagsgeschäft heraus, wo natürlich auch Verantwortungen bei anderen liegen, wie man Europa gut verkaufen kann.

Die Präsidentenwahl ist angesprochen worden, die Direktwahl, dazu will ich mich noch einmal äußern. Aber klar ist auch, dass die Bürger es begrüßen würden, sieben von zehn, wenn in naher Zukunft der Präsident direkt gewählt werden kann - das ist auch so eine Frage -, weil sie sagen, es ist ein legitimeres Verfahren, es ist auch ein demokratischeres Verfahren, wenn wir das so machen. Dass das noch geringe Interesse an Europathemen in der Zukunft wachsen wird, davon bin ich fest überzeugt. Das ist überhaupt gar keine Frage, weil die Menschen am Ende tatsächlich wissen, wenn man bis 2025 schaut, das schätzen sie ein in dieser Umfrage, dass man da in viel mehr Themen einbezogen werden wird, weil fast 80 Prozent europäischer Gesetzgebung inzwischen auch in Brüssel oder Straßburg stattfinden. Da können wir uns drehen und wenden, wie wir wollen.

Noch einmal eine kurze Aussage zur europäischen Integration: Finde ich auch wichtig, weil grundsätzlich sieben von zehn Europäern der Auffassung sind, dass mehr Gemeinsamkeiten sie verbinden, als Unterschiede sie trennen. Das ist eine positive Aussage, aber in Bezug auf das Tempo der Integration gibt es zwei ganz klare Aussagen, die sich halbieren. Da sagen die einen, wir müssen alle Mitgliedstaaten mit gleicher Geschwindigkeit mitnehmen, und die anderen sagen zu 50 Prozent, es gibt Ideen, dass Europa in einzelnen Ländern unterschiedlich voranschreiten soll. Darin sieht man einmal die Gespaltenheit.

Kollege Kubitzki hat es angesprochen, die sozioökonomischen Herausforderungen Europas sind, dass die Mitgliedsländer ihre Haushalte in den Griff bekommen. Da gilt, Solidarität und Eigenverantwortung gehören zusammen. Ich muss Solidarität üben, die muss auch eingefordert werden können, aber ich habe auch eine eigene Verantwortung in meinem Land zu Hause. Ich meine, das sollten wir auch akzeptieren.

Zur Strategie hat der Minister gesagt, dass er auch beabsichtigt, tatsächlich aus den Erkenntnissen heraus das, was sich bis zur Europawahl noch ergeben wird und darüber hinaus, darum geht es eigentlich, weil dann das neue Parlament zusammentreten wird, und die Kommission ist bis September im Amt. Danach wird man schauen müssen, wie sich Europa überhaupt weiterentwickelt, aber, ich finde, es ist wichtig, dass wir diese Strategie, Herr Minister, dann auch fortschreiben, davon gehe ich aus. Das nächste Parlament wird das tun, wer dann

auch immer dabei sein wird, und auch Europawahlen und Landtagswahlen, die für uns in Thüringen eine Bedeutung haben, er hat es gesagt, mit den Kommunalwahlen zusammen haben wir einen Vorteil, unstrittig.

Wer sich mal die Analysen der zurückliegenden Wahlen Europas anschaut, sie ist natürlich immer leicht gesunken, das ist eigentlich das Problem. Warum gelingt uns das nicht, die Menschen davon zu überzeugen? Warum ist es wichtig, dort hinzugehen, bei der Konstellation, die wir haben nach dem Vertrag von Lissabon, Mitbestimmungsrechte der Parlamente, auch unseres Parlaments, das aufgewertet worden ist. Wir haben die Vereinbarung, die wir deutlich mit Leben erfüllt haben. Ich denke einmal, das wird sich so entwickeln. Wir müssen diesen einen Fakt berücksichtigen, den ich vorhin sagte, 66 Prozent zu 29 Prozent, wir müssen EUThemen einfach besser vermarkten. Besser vermarkten und besser mit den Leuten reden heißt eben auch - lieber Jörg, da bin ich völlig d’accord -, wir müssen bei Veranstaltungen, wie sie am Montag in der Staatskanzlei stattgefunden hat, wo ich meinen Kollegen Fritz Schröter gesehen habe und mich selbst, sonst habe ich keinen Abgeordneten dort gesehen, da waren alle Multiplikatoren da, die Projektträger, die vor Ort europäische Politik umsetzen aus dem EFRE, aus dem ESF, woher auch immer. Alle die waren da, da hätten wir eine gute Bühne gehabt, mit all denen ins Gespräch zu kommen. Tolle Veranstaltung, muss ich einmal sagen, auch an die Landesregierung, das kann sich sehen lassen. Der Vorwurf, den will ich auch gar nicht stehen lassen, ist immer die Frage, ob man hingeht.

Ich will nur kurz aufzählen, was wir im vorigen Jahr alles gemacht haben oder was die Landesregierung gemacht hat, ich war dabei. Es war kein schönes Wetter, als wir am Tag der offenen Tür der Staatskanzlei ein Europafest veranstaltet haben, draußen mit vielen Ständen, viele Bürger waren da, es hat geregnet, Pech gehabt, aber da sein muss man. Da ist auch im Jahr der Bürgerinnen und Bürger gerade zu dem Thema unheimlich viel gemacht worden, nicht nur in der Europawoche, sondern auch außerhalb der Europawoche. Da gibt es genug Veranstaltungen. Auch die Stiftungen, ob jetzt die FriedrichEbert-Stiftung, oder die Konrad-Adenauer-Stiftung, haben viele Veranstaltungen zu Europa gemacht, wo die Regierung und wir als Parlamentarier dabei waren. Ich finde, der Vorwurf ist mehr als ungerechtfertigt und den kann man auch gut widerlegen mit all dem, was gelaufen ist; die Preisvergabe hat der Minister genannt und viele andere Dinge.

Ich sage, es muss uns einfach gelingen, wenn wir die Leute motivieren wollen, muss man mitziehen. Dass es unterschiedliche Meinungen gibt, ist in Ordnung, da braucht ihr, lieber Jörg, bei euch in der Partei gar nicht so weit zu gehen. Ich hoffe nur, dass das Linksprogramm in Europa niemals eine

Rolle spielen wird, denn was ich da gehört habe von neoliberal, militaristisch und einer weiterhin undemokratischen Union.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Le- sen bildet.)

Der Vorsitzende hat versucht, das zu korrigieren in einem großen Interview in der Zeitung, das habe ich natürlich gelesen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Aber das Programm haben Sie nicht gele- sen.)

Aber die Grundeinstellung, Frau Berninger, ist da. Da kann man natürlich - in einem Programm bin ich immer dafür, dass man offen diskutiert, aber auch da gibt es sehr große Unterschiede, und da muss er einmal in seinen eigenen Reihen dafür sorgen, dass da Klarheit herrscht, wo man sich immer hinstellt, wir sind glühende Europäer. Europa richtig machen, das ist die entscheidende Frage.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter, Abgeordneter Kubitzki möchte Ihnen jetzt gleich eine Frage stellen.

Gern. Sofort.

Und Sie gestatten das auch gleich?

Lieber Gustav Bergemann, hast du mitbekommen, dass sich die Kräfte pro Europa auf unserem Bundesparteitag in Hamburg durchgesetzt haben, dass wir gearbeitet haben und dass wir ein Wahlprogramm erstellt haben, welches die Integration in Europa in den Mittelpunkt stellt, natürlich bei allen Dissenspunkten, wo wir sozialpolitisch vieles anders sehen in Europa als vielleicht eure Partei?

Das ist doch unstrittig, das ist doch völlig klar. Aber der Grundgedanke, das ist gespalten, es ist immer schon gespalten gewesen. Da sage ich einmal an dieser Stelle positiv: Frau Zimmer. Die erwähne ich einmal richtig positiv, weil man sie jahrelang kennt, man kennt sie aus Brüssel, wir haben sie hier als Kollegin gehabt, die für eine andere Einstellung da ist als Frau Wagenknecht, wenn ich mir das so einfach erlauben darf. Man muss akzeptieren, dass es so etwas gibt. Ich habe es nur in Bezug auf die Vorwürfe, die ihr vorhin hier losgelassen habt, gesagt. So kann es nicht funktionieren, da müsst ihr einmal

in euren eigenen Reihen dafür sorgen, dass eine klare Linie da ist.

Wenn man am Ende selbst das Programm beschließt mit dem und dem Prozentsatz, gibt es trotzdem eine unterschiedliche Ansicht und mich hat am meisten gestört: weiterhin undemokratisch Europa weiterhin undemokratisch. Das halte ich für völlig überzogen und auch völlig sachfremd, wer sich mit Europa befasst hat. Gerade wir in den neuen Bundesländern, die über Nacht zu Europa gekommen sind, die eine Verantwortung tragen, dass wir in diesem Transformationsprozess der Erweiterung zu Europa auch eine besondere Rolle spielen, auch wir hier in Thüringen mit unseren Partnerschaften, sei es in Krakau, selbst in der Ukraine oder wo wir überall zu Hause sind, mit der Picardie, haben da eine besondere Verantwortung.

Ich meine, die Ergebnisse des Barometers sind wichtig, keine Frage, sie sollen auch umgesetzt werden. Der Minister hat es zugesagt, wird er auch tun, davon bin ich fest überzeugt. Aber wir müssen schauen, dass wir bis zum 22. bis 25. Mai, in dem Zeitraum der Europawahlen, auch die Menschen draußen noch erreichen. Das will ich noch zum Schluss sagen, dass die Öffentlichkeitsarbeit auch eine wichtige Rolle spielt. Da ist auch die Verantwortung der Medien. Wenn man die Zeitungen aufschlägt - das ist, glaube ich, schon einmal irgendwo gesagt worden; ich glaube, du hast es schon einmal gesagt. Das ist völlig verrückt. Anstatt an klaren Projekten zu zeigen, was Europa geleistet hat - ich brauche keine zentnerweise Hochglanzbroschüren, die kann man tonnenweise in den Müll hauen, die liest gar keiner -, sondern mit klaren Projekten zu sagen: Hier an der und der Stelle - früher gab es viel mehr Schilder, auf denen stand: Gefördert von der Europäischen Union. Kennen wir alle. Wenn man heute durch das Land geht - selten. Aber das Geld fließt nach wie vor. Das ist europäische Politik, Menschen zu überzeugen, zu sagen: Hier, an der und der Stelle hat Europa etwas zu Wege gebracht. Und da hat für meine Begriffe die Medienwelt eine große Verantwortung, die sie bisher so nicht wahrgenommen hat. Es ist viel zu technokratisch, was da herüberkommt. Das kann kein Bürger verstehen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Abgeordneter Meyer das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Doch eine ganz muntere Debatte - bei so viel Einigkeit, die wir eigentlich haben, und ich will auch keinen Dissens in

(Abg. Bergemann)

die Debatte tragen, ganz im Gegenteil. Ich möchte eigentlich versuchen, aus unserer bündnisgrünen Sicht heraus auch zu betonen, dass wir in der ganzen Bandbreite, die wir hier sitzen in diesem Parlament, da können wir sehr froh darüber sein, zu den Pro-Europäern gehören. Das ist nicht in jedem Parlament so.

Ich will mich auf eine Aussage aus dem Monitor beziehen. Die heißt etwas zugespitzt, das meine ich jetzt einmal in die Richtung der CDU - damit Sie nicht gleich wieder nervös werden, ich meine das wirklich nur ein bisschen zugespitzt -: Die Bürgerinnen wollen ein Europa der Regionen, nicht ein Europa der Vaterländer. Ich sage das deshalb bewusst, weil das einmal heikel war, wenn man mit Konservativen darüber gesprochen hat, dass man immer gleich als „Vaterlandsverräter“ galt. Das will ich damit überhaupt nicht sagen. Ich will darauf verweisen als Beispiel, wenn heute jemand in Thüringen 100 Jahre alt ist, dann hat er mindestens vier verschiedene Größen von Vaterländern erlebt und fünf verschiedene politische Situationen - ich will es einmal freundlich formulieren.

Warum diese Menschen dann sagen: Wir sind heute Europäerinnen und Europäer und vor allem aber Menschen, die aus unserem Dorf, unserer Stadt, unserer Region stammen, das leuchtet, glaube ich, jedem ein. Dieses Thema haben wir Grüne mit unserem Gründungsmythos darin, dass wir gesagt haben: Wir wollen ein Europa der Regionen, wir wollen ein Europa sein, in dem die Regionen wichtig sind, aber ansonsten Europa eine Einheit bildet.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da geht die Frage wieder in Richtung CDU - als weitest von uns entfernte -, wie schnell das gehen soll, da komme ich noch dazu, aber die Grundrichtung ist auch dort, glaube ich, deutlich und die wird auch von den Bürgerinnen und Bürgern so gestützt.

Ein Punkt, an dem häufiger einmal Dissens herrscht, Herr Bergemann, das haben Sie auch gerade angesprochen, ist das Thema der Sozialpolitik. Wir haben eine Wirtschaftsunion, wir haben mittlerweile eine Währungsunion. Was eigentlich noch fehlt, ist eine Sozialunion. Da wird es dann immer kribbelig. Das verstehe ich auch. Jeder, der mit dem Thema zu tun hat, weiß schon, wo das Problem ist. Da meine ich jetzt gar nicht bis hin zu dem populistischen Problem von irgendwelchen Armutsmigrationen oder so, keine Ahnung. Aber ich bleibe dabei als jemand, der jetzt im 24. Jahr hier ist, dass unsere gemeinsame deutsch-deutsche Einheit als Beispiel gelten kann, aber nicht immer als Vorbild. Das ist mir auch wichtig dabei. Als Vorbild aus zwei Gründen nicht: Erstens wäre das politisch nicht opportun. Ich glaube, die allermeisten europäischen Länder möchten nicht von Deutschland auf diese Art und Weise „belehrt“ werden. Aber als Beispiel gerade auch in den negativen Sachen, die uns hier

alle beschwert haben. In der Zeitung läuft gerade „20 Jahre Kaliwerk Bischofferode“. Man muss nur daran erinnern, wenn es zum Beispiel um die Frage des Problems des Exportüberschusses Deutschlands in die EU hinein geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Worunter hat denn die DDR gelitten oder dann die neuen Länder, wenn nicht unter dem Exportüberschuss der westdeutschen Länder in diese neuen Länder hinein? Was ist denn hier kaputt gemacht worden und aus welchem Grund ist es kaputtgegangen? Weil hier keine Exportbasis in die andere Richtung war. Das hatte ja Gründe, das hatte sogar ganz brutale politische Gründe. Das müssen wir nicht weiter diskutieren, da sind wir, glaube ich, mittlerweile alle derselben Ansicht. Daraus als Beispiel zu lernen und zu sagen, jetzt sind wir alle, wie wir hier sitzen, auf der anderen Seite, jetzt gehören wir zu denen, die am längeren Hebel sitzen. Wie gehen wir mit dem langen Hebel um? Akzeptieren wir die Tatsache, dass die Griechen in die Lage versetzt werden, eine Konsumgüterindustrie aufzubauen, die unserer Konkurrenz machen kann (so wie wir es auch gern gehabt hätten mit Staßfurt und FORON und meinetwegen auch mit Kali)? Diese Frage, denke ich, kann man heute bei Europa stellen und die kann man auch aus deutscher Sicht beantworten und muss sie auch beantworten, weil wir tatsächlich unter den 28 - 28 sind wir jetzt, glaube ich, auch da kommt man schon fast nicht mehr mit die Stärksten sind.

Wir leben hier in der Europäischen Union als Bundesbürgerinnen und Bundesbürger sicher und wohlhabend und demokratisch. Ich glaube, das haben im Kerneuropa, das nenne ich bewusst jetzt mit diesem Begriff, die meisten Menschen mittlerweile verstanden. Ich als jemand, der im Westen groß geworden ist, kann nur sagen, damals das Europa der 6 und dann der 7 und der 10, das ist mittlerweile 40 Jahre her und da sind zwei Generationen groß geworden mit dem Bewusstsein, für uns ist Europa eine gute Sache. Diese Menschen können sich tatsächlich noch daran erinnern, dass es Grenzen gab, an denen man irgendwelche Pässe vorzeigen musste, also alles das, mit dem wir heute gar nicht mehr argumentieren können, weil wir es als eine schiere Selbstverständlichkeit ansehen, wir und sowieso alle Menschen, die jünger sind als wir, dass das in Europa funktioniert. Denen kann man nicht einmal mehr erklären, was zwischen Deutschland sozusagen vor 25 Jahren noch gewesen ist, das macht schon Schwierigkeiten. Aber noch mehr Schwierigkeiten macht es, sich vorzustellen, wie es jetzt mit der Schweiz werden könnte, um ein bisschen Gegenposition hier aufzubringen, was ich sehr bedauere,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wo man auch sehen kann, wie knapp Mehrheiten ausfallen können und dann doch Wirkung entfalten. Wir haben zum Beispiel auch in Europa mit dem Wegfall der 3-Prozent-Hürde bei den Wahlen, die uns jetzt unser Verfassungsgericht aufgegeben hat, ich will es einmal so sagen, vielleicht so etwas wie eine Chance und ein Risiko zugleich. Wir Grünen sehen zwar eher das Risiko der Zersplitterung durch die Tatsache, dass der größte Anteil am Europäischen Parlament, 96 Parlamentarier, jetzt auf einmal nicht aus fünf oder sechs Fraktionen kommen, sondern auch noch aus zehn, elf oder zwölf, keine Ahnung, weiß man nicht genau. Die Chance könnte natürlich darin bestehen, dass wir uns nicht als Europäer schmollend in die Ecke zurückziehen und sagen, ihr nehmt uns noch nicht einmal ernst, ihr haltet uns für so etwas Banales, Überflüssiges wie ein Stadtparlament, dass wir nicht durch eine Mindestquotierung geschützt werden müssen, wenn man hinein will. Im positiven Sinne als Chance begriffen, mal schauen, was wirklich an Personen und an Gruppierungen hinein kommt und ob wir nicht vielleicht sehen können, dass das Thema einer direkteren Demokratie, einer direkteren Tatsache, dass man also auch mit kleinen Parteien in die Politik kommen kann, durch Europa - als Beispiel - dann auch möglicherweise zurück auf die nationalen Parlamente wirken kann. Unsere 5-Prozent-Hürde ist auch nicht in Stein gemeißelt, sie hat uns mehr als gute Dienste geleistet. Ich glaube, niemand möchte daran auch nur einen Deut rütteln, aber nichts ist so fix, dass es nicht unwandelbar ist. Vielleicht wird irgendwann noch mal die 3-Prozent-Hürde in Deutschland relevant, weil Europa sie wieder einführt und wir dann alle gemeinsam mit dem klassischen Kompromiss arbeiten. Das ist dann typisch Europa, wir nehmen Kompromisse in Kauf, weil 28 gemeinsam arbeiten wollen.

Es wird dann ärgerlich, wenn ich heute in einer Pressemitteilung meiner Kollegin aus dem Bundestag lesen muss, dass aktuell eines der kleinen europäischen Programme, die so viel Gutes anrichten können, nämlich das Programm MobiPro - wir haben darüber hier schon öfter gesprochen, als wir über die Spanier geredet haben, die hier in Thüringen gestrandet waren -, heute ausgesetzt worden ist, weil der Haushalt vorläufigerweise nicht genehmigt ist. So etwas ist europäisch gesehen natürlich von ausgesprochenem Nachteil, wenn man bei diesem Programm, was gerade dafür sorgen soll, dass Menschen in Europa mobil sind, die das wollen oder teilweise auch müssen - das darf man auch nicht vergessen, wir reden durchaus von Zwangsmigration in Europa -, noch nicht einmal mehr in den Genuss der Fördermittel kommt, nur weil wir nicht in der Lage sind - mit „wir“ meine ich jetzt uns Europäer insgesamt -, unseren Haushalt pünktlich abzuliefern. Dass dann übrigens gerade Deutschland sich den blauen Brief abholen muss, weil

Deutschland es nicht geschafft hat, seine Haushaltsdaten pünktlich nach Europa zu liefern, aber darauf bestanden hat, dass das genau als Kriterium eingeführt wird, macht die Sache auch nicht besser.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also wir sind eben auch nicht mehr der Musterknabe in Europa. Dieses Wissen tut manchmal nicht besonders gut, aber gehört mit zur Wahrheit. Wir haben zu lernen, dass Europa besser geht, als wir es zurzeit tun. Aber über den Weg dahin werden wir uns sicherlich dann verständigen müssen. Im Ergebnis möchte ich in meinem kurzen Beitrag hier sagen, dass ich glaube, auch bei dem Punkt, den Herr Bergemann zu Recht angesprochen hat als einen der ganz großen Streitpunkte, nämlich der Frage: Soll Europa tiefer werden, also sich mehr vereinigen, mehr Einheit zeigen, oder breiter werden, sprich noch mehr Länder aufnehmen, und wie schnell soll das gehen? Diese Fragen sind tatsächlich ungeklärt. Ich meine, mit der aktuellen Situation in der Ukraine wird eine Debatte sicherlich deutlich wieder an Fahrt gewinnen, nämlich die Frage: Nehmen wir noch mehr Mitglieder auf und welche? Ich bin durchaus übrigens, das kann ich auch hier vorn am Podium sagen, mit meiner Partei nicht im Konsens, was die Aufnahme aller weiteren Beitrittskandidaten angeht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verrate mal, wer die sind!)

Wenn das hier gewünscht wird: Ich würde die Türkei nicht aufnehmen. Da bin ich sozusagen bei der CDU.

(Beifall CDU)

So viel parteilicher Dissens muss auch einmal sein. Das betrachte ich aber nicht als eine kulturelle Angelegenheit, das wäre nämlich wieder...

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kannst du noch sagen, warum?)

Ja, das könnte ich auch noch sagen, warum. Ja, ich halte das für einen wirtschaftlichen Fehler. Ich halte zurzeit die Europäische Einigung für eine Wirtschaftsunion und wirtschaftlich halte ich es für einen Fehler, die Türkei aufzunehmen. Aber das ist, wie gesagt, hier vorn gerade meine Privatmeinung gewesen, nicht die meiner Partei. Ich glaube, dass wir uns darin einig werden können, dass die Einigung Europas, die wir auch im Sozialbereich zwingend brauchen - so weit würde, glaube ich, noch jede Fraktion hier mitgehen -, dass diese Einigung kommen muss. Ob sie und wie schnell sie kommen muss, diese Frage werden wir im Streit ausfechten müssen, aber was mir gerade zurzeit fehlt - ich sehe immer auf Herrn Bergemann bei dem Thema, weil seine Fraktion dort das Problem darstellt -, ist, dass die Richtung klar werden muss. Also die Rich

tung im Sinne von, dass wir wenigstens mit dem Thema arbeiten und sagen, die Bankenregulierung muss jetzt kommen und die muss jetzt auch schnell kommen, denn wir können den Leuten nicht ein zweites Mal etwas zumuten, was wir vor vier Jahren erlebt haben. Wenn das noch einmal passiert, bricht die EU auseinander. Da sind wir uns alle einig und da sind Sie als Person und wahrscheinlich auch alle, die hier sitzen, genauso negativ gestimmt, was mich angeht, dass die Europäische Union das nicht schafft, das schneller hinzubekommen.